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Verhältnis Europarecht & nationales Recht & Staatshaftung

IM
by Isabella M.

Unmittelbare Anwendbarkeit des EU-Rechts - Ansicht des BVerfG

> Verhältnis EU-Rechts vs. einfaches nationales Recht

  • Anwendungsvorrang von unmittelbar anwendbaren EU-Recht

    -> Anwendungsvorrang beruht auf ungeschriebenen Kollisionsnorm des Primärrechts (innerstaatliche Geltung über das Zustimmungsgesetz zum EU/AEU-Vertrag gem. Art. 23 GG)

  • Unanwendbarkeit von nationalen Vorschriften bei entgegenstehender unmittelbar anwendbarer Bestimmung des primären oder sekundären EU-Rechts

  • Unmittelbare unionsrechtliche Verpflichtung der Behörden und Gerichte zur Anwendung der EU-Vorschriften

  • Gerichte und Behörden haben selbst über Vorrang des EU-Rechts zu befinden

    -> Vorlange vor BVerfG nur bei verfassungswidirgen Gesetzen, nicht unionsrechtswidirgen Gesetzen

> Verhältnis EU-Recht vs. Verfassungsrecht

  • solange I Beschluss

    > grds. Vorrang des EU-Rechts, aber Grenze in Grundrechten des GG, EU-Rechtsakte dürfen nicht gegen dt. Grundrechte verstoßen

    -> EU-Recht gilt im innerstaatlichen Raum wegen dt. Zustimmungsgesetz (Verfassungsrechtliche Legitimation in Art. 24 I GG)

    -> Art. 24 I GG gestattet nur Übertragung von Hoheitsrechten, wenn Grundstruktur des GG nicht verletzt wird

  • Solange II- Beschluss

    > Bestätigung von solange I, aber Grundrechtsschutz nach GG kann entfallen, wenn auf EU-Ebene ein Grundrechtsschutz generell gewährleistet wird, der dem des GG im wesentlichen entspricht

    -> es wird keine absolute Identität verlangt

  • Maasticht-Urteil

    > Fortsetznge von Solange II

    > Kooperationsverhältnis, der EuGH gewährleistet Grundrechtsschutz gegen EU-Rechtsakte in jedem EInzelfall, das BVerfG beschränkt sich auf generelle Gewährleistung des unabdingbaren Grundrechtsstandards

  • Bananmarkt-Beschluss

    -> Bestätigung von Solange II

  • Lissabon-Urteil

    > Schwerpunkt ist nicht Überprüfung des EU-Rechts am Maßstab der dt. Grundrecht, sondern die demokratische Legitimierung der Hoheitsakte

    > BVerfG spricht EU-Parlament Stellung als vollwertiges Parlament ab, ausreichende demokratische Kontrolle nur durch nationale Parlamente

    -> Feststellung eines “demokratischen Defizit”

> Sonderfall der “ultra-vires-Kontrolle” bzw. “ausbrechenden Hoheitsakte”

  • Rechtshandlungen der EU, die unter Kompetenzüberschreitungen erlassen werden, sind in Deutschland nicht anzuwenden

  • Konkretisierung im sog. Honeywell-Beschluss: Voraussetzungen für ausbrechenden Hoheitsakt

  • EU-Hoheitsakte können nur Geltung beanspuchen, wenn sie sich im Rahmen der mit dem Zustimmungsgesetz übertragenen Befugnisse halten

> Sonderfall der Anwendung vollvereinheitlichten Sekundärrechts - “Recht auf Vergessen II”

  • bei Anwendung von vollvereinheitlichem Sekundärrecht der EU durch dt. Behörde oder Gericht kann ein Betroffener der Entscheidung diese vor dem BverfG mit Verfassungsbeschwerde angreifen und sich ausnahmsweise auf EU-Grundrechte berufen

  • keine Kontrolle am Maßstab der deutschen Grundrechte, da wegen der Vollvereinheitlichung ansonsten sekundäres EU-Recht inzident überprüft werden würde

    -> wegen Anwendungsvorrang unzulässig!

  • kein entsprechender Rechtsbehelf im EU-Recht

  • dogmatischer Ansatzpunkt: Integrationsverantwortung, Art. 23 I 1 GG: fordert Mitwirkung an effektiver Anwendung des EU-Rechts


Unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch

A. Beim Aufbau als genuin unionsrechtlicher Anspruch

I. Herleitung und Anspruchsgrundlage

-> Genuin unionsrechtlicher Anspruch, Herleitung:

  • Rechtsgedanken des Art. 340 Abs. 2 AEUV

  • Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts,

  • Grundsatz der Unionstreue nach Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV

  • Grundsatz des Schutzes der unionsrechtlich begründeten Individualrechte.

II. Haftungsvoraussetzungen

  1. Verstoß eines Organs oder eines Amtsträgers eines Mitgliedstaats(Legislative/Exekutive/Judikative) gegen eine primär- oder sekundärrechtlicheUnionsnorm, welche die Verleihung subjektiver Rechte bezweckt.

  2. Hinreichend qualifizierter Verstoß

    a) Bei Legislativ- und Administrativunrecht

    > Offenkundige und erhebliche Überschreitung des dem Mitgliedstaat beim Vollzugoder der Umsetzung von Unionsrechten eingeräumten Ermessensspielraums.

    > Indizien:

    • Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Rechtsnorm sowie Umfang desErmessenspielraums der verletzten Norm

    • Vorsätzlichkeit des Verstoßes bzw. der Verursachung des Schadens

    • Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums

    • Stellungnahme eines Unionsorgans

    b) Bei Judikativunrecht

    > Nur bei einem offenkundigen Verstoß eines mitgliedstaatlichen Gerichts gegenUnionsrecht.

    > Indizien:

    -> wie oben, zusätzlich:

    • Verletzung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV

    • Offenkundig unionsrechtswidrige Normauslegung, Sachverhalts- oderBeweiswürdigung, etwa bei Verkennung der Rechtsprechung des EuGH

    • Dem Urteil wurde eine nationale Norm zugrunde gelegt, die gegen unmittelbaranwendbares Primär- oder Sekundärrecht verstößt.

3. Unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen Verstoß und Schaden

III. Rechtsfolgen

  • Schadensersatzanspruch des Geschädigten

  • Ausgestaltung des Haftungsanspruchs nachdem nationalen Staatshaftungsrecht unter Berücksichtigung des Effektivitäts- undÄquivalenzgebots:

  1. Haftungsumfang: Angemessener Schadensersatz in Geld; Naturalrestitution (str.)

  2. Kein Mitverschulden des Geschädigten, insbes. Erschöpfung des primärenRechtsschutzes

  3. Anspruchsverpflichteter: Der Mitgliedstaat, unabhängig von derschadensverursachenden Stelle

  4. Kein Erlöschen des Anspruchs infolge verspäteter rückwirkender Umsetzung einer Richtlinie (Anspruch erlischt nur bei endgültiger Behebung des ganzen Schadens)

  5. Verjährung des Anspruchs richtet sich nach nationalem Recht.


B. Beim Aufbau nach deutschem Staatshaftungsrecht

  • Zur Herleitung siehe oben

  • Unionsrechtskonforme Modifikation des Staatshaftungsanspruchsnach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG:

I. Drittbezogenheit der Amtspflicht ist außer Acht zu lassen.

II. Das Verschuldenserfordernis darf nicht über die Anforderungen des hinreichendqualifizierten Verstoßes hinausgehen.

III. Subsidiaritätsklausel des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ist nicht anwendbar.

IV. Richterprivileg nach § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht anwendbar.

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Isabella M.

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