Buffl

AGB-Kontrolle und Benachteiligung nach AGG

IM
by Isabella M.

AGB-Kontrolle: Grundlagen

> keine Klauselkontrolle bei Tarifverträgen, Betriebs- und Dienstvereinbarungen (§ 310 IV 1 BGB)

  • auch nicht, wenn Tarifvertrag in Gänze Kraft Verweisung im Arbeitsvertrag oder Kraft betrieblicher Übung gilt

> Arbeitsvertrag an sich unterliegt AGB-Kontrolle

  • Aber: angemessene Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten, § 310 IV 2 BGB

> objektive Auslegung der AGB

-> nicht nach §§ 133, 157 BGB

  • Maßstab: Verständnis von redlichen, rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragsparteien

  • liegt parallel ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGb vor, bestehen beide Unwirksamkeiten nebeneinander

  • im Verhältnis zu § 138 BGB ist die AGB-Kontrolle lex specialis

    -> Sittenwidrigekit kommt vor allem in Betracht, wenn eine Individualvereinbarung sittenwidrig ist

  • AGB-Kontrolle auch im Verhältnis zu § 242 spezieller

    -> § 242 kann nur in Form einer Ausübungskontrolle Anwendung finden

> Verwender kann sich nicht auf Unwirksamkeit einer Klausel berufen

  • Inhaltskontrolle schafft lediglich Ausgleich für einseitige Inanspruchnahme der Vertragfreiheit durch den Klauselverwender

    -> dient nicht zum Schutz des Klauselverwenders vor den selbst eingeführten bestimmungen (sog. personale Teilwirksamkeit)

  • salvatorische Klauseln bleiben ohne Wirkung

  • bei Verstoß gegen gesetzliches Verbot gem. § 134 kann sich u.U. auch AG als Klauselverwender auf Unwirksamkeit berufen

    -> wenn Norm, die verletzt wurde, nicht nur AN sondern auch AG schützen soll


Die Prüfung der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht - Prüfungsschema

I. Anwendbarkeit des AGB-Rechts

  1. Vorliegen von AGB (§ 305 I BGB)

    a) Klausel ist für die Verwendung in einer Vielzahl von Fällen vorgesehen

    • entbehrlich gem. § 310 III Nr. 2, da AG Unternehmer i.S.v. § 14 und AN Verbraucher i.S.v. § 13

      -> auch Einmal-Vereinbarungen unterliegen der AGB-Kontrolle, wenn AN diese inhaltlich nicht beeinflussen kann

    b) Vorformulierte Klausel

    • bedeutet nicht “vorgeschrieben”, Vorformulierung im Kopf ausreichend

    c) vom Verwender (AG) gestellt

    -> gem. § 310 III Nr. 2 (+)

    d) Klausel nicht im EInzelnen ausgehandelt (§ 305 I 3)

    -> dafür müsste der AG diese inhaltlich zur Disposition gestellt haben

    • nicht ausreichend: wenn AN nur Wahl zw. Annahme oder Ablehnung gelassen wird

  2. trotz fehlender AGB Anwendung des AGB-Rechts be Verstoß gegen das Umgehungsverbot (§ 306a)

II. Einbeziehung in den Vertrag (§§ 305-305c)

  1. Keine Anwendung von § 305 II, III im Arbeitsrecht (§ 310 IV 2)

  2. Rechtsgeschäftliche Einbeziehung trotzdem nur, wennd er AN mit ihrer geltung zumindest konkludent einverstanden ist

  3. Ausnahmsweise keine Einbeziehung bei

    a) Vorliegen einer Individualabrede

    b) Überaschender Klausel (§ 305c I)

    • Arbeitsvertrag ist für AN kein Massengeschäft

      -> subj. Überrasschungsmoment wird selten vorliegen

    • Überraschend können weit reichende verzichtserklärungen in sog. Ausgleichsquittungen sein

      -> Ausschlussfristen und Verfallklauseln sind üblich!

