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Beurteilung der Streitigkeiten des Handelsgerichts
beurteilt die ihm zugewiesenen Rechtsstreitigkeiten nach ZPO 5 f.
Beurteilung entweder als Kollegialgericht —> §44 GOG ZH
grundsätzlich nur ordentliches Verfahren
Beurteilung entweder als Einzelgericht —> § 45 GOG ZH
Anwendung Summarverfahren
Ausgangspunkt: Anwendung von ZPO 221 —> wenn nicht gegeben —> Nichteintretungsentscheid
—> Sodann wird überprüft, ob bereits gleichartige Verfahren bestehen, konnexe Fälle angelegt wurden bzw. ob zur Prozessthematik von der Gegenpartei früher eine Schutzschrift eingereicht worden ist (vgl. ZPO 270)
—> Ungeachtet des Grundsatzes der amtswegigen Prüfung der Prozessvoraussetzungen trifft die Parteien eine Mitwirkungsobliegenheit. Zu den Prozessvoraussetzungen gehört auch die gehörige Verfahrenseinleitung, welche mit den in Art. 59 Abs. 2 ZPO ausdrücklich genannten Prozessvoraussetzungen in einem engen Zusammenhang steht. Eine nicht explizit in Art. 59 Abs. 2 ZPO genannte Prozessvoraussetzung bilden insbesondere die ausreichend individualisierten Rechtsbegehren. Nur aufgrund einer hinreichenden Individualisierung der Klage lässt sich beurteilen, ob das Gericht sachlich sowie örtlich zuständig und die Sache nicht anderweitig rechtshängig oder rechtskräftig entschieden ist. Angesichts des Dispositionsgrundsatzes verbietet sich diesbezüglich eine Konkretisierung durch das Gericht.
geschäftliche Tätigkeit i.S.v. ZPO 6
Vor das Handelsgericht sollen nur Streitigkeiten gelangen, die kaufmännischer, technischer oder ähnlicher Natur sind.
Unter den Begriff «geschäftliche Tätigkeit» fallen alle berufs- und gewerbemässig betriebenen Geschäfte einer im Handelsregister eingetragenen Person. Der Begriff ist weit zu fassen.
Auch Konsumentenstreitigkeiten fallen unter die geschäftliche Tätigkeit, sofern der Prozessgegenstand die Geschäftstätigkeit einer Partei betrifft. Ob eine Beziehung zur geschäftlichen Tätigkeit besteht oder ob ein Privatgeschäft vorliegt, muss aus den konkreten Umständen geschlossen werden. Unter eine geschäftliche Tätigkeit fällt nicht nur das Grundgeschäft des Gewerbes, sondern auch das Hilfs- oder Nebengeschäft, das die Geschäftstätigkeit fördert oder unterstützt (z. B. Reklame). Ein auch nur loser Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand und der geschäftlichen Tätigkeit genügt
Verbesserung von mangelhaften Eingaben gem. ZPO 131 f.
Stellt das Gericht verbesserliche Mängel fest (z.B. ungenügende Anzahl an Exemplaren der Klageschrift, fehlendes Beweismittelverzeichnis, unzureichende Parteiangaben, fehlende Unterschrift und fehlende Vollmacht), setzt es der klagenden Partei eine kurze Nachfrist an, um diese Mängel zu beheben, andernfalls die Eingabe als nicht erfolgt gilt; Gleiches gilt für unleserliche, ungebührliche, unverständliche oder weitschweifige Eingaben
Erfassung nur von formellen Mängel (ZPO 132), nicht jedoch auf inhaltliche Unzulänglichkeiten wie fehlende oder ungenügende Begründung der Klage
Mängel:
ungenügende Vollmacht
fehlender ausländischer Registerauszug
fehlendes oder mangelhaftes Beweismittelverzeichnis
ungenügende Parteibezeichnung
unleserliche Eingabe
weitschweifige Eingabe
ungenügende Vollmacht: Lässt sich die klagende Partei im Prozess vertreten, so ist mit der Klage eine Vollmacht einzureichen, aus welcher das betreffende Vertretungsverhältnis hervorgeht (ZPO 221 II lit. a und ZPO 68 III). Organvertreter müssen sich durch einen Handelsregisterauszug ausweisen.
Ungenügend ist eine Vollmacht, die auf eine Anwaltskörperschaft (z.B. XY Rechtsanwälte AG) lautet, da die Prozessvollmacht für die Parteivertretung vor Gericht auf die die jeweilige Partei vertretenden Anwälte zu lauten hat. —> n Fällen stets Frist zur Einreichung einer prozessgenügenden Vollmacht
Bei einer allfälligen Säumnis wird (androhungsgemäss) vollmachtloses Handeln angenommen bzw. auf die Klage nicht eingetreten
fehlender ausländischer Registerauszug: handelsrechtliche Streitigkeit wird in sachlicher Hinsicht unter anderem der Eintrag der Parteien im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register vorausgesetzt.
Das ausländische Register muss jedenfalls in etwa die gleiche Funktion wie das hiesige Handelsregister erfüllen. In Betracht kommen daher auch Bescheinigungen der Handelskammern oder der Konsulate, aber auch sonstige Beweismittel, aus denen sich mit Bestimmtheit ergibt, dass die Partei im Ausland als kaufmännisches Unternehmen anerkannt ist.
bei Fehlen: so setzt das Handelsgericht der klagenden Partei Frist an, um ein entsprechendes amtliches Dokument im Original (allenfalls mit deutscher Übersetzung der wesentlichen Passagen) einzureichen, aus dem die Eintragung der Partei im betreffenden Land, die eintragende Amtsstelle, die Firmendetails und weiter auch die konkreten Zeichnungsberechtigungen hervorgehen
Fehlendes oder mangelhaftes Beweismittelverzeichnis: e einzureichende Verzeichnis der Beweismittel (ZPO 221 I lit. d) ist Teil der gehörigen Beweisantretung und hat sowohl die beigelegten (Urkunden) als auch die beantragten (etwa Zeugen, Gutachten) Beweismittel (ZPO 168 ff.) zu enthalten. Ein blosses Verzeichnis der Beilagen (Urkunden) genügt nicht, sofern sich die klagende Partei in ihrer Rechtschrift nebst Urkunden auch noch auf andere Beweismittel beruft
—> fehlendem oder mangelhaftem Beweismittelverzeichnis wird der klagenden Partei Frist zur Nachreichung angesetzt
—> Die spezielle Säumnisfolge von Art. 132 Abs. 1 ZPO, wonach die Klageeingabe als nicht erfolgt gilt, ist dagegen kaum gerechtfertigt, da Art. 221 Abs. 2 lit. d ZPO eine blosse Ordnungsvorschrift ist, die dem Gericht die Arbeit erleichtern soll (namentlich sollten in diesem Verzeichnis die Zeugenadressen vollständig aufgelistet werden).
Möglichkeiten:
Massnahme des Handelsgericht: ergeht in diesem Zusammenhang vielmehr die Androhung, dass bei Säumnis die Beweismittel der Klage als nicht formgerecht angeboten angesehen werden. Das Gericht kann demnach bei nicht fristgerechter Nachreichung von der Abnahme der Beweismittel absehen oder allenfalls gemäss Art. 153 Abs. 2 ZPO Beweis von Amtes wegen erheben, wenn die klägerische Sachdarstellung unbestritten bleibt, aber erhebliche Zweifel an deren Richtigkeit bestehen
andere Möglichkeit (wird aber vom Handelsgericht nicht praktiziert!): besteht in der nachträglichen Erstellung des Beweismittelverzeichnisses durch das Gericht auf Kosten der säumigen Partei.
ungenügende Parteibezeichnung: so dass über ihre Identität kein Zweifel besteht. Bei natürlichen Personen sind zumindest der vollständige Name (Vor- und Nachname) und die genaue aktuelle Wohnsitzadresse anzugeben; bei juristischen Personen sowie partei- und prozessfähigen Handelsgesellschaften richten sich die Angaben nach dem Eintrag im Handelsregister bzw. dem entsprechenden ausländischen Register. Die genaue Bezeichnung der Prozessparteien ist eine zentrale Voraussetzung für die Prüfung ihrer Partei- und Prozessfähigkeit wie auch ihrer Legitimation.
