Ursachen der Gingivitis und Parodontitis
Ursache der Gingivitis ist der bakterielle Biofilm und nicht etwa Ernährungsfehler oder Stoffwechselstörungen. Dies erlaubt den Rückschluss, dass Gingivitis durch effektive Kontrolle des Biofilms vermieden werden kann.
Die parodontal-pathogenen Bakterien-Arten im Biofilm lassen sich kaum über eine bestimmte Diät beeinflussen.
Sammelt sich der bakterielle Biofilm dem Weichgewebe der Gingiva direkt benachbart an, kann sich unter bestimmten Voraussetzungen eine Entzündung dieses Gewebes entwickeln.
Ab wann ist die Plaque pathogen?
Dies ist bei ungestörtem Wachstum nach ca. sieben Tagen erreicht
Welche Bakterien enthält der Biofilm zu Beginn?
Vor allem aerobe, grampositive Kokken und Stäbchen
Welche Bakterien enthält der Biofilm wenn älter und dicker wird?
So finden in den tieferen Schichten zunehmend Anaerobier günstige Lebensbedingungen und vermehren sich.
Auch hier handelt es sich vorwiegend um Kokken und Stäbchen, jedoch nehmen jetzt auch gramnegative Arten zu.
Welche Bakterien enthält der tief ausgereifte Biofilm?
Es befinden sich auch gramnegative Schraubenbakterien, die sogenannten Spirochäten.
Diese gramnegative Keime, die ein sauerstoffarmes Milieu zum Wachstum benötigen, besitzen die zur Auslösung einer Entzündung nötige Pathogenität.
Körpereigene Abwehr
Haut und Schleimhäute bilden schützende Barrieren gegenüber allen körperfremden EInflüssen.
Was sind die unverkennbaren Entzündungsanzeichen?
Rubor (Rötung)
Calor (Wärme)
Dolor (Schmerz)
Functio laesa (gestörte Funktion)
entsteht durch vermehrte Durchblutung
kommt bei Berührung durch erhöhte Spannung der Gefäße und die ödematische Auflockerung des Gewebes zu einer erhöhten Blutungsneigung
Blutung nach Sondierung bzw. ,,Zahnfleischbluten” ist ein typisches und zuverlässiges Entzündungsanzeichen.
Tumor (Schwellung)
entsteht durch die Dehnung in den Gefäßwänden zwischen den Endothelzellen Lücken, durch die Flüssigkeit und Zellen aus der Blutbahn ins Gewebe übertreten können.
weiße Blutzellen gehören der zellulären Abwehr an, sie können körperfremde oder abgestorbenes Material identifizieren und phagozytieren.
Der Gingivalsaum sieht wulstig aus, die Epitheloberfläche ist gespannt und glänzt, die Stippelung kann schließlich verschwinden.
Erhöhung der lokalen Temperatur,
kann nur mit speziellen Messmethoden festgestellt werden
Entzündungsmediatoren reizen im Gewebe liegende sensible Nervenendigungen und können so eine Schmerzreaktion auslösen, die in ihrer Ausprägung sehr unterschiedliche sein kann.
Function laesa (gestörte Funktion)
Schmerz und auch eine starke Schwellung führen oft zu einer Einschränkung der Funktion des betroffenen Körperteils
Der Patient vermeidet Mundhygienemaßnahmen, weil sie zu unangenehmen Empfindungen und Blutungen führen.
Frühe Gingivitis
Das Stadium der frühen Gingivitis bleibt nur kurze Zeit bestehen (maximal ein bis zwei Tage), dann steigert sich bei unveränderten Bedingungen die entzündlichen Reaktion und eine etablierte Gingivitis entwickelt sich.