III. Auslegung (§ 305c II und allg. Auslegungsregeln)

-> Arbeitsvertrag = Verbrauchervertrag, nicht nur Anwendung einer generalisierend-überindividuellen Betrachtungsweise, sondern auch Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses im konkreten Einzelfall

IV. Inhaltskontrolle (§§ 307-309)

  1. Anwendbarkeit der §§ 307-309

    -> nach § 307 III keine Inhaltskontrolle bei:

    a) deklaratorischen Klauseln (wörtliche Wiederholung des Gesetzes oder von Tarifverträgen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, § 310 IV 3)

    b) leistungsbestimmenden Klauseln

    c) Preisklauseln

    -> bei a)-c) nur Transparenzkontrolle und Kontrolle am Maßstab des § 138 (Inhalt der Arbeitsverpflichtung, Arbeitsentgelt einschließlich aller Nebenleistungen kontrollfrei)

  2. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeiten (§ 309)

    • arbeitsrechtliche Bedeutung: Nr. 6, Nr. 10, Nr. 13

    • Wirksamkeit einer arbeitsrechtlichen Kündigung kann nicht davon abhängen, dass diese per Einschreiben erfolgt

  3. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit (§ 308)

    -> nur geringe arbeitsrechtliche Bedeutung

    • Nur Nr. 4 steht zu weit gefassten Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten entgegen

  4. Generalklausel, § 307 I, II

    a) Benachteiligung des Vertragspartners

    b) unangemessen

  5. Transparenzkontrolle

    -> beachte: Prüfung ob es einschlägige “Besonderheiten des Arbeitsrechts” gibt (§ 310 IV 2)

    = Besonderheiten des Rechtsgebiets Arbeitsrecht im Ganzen und nicht nur die Besonderheiten bestimmter Arbeitsverhältnisse

    • müssen keine Besonderheiten sein, die nur im Arbeitsrecht gelten

      -> ausreichend, wenn sich Abweichungen von typischen Regelungslagen insbes. im Arbeitsverhältnis auswirken

    • wenn (+) fraglich, ob diese so gewichtig sind, dass sie ein anderes als das gewöhnliche “bürgerlich-rechtliche” Ergebnis rechtfertigen

V. Rechtsfolge bei Nichteinbeziehung oder Unwirksamkeit der AGB (§ 306)

  • Vertrag im Übrigen bleibt wirksam

  • Vertragsinhalt richtet sich nach Gesetzeslage

  • Unwirksamkeit des Vertrages, wenn Festhalten auch unter Berücksichtugung der nach § 306 II vorgesehenen Änderungen eine unzumutbare Härte für eine Partei darstellt



Die Prüfung der AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht - Einzelfälle

I. Auschlussfristen

  1. Allgemeines

    = Eine Frist, nach deren Ablauf Ansprüche, aber auch Rechte (auch Gestaltungsrechte) erlöschen bzw. untergehen; auch wenn der Anspruch entstanden ist

    • Unterschied zu Verjährungsfristen: Ablauf führt zum Erlöschen des Anspruchs / rechts selbst + Beachtung von Amts wegen (Einwendung)

    • müssen beiderseitig sein, einseitige Ausschlzssfristen = unangemessene Benachteiligung

    • Frist für Geltendmachung: mind. 3 Monate

      -> wenn Anspruch nicht anerkannt werden: mind. weitere 3 Monate zur Geltendmachung

      -> Frist läuft mit Fälligkeit

    • Form für Geltendmachung: keine strengere Form als Textform (§ 309 Nr. 13 b))

    • Achtung: Tarifvertragliche Ausschlussfristen unterliegen gem. § 310 IV 1 BGB keiner AGB-Kontrolle

      -> auch kürzere Fristen zulässig

  2. Wahrung durch Kündigungsschutzklage

    -> mit Erhebung einer Kündigungssschutzklage: schriftliche Geltendmachung aller durch Kündigung bedrohten regelmäßig fällig werdenden Einzelansprüche aus dem AV

    -> Klageerhebung ausreichend, um das Erlöschen der vom Ausgang des Kündigungsrechtsstreits abhängigen Annahmeverzugsanspürche des AN zu verhindern

