Unmittelbare Anwendbarkeit des EU-Rechts - Ansicht des EuGH
> EU-Recht hat Vorrang vor jeder innerstaatlichen Rechtsvorschrift
-> Anwendungsvorrang
keine Nichtigkeit von entgegenstehenden innerstaatlichen Bestimmungen, lediglich unanwendbar
kollidierendes innerstaatliches Recht weiterhin auf Sachverhalte ohne Bezug zum EU-Recht anwendbar
-> Bedürfnis nach einheitlicher Geltung und Anwendungs des EU-Rechts ohne unnötige Beeinträchtigung der nationalen Rechtsordnungen
> Begründung:
Eigenständigkeit der EU-Rechtsordnung
Notwendigkeit der einheitlichen Geltung
-> ansonsten würde Rechtscharakter als in allen Mitgliedstaaten geltendes EU-Recht aberkannt werden
-> Infragestellung der Rechtsgrundlage der EU
> Folge:
Unanwendbarkeit von nationalen Vorschriften bei entgegenstehender unmittelbar anwendbarer Bestimmung des primären oder sekundären EU-Rechts
Unmittelbare unionsrechtliche Verpflichtung der Behörden und Gerichte zur Anwendung der EU-Vorschriften
keine Messung des EU-Rechts am nationalen Recht
-> Prüfungsmaßstab kann nur höherrangige Norm sein
-> Sache des EuGH, BVerfG hier keine Kompetenz
Unmittelbare Anwendbarkeit des EU-Rechts - Ansicht des BVerfG
> Verhältnis EU-Rechts vs. einfaches nationales Recht
Anwendungsvorrang von unmittelbar anwendbaren EU-Recht
-> Anwendungsvorrang beruht auf ungeschriebenen Kollisionsnorm des Primärrechts (innerstaatliche Geltung über das Zustimmungsgesetz zum EU/AEU-Vertrag gem. Art. 23 GG)
Gerichte und Behörden haben selbst über Vorrang des EU-Rechts zu befinden
-> Vorlange vor BVerfG nur bei verfassungswidirgen Gesetzen, nicht unionsrechtswidirgen Gesetzen
> Verhältnis EU-Recht vs. Verfassungsrecht
solange I Beschluss
> grds. Vorrang des EU-Rechts, aber Grenze in Grundrechten des GG, EU-Rechtsakte dürfen nicht gegen dt. Grundrechte verstoßen
-> EU-Recht gilt im innerstaatlichen Raum wegen dt. Zustimmungsgesetz (Verfassungsrechtliche Legitimation in Art. 24 I GG)
-> Art. 24 I GG gestattet nur Übertragung von Hoheitsrechten, wenn Grundstruktur des GG nicht verletzt wird
Solange II- Beschluss
> Bestätigung von solange I, aber Grundrechtsschutz nach GG kann entfallen, wenn auf EU-Ebene ein Grundrechtsschutz generell gewährleistet wird, der dem des GG im wesentlichen entspricht
-> es wird keine absolute Identität verlangt
Maasticht-Urteil
> Fortsetznge von Solange II
> Kooperationsverhältnis, der EuGH gewährleistet Grundrechtsschutz gegen EU-Rechtsakte in jedem EInzelfall, das BVerfG beschränkt sich auf generelle Gewährleistung des unabdingbaren Grundrechtsstandards
Bananmarkt-Beschluss
-> Bestätigung von Solange II
Lissabon-Urteil
> Schwerpunkt ist nicht Überprüfung des EU-Rechts am Maßstab der dt. Grundrecht, sondern die demokratische Legitimierung der Hoheitsakte
> BVerfG spricht EU-Parlament Stellung als vollwertiges Parlament ab, ausreichende demokratische Kontrolle nur durch nationale Parlamente
-> Feststellung eines “demokratischen Defizit”
> Sonderfall der “ultra-vires-Kontrolle” bzw. “ausbrechenden Hoheitsakte”
Rechtshandlungen der EU, die unter Kompetenzüberschreitungen erlassen werden, sind in Deutschland nicht anzuwenden
Konkretisierung im sog. Honeywell-Beschluss: Voraussetzungen für ausbrechenden Hoheitsakt
EU-Hoheitsakte können nur Geltung beanspuchen, wenn sie sich im Rahmen der mit dem Zustimmungsgesetz übertragenen Befugnisse halten
> Sonderfall der Anwendung vollvereinheitlichten Sekundärrechts - “Recht auf Vergessen II”
bei Anwendung von vollvereinheitlichem Sekundärrecht der EU durch dt. Behörde oder Gericht kann ein Betroffener der Entscheidung diese vor dem BverfG mit Verfassungsbeschwerde angreifen und sich ausnahmsweise auf EU-Grundrechte berufen
keine Kontrolle am Maßstab der deutschen Grundrechte, da wegen der Vollvereinheitlichung ansonsten sekundäres EU-Recht inzident überprüft werden würde
-> wegen Anwendungsvorrang unzulässig!