sobald der Biofilm eine ausreichende Pathogenität erreicht hat, bildet sich eine milde Form der Gingivitis
hier zeigt sich noch keine Rötung
Blutungsneigung ist erhöht
das Blutserum steigt im Saumepithel zur Zahnoberfläche auf und kann als Sulcus fluid wahrgenommen werden
am Saumepithel ist eine Ansammlung von Granulozyten, auch Infiltrat genannt, erkennbar, sie bilden am Sulkusgrund die Abwehrfront
Der Sulkus ist bereits vertieft
Die Haftung des Saumepithels beginnt sich bereits zu lösen,
dadurch gelangt der Biofilm in subgingingivale Bereiche, wo er günstige Lebensbedingungen hat
die mechanische Reinigung und die Spülwirkung des Speichels sind hier nicht mehr gegeben
die neue supragingivale Biofilmschicht sorgt dann für ein parodontalpathogenes günstiges Milieu
Etablierte Gingivitis
Eine etablierte Gingivitis heilt vollständig aus, sobald die verursachende Biofilmschicht beseitigt wird. Die Entzündungsreaktion klingt innerhalb von ca. sieben Tagen ab, die Gewebeschäden werden regeneriert, der gesunde Zustand kann wiederhergestellt werden.
Rötung und Schwellung sind am Marginalrand deutlich zu erkennen
die Oberfläche ist gespannt-glänzend, die Stippelung kann ganz verschwinden
Sulkus vertieft sich, subgingivale Flora etabliert sich
bakterielle Noxen, also schädigende Substanzen wie Enzyme und Toxine können leichter eindringen und es kommt zu Schäden an Fibroblasten (Bindegewebszellen die Kollagen produzieren) und Kollagenfasern
Sondierungstiefe erhöht sich klinisch auf 3-4 mm und
…kann durch Schwellung und Gewebehyperplasie gesteigert werden, man spricht hier von Pseudotaschen, wobei hier kein Verlust von Zahnhalteapparat vorliegt
durch gesteigerte Entzündung kann ein Gleichgewichtszustand, der über viele Jahre konstant gehalten werden kann
diese chronische Gingivitis wird meist nicht als unangenehm erlebt, dass der Patient diese nicht als krankhafte Veränderung begreift
findet in diesem Stadium keine Entfernung des Biofilm statt , so kann sich nach Jahren schließlich eine Parodontitis entwickeln
Übergang zur Parodontitis
Ursache:
Abwehr am Gingivasaum kann zeitweise geschwächt werden,
…z.B. bei Auftreten von allgemeinen Infektionen oder in Stresssituationen
individuelle Mundhygiene ist nicht immer konstant
Gleichgewicht zwischen bakteriellem Angriff und Immunantwort des Gewebes geht verloren
Unterschiede in der individuellen Immunreaktion
Im Laufe der Zeit addieren sich diese Schübe, sodass die Entzündung schließlich den Bereich der zahntragenden Strukturen erreicht.
Wieviele Bakterienkomplexe gibt es?
Man unterscheidet zurzeit 4 verschiedene Komplexe, sie werden in 4 verschiedenen Farben unterteilt
Welche Komplexe gibt es?
Dem roten Komplex gehören die wichtigsten Parodontalpathogenen an, dieser wird regelmäßig in tiefen, aktiven (blutenden) Taschen nachgewiesen:
Porphyromonas gingivalis, Treponema denticola, Bacteroides forsythus
Eng mit ihm vergesellschaftet ist der orange Komplex:
Fusobacterium nucleatum, Prevotella intermedia
Man unterscheidet auch noch einen gelben und einen grünen Komplex, welche sich eher in parodontal gesundem Milieu finden, also aus wenig aggressiven Bakterien.
Darüber hinaus gibt es aber auch einzelne Spezies, die sich nicht zu einem Komplex zuordnen lassen
Welche Spezies der Bakterien ist für die juvenile Parodontitis verantwortlich?