    -> auch bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen

    -> keine Hemmung der Verjährung des Anspruchs auf Annahmeverzugslohn

  3. Vorsatzhaftung

    > Ausschlussklausel ist regelmäßig nicht so auszulegen, dass Fälle der Vorsatzhaftung nicht erfasst sind

    • bei Ausschluss aller Ansprüche, die sich aus AV ergeben sind alle Ansprüche gemeint

      -> vertragliche Erfüllungsansprüche, vertragöihce SE-Ansprüche, deliktische SE-Ansprüche

  4. Teilweise Unwirksamkeit

    -> Unwirksamkeit eines teils einer Klausel führt zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel, wenn diese nicht “teilbar” ist

    -> wenn verbleibende Regelung weiterhin sachlich sinnvoll und sprachlich verständlich ist, bleibt sie bestehen

II. Vertragsstrafen

  1. betriebliche Bußordnungen (Fall des § 307, da § 309 Nr. 6 meist schon vom Wortlaut nicht eingreift

    • klare Bezeichnung der zu leistende Strafe & der sie aulösenden Pflichtverletzung (Bestimmtheutsgebot)

      -> Versprechende muss sich darauf einstellen können

    • Regelung muss erkennen lassen, welche konkreten Pflichten durch sie tatsächlich gesichert werden sollen

  2. Strafe für veranlasste Kündigung

    -> oft zu ungenau

  3. Strafe für den Fall des Nichtantritts der Arbeit (§ 309 Nr. 6)

    • AG kann die Hauptleistungspflicht des AN nicht vollstrecken lassen, § 889 II ZPO

      -> hat Interesse daran, sich durch eine Vertragsstrafe andere Wege zu sichern

    • Höhe der Strafe darf nicht Höher sein, als der Lohn, welcher der Länge der Kündigungsfrist entspricht

III. Widerrufsvorbehalt, § 308 Nr. 4 BGB

  • Klauseln, die AG ohne Angabe von Gründen den jederzeitigen Widerruf einer Leistung gestattet, widerprechen § 308 Nr. 4

    -> Einseitige Widerrufsmöglichkeit des Verwenders muss für Vertragspartner zumutbar sein

    -> Vertragspartner muss Gründe für Widerruf jedenfalls erahnen können

  • Höhe der widerrufbaren Leistung darf 25-30% des Gesamtlohns des AN nicht überschreiten

  • beachte: § 315: Ausübungskontrolle!

IV. Ausgleichsquittungen

  • ein in einer Generalquittung anlässlich der Beendigung des AV vereinbarter beidseitiger Verzicht auf Ansprüche “gleich aus welechem Rechtsgrund” i.R.e. vom AG gestellten Formulars ist typischerweise eine unangemessene Benachteiligung des AN, § 307

    -> es ist auf Regelfall nicht EInzelfall abzustellen

V. Überstunden

  • grds. Vergütung von Überstunden gem. § 612

  • Anders ausnahmsweise bei “Diensten höherer Art” und “herausgehobenen Entgelt”

    -> AGB-Klausel “erfordelriche Überstunden sind mit dem Monatsgehalt abgeolten” genügen nicht Tranzparanzgebot (§ 307 I 2), wenn sich der Umfang der danach ohne zusätzliche Vergütung zu leistenden Überstunden nicht hinreichend deutlich aus dem Arbeitsvertrag ergibt

    -> anders bei Klausel nach der in der vereinbarten Monatsvergütung die ersten 20 Überstunden abgegolten sind

VI. Befristung einzelner Arbeitsbedingungen

  • Möglichkeit, die notwendige unternehmerische Flexibilität bei der Planung des personaleinsatzes zu gewähleisten

  • BAG: grds. zulässig, jedoch strenge AGB-Kontrolle!