kein entsprechender Rechtsbehelf im EU-Recht
dogmatischer Ansatzpunkt: Integrationsverantwortung, Art. 23 I 1 GG: fordert Mitwirkung an effektiver Anwendung des EU-Rechts
Keine unmittelbare Anwendbarkeit des EU-Rechts
> bei keine unmittelbaren Anwendbarkeit trotzdem unionsrechtskonforme Auslegung von nationalem Recht
Unterfall: unionsrechtskonforme Auslegung
-> Pflicht folgt aus Art. 288 III AEUV i.V.m. Art. 4 III EUV, EInsetzung mit Ablauf der Umsetzungsfrist
-> Vorrang vor der unmittelbafen Wirkung einer RL
-> Grenzen der Auslegung zu beachten
Unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch
A. Beim Aufbau als genuin unionsrechtlicher Anspruch
I. Herleitung und Anspruchsgrundlage
-> Genuin unionsrechtlicher Anspruch, Herleitung:
Rechtsgedanken des Art. 340 Abs. 2 AEUV
Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts,
Grundsatz der Unionstreue nach Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV
Grundsatz des Schutzes der unionsrechtlich begründeten Individualrechte.
II. Haftungsvoraussetzungen
Verstoß eines Organs oder eines Amtsträgers eines Mitgliedstaats(Legislative/Exekutive/Judikative) gegen eine primär- oder sekundärrechtlicheUnionsnorm, welche die Verleihung subjektiver Rechte bezweckt.
Hinreichend qualifizierter Verstoß
a) Bei Legislativ- und Administrativunrecht
> Offenkundige und erhebliche Überschreitung des dem Mitgliedstaat beim Vollzugoder der Umsetzung von Unionsrechten eingeräumten Ermessensspielraums.
> Indizien:
Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Rechtsnorm sowie Umfang desErmessenspielraums der verletzten Norm
Vorsätzlichkeit des Verstoßes bzw. der Verursachung des Schadens
Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums
Stellungnahme eines Unionsorgans
b) Bei Judikativunrecht
> Nur bei einem offenkundigen Verstoß eines mitgliedstaatlichen Gerichts gegenUnionsrecht.
-> wie oben, zusätzlich:
Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV
Offenkundig unionsrechtswidrige Normauslegung, Sachverhalts- oderBeweiswürdigung, etwa bei Verkennung der Rechtsprechung des EuGH
Dem Urteil wurde eine nationale Norm zugrunde gelegt, die gegen unmittelbaranwendbares Primär- oder Sekundärrecht verstößt.
3. Unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen Verstoß und Schaden
III. Rechtsfolgen
Schadensersatzanspruch des Geschädigten
Ausgestaltung des Haftungsanspruchs nachdem nationalen Staatshaftungsrecht unter Berücksichtigung des Effektivitäts- undÄquivalenzgebots:
Haftungsumfang: Angemessener Schadensersatz in Geld; Naturalrestitution (str.)
Kein Mitverschulden des Geschädigten, insbes. Erschöpfung des primärenRechtsschutzes
Anspruchsverpflichteter: Der Mitgliedstaat, unabhängig von derschadensverursachenden Stelle
Kein Erlöschen des Anspruchs infolge verspäteter rückwirkender Umsetzung einer Richtlinie (Anspruch erlischt nur bei endgültiger Behebung des ganzen Schadens)
Verjährung des Anspruchs richtet sich nach nationalem Recht.
B. Beim Aufbau nach deutschem Staatshaftungsrecht
Zur Herleitung siehe oben
Unionsrechtskonforme Modifikation des Staatshaftungsanspruchsnach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG:
I. Drittbezogenheit der Amtspflicht ist außer Acht zu lassen.
II. Das Verschuldenserfordernis darf nicht über die Anforderungen des hinreichendqualifizierten Verstoßes hinausgehen.
III. Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht anwendbar.
IV. Richterprivileg nach § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht anwendbar.
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