Aggregatibacter actinomyceten comitans
Lässt sich nicht zu einem Komplex zuordnen, ist offenbar ebenfalls Krankheitsverusachend
Parodontale Läsion
es entsteht ein Attachementverlust
es wandelt sich um in ein Taschenepithel
subgingivaler Biofilm hat sich etabliert
festhaftender Biofilm kann mineralisieren und sich zu subgingivalen Zahnstein umwandeln
es bildet sich Pus (Eiter), der resorbiert oder nach koronal abtransportiert werden muss
in tieferen Taschen kann es zur Abszessbildung kommen
es kommt zum Abbau benachbarter Strukturen, wie dem desmodontalen Faserapparat und dem Alveolarknochen
Zahnfleischrezessionen, Zahnwanderungen, Lückenbildung und schließlich Lockerung der Zähne
kann von Patient zu Patient, sowie Zahn zu Zahn unterschiedlich sein
Systemische (im Körpersystem liegende) Kofaktoren
erblich bedingtes Risiko
ethnische und familiäre Häufungen
Allgemeinerkrankungen:
Leukämien, Bluterkrankungen, HIV-Infektion/AIDS, Diabetes mellitus,
sowie das metabolische Syndrom: (Zusammentreffen von mindestens drei Zuständen aus erhöhtem Blutdruck, erhöhtem Blutzuckerspiegel, exzessiver Fettansammlung im Bauch- /Taillenbereich, veränderter Blutfettwerte)
Lokale Faktoren
Natürliche Faktoren
Engstände der Zähne
Wurzelunregelmäßigkeiten (starke Krümmung, Einziehungen oder Fissuren)
Schmelzperlen
Retentionsnische
Überstehende Füllungs- und Kronenränder
Verblockte Zwischeräume, die der Reinigung nicht zugänglich sind
Tief subgingival gelegte Restaurationsränder
Überkonturierte, also zu bauchige Restaurationsränder, die die Reinigung erschweren
funktionelle Störung
Vorkontakte
Überbelastung eines einzelnen Zahnes können den Verlauf einer PAR beschleunigen
Umweltfaktoren
Lebensumstände des Patienten
Mundhygiene
Raucherstatus
Stressbelastung
Klassifikation parodontaler Erkrankungen
Gingivale Erkrankung
Biofilminduzierte gingivale Erkrankung:
Darunter werden alle durch den nahe dem Gingivalsaum haftenden Biofilm ausgelösten Entzündungen der Gingiva verstanden. Sie können durch systemische Faktoren (z.B. hormonelle Schwankungen, Diabetes, Leukämie), durch Arzneimittel (z.B. Nifepidin, Ciclosporin,, Hydantoin) oder auch durch Mangelernährung (v.a. Vitamin-C-Mangel) modifiziert sein.
Nicht-biofilminduzierte gingivale Erkrankung
dazu werden spezifische bakteriell-, viral- und pilzbdingte Infektionen gezählt (z.B. Treponema pallidum-assoziierte, also syphilitische Läsionen, oraler Herpes, Candida- Infektionen), außerdem Manifestation systemischer Erkrankung an der Gingiva (z.B. Lichen planus, Lupus erythematodes, allergische Reaktionen) sowie traumatische und Fremdkörperreaktionen (z.B. Verbrennungen, Verätzungen, Tätowierungen).
Chronische Parodontitis
Kann in jedem Alter auftreten, wird aber vorwiegend bei Erwachsenen gefunden
Es werden unterschieden:
Lokalisierte chronische Parodontitis: < 30% der ZF sind befallen
Generalisierte chronische Parodontitis: > 30% der ZF sind befallen
Aggressive Parodontitis
Diese Form befällt überwiegend jüngere Menschen
Hier wird unterschieden in:
Lokalisierte aggressive Parodontitis: beginnt bereits in während der Pubertät, meist sind nur die ersten Molaren und zentralen Inzisiven in beiden Kiefern befallen (früher: lokalisierte juvenile Parodontitis)
Generalisierte aggressive Parodontitis: Patienten sind meist jünger als 30 Jahre, mindestens drei andere Zähne als 1. Molaren und Schneidezähne sind befallen. Der Verlauf ist deutlich durch akute Episoden gekennzeichnet.
Parodontitis als Manifestation systemischer Erkrankung
in Begleitung verschiedener Allgemeinerkrankung, die die Immunabwehr des Wirtes beeinflussen
Nekrotisierende Parodontalerkrankung
Kommt vor bei Einfluss von emotionalem Stress, Fehlernährung, starkem Rauchen oder HIV-Infektion mit schlechter Muhy.
