Rechtsquellen des Völkerrechts
Völkerrechtliche Verträge:
internationale Übereinkünfte, allgemeiner und besonderer Natur, in denen von den Parteien ausdrücklich anerkannte Normen aufgestellt worden sind (=> dem VölkerR unterliegende Vereinbarung, zw. zwei VölkerR-Subjekten mit Rechtsbindungswillen geschlossen)
Bezeichnungs- und Formfreiheit + Vertragsautonomie (Grenzen: ius cogens, vgl. Art. 53 WVRK; Verträge zu Lasten Dritter, vgl. Art. 34 WVRK)
Völkergewohnheitsrecht:
„... Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung“ (Art. 38 I b IGH-Statut)
=> Bedingungen:
- objektiv: allgemeine Übung (Anwendung, Staatenpraxis)
- subjektiv: als Recht anerkannt (Rechtsüberzeugung, opinio iuris <-> ansonsten: keine Wirkung)
(pro: Schließen von Regelungslücken; contra: Transparenz/ Legitimation)
Allgemeine Rechtsgrundsätze:
- Grundbedingungen jeder Rechtsordnung (z.B. Treu und Glauben/ bona fide; auditur et altera pars; pacta sunt servanda; ubi non accusator, ibi non iudex; ...)
- Grundsätze der Rechtslogik (z.B. lex specialis)
(müssen in UN-Staaten anerkannt sein)
nach Art. 38 I d) IGH-Statut außerdem:
- Beschlüsse von Internationalen Organisationen (Verbindlichkeit hängt von Ermächtigungsgrundlage ab)
- Lehrmeinungen als Rechtserkenntnisquelle/ Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen
Akteure des Völkerrechts
Originäre Völkerrechtssubjekte:
Staaten, hl. Stuhl, Malteser-Orden, etc.
Internationale Organisationen: (abgeleitete/ gekorene Völkerrechtssubjekte)
-> Merkmale:
- von mind. zwei Staaten gegründet
- auf der Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrages
- mit wenigstens einem handlungsfähigen Organ zur gemeinsamen Willensbildung
Partielle/ Relative Völkerrechtssubjektivität:
-> besteht nur gegenüber bestimmten anderen Völkerrechtssubjekten (relatives Verhältnis)
-> besteht nur für ein bestimmtes Themengebiet des Völkerrechts (partielle Völkerrechtsbeteiligung)
Geltung und Rang von völkerrechtlichen Verträgen und allg. Regeln des Völkerrechts
Rang völkerrechtlicher Verträge in Normhierarchie der deutscher Rechtsordnung:
Zustimmung des Gesetzgebers gem Art. 59 II S.1 GG => Rang eines Bundesgesetzes
Verwaltungsabkommen wird nach Art. 59 II S. 2 GG als Rechtsverordnung umgesetzt und nimmt deren Rang ein
-> nach BVerfG: „Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG" => Auftrag zur Nutzung aller methodisch vertretbaren Auslegungstechniken zur Vermeidung eines Völkerrechtsverstoßes (Vermutung der intendierten VölkerR-Treue des Gesetzgebers; Grenze tragende Grundsätze des Verfassungsrechts); Auslegungsmethoden:
Vertragsgesetz als lex specialis
Vermutung gegen stillschweigende lex posterior
völkerrechtskonforme Auslegung des Gesetzesrechts
menschenrechtskonforme Auslegung von Grundrechten
Berücksichtigung der Spruchpraxis internationaler Gerichte („Orientierungswirkung“, insb. EGMR)
Geltung/ Rang von allg. Regeln des Völkerrechts (vgl. Art. 25 S.1 GG):
-> Art. 25 S. 1 GG umfasst Gewohnheitsrecht und allg. Rechtsgrundsätze nach Art. 38 IGH-Statut (soweit „allgemein“ verbreitet und nicht nur von einzelnen Staaten akzeptiert)
(Gewohnheitsrecht: Übung von einiger Dauer, longa consuetudo/ getragen von Rechtsüberzeugung, opinio iuris)
-> kein Übernahmeakt erforderlich; Vorrang vor Bundesgesetzen = keine lex posterior durch (einfachen) Gesetzgeber möglich, allerdings unter Rang der Verfassung (h.M.)