Bei (eingetragenen) Einzelunternehmungen ist nicht die Firma, sondern stets der jeweilige Inhaber anzugeben
Gesamthandschaften wie einfache Gesellschaften (Art. 530 ff. OR) oder Erbengemeinschaften (Art. 602 ZGB) bilden eine notwendige Streitgenossenschaft, die als solche nicht partei- und prozessfähig ist, sondern aus mehreren Hauptparteien besteht, die einzeln zu bezeichnen sind —> alle Erben bzw. Gesellschafter als Parteien gesondert aufzuführen, allenfalls mit dem Zusatz «Erbengemeinschaft X» oder mit der Bezeichnung der einfachen Gesellschaft.
Stockwerkeigentum beziehen, vorzunehmen, weil die Stockwerkeigentümergemeinschaft mit Bezug auf das Sondervermögen ihrer Verwaltungstätigkeit beschränkt partei- und prozessfähig ist —> Ausserhalb der Verwaltung des Stockwerkeigentums bzw. dessen gemeinschaftlicher Teile verfügt die Stockwerkeigentümergemeinschaft über keine Handlungs- und Prozessfähigkeit. Je nachdem (ob das Sondervermögen betroffen ist oder nicht) haben der oder die Stockwerkeigentümer, einzeln oder gemeinsam, oder die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer als solche zu klagen. Demgemäss muss auch die Parteibezeichnung im Rubrum der Klageschrift eindeutig sein
Ansprüche der Konkurs- oder Liquidationsmasse im Prozess geltend machen will, muss angeben, dass sie als Abtretungsgläubigerin nach Art. 260 SchKG handelt und eine Abtretungsverfügung ins Recht legen, was eine Prozessvoraussetzung darstellt.
weder partei- noch prozessfähig ist die Zweigniederlassung. Eine Zweigniederlassung ist ein kaufmännischer Betrieb, der rechtlich Teil einer Hauptunternehmung ist, von der er abhängt, und der in eigenen Räumlichkeiten dauernd eine gleichartige Tätigkeit wie jene ausübt, wobei er über eine gewisse wirtschaftliche und geschäftliche Unabhängigkeit verfügt. Eine Zweigniederlassung bildet mithin zusammen mit dem Hauptsitz eine rechtliche Einheit und ist selbst weder in der Lage (als Klägerin) Rechte geltend zu machen noch (als Beklagte) in Anspruch genommen zu werden. Trotzdem kommt es in der handelsgerichtlichen Praxis immer wieder vor, dass Zweigniederlassungen im Rubrum der Klageschrift, entweder als klagende oder beklagte Partei, aufgeführt werden
—> Fehlt die von Amtes wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung der Parteifähigkeit, so führt dies grundsätzlich zum Nichteintreten auf die Klage.
Ergibt die Auslegung der Klage jedoch, dass sich eine Partei bloss in der Bezeichnung vergriffen hat, so ist die fehlerhafte Bezeichnung von Amtes wegen zu berichtigen. In diesem Sinne hat auch das Bundesgericht eine Berichtigung der Parteibezeichnung wiederholt als zulässig erachtet, sofern bei Aufführung der Zweigniederlassung im Rubrum keine Zweifel über die Identität der Partei (Hauptunternehmung) bestehe und damit jede Gefahr einer Verwechslung ausgeschlossen werden könne.
nur in Zweifelsfall: ZPO 56; Fragepflicht auszuüben, um festzustellen, wer klagt bzw. wer verklagt werden soll.36 Bei anwaltlich vertretenen Parteien ist, wie das Bundesgericht mehrfach betont hat, allerdings Zurückhaltung bei der gerichtlichen Fragepflicht geboten.
unleserliche Eingabe: Beurteilung der Unleserlichkeit ist, ob es für das Gericht und die Parteien noch zumutbar ist, die Eingabe ohne grosse Mühe zu lesen. Die Unleserlichkeit einer Eingabe kann etwa darin begründet sein, dass sie sich aufgrund von häufigen Verweisen und Abkürzungen nicht in einem Zug lesen lässt, sondern den Leser zum ständigen Blättern zwingt.
—> keine zumutbare Grundlage eines Prozesses darstellt, wurde dem Kläger eine Nachfrist angesetzt, um die betreffenden Mängel zu beheben und dem Gericht eine verbesserte Eingabe einzureichen
weitschweifige Eingabe:
folgenden Kriterien Auskunft: (1) Umfang des angefochtenen Entscheids sowie früherer oder gegnerischer Rechtsschriften und (2) inhaltliche Abschweifung vom Prozessthema. Übermässige Weitschweifigkeit wird etwa angenommen bei langatmigen Ausführungen und ständigen Wiederholungen bezüglich einzelner Tat- oder Rechtsfragen, die zur Wahrung eines Anspruchs nicht erforderlich sind und/oder sich in keiner Weise auf das Prozessthema beziehen. Weitschweifigkeit kann aber auch darin gesehen werden, dass eine Partei zahlreiche Beilagen zu einer Rechtsschrift einreicht, die nicht in erkennbarer Weise mit der konkreten Streitfrage im Zusammenhang stehen.
zu Vorschnell auf Weitschweifigkeit —> Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs
Das Handelsgericht weist weitschweifige Eingaben im Sinne von Art. 132 ZPO aus dem Recht und setzt der betreffenden Partei entsprechend eine Nachfrist zur Verbesserung. Dabei ist es nicht Aufgabe des Gerichts, im Detail aufzuzeigen, welche konkreten Passagen weitschweifig oder schwer verständlich sind. Dies auch deshalb, weil das Gericht sich ohnehin nicht mit jedem und sämtlichen Vorbringen befassen muss, sondern sich mit der Behandlung der relevanten Streitpunkte und Fragen begnügen kann
Das Handelsgericht bejahte die Frage der Weitschweifigkeit beispielsweise in folgendem Fall (bezüglich der Klageantwort): •Klageschrift der Klägerin (inklusive Beweismittelverzeichnis): Umfang: 24 Seiten; Gewicht: 137 Gramm. •Klageantwort der Beklagten (inklusive Beweismittelverzeichnis): Umfang: 265 Seiten; Gewicht: 1’546 Gramm.
—> Mit der Nachfristansetzung erhielt die Beklagte die Auflage, ihre Vorbringen in einer Rechtsschrift vorzutragen, die den Umfang von 100 Seiten nicht übersteigt
ungenügende (mangelhafte Klageschrift)
Rechtsbegehren: muss genügend bestimmt sein
sachliche Zuständigkeit
sachlich zuständig, wenn eine handelsrechtliche Streitigkeit gemäss Art. 6 Abs. 2 ZPO vorliegt. Eine solche ist gegeben, wenn die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist, gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen steht und die Parteien im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen sind.
Ist nur die beklagte Partei im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren Register eingetragen, sind aber die übrigen Voraussetzungen erfüllt, so hat die klagende Partei die Wahl zwischen dem Handelsgericht und dem ordentlichen Gericht.207 Das Handelsgericht ist ferner zuständig für Streitigkeiten gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a–e und lit. h ZPO sowie für Streitigkeiten aus dem Recht der Handelsgesellschaften und Genossenschaften.