Es wird unterschieden in:
Nekrotisierende ulzerierende Gingivitis (NUG)
gekennzeichnet durch ,,ausgestanzte” Papillen; Pseudomembranen (Fibrinablagerungenüber nekrotischen Gewebanteilen) und Foetor ex ore (Mundgeruch) können vorkommen
Nekrotisierende ulzerierende Parodontitis (NUP)
Nekrosen erstrecken sich auf das gingivale Gewebe, das Desmodont und den Alveolarknochen. Diese Form findet sich meist bei Patienten mit systematischer Erkrankungen bzw. Beeinträchtigungen (z.B. schwere Unterernährung, Immunsuppression, auch HIV-Infektion).
Darüber hinaus werden noch Abszesse des Parodonts (Gingiva-, Parodontal- und Perikoronarabszess) sowie entwicklungsbedingte oder erworbene Deformation und Zustände unterschieden.
Parodontale Therapie
Eine kausale Therapie der Parodontitis ist nur möglich, indem man den verursachenden Biofilm am Zahnfleischsaum und in den Taschen beseitigt.
Die parodontale Heilung besteht lediglich in einer Reparatur der entstandenen Gewebe-schäden. Eine echte Regeneration, also eine Wiederherstellung der ursprünglichen Strukturen und ihrer Funktion, findet in nur sehr beschränktem Umfang statt.
Die Verringerung der Sondierungstiefe ist jedoch, wenn überhaupt, nur zu einem geringen Teil auf eine echte Regeneration des Zahnhalteapparates zurückzuführen.
Systematik der Parodontaltherpie
logisch abgestimmte Einzelmaßnahmen
Nachsorge
Erhaltungsphase, die unterstützende paradontale Therapie (UPT)
Hygienphase
Es ergibt sich also eine Dreiteilung des Behandlungsablaufes in Hygienephase, korrektive Phase und Erhaltungsphase.
Hygienephase
Aufklärung und Information des Patienten über Ursachen seiner Erkrankung sowie Möglichkeiten und Vorraussetzung
Motivierung zur Mitarbeit
Mundhygieneinstruktionen
Professionelle Zahnreinigung
Beseitigung von iatrogenen (ärztlich verursachten) Reizen (überstehende Restaurationsränder, unzugängliche Zwischenräume etc).
konservierend-chirurgische Maßnahmen, z.B. Extraktion nicht erhaltungswürdiger Zähne
Reevaluation (Wiederbeurteilung) der Situation, Behandlungsentscheid und ggf. Erstellung der nötigen Unterlagen (Taschen- und Röntgen-Status)
Korrektive Phase
In der korrektiven Phase findet die ,,eigentliche” Therapie, also das systematische subgingivale Scaling und die Wurzelglättung statt.
Erhaltungsphase (UPT)
Zur Stabilisierung des erzielten Behandlungsergebnisses ist wichtig:
Aufrechterhaltung einer wirksamen supragingivalen Plaquekontrolle, um eine Wiederbesiedelung der subgingivale Räume zu verhindern.
Regelmäßige Überprüfung der behandelten Taschen, um einer erneuten Entzündung im subgingivalen Bereich rechtzeitig entgegenwirken zu können.
Es ist wünschenswert, einen Status der Taschenblutungen erst dann zu erstellen, wenn der Gingivalsaum (wieder entzündungsfrei ist.
Eine UPT-Sizung könnte also folgendermaßen ablaufen:
Überprüfung der Mundhygiene, ggf Remotivierung/ erneute Instruktion
Sondierung aller Parodontien zur Erkennung aktiver, also entzündeter und behandlungsbedürftiger Taschen
Regelmäßige (z.B. einmal jährliche) Reevaluationsstatus (idealerweise bei entzündungsfreier Gingiva, sonst in einer zweiten Sitzung) zur Dokumentation des Krankheits-/ Therapieverlaufs
Ggf Reinstrumentierung wieder entzündeter Taschen
Fluoridierung (besonders der freiliegenden Dentinflächen)
Zum Anfang einen dreimonatigen Abstand der UPT Sitzung.
Die Geschwindigkeit, mit der die UPT Abstände verlängert werden, hängt im wesentlichen von der Mitarbeit des Patienten ab, aber auch von der Qualität der Heilungsvorgänge im Gewebe ab.
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