  • Befristungsabrede darf nicht unangemessen benachteiligend sein

    • Abwäung von AN- und AG-Interessen mit Berücksichtugung der Wertung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes

      -> Wertungskongruenz zw. Inhaltskontrolle des § 307 I und Befristungsrecht


Benachteiligung nach AGG - Anwendungsbereich und Verstoß gegen Benachteiligungsverbot des § 7 I i.V.m. § 1 AGG

I. Anwendbarkeit des AGG

  1. Persönlicher Anwendungsbereich

    a) geschützter Personenkreis

    • Arbeitnehmer, § 6 I 1 Nr. 1 AGG

    • Auszubildene, § 6 I 1 Nr. 2 AGG

    • Arbeitnehmerähnliche Selbstständige, § 6 I 1 Nr. 3 AGG

    • Vewerber und ehemals Beschäftigte, § 6 I 2 AGG

    • Selbstständige und Organmitglieder, § 6 III AGG

    b) Verpflichtete

    • Arbeitgeber, § 6 III 1 AGG

    • Entleiher bei ArbN-Überlassung, § 6 II 2 AGG

    • Arbeitnehmer, § 7 III, 12 III AGG

  2. Sachlicher Anwendungsbereich: § 2 AGG

    -> vor allem § 2 I AGG

II. Verstoß gegen Benachteiligungsverbot des § 7 I i.V.m. § 1 AGG

  1. Verstoß gegen ein Diskriminierungsmerkmal, § 1 AGG

    = eines der in § 1 AG genannten Merkmale

    -> auch Schwangerschaft, § 3 I 2 AGG

  2. Art der Benachteiligung, § 3 I AGG

    > Unmittelbare Benachteiligung, § 3 I AGG

    = weniger günstige Behandlung einer Perosn gegenüber einer anderen in einer vergleichbaren Situation wegen eines verpönten Merkmals gem. § 1 AGG

    • Bei Kündigung einer ANin während Probezeit, ohne dass AG Kenntnis von einer Schwangerschaft hatte, keine Benachteiligung

      -> auch nicht, wenn nach Kenntnis an der vorher ausgesprochenen Kündigung festgehalten wird

    • irrige Annahme von Merkmalen gem. § 1 AGG ausreichend

    • Prinzip der Bestenauslese nach Art. 33 II GG sind auch die durch Benachteiligungsverbot des § 7 I AGG geschützten Personengruppen unterworfen

    > Mittelbare Benachteiligung, § 3 II AGG

    = Benachteiligung durch scheinbar neutrale Vorschriften, Maßnahmen, Kriterien oder Verfahren, die sich faktisch diskriminierend auswirken

    -> Prüfungsschritte:

    • Gruppenbildung nach nicht ausdrücklich verbotenen Kriterien

      -> Bsp. Unterscheidung bei Maßnahme zw. Voll- und Teilzeit

    • Kollektive und unmittelbare Benachteiligung einer Gruppe i.S.v. § 3 I AGG

    • Mittelbare Diskriminierung, wenn die Benachteiligung der gebildeten Gruppe statistisch betrachtet in besonderer Weise diejenigen betrifft, die durch Diskriminierungsverbote geschützt werden sollen, weil diese in der gebildeten Gruppe im Verhältnis zur anderen Gruppe überrepräsentiert sind

    • Mittelbare Diskriminierung ist ausnahmsweise zulässig, wenn die statistische besondere Bertroffenheit einer vom AGG geschützten Gruppe nur Nebenprodukt eines erlaubten Ziels ist

    -> achtung: bei mittelbarer Diskriminierung ist bereits bei der tatbestandlichen Feststellung das Vorliegen sachlich gerechtfertigter Gründe für ihr Vorliegen zu prüfen

    > Belästigung, § 3 III AGG

    -> weitgehend Mobbing

    > sexuelle Belästigung, § 3 IV AGG

    -> kann niemals gerechtfertigt werden!

    > Beweislast, § 22 AGG

    • AN genügt Darlegungs- und Beweislast durch vortragen von Indizien und ggf. Beweise, die Benachteiligung wegen seines Alters vermuten lassen

      -> wenn die vorgetragenen und ggf. bewiesenen Tatsacen aus objektiver Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass die Benachteiligung wegen Alters erfolgt ist

      -> wenn das gelingt, trägt AG die Beweislast dafür, dass kein Verstoß vorliegt

    • Indizien: Formulierungen in Stellenanzeigen oder auffällig kurzes Vorstellungsgespräch oder Kommentare des AG