Fragen der sachlichen Zuständigkeit bei objektiver Klagenhäufung betreffend Ansprüchen mit unterschiedlichen Streitwerten und Verfahrensarten (teilweise unter und über CHF 30’000.–)
Klagehäufung: ZPO 90; klagende Partei mehrere Ansprüche gegen dieselbe Partei in einer Klage vereinen, sofern das gleiche Gericht dafür sachlich zuständig ist und die gleiche Verfahrensart anwendbar ist.
Ansprüche die aufgrund ihrer Streitwerte einzeln betrachtet nicht in der gleichen Verfahrensart bzw. vom gleichen Gericht beurteilt würden, können jedenfalls dann gehäuft werden, wenn sie in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen.
Die sachliche Zuständigkeit und die Verfahrensart müssen aufgrund der addierten Streitwerte gleich sein
—> In einer Klage vor dem Handelsgericht können daher zusammen mit einem Rechtsbegehren auf Zahlung einer Summe über CHF 30’000.– auch Rechtsbegehren mit Summen unter dieser Schwelle eingeklagt werden. Mit anderen Worten ist zunächst Art. 93 ZPO und erst dann Art. 90 ZPO anzuwenden.
Bejaht man die Zulässigkeit einer Zusammenrechnung und resultiert daraus ein Streitwert von über CHF 30’000.–, so kommt das ordentliche Verfahren zur Anwendung und das Handelsgericht ist zur Beurteilung sämtlicher Ansprüche zuständig, selbst wenn einzelne Streitgegenstände für sich betrachtet im vereinfachten Verfahren zu beurteilen wären.
Frage der sachlichen Zuständigkeit bei einfacher Streitgenossenschaft
Bezüglich Ansprüchen mit unterschiedlichen Streitwerten (teilweise unter und über CHF 30’000.–)
Bezüglich Ansprüchen gegen eine einfache Streitgenossenschaft, wenn nicht sämtliche Streitgenossen im Handelsregister eingetragen sind
setzt voraus, dass die gleiche Verfahrensart anwendbar ist.
Weiter muss die gleiche sachliche Zuständigkeit für alle eingeklagten Ansprüche gelten.
Durch eine Zusammenrechnung der einzelnen Streitwerte könnte zwar der nach Art. 6 Abs. 2 lit. b ZPO massgebliche Streitwert erreicht werden. Insofern wäre – falls auch die übrigen Voraussetzungen gemäss Art. 6 Abs. 2 ZPO vorliegen – die sachliche Zuständigkeit des Handelsgerichts zu bejahen. Zu beachten ist aber die Regelung von Art. 93 Abs. 2 ZPO, welche eine Änderung der Verfahrensart ausschliesst. Die Verfahrensart würde sich daher weiterhin nach den jeweiligen Streitwerten der gegen die einzelnen Streitgenossen geltend gemachten Ansprüche richten. Aufgrund von Art. 243 Abs. 3 ZPO wäre das Handelsgericht aber nicht zur Beurteilung derjenigen Klagen zuständig, für welche das vereinfachte Verfahren gilt. Dies führt letztlich dazu, dass die Zuständigkeit des Handelsgerichts für die Klage gegen einen Streitgenossen bzw. für die Klagen von einem Streitgenossen ausgeschlossen ist, wenn der Streitwert des betreffenden Anspruchs CHF 30’000.– nicht übersteigt.
Ist für einzelne Streitgenossen das Vorliegen einer handelsrechtlichen Streitigkeit zu bejahen, für andere hingegen nicht, sind nach der handelsgerichtlichen Rechtsprechung die ordentlichen Gerichte zur Beurteilung sämtlicher subjektiv gehäufter Klagen, auch derjenigen gegen im Handelsregister eingetragene Parteien, sachlich zuständig.
Das Bundesgericht hat eine gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde abgewiesen und damit diese Praxis bestätigt. Es stellte fest, dass für alle eingeklagten Ansprüche die gleiche sachliche Zuständigkeit gelten müsse, was Art. 71 ZPO stillschweigend voraussetze.
Ansprüche die gleiche sachliche Zuständigkeit gelten müsse, was Art. 71 ZPO stillschweigend voraussetze. Im Rahmen seiner Kompetenz zur Regelung der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte216 müsse es den Kantonen erlaubt sein, aus prozessökonomischen Gründen und zur Vermeidung widersprüchlicher Urteile eine einheitliche sachliche Zuständigkeit für einfache passive Streitgenossen vorzusehen und damit die (zwingende) sachliche Zuständigkeit der Handelsgerichte zu durchbrechen
Die Zuständigkeit könne allerdings nicht gesamthaft dem Handelsgericht übertragen werden, denn dessen Zuständigkeit sei durch das Bundesrecht begrenzt und könne nicht auf weitere Fälle ausgedehnt werden. Hingegen spreche nichts dagegen, die Zuständigkeit des Handelsgerichts für solche Fälle aufzuheben und das ordentliche Gericht für alle Klagen zuständig zu erklären.
Vorrang der Verfahrensart
Nach Art. 243 Abs. 3 ZPO findet vor dem Handelsgericht das vereinfachte Verfahren keine Anwendung
Was das Verhältnis zwischen handelsgerichtlicher Zuständigkeit und dem vereinfachten Verfahren betrifft, hat das Bundesgericht entschieden, dass die Verfahrensart der sachlichen Zuständigkeit vorgeht
Das Handelsgericht ist damit sachlich nicht zuständig für Streitigkeiten, die gemäss Art. 243 Abs. 1 und 2 ZPO im vereinfachten Verfahren zu beurteilen sind
Streitwert von exakt CHF 30’000.–
Nach Art. 243 Abs. 1 ZPO gilt das vereinfachte Verfahren für vermögensrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von CHF 30’000.–.
Eine Streitigkeit mit einem Streitwert von genau CHF 30’000.– wird daher entsprechend vom vereinfachten Verfahren erfasst
Geht nach der oben erwähnten bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Verfahrensart der sachlichen Zuständigkeit vor, so hat dies zur Folge, dass Streitigkeiten mit einem Streitwert von exakt CHF 30’000.– von den ordentlichen Gerichten im vereinfachten Verfahren zu entscheiden sind, selbst wenn nach Art. 6 Abs. 2 ZPO die Zuständigkeit des Handelsgerichts zu bejahen wäre.
Das Handelsgericht ist in einem solchen Fall somit nicht zuständig, da der Streitwert die Verfahrensart bestimmt und diese die Zuständigkeit des Handelsgerichts einschränkt
Frage der sachlichen Zuständigkeit für obligatorische Ansprüche mit einem Streitwert von unter CHF 30’000.– aus Verträgen, die Immaterialgüterrechte zum Gegenstand haben
Der Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO ist (in der Lehre) allerdings umstritten.
Fraglich ist, ob sich diese Bestimmung nur auf Streitigkeiten bezieht, die sich als spezifische Bestandes- und Abwehrklagen des gewerblichen Rechtsschutzes erweisen oder darüber hinaus auch Vertragsklagen umfasst, die eine Nichtoder Schlechterfüllung von Kauf-, Abtretungs- oder Lizenzverträgen über Immaterialgüterrechte, mithin obligatorische Ansprüche aus Vertrag zum Gegenstand haben.
das Handelsgericht bejahte seine sachliche Zuständigkeit für solche vertragsrechtlichen Klagen mit dem Hinweis, dass dies dem Willen des Gesetzgebers entspreche, der für derartige Vertragsklagen eine einzige kantonale Instanz vorsehe.