-> pers. Anwendungsbereich: Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets (vgl. Art. 25 S. 2, 2. Hs.); in Prozess: Gerichte sind allg. Regeln unterworfen gem. Art. 25 i.V.m. Art 20 III GG -> für Unklarheiten besitzt BVerfG das Entscheidungsmonopol (s.u.)/ außerdem: VerfBeschwerde, gestützt auf Art. 2 I i.V.m. Art. 25 GG
(Bsple.: argentinische Finanzkrise/ Bombenangriff auf Brücke von Varvarin)
=> Rolle des BVerfG - Normverifikationsverfahren:
-> verbindliche Klärung der völkerrechtlichen Existenz einer „allgemeinen Regel des Völkerrechts“ gem. Art. 100 II GG („Entscheidungsmonopol“ des BVerfG; ergänzt Verwerfungsmonopol für nachkonstitutionelle Gesetze in Abs. 1)
Zweck: Reaktion auf besondere Schwierigkeiten im Umgang mit ungeschriebenen/ dynamischen Normen im Gewohnheitsrecht/ effektive Durchsetzung des VölkerR im innerstaatlichen Bereich
Geltung und Rang von Beschlüsse von IOs und EU
Internationale Organisationen (IOs):
Beschlüsse sind völkerrechtlich verbindlich, wenn Gründungsvertrag dazu ermächtigt (vgl. Art. 25 UN-Charta)
-> aber: innerstaatliche Geltung in Deutschland nicht automatisch (dualistischer Ausgangspunkt); bedürfen gesonderter Umsetzung
Europäische Union (supranationale Organisation):
-> Gründung von und Mitwirkung an supranationalen Organisationen => Übertragung von Hoheitsrechten (Durchgriff auf die Rechtsstellung des Einzelnen)
-> in GG: lex generalis: Art. 24 I GG/ lex specialis: Art. 23 GG; bedürfen keiner gesonderten Umsetzung
Verhältnis zwischen Völkerrecht und nationalem Recht
(allgemein)
Theorienstreit:
Monismus: einheitliche Rechtsordnung aus internationalem und nationalem Recht; arg.: Widerspruchsfreiheit, Staaten selbst Kreation des Völkerrechts (Primat der innerstaatlichen Rechtsordnung <-> Primat der Völkerrechtsordnung)
Dualismus: getrennte Rechtsordnung; arg. eigenständige Geltungsgründe/ Legitimation, nicht durch internationales Recht geschaffen (=> Anwendung nur durch innerstaatl. Rechtsakt, str. Adoptionslehre/ Transformationslehre/ Vollzugslehre; siehe eigene Kartei: innerstaatlicher Vollzug von Völkerrecht)
=> im GG: Art. 59 II GG (dualistisch) <-> Art. 25 GG (eher monistisch, allerdings ebenfalls Rechtsanwendungsbefehl)
Geltung und Rang der EMRK und Funktion des EGMR
EMRK = (grds.) völkerrechtlicher Vertrag (Unterzeichner: Mitglieder des Europarates)
Individualbeschwerde bei EGMR:
-> bei Behauptung, in einem durch Konvention oder ZP garantierten Recht verletzt zu sein
(!) Subsidiarität: Art. 35 I EMRK (Erschöpfung des innerstaatlichen Rechtswegs)
=> (nur) Feststellungsurteil - aber Pflicht zur Beendigung der Beeinträchtigung (ggf. Entschädigung)
Problemfall: BVerfG und EGMR vertreten gegensätzliche Positionen zur Grundrechts- bzw. Menschenrechtskonformität eines nationalen Gesetzes (BVerfG bejaht Verfassungsmäßigkeit; EGMR stellt Verstoß gegen EMRK fest)
-> Rolle eines EGMR-Urteils: grds. Pflicht zur Umsetzung der EMRK (Art. 46 EMRK); aber EMRK ist ein völkerrechtlicher Vertrag => (lediglich) förmliches Bundesgesetz (über Art. 59 II GG)
-> unbilliges Ergebnis: Menschenrechte stehen auf einer Ebene mit einfachen Bundesgesetzen (wie bspw. BJagdG)
=> Lösung: Berücksichtigungspflicht (≠ schematische Anwendungspflicht) durch Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des GG (vgl. Präambel, Art. 1 II, 9 II, 23-26 GG) <-> Grenze: Berührung von tragenden Verfassungsgrundsätzen [vgl. Görgülü-Entscheidung d. BVerfG]
-> alternativ: Wertung der EMRK als Völkergewohnheitsrecht; Vorrang gem. Art 25 GG (allg. Praxis, schwer vertretbar)
=> EGMR nimmt faktische Orientierungs- und Leitfunktion ein (inter-partes, Bindungswirkung nur für BRD selbst als Völkerrechtssubjekt, wenn dt. Staat selbst verurteilt wurde); BVerfG versucht Konventionsverstöße zu vermeiden (erneute Klage bei BVerfG ausnahmsweise möglich, aufgrundrechtserheblicher Änderungen der Sach- und Rechtslage) <-> bei (materiellen) Widerspruch mit nationalen Grundrechten, gehen diese vor
-> Pflicht einer deutschen Behörde zur Anwendung eines EMRK-widrigen Gesetzes: BVerfG hat alleiniges Verwerfungsmonopol (lediglich Pflicht des Gesetzgebers aus Art. 46 EMRK zur Änderung des konventionswidrigen Gesetzes; bis dahin muss Verwaltung durch den Gewaltenteilungsgrundsatz geltendes Recht anwenden, insofern ihr keine Auslegungsspielräume zustehen)
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