Benachteiligung nach AGG - Rechtfertigung, Verschulden, Rechtsfolgen

III. Rechtfertigung, §§ 5, 8, 9, 10 AGG

  1. Allgemeiner Rechtfertigungsgrund, § 8 AGG

    (+), wenn Merkmal für AG unverzichtbar (nicht bloß erwünschte Nebeneigenschaft. sonder AN gerade dafür bezahlt wird)

  2. Allgemeiner Rechtsfertigungsgrund, § 5 AGG

    -> vor allem Frauenquoten

  3. Besonderer Rechtfertigungsgrund für Religion und Weltanschauung, § 9 AGG

    -> kirchliches Selbstbestimmungsrecht

  4. Besonderer Rechtfertigungsgrund des Alters, § 10 AGG

-> keine “intersektionale Benachteiligung”, jede Benachteiligung einzeln zu überprüfen

IV. Verschulden

  1. § 15 I AGG Verschulden nötig

  2. § 15 II AGG verschuldensunabhängig

    -> Grad des Verschulden und Schwere der Beeinträchtigung können sich auf Höhe der Entschädigung auswirken

V. Rechtsfolgen

  1. Primäre Rechtsfolgen

    • Benachteiligende Weisungen bzw. Kündigungen sind gem. § 134 BGB unwirksam

    • Tatsächliche Maßnahmen sind zu unterlassen, § 1004 BGB analog

    • AGG gewährt niemals Anspruch auf Vertragsschluss

      -> kein Anspruch auf Begründung AV oder Beförderung

  2. Diskriminierende Vereinbarungen

    • Unwirksamkeit gem. § 7 II AGG

    • Folge: Angleichung nach oben

  3. Sekundäre Rechtsfolge

    a) § 15 I AGG: SE auf positives Interesse

    = eigene AGL + Spezialvorschrift zu § 280 I BGB

    -> ansonsten Umgehung der Ausschlussfrist des § 15 IV ArbGG

    • Haftungsobergrenze: notwendig, EU-RL verlangt eine wirksame aber auch verhältnismäßige Sanktion

    b) § 15 II AGG: Entschädigung (immaterieller Schaden)

    -> fehlt es der Bewerbung an Ernstlichkeit kein Entschädigungsverlangen wegen Rechtsmissbrauch

    • § 2 IV AGG steht Entschädigungsanspruch nicht entgegen

      -> Wortlaut und Zweck: lediglich Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung nach AGG ausgeschlossen

      -> bei diskriminierenden Kündigung kann auch ohne Erhebung einer Kündisgungsschutzklage Entschädigung nach § 15 II AGG verlangt werden (auch parallel möglich)

  4. Zweistufige Ausschlussfrist, § 15 IV AGG, § 61b ArbGG

    a) 1. Stufe: § 15 IV AGG

    • Ansprüche auf Entschädigung oder SE nach AGG nur innerhalb von 2 Monaten schriftlich (Fristbeginn § 15 IV 2 AGG)

    • Anwendung von § 167 ZPO

    • Frist ist wirksam und verstößt nicht gegen europäische Vorschriften

      -> Frist beginnt bei Ablehnung der Bewerbung bei Kenntniserlangung des Bewerbers von Benachtiligung zu laufen

    • Frist gilt für alle SE-Ansprüche wegen Diskriminierung nach AGG-Merkmale

      -> auch für andere Rechtsgrundlagen

      -> Ausnahme: Ansprüche aus Verletzung APR

    b) 2. Stufe: § 61b ArbGG

    • Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG muss innerhalb von drei Monaten, nach schriftlicher Geltendmachung des Anspruchs, erhoben werden

    • gilt für alle Entschädigungsansprüche

    • Versäumen der Klagefrist führt zur Unbegründetheit der Klage

VI. Einwand des Rechtsmissbrauchs gem. § 242 bei “AGG-Hopping”

= Fälle, in denen subjektiv keine ernsthafte Bewerbung vorliegt und der Bewerber objektiv für die Stelle nicht geeignet ist, sondern es nur auf die Entschädigung abgesehen hat

-> Dann entfällt wegen Rechtsmissbrauchs der Entschädigungsanspruch

Der allgemeine arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz

A. Grundlagen

= gebietet dem AG, AN, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, bei Anwendung einer selbst geschaffenen Regelung gleich zu behandeln

-> Verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner AN innerhalb einer Gruppe sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung

  • gewohnheitsrechtlich anerkannt

B. Schema: Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes

I. Aufstellung einer abstrakten Regel durch AG, die für mehrere Fälle gelten soll

  • nötig: “generalisierendes Prinzip”

    -> individuelle Besserstellung einzelner AN wird durch Gelichbehandlungsgrundsatz ausgeschlossen

II. Vorliegen einer Ungleichbehandlung eines oderer mehrerer AN, die eigentlich unter die Regel fallen würden

III. Kein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung

  • entscheidend: Zweck, den AG mit Leistung erfolgt

IV. Folgen

  • bei Verstoß gegen Grundsatz und wenn Bevorzugung anderer AN bereits eingetreten ist: Anspruch auf gleiche Leistung

  • Spezielle Gelichbehandlungsansprüche Bsp.: TzBfG: §§ 4, 5

C. Problem: Rückzahlungsklauseln

-> wenn AG mit freiwilligen Gratifikation ausschließlich einen Anreiz zur zukünftigen Betriebstreue schaffen will, darf er in Gratifikationsordnung Rückzahlungsklauseln aufnehmen

  • Grenzen:

    • Kleingratifikation bis 100€: keine Rückzahlungsklausel zulässig

    • Gratifikation unter 1 Monatsgehalt brutto: AG darf bei Weihnachtsgeld Rückzahlung verlangen, wenn AN das Unternehmen vor 31. März verlässt

    • ab einem Monatsgehalt: Rückzahlung, wenn AN Unternehmen vor dem 30. Juni verlässt

  • Rückzahlung darf AG auch bei von ihm ausgesprochenen Kündigung verlangen

D. Problem: Stichtagsklauseln

  • wenn Sonderzahlungen vom ungekündigten Bestand des AV zum Auszahlungsstichtag oder einem definierten Termin im Folgejahr abhängig gemacht werden, muss i.R.d. entsprechenden Zahlung ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass diese ausschließlich die Belohnung von Betriebstreue und nicht (auch) Abgeltung der Leistung des AN bezweckt

    -> ansonsten unangemessene Benachteligung und gerenell unzulässig


Betriebliche Übung

> Anspruch auf eine (urspr. freiwillige) Leistung des AG kann durch eine sog. “betriebliche Übung” entstehen

  • u.U, dann, wenn der AG in drei aufeinander folgenden Jahren ohne den Vorbehalt der Freiwilligkeit der Leistung gleichartig hohe Gratifikationen gezahlt hat

> Dogmatische Herleitung:

  • h.M.: Vertragstheorie (BAG)

    • Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des AG kann von den An als Vertragsangebot ausgelegt werden, welches i.d.R. stillschweigend angenommen wird

      -> enstandene Ansprüche werden zum (ungeschriebenen) Inhalt des EV

    • entscheidend: nicht Verpflichtungswille sondern wie AN die Erklärung oder das Verhalten des AG nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen durfte und musste

  • a.A.: Vertrauenstheorie

    • durch wiederholte Gewährung von Leistungen durch den AG wird nach Treu und Glauben ein Vertrauenstatbestand geschaffen

    • Zurechnungsgrund: Vertrauen des AN auf Fortsetzung der bisherigen Übung

> Inhalt und Gegenstand einer betrieblichen Übung

= Inhalt kann jeder Gegenstand sein, der arbeitsvertraglich geregelt werden kann und weder kollektiv- noch individualrechtlich geregelt ist.

-> bzgl. Organisation des Betriebs lann eine betriebliche Übung nicht entstehen, da sie üblicherweise auf kollektiver Ebene geregelt werden

-> typische Fälle:

  • Zahlung von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld von mind. 3 Jahre in Folge

  • stets Anwendung des örtlich und von der Branche einschlägigen Tarifvertrages

  • kostenlose Kantinennutzung

  • Erlaubnis, dass AN resturlaub ins nächste Jahr mitnehmen dürfen ohne besondere Gründe nennen zu müssen

  • private Nutzung von Internet oder Telefon


Betriebliche Übung - Verhinderung der Entstehung einer betrieblichen Übung und Beseitigung

A. Verhinderung der Entstehung

I. “Freiwilligkeitsklausel”

  • AG macht deutlich, dass er Leistungen nicht auf für Zukunft gewähren möchte

    -> ausdrückliche Passage nötig

  • anders: Widerrufvorbehalt!