—> das Handeslgericht ist im Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 lit. a ZPO – und damit unabhängig vom Streitwert – für die Beurteilung von obligatorischen Ansprüchen zuständig
Mediationsklausel
stellte sich in einem Fall kürzlich die Frage, ob bei einer vorhandenen Streitbeilegungsabrede (Mediationsklausel) die Durchführung eines Einigungsversuchs eine Prozessvoraussetzung im Sinne von Art. 59 ZPO darstellt oder nicht. Das Handelsgericht kam zum Schluss, dass die Beachtung einer Mediationsklausel keine Prozessvoraussetzung darstellt; demgemäss wies es den betreffenden Antrag der beklagten Partei, es sei auf die Klage nicht einzutreten, ab
Verjährungsunterbrechung durch Klageeinleitung mit anschliessendem Klagerückzug
Wer eine Klage beim zum Entscheid zuständigen Gericht zurückzieht, kann gegen die gleiche Partei über den gleichen Streitgegenstand keinen zweiten Prozess mehr führen, sofern das Gericht die Klage der beklagten Partei bereits zugestellt hat und diese dem Rückzug nicht zustimmt.
Praxis des Handelsgericht: wird nach Klageeingang und Anlegen des Geschäfts in der Geschäftsverwaltung nach erster (summarischer) Prüfung der Prozessvoraussetzungen durch den Vorsitzenden der Klageeingang mittels Verfügung bestätigt, der klagenden Partei gleichzeitig Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses nach Art. 98 ZPO angesetzt und zudem die Klageschrift samt Klagebeilagen sogleich an die Gegenpartei zugestellt.
Mit Zustellung der Klage an die Gegenpartei (der Versand der Klageschrift allein genügt also noch nicht!) beginnt grundsätzlich die Fortführungslast zu wirken.
Bis zu diesem Zeitpunkt (Eingang der Klage bei der Gegenpartei nach den Grundsätzen von Art. 138 ff. ZPO) kann die Klage gemäss Art. 65 ZPO ohne Zustimmung der Gegenseite jederzeit ohne Rechtsverlust (unter Vorbehalt der Verwirkung von Fristen) zurückgezogen werden.
Danach (also nach erfolgter Zustellung) kommt einem allfälligen Klagerückzug – ausser es liegt eine entsprechende Zustimmung der Gegenseite vor – die Wirkung einer Klageabweisung zu; d.h. einer erneuten Klage würde dann die Einrede der res judicata entgegenstehen.
Vor diesem Hintergrund kann daher die klagende Partei mit dem Erklären des Klagerückzuges nicht allzu lange zuwarten, ansonsten gegebenenfalls die erwähnte (oft nicht gewollte) Fortführungslast eintritt.
Es liegt jedenfalls einzig in der Verantwortung der klagenden Partei selbst, den Rückzug der Klage rechtzeitig zu erklären; Ersuchen um Zuwarten etc. sind dabei weder bindend noch vermögen sie – nach Zustellung der Klageschrift – den Beginn der Fortführungslast zu verhindern.
Widerklage aus dem Anwendungsbereich von Art. 243 ZPO
Nach Art. 224 Abs. 1 ZPO ist eine Widerklage zulässig, wenn der geltend gemachte Anspruch in derselben Verfahrensart zu beurteilen ist wie die Hauptklage. In einem ordentlichen Verfahren kann keine Widerklage erhoben werden, die im vereinfachten Verfahren zu behandeln wäre
Die klagende Partei darf nicht dazu gezwungen werden, über eine Forderung die im zeitlich vorteilhaften vereinfachten Verfahren zu beurteilen wäre, einen ordentlichen Prozess zu führen. Entsprechend ist eine Widerklage, die im vereinfachten Verfahren zu beurteilen wäre, in einem ordentlichen Verfahren nicht zulässig und es ist daher nicht auf sie einzutreten
Widerklage gegen eine nicht im Handelsregister eingetragene Person
Erhebt eine nicht im Handelsregister eingetragene (natürliche) Person aufgrund des Klägerwahlrechtes gemäss Art. 6 Abs. 3 ZPO eine Klage am Handelsgericht, ist trotz grundsätzlich fehlender sachlicher Zuständigkeit für eine Widerklage auf eine solche dann einzutreten, wenn erstens der geltend gemachte Anspruch mit dem Hauptklageanspruch konnex ist
wenn die beiden Klagen
auf dem gleichen vertraglichen oder ausservertraglichen Rechtsverhältnis beruhen
aus dem gleichen Lebenssachverhalt hervorgehen oder dasselbe Objekt zum Gegenstand haben
Ausfluss eines gemeinsamen Rechtsverhältnisses sind oder sonst eine enge rechtliche Beziehung zueinander haben
und zweitens
die übrigen Voraussetzungen der handelsgerichtlichen Zuständigkeit, insbesondere das Erfordernis der gleichen Verfahrensart, erfüllt sind
Ausnahme der negativen Feststellungswiderklage
Der Grundsatz, wonach ungleiche Verfahrensarten die Zuständigkeit einer Widerklage ausschliessen, gilt jedoch nicht, wenn es sich – wie vorne unter II.C.1.c. zur Teilklage bereits erwähnt – bei der Hauptklage um eine Teilklage im Anwendungsbereich von Art. 243 Abs. 1 ZPO (vermögensrechtliche Streitigkeit bis zu CHF 30’000.–) handelt und die beklagte Partei als Reaktion darauf eine negative Feststellungsklage erheben möchte.
Wer in Wirklichkeit mehr als CHF 30’000.– fordert, soll sich nicht auf Art. 243 Abs. 1 ZPO berufen und damit eine negative Feststellungsklage verhindern können.
Sowohl die echte Teilklage wie die negative Feststellungswiderklage müssen dann bei entsprechendem Streitwert der Widerklage im ordentlichen Verfahren beurteilt werden
Streitverkündungsklage
Streitverkündung: Eine Partei, die für den Fall ihres Unterliegens eine dritte Person belangen will oder den Anspruch einer dritten Person befürchtet, kann diese auffordern, sie im Prozess zu unterstützen.
grundsätzlich in jedem Stadium des Verfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss möglich.
Vormerknahme der Streitverkündung und deren Mitteilung an die Streitberufene erfolgen mit separater Verfügung
Der Streitberufene kann jederzeit, d.h. bis zum Abschluss des handelsgerichtlichen Verfahrens, in den Prozess eintreten
Anspruch auf Akteneinsicht (bzw. Zustellung von Akten) besteht aber nach der Praxis des Handelsgerichts erst, wenn die Streitberufene dem Verfahren als Nebenintervenientin beigetreten ist oder sie den Prozess anstelle der Hauptpartei führt
Bis zu diesem Zeitpunkt ist es Sache der streitverkündenden Partei die Streitberufene über den Rechtsstreit sowie den Stand des Verfahrens zu unterrichten und dieser Einsicht in die relevanten Unterlagen zu gewähren, jedenfalls sofern die Streitberufene um Informationen über den Rechtsstreit nachsucht
Streitverkündungsklage: Will die streitverkündende Partei für den Fall eines Unterliegens im Hauptprozess einen Dritten in Anspruch nehmen, kann sie unter den Voraussetzungen von Art. 81 f. ZPO eine Streitverkündungsklage erheben.
können Ansprüche verschiedener Beteiligter in einem einzigen Prozess – statt in sukzessiven Einzelverfahren – behandelt werden. Der Prozess erweitert sich dadurch zu einem Gesamt- bzw. Mehrparteienverfahren, in dem sowohl über die Leistungspflicht des Beklagten (Hauptprozess) als auch über den Anspruch der unterliegenden Partei gegenüber einem Dritten (Streitverkündungsprozess) befunden wird.
Zu beurteilen sind zwei je selbständige Klagen. Die Erweiterung zu einem Gesamtverfahren ändert nichts daran, dass mit der Haupt- und Streitverkündungsklage je eigene Prozessrechtsverhältnisse begründet werden mit unterschiedlichen Parteikonstellationen und Rechtsbegehren. Die Streitverkündungsbeklagte ist mithin im Hauptprozess nicht Hauptpartei, sie (die Streitverkündungsbeklagte) kann aber als Nebenintervenientin am Hauptprozess teilnehmen.
Die Streitverkündungsklage ist beim Gericht anzuheben, das mit der Hauptsache befasst ist; und zwar spätestens mit der Replik. Sie kann nur im ordentlichen Verfahren und bei gleicher sachlicher Zuständigkeit erhoben werden.
geltend gemachte Anspruch in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Hauptklageanspruch stehen, was bedeutet, dass die mit der Streitverkündungsklage geltend gemachten Ansprüche vom Bestand des Hauptklageanspruchs abhängen müssen
Damit der sachliche Zusammenhang der eingeklagten Ansprüche überprüft werden kann, hat die streitverkündende Partei die Rechtsbegehren, die sie gegen die streitberufene Person zu stellen gedenkt, zu nennen und kurz zu begründen (Art. 82 Abs. 1 ZPO).
Zum Zwecke der Zulassungsprüfung der Streitverkündungsklage ist es ausreichend, wenn der Streitverkündungskläger den sachlichen Zusammenhang glaubhaft macht. Konkret ist glaubhaft zu machen, dass der Anspruch gegenüber dem Streitverkündungsbeklagten mit dem Ausgang des Hauptverfahrens zusammenhängt. Eine materielle Prüfung der behaupteten Ansprüche findet im Zulassungsverfahren nicht statt
Prozessökonomischen Anliegen ist nicht mit der Zulassungsverweigerung der Streitverkündungsklage Rechnung zu tragen, sondern mit der in Art. 82 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit Art. 125 ZPO vorgesehenen Möglichkeit, den Haupt- und Streitverkündungsprozess zu trennen, falls die Verfahrenseffizienz in einem Gesamtverfahren nicht mehr gewährleistet ist.
Bei einer allfälligen Trennung stellt sich entsprechend die Frage der Sistierung des einen Verfahrens (Streitverkündungs- oder Hauptprozesses) bis zur rechtskräftigen Erledigung des anderen Prozesses. Möglich ist selbstverständlich auch, das Verfahren auf einzelne Fragen oder auf einzelne Rechtsbegehren zu beschränken
Das Gericht hat zu entscheiden, welcher Fortgang des Verfahrens im Einzelfall am sinnvollsten erscheint. Am Handelsgericht hat es sich bewährt, möglichst frühzeitig unter Einbezug aller Beteiligten eine Vergleichsverhandlung durchzuführen
Klageänderung
Voraussetzungen für eine Klageänderung:
Eine Klageänderung ist zulässig, wenn der geänderte oder neue Anspruch nach der gleichen Verfahrensart zu beurteilen ist und mit dem bisherigen Anspruch in einem sachlichen Zusammenhang steht oder die Gegenpartei zustimmt. —> Prüfung von Amtes wegen
Das Bundesgericht hat sich bislang nur eingeschränkt dazu geäussert, wann der vom Gesetz geforderte «sachliche Zusammenhang» gemäss Art. 227 Abs. 1 lit. a ZPO gegeben ist. Der sachliche Zusammenhang ist ohne Weiteres gegeben, wenn gestützt auf den gleichen Lebensvorgang ein weiterer oder anderer Anspruch geltend gemacht wird, der das Rechtsbegehren verändert. Es fragt sich aber, ob noch ein sachlicher Zusammenhang im Sinne von Art. 227 Abs. 1 lit. a ZPO gegeben ist, wenn der andere oder weitere Anspruch nicht mehr auf dem ursprünglichen Lebenssachverhalt beruht.
BGer in einem jüngeren Entscheid: darauf hin, dass nach einem Teil der Lehre ein sachlicher Zusammenhang noch gegeben sei, wenn der andere oder weitere Anspruch zwar nicht mehr auf dem ursprünglichen Lebenssachverhalt beruhe, aber mit dem ursprünglichen Lebenssachverhalt in einem engen Zusammenhang stehe und damit auf einem benachbarten oder konnexen Lebensvorgang basiere. Nach einer anderen, etwas engeren Umschreibung bestehe der sachliche Zusammenhang, wenn Ansprüche dem gleichen Lebensvorgang entspringen oder das gleiche Streitobjekt betreffen würden.
BGer: Auffassung, wonach ein sachlicher Zusammenhang gemäss Art. 227 Abs. 1 lit. a ZPO nur bei identischer Anspruchsgrundlage («demselben Vertrag») oder identischem Lebenssachverhalt bestehe, nicht zu folgen sei. Einem zu engen Verständnis (Beschränkung auf Fälle, wo bei gleichbleibendem Klagefundament eine Klageänderung durch eine Erhöhung des Rechtsbegehrens stattfinde) stehe der Zweck von Art. 227 ZPO entgegen, einen Interessenausgleich zwischen den Prozessparteien zu ermöglichen, indem einerseits dem Beklagten die Verteidigung nicht übermässig erschwert werden dürfe, andererseits aber aus Gründen der Prozessökonomie und der materiellen Wahrheit gewisse Änderungen doch zuzulassen seien.
Wie weit der neue Lebensvorgang entfernt sein darf, damit noch ein sachlicher Zusammenhang besteht, bleibt aber unklar. Im erwähnten BGer, 4A_255/2015, 1.10.2015, hatte die klagende Partei zunächst einen Kaufpreis für eine Wasseraufbereitungsanlage verlangt und forderte dann in der Replik eine Entschädigung für die Nutzung dieser Anlage. Diese Klageänderung war nach Auffassung des Bundesgerichts zulässig. Der geänderte Anspruch stand mit dem ursprünglichen Lebenssachverhalt in einem engen Zusammenhang und konnte als benachbarter oder konnexer Lebensvorgang bezeichnet werden.
Zeitpunkt der Vornahme einer Klageänderung vor Aktenschluss:
Nach neuerer Praxis des Handelsgerichts ist die Möglichkeit zur Vornahme einer Klageänderung nach Art. 227 ZPO einzig auf die gesetzlich vorgesehenen Verfahrensschritte beschränkt; d.h. eine Klageänderung vor Aktenschluss mittels beliebiger Eingabe und zu einem beliebigen Zeitpunkt ist nicht zulässig. In diesem Zusammenhang wird auch in der Literatur und Rechtsprechung zu Recht ausgeführt, dass die Zulassung von ungefragten Eingaben zur Sache ausserhalb der gesetzlich vorgesehenen Verfahrensschritte die gerichtliche Verfahrensleitung unterlaufen würde.
Die Zulassung von Klageänderungen zu einem beliebigen Zeitpunkt bis zum Aktenschluss könnte sodann zu Prozessverschleppungen, zu einer Verkomplizierung und Ausweitung des Verfahrens mit unüberblickbaren Schriftenwechseln sowie letztlich auch dazu führen, dass die Eventualmaxime – in Widerspruch zu den in BGE 140 III 312 fixierten Regeln – in das Ermessen und die Hände der Parteien gelegt wird.
negative Auswirkungen zu verhindern, ist die Möglichkeit zur Vornahme von Klageänderungen nach Art. 227 ZPO auf die gesetzlich vorgesehenen Verfahrensschritte zu beschränken.
Eine derartige Anwendung des Gesetzes reiht sich schliesslich in die bisherigen Entscheide des Bundesgerichts ein und steht im Einklang mit dessen Rechtsprechung.
Klageänderung nach Aktenschluss: ist dagegen nur noch zulässig, wenn sie auf neuen Tatsachen und Beweismitteln im Sinne von Art. 229 ZPO beruht.