    -> verhindert nicht Entstehung, sondern AG behält sich Widerruf für Zukunft vor

  • Komination beider Klauseln: Unwirksamkeit gem. § 307 BGB

    -> Klauseln können widersprüchlich und unklar werden

    -> schließen sich gegenseitig aus

II. Unterschiedliche Leistungshöhe (v.a. bei Weihnachtsgeld)

  • bei Leistung einer Sonderzahlung über mehrere Jahre in unterschiedlicher Höhe fehlt es nicht an regelmäßiger oder gelichförmiger Wiederholung (anders als frührer Rspr.)

    -> typisch, dass eine vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung in Höhe schwanken kann

  • durch schlüssiges Verhalten kann ein Anspruch des An auf künftige Zahlungen dem Grunde nach entstehen

    -> Höhe kann AG nach billigem Ermessen festzusetzen

III. Schriftformklausel

> können Schriftformklauseln Entstehung verhindern?

  • einfache Schriftformklausel (-)

    • können durch schlüssiges Verhalten der Parteien abgeändert werden

    • Bei betrieblichen Übung wird durch das regelmäßige Wiederholen bestimmter Verhaltensweisen des AG ein Erklärungstatbestand gesetzt, der auf einen Wilen das AG in zukünftigen Situationen schließen lässt

      -> auf Schriftform kann verzichtet werden

  • doppelte Schriftformklauseln (+)

    = Regelungen, die Änderungen und Ergänzungen des AV ebenso wie den Verzicht auf Schriftformerfordenris nur dann für wirksam erklären, wenn dies unter Einhaltung der Schriftform geschieht

    -> ABER: doppelte Schriftformklauseln können gem. § 307 BGB unwirksam sein

    • wenn sie den generellen Vorrang der Individualabrede nicht berücksichtigen

    • Klauseln, die den Eindruck erwecken jede spätere vom Vertrag abweichende mündliche Abrede sei unwirksam sind irreführend und somit unwirksam

      -> § 305b BGB: Vorrang der Individualabrede!

B. Beseitigung einer entstandenen betrieblichen Übung

> keine Beseitiung durch einseitigen Widerruf oder Direktionsrecht des AGs

> i.d.R. keine Anfechtung

  • Betriebsübung besteht auf faktishen Verhalten des AG und dem dadurch hervorgerufenen Vertrauen des AN

    -> nicht auf vertraglichen WEs

  • Irrtum des AG berechtigt ihm nicht zu § 119 I BGB

    • Irrtum des AG relevant für Frage nach Entstehung einer betrieblichen Übung

> keine “abändernde” betriebliche Übung

  • wenn AN Anspruch auf Sonderzahlung aufgrund betrieblicher Übung, kann AG Anspruch nicht dadurch beseitigen, dass er Zahlung unter Freiwilligkeitsvorbehalt stellt

  • abändernde betriebliche Übung nicht mehr möglich, nur durch Schweigen und Hinnehmen des AN kommt keine Vertragsänderung zustande

> Änderungsvertrag und Änderungskündigung

  • Modifizierung oder Abbedingung durch Änderungsvertrag möglich

  • Fraglich: Zulässigkeit Änderungskündigung

    -> nur dann, wenn sich das Unternehmen in einer schweren wirtschaftlichen Krise befindet

C. Ansprüche aus betrieblicher Übung bei Neueinstellung

  • begünstigende betriebliche Übung kommt grds. den AN zugute, mit denen unter Geltung der Übung ein AV begründet wird

  • grds. auch Neueingestellten

    -> soll Neueingestellter ausgenommen werden, muss dies im Arbeitsvertrag oder spätestens bei Arbeitsaufnahme deutlich gemacht werden


Author

Isabella M.

Information

Last changed