Solche Noven sind ohne Verzug vorzubringen, um zulässig zu sein. Nach dem Einbringen der Noven kann sich die betreffende Partei aber bis zur Hauptverhandlung Zeit lassen, um die Klageänderung vorzunehmen, denn das Gesetz verlangt nicht, dass die Klageänderung ebenfalls unverzüglich einzureichen ist.
Vergleichsverhandlung
Nach Eingang der Klageantwort bzw. bei einer Widerklage nach Eingang der Widerklageantwort führt das Handelsgericht in der Regel eine Vergleichsverhandlung durch, Demgemäss ergeht an die Parteien eine «Vorladung zur Vergleichsverhandlung», in welcher darauf hingewiesen wird, dass die Vergleichsverhandlung dem Versuch einer Einigung dient und die Parteien nicht zu Parteivorträgen zugelassen werden, mithin keine Instruktionsverhandlung im Sinne von Art. 226 ZPO stattfindet.
Eine Mehrzahl der eingeleiteten Verfahren wird in diesem Stadium vergleichsweise erledigt. Im Nichteinigungsfall wird das Verfahren in der Regel mit einem zweiten Schriftenwechsel fortgesetzt; denkbar ist aber auch, dass für den Fortgang des Verfahrens (Replik/Duplik etc.) direkt zur Hauptverhandlung vorgeladen wird.
Verzicht Replik/Duplik
Nach der Rechtsprechung kann sich jede Partei (nur) zweimal unbeschränkt äussern: Ein erstes Mal im Rahmen des ersten Schriftenwechsels; ein zweites Mal entweder im Rahmen eines angesichts der Verhältnisse vom Gericht als erforderlich erachteten zweiten Schriftenwechsels oder an einer Instruktionsverhandlung oder zu Beginn der Hauptverhandlung vor den ersten Parteivorträgen
nach Anordnung eines zweiten Schriftenwechsels auf eine Replik verzichtet oder diese versäumt, entfällt auch die Duplik. Die Duplik ist primär eine Antwort auf die Replik, auch wenn darin Noven unbeschränkt vorgetragen werden können.
Eine Partei, die in der Klageantwort absichtlich wichtige Behauptungen oder Beweismittel zurückbehält, um sie erst in der Duplik zu platzieren, ist nach Treu und Glauben nicht zu schützen
Wenn ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet wurde, die Parteien aber auf entsprechende Eingaben – dies gilt selbstverständlich auch für die Duplik – verzichteten, gilt der doppelte Schriftenwechsel als durchgeführt, womit der Aktenschluss eintritt.
Echte und unechte Noven können aber selbstverständlich nach Massgabe von Art. 229 Abs. 1 ZPO immer noch vorgebracht werden
Aktenschluss nach Abschluss des zweiten Schriftenwechsels
Die Zivilprozessordnung normiert in Art. 225 ZPO lediglich eine (allfällige) Anordnung eines zweiten Schriftenwechsels; weitere Schriftenwechsel sind gesetzlich nicht vorgesehen.
Nach Abschluss des zweiten Schriftenwechsels besteht somit grundsätzlich Aktenschluss; neue Tatsachen und Beweismittel können nur noch beschränkt unter der Voraussetzung von Art. 229 Abs. 1 ZPO vorgebracht werden, ein dritter Schriftenwechsel mit Triplik und Quadruplik ist ausgeschlossen.
Dies hat auch das Bundesgericht wiederholt ausdrücklich bestätigt
Weitere Eingaben nach Aktenschluss sind daher grundsätzlich unbeachtlich und werden aus dem Recht gewiesen.
Vorbehalten bleibt einzig die Ausübung des Noven-und des Replikrechts bzw. des Antwortrechts (vgl. dazu nachstehend unter IV.B.).
Ein allgemeines stellungnehmendes Plädieren ist dagegen gesetzwidrig und nicht statthaft.
Novenrecht
Soweit eine Partei (nach der Duplik i.d.R. die klagende Partei) selber nach zwei Rechtsschriften neue Tatsachen nachreichen will, gilt Folgendes: Neue Tatsachen und Beweismittel sind «ohne Verzug», d.h. in der Tat unverzüglich und nicht – wie in Art. 229 Abs. 1 Satz 1 missverständlich formuliert – erst an der Hauptverhandlung vorzubringen
Unterscheidung zwischen echten und unechten Noven
echte Noven: sind erst nach Aktenschluss entstanden
unechte Noven: letztere zwar bereits vor Aktenschluss vorhanden, aber trotz zumutbarer Sorgfalt nicht vorher vorgebracht werden konnten
Es obliegt derjenigen Partei, welche das Novenrecht beansprucht, substantiiert darzutun, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Art. 229 Abs. 1 ZPO in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht erfüllt sind.
Ohne Verzug werden Noven nur dann vorgebracht, wenn sie unverzüglich nach der Entdeckung in den Prozess eingeführt werden
Mit dem Beschleunigungsgebot nicht vereinbar ist es, wenn mit dem Vortragen von Noven, die nach dem zweiten Schriftenwechsel oder einer Instruktionsverhandlung entdeckt worden sind, bis zu Hauptverhandlung, die Wochen oder Monate später stattfindet, zugewartet wird
Es ist aber auch nicht mit dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Art. 52 ZPO vereinbar, wenn Noven von einer Partei während Wochen oder Monaten zurückgehalten werden, um diese erst an der Hauptverhandlung in den Prozess einzuführen.
—> Zur Vermeidung des dilatorischen Taktierens müssen alle Noven jeweils sofort vorgebracht werden.
—> Wird daher grundlos mit dem Vorbringen eines Novums zugewartet, ist dessen Beibringung verspätet und bleibt unbeachtet
—> Als ohne Verzug vorgebracht gilt eine Eingabe innert zehn Tagen.
Replikrecht
Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK haben die Parteien eines Gerichtsverfahrens Anspruch auf rechtliches Gehör.
Diese Garantie umfasst auch das Recht, von den beim Gericht gemachten Eingaben der Gegenpartei Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können. Die Wahrnehmung des Replikrechts setzt voraus, dass die fragliche Eingabe der Partei zugestellt und diese damit informiert wird. Eine förmliche Aufforderung zur Stellungnahme kann dagegen unterbleiben; durch die Information wird die betreffende Partei hinreichend in die Lage versetzt, die Notwendigkeit einer Stellungnahme von ihrer Seite zu prüfen und ein derartiges Anliegen wahrzunehmen. Seitens des Handelsgerichts wird jedenfalls keine Frist angesetzt und praxisgemäss kann auch keine entsprechende (im Gesetz ohnehin nicht vorgesehene) Fristansetzung verlangt werden.
Ausübung des Replikrechts umgehend zu erfolgen, ansonsten im Hinblick auf einen zu fällenden Entscheid angenommen werden darf, die Partei verzichte auf weitere Eingaben.
Bei der von der Rechtsprechung praxisgemäss angewendeten Zeitdauer, während der das Gericht die allfällige Wahrnehmung des sog. unbedingten Replikrechts abwarten muss, geht es somit lediglich darum, dass das Gericht nach Ablauf dieser Dauer zu urteilen berechtigt ist, ohne sich dem Vorwurf einer Gehörsverletzung auszusetzen. Die Dauer dieser Frist beträgt in der Praxis mindestens zehn Tage.
kein Raum für ein umgehendes Replikrecht, solange dieses im weiteren Verfahrensverlauf (z.B. anlässlich der Hauptverhandlung) sowieso noch ausgeübt werden kann
Zur Kombination von Noven- und Replikrecht
Wenn ein «Antwortrecht» besteht, muss das Gericht eine Frist zur Antwort bzw. Stellungnahme ansetzen und die Säumnisfolgen nach Art. 147 Abs. 3 ZPO androhen. Ein solches Antwortrecht ist dann zu gewähren, wenn neue Anträge oder Vorbringen vorgetragen werden, auf welche das Gericht abzustellen gedenkt, weil sie relevant für die Entscheidfindung sind. Unabhängig von diesem «Antwortrecht» besteht nach der Rechtsprechung das vorstehend beschriebene unbedingte «Replikrecht», wofür jedoch – wie ausgeführt – die Zustellung der betreffenden Rechtsschrift reicht und eine Fristansetzung nicht nötig ist
Nur wenn sich herausstellen sollte, dass neue Tatsachenbehauptungen und Beweisanträge in der Duplikschrift entscheidrelevant sind, müsste das Gericht der klagenden Partei vor der Urteilsfällung unter Androhung der Säumnisfolgen gemäss Art. 147 Abs. 3 ZPO Frist zur Stellungnahme zu den genau bezeichneten relevanten Dupliknoven geben.
Entsprechend ist es gerade bei sehr umfangreichen Duplikschriften sinnvoll, die klagende Partei in einer derartigen Situation möglichst früh – d.h. bereits gleichzeitig mit der Zustellung der Duplik – darauf hinzuweisen, dass ihr spätestens an der noch ausstehenden Hauptverhandlung (gegebenenfalls mittels entsprechender gerichtlicher Verfügung bereits früher) die Möglichkeit geboten wird, zu allfälligen (relevanten) Noven in der zweiten Rechtsschrift der Beklagten Stellung zu nehmen.
Im Umkehrschluss folgt daraus, dass keine Frist zur Stellungnahme zu Dupliknoven anzusetzen ist, wenn in der Duplik keine relevanten Noven vorgebracht worden sind
Das Replikrecht gewährt daher lediglich das Recht auf Wahrung des rechtlichen Gehörs im Hinblick auf eine Stellungnahme der Gegenseite; nicht mehr und nicht weniger. Eine Partei, die nach abgeschlossenem Behauptungsverfahren nicht von sich aus ihr Replikrecht wahrnimmt, anerkennt damit nicht die von der Gegenseite im letzten Vortrag vorgebrachten Noven; solche Noven können demnach nicht als unbestritten gelten, wenn eine Partei nicht von sich aus durch einen von der Prozessordnung nicht vorgesehenen Vortrag solche Bestreitungen erhebt. Ob die Klägerin ihr Replikrecht ohne Fristansetzung im Sinn der Rechtsprechung wahrnehmen will, bleibt letztlich ihr überlassen
Zur Hauptverhandlung
Teilverzicht möglich:
Gemäss Art. 233 ZPO haben die Parteien die Möglichkeit, gemeinsam auf die Durchführung einer Hauptverhandlung zu verzichten
Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung können die Parteien mit einem Verzicht nach Art. 233 ZPO sowohl auf die vollständige Hauptverhandlung als auch auf einen der drei Teilabschnitte der Hauptverhandlung (Parteivorträge, Beweisabnahme, Schlussvorträge) verzichten.
Die Verzichtserklärung ist bedingungsfeindlich und unwiderrufbar
Sofern die Parteien bloss einen Verzicht auf die Parteivorträge erklären, entfallen die beiden anderen Teilabschnitte aber gleichwohl, sofern sich die Angelegenheit als spruchreif erweist und direkt ein Entscheid gefällt werden kann
Es besteht mithin – bei Verzicht auf die Parteivorträge – kein Anspruch auf einen «letzten Vortrag», bevor ein Entscheid ergeht
Durchführung der Hauptverhandlung:
Am Handelsgericht stellt der Vorsitzende (Präsident oder Vizepräsident) den Parteivertretern vor einer Hauptverhandlung (nach erfolgtem Aktenschluss) einen Brief zu, worin die Rahmenbedingungen für die Hauptverhandlung festgelegt sind. Die Parteien werden insbesondere darauf hingewiesen:
dass der Aktenschluss erfolgt sei und daher grundsätzlich keine neuen Tatsachenbehauptungen und Beweismittel in den Prozess eingeführt werden könnten;
dass Noven «ohne Verzug» und unter Beachtung der Zulässigkeitsvoraussetzungen gemäss Art. 229 Abs. 1 ZPO in das Verfahren einzuführen seien und ein Zuwarten bis zur Hauptverhandlung unzulässig sei;
dass rechtliche Ausführungen der Parteien anlässlich der Hauptverhandlung nicht protokolliert würden (Art. 235 Abs. 2 ZPO); •dass Gleiches auch für Ausführungen tatsächlicher Art, die bereits in den Schriftsätzen enthalten seien, gelte und übrige tatsächliche Vorbringen nur dem wesentlichen Inhalt nach protokolliert würden;
dass die Parteivorträge zudem kurz und prägnant zu halten seien, wobei für die ersten Vorträge praxisgemäss pro Partei höchstens je 20 Minuten Redezeit zur Verfügung stehe und es für Replik/Duplik gemäss Art. 228 Abs. 2 ZPO weniger sein würde
Beweisverfahren
Durchführung des Beweisverfahrens
antizipierte Beweiswürdigung
Zulassung zum Beweis als Voraussetzung
Ein Beweismittel ist nur dann als formgerecht angeboten zu betrachten, wenn sich die Beweisofferte eindeutig der damit zu beweisenden Tatsachenbehauptung zuordnen lässt und umgekehrt (Prinzip der Beweisverbindung). In der Regel sind die einzelnen Beweisofferten unmittelbar im Anschluss an die Tatsachenbehauptungen aufzuführen, die damit bewiesen werden sollen. Zweck dieses Erfordernisses ist, dass das Gericht erkennen kann, auf welche Tatsachen sich die klagende Partei stützt und womit sie diese beweisen will, sowie die Gegenpartei weiss, gegen welche konkreten Behauptungen sie sich verteidigen muss.
Demgemäss ist etwa das Angebot der Nachreichung oder Einreichung weiterer Beweismittel im Sinne der Floskel «weitere Beweismittel im Bestreitungsfalle vorbehalten» unzulässig.
Wenn zu einem Beweisthema keine Beweismittel angeboten werden, ist das Gericht nicht gehalten, Beweismittel abzunehmen, die in einem anderen Zusammenhang angeboten worden sind; und ein späteres Nachreichen ist nur möglich, sofern noch neue Tatsachen und Beweismittel in den Prozess eingeführt werden können
Ein pauschaler Verweis auf eine Urkundenansammlung oder eine umfangreiche Urkunde ist nicht zulässig. Vielmehr ist bei einem mehrseitigen Dokument die relevante Seite oder Stelle anzugeben
Es geht demnach auch nicht an, einen ganzen Sachverhaltskomplex zu schildern und sich zum Beweis am Schluss dieser Behauptungen pauschal auf einen Stoss Akten oder eine Anzahl Zeugen zu berufen
Vor diesem Hintergrund verneinte das Handelsgericht die Zulässigkeit der angebotenen Beweismittel z.B. in einem Fall, in welchem die klagende Partei zahlreiche (strittige) Bauleistungen aufführte und am Schluss dieser gesamten Aufzählung undifferenziert diverse Zeugen und Urkunden zum Beweis offerierte. Das Handelsgericht erwog, dass die Klägerin für jede individuelle Leistung hätte aufzeigen müssen, wer diese wann mit welchem Ergebnis erbracht habe. Denn nur so wäre es auch möglich gewesen, den bzw. die jeweiligen Mitarbeiter zu den Einzeltatsachen als Zeuge(n) anzurufen. Insofern die Klägerin auf ganze Ordner als Beweismittel verweise, seien die Beweisofferten ohnehin unzulässig, da viel zu unspezifisch
Die Nichtabnahme von Beweisen, die nicht rechtzeitig beantragt worden sind bzw. zu denen nicht substantiiert ausgeführt worden ist, welche Tatsachen damit bewiesen werden sollen, verstösst mithin nicht gegen Art. 8 ZGB
nicht gehörig angebotene Beweismittel gelten grundsätzlich auch fremdsprachige Urkunden, denen keine Übersetzung beiliegt. Fremdsprachige Urkunden/Dokumente sind in der Regel immer zusammen mit einer deutschen Übersetzung einzureichen. Am Handelsgericht besteht gewöhnlich allerdings eine Ausnahme in Bezug auf englisch- und französischsprachige Urkunden. Versäumt eine Partei die Übersetzungspflicht, ist ihr auf Antrag der Gegenpartei oder von Amtes wegen eine Frist zur Verbesserung anzusetzen. Kommt die zur Übersetzung verpflichtete Partei der Aufforderung nicht nach, oder ist sie nicht in der Lage, für die Kosten einer privaten Übersetzung aufzukommen, muss das Gericht eine amtliche Übersetzung in Auftrag geben.
Beweiskostenvorschuss
Mangels ausdrücklicher Regelung und aufgrund des Verbotes des überspitzten Formalismus dürfte es nicht zulässig sein, die Urkunden als nicht eingereicht zu behandeln bzw. aus den Akten zu weisen, auch nicht nach entsprechender Androhung
Es wäre überspitzt formalistisch, eine bloss in einer Fremdsprache, also ohne Übersetzung eingereichte Urkunde aus dem Recht zu weisen oder nicht darauf abzustellen. Beweismittel bleibt letztlich ohnehin die (fremdsprachige) Originalurkunde und nicht die Übersetzung davon
Grundsätze für die Durchführung des Beweisverfahrens
Der zentrale Teil jedes Beweisverfahrens ist die in Art. 154 ZPO geregelte Beweisverfügung
prozessleitende Verfügung gemäss Art. 124 Abs. 1 Satz 2 ZPO. In ihr werden die zugelassenen Beweismittel bezeichnet, und es wird bestimmt, welcher Partei zu welchen Tatsachen der Haupt- und Gegenbeweis obliegt. Die Beweisverfügung bestimmt somit den formellen Ablauf und die konkrete Gestaltung des Beweisverfahrens, indem sie – ausgehend vom tatsächlichen Vorbringen und von den Beweisanträgen der Parteien – das Programm («Drehbuch») für die Beweiserhebung festlegt. Sie stellt damit im Wesentlichen eine Kombination zwischen Beweisauflage- und Beweisabnahmebeschluss nach der früheren Zürcher ZPO dar, bestehend aus den 3 Elementen
Umschreibung des Beweisthemas
Zuteilung der Beweislast
Auflistung der zulässigen Beweismittel
Die Beweisverfügung ist frühestens nach der schriftlichen Klage und Klageantwort und spätestens vor der Beweisabnahme zu erlassen.
Die Beweisabnahme im Sinne von Art. 155 ZPO wird grundsätzlich (zumindest im Kanton Zürich) einer Gerichtsdelegation übertragen. Nach Art. 155 Abs. 2 ZPO kann aber eine Partei aus wichtigen Gründen (ausnahmsweise) die Beweisabnahme durch das urteilende Gericht, mithin den gesamten Spruchkörper, verlangen. Ob ein Grund wichtig ist, muss aufgrund einer Interessenabwägung zwischen dem geltend gemachten wichtigen Grund und den für eine Delegation sprechenden Gründen (insbes. Prozessökonomie) entschieden werden. Je entscheidender ein Beweismittel ist, das der unmittelbaren Abnahme zugänglich ist, desto eher dürfte Unmittelbarkeit geboten sein.
Nach der Beweisabnahme ist den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zum Beweisergebnis einzuräumen. Diese sog. «Schlussvorträge» können entweder mündlich im Anschluss an die Beweisabnahme stattfinden oder dann – was bei grösseren Verfahren häufig der Fall sein dürfte – schriftlich erfolgen, sofern die Parteien dies so beantragen
Nach Abschluss der Hauptverhandlung bzw. nach Erstattung der Schlussvorträge tritt der Prozess in die Entscheidphase, welche im Rahmen der Urteilsberatung insbesondere auch die Beweiswürdigung umfasst. Diese besteht in der Bewertung des Beweisergebnisses. Nach dem gemäss Art. 157 ZPO geltenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung und unter Beachtung des entsprechend anwendbaren Beweismasses hat das Gericht frei von formellen Beweisregeln darüber zu befinden, ob der Beweis für eine bestimmte Tatsache erbracht worden ist oder nicht.
Danach darf das Gericht von der Abnahme weiterer Beweismittel im Interesse der Verfahrenskonzentration und der Prozessökonomie absehen, wenn:
das angerufene Beweismittel als untauglich qualifiziert wird. Objektive Untauglichkeit liegt vor, wenn das betreffende Beweismittel den angestrebten Beweis gar nicht erbringen kann (z.B. wenn ein Zeuge nur vom «Hörensagen» berichten kann und keine eigenen Wahrnehmungen gemacht hat). Diese Form der antizipierten Beweiswürdigung ist unbedenklich. Problematischer ist dagegen, wenn das Gericht von einer subjektiven Untauglichkeit ausgeht, weil die Beweiskraft eines Beweismittels, das an sich beweisbildend sein könnte, im konkreten Fall negativ beurteilt wird (z.B. Zeuge der an Altersdemenz leidet)
die weitere Beweisabnahme wegen bereits feststehendem Beweisergebnis abgelehnt wird. Bei dieser Form der antizipierten Beweiswürdigung lehnt das Gericht die Abnahme von Beweismitteln (bzw. von gewissen Beweismitteln) ab, weil seine Willensbildung bereits abgeschlossen ist und durch die Abnahme zusätzlicher Beweismittel nicht mehr erschüttert (umgestossen) werden kann. Wenn z.B. stichhaltige Urkunden vorliegen, kann unter Umständen auf die zusätzlich beantragte Einvernahme von Zeugen verzichtet werden. Durch die Beschränkung auf gewisse Beweismittel besteht allerdings die Gefahr, dass Beweise einseitig gewürdigt werden
aus einer Vielzahl gleichartiger Beweismittel eine Selektion getroffen wird. Gerade bei umfangreichen Beweisofferten besteht nicht nur am Handelsgericht die Praxis, die Beweisabnahme auf ein vernünftiges Mass zu beschränken. Diese Beschränkung kann das Gericht von sich aus anordnen, oder die Parteien können aufgefordert werden, von sich aus eine Selektion zu treffen. Denkbar ist auch, in der Beweisverfügung einstweilen nur die Abnahme einer bestimmten Auswahl von Beweismitteln vorzusehen und weitere Beweismittel vorzubehalten. In der Stellungnahme zum Beweisergebnis im Rahmen der Schlussvorträge (Art. 232 ZPO) steht es den Parteien indessen frei, eine ergänzende Beweisverfügung zu beantragen.
Im Übrigen kann der Richter, wenn an der Richtigkeit einer streitigen Tatsache erhebliche Zweifel bestehen, gemäss Art. 153 Abs. 2 ZPO auch von Amtes wegen Beweis erheben. Die vorweggenommene Beweiswürdigung erlaubt es, das Beweisverfahren auf die wesentlichen Beweismittel zu beschränken bzw. im Einzelfall sogar ganz auf ein Beweisverfahren zu verzichten. Dadurch werden die Verfahren vereinfacht und beschleunigt. Umgekehrt birgt die antizipierte Beweiswürdigung aber auch die Gefahr, dass das Recht auf Beweis – und das rechtliche Gehör – der beweisbelasteten Partei beschnitten wird. Wird mit dem Instrument aber sorgfältig und bedacht umgegangen, ist es im Beweisverfahren unerlässlich.
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