3.6 Ökonomische Glücksforschung

Idee: Nicht der Nutzen, den Menschen aus dem Konsum von Gütern ziehen,sondern die Zufriedenheit („Glück“) eines Menschen wird ermittelt.

Nutzen = Glück?

• Bei völliger Entscheidungsfreiheit und Rationalität maximieren Menschen IhrenNutzen (Ausmaß ihrer Bedürfnisbefriedigung) durch ihre Entscheidungen. Siewählen die Alternativen mit dem höchsten (erwarteten) Nutzen.

  —> Glücks- und Wohlstandsmessung anhand ihrer ökonomischen Entscheidungenund deren Ergebnissen (z.B. am BIP) angemessen

• Verhaltensökonomik zeigt, dass Biases, Zeitinkonsistenzen undVerhaltensanomalien dies aber nur bedingt erlauben.

• Entscheidungen oftmals nicht völlig frei, sondern von äußeren, unbeeinflussbarenUmständen abhängig, z.B. bei Berufswahl Glücks- und Wohlstandsmessung anhand der ökonomischen Entscheidungenund deren Ergebnissen (z.B. am BIP) unzureichend

Direkte Glücksmessung, aber Glück ist (wie Nutzen auch) latente Variable

Glück ist etwas Subjektives und ist vom Statuseffekt beeinflusst

—> keine einheitliche Messskala/Nullpunkt

Glück muss ganzheitlich aufgefasst werden (nicht beispielsweise nur „Gesundheit“ oder„Arbeitszufriedenheit“)

• Repräsentative Befragungen:„Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben auf einer Skala von 0 oder 1 (völligunzufrieden) bis 10 (völlig zufrieden)?“ —> z.B. Deutsche Post Glücksatlas

• Erlebnis-Stichproben-Methode

• Tagesrekonstruktion

• Messung physischer Reaktionen

• U-Index

• Je entwickelter ein Land ist, desto glücklicher sind seine Menschen.

• Hohes Einkommen macht glücklicher; allerdings Anzeichen für abnehmendenGrenznutzen des Einkommens.

• Easterlin-Paradoxon: Bei Anstieg des Pro-Kopf-BIP ist das Glücksempfinden in denwestlichen Staaten mehr oder weniger konstant geblieben.

  • Veränderter Glücksbegriff?

  • Glücksschwelle des Einkommens?

  • Status-Effekt: Einkommen in Bezug zur Referenzgruppe („Glück ist relativ“)

  • Adaption und Gewöhnung

• Korrelation bedeutet nicht Kausalität!

• Deutschland: Während das BIP pro Kopf im Zeitraum 2004 bis 2017 um 40 Prozentanstieg, wuchs die Lebenszufriedenheit in Deutschland in Durchschnitt nur um rundsechs Prozent (Auszug aus dem Datenreport 2018, DIW Berlin). Im Vergleich von 38OECD-Ländern rangiert Deutschland bezüglich der Lebenszufriedenheit „nur“ aufRang 13 (OECD Better Life Index 2017).

• Arbeit hat über Einkommenserzielung hinaus einen positiven Einfluss auf das subjektiveWohlbefinden

• Kann aber auch negativen Einfluss auf das persönliche Glück haben, wenn sie keineBefriedigung stiftet

• Arbeitszeit zunächst mit positivem, dann mit negativem Einfluss

• Sicherheit des Arbeitsplatzes von hoher Bedeutung

• Arbeitslosigkeit reduziert Lebenszufriedenheit drastisch und dauerhaft

Glücksempfinden sinkt, wenn Ungleichheit hoch ist.

• soziale Interaktion mit den Faktoren Gesundheit und Wohlbefinden verknüpft

• Kinder machen glücklicher, wenn sie aus dem Haus sind

wer gesund ist, ist glücklicher; wer glücklicher ist, ist gesünder.

persönliche und politische Freiheit führen zu einer Steigerungder Lebenszufriedenheit

Junge und Alte sind glücklicher; mit etwa 45 Jahren ist man amunglücklichsten.

• BIP misst den Wert aller hergestellten Waren und Dienstleistungen in einem Landinnerhalb einer bestimmten Zeit. International standardisiertes und vergleichbares Maß.

• Schätzwerte für Schwarzarbeit und Drogenhandel werden eingerechnet, aber wichtigeFaktoren (ehrenamtliche Arbeit, Hausarbeit, Kindererziehung) werden nichtberücksichtigt.

• BIP und dessen Wachstum rein quantitativ. Angesichts des wachsendenRessourcenverbrauchs, des Klimawandels, ungleicher Einkommens- undVermögensverteilung und internationaler Wertschöpfungsprozesse, welche dieMenschenrechte häufig vernachlässigen, stellt sich immer mehr die Frage nach einerUmorientierung hin zu einem qualitativen Wachstumsbegriff.

• Nicht negativ verbucht werden ökologische Folgekosten einer Volkswirtschaft. Ganz im Gegenteil: Die Beseitigung von Schäden, die zum Beispiel durch ein Reaktorunglückwie in Fukushima entstehen, sorgen paradoxerweise für zusätzliches Wachstum, weil ihre Beseitigung wirtschaftliche Aktivitäten erzeugt. Das gilt entsprechend für Kriege,Naturkatastrophen und Krankheiten. Werden für Monokulturen große Waldflächenabgeholzt, steigt das BIP.

• Bruttonationalglück (GNH – Gross National Happiness), dessen Konzept imbuddhistischen Königreich Bhutan entwickelt wurde und dessen Erreichung dortoberstes Staatsziel ist. Jährlich wird in Umfragen die Zufriedenheit und dasGlücksgefühl der rund 800.000 Einwohner des Staates im Himalaya ermittelt.

• Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen basiert auf der Annahme,dass die traditionelle Messung von wirtschaftlichem Wachstum über das BIP alleinnicht ausreicht, um die Möglichkeiten und Chancen menschlicher Entwicklung unterBerücksichtigung der Menschenrechte zu beziffern und einzuschätzen.Lebensdauer, Bildung und Lebensstandard sind beim HDI zentrale Dimensionen.Ermittelt wird die Position eines Landes im Vergleich mit allen anderen Ländern, diedann in einem Wert zwischen 0 und 1 ausgedrückt wird. So kann zwischen Ländernmit hohem Entwicklungsniveau (HDI ≥ 0,8), mittlerem Niveau (0,799 ≥ HDI ≤ 0,5)und schwachem Niveau (HDI ≤ 0,499) unterschieden werden.

• Die OECD stellt mit dem Better Life Index (BLI) einen eher ganzheitlich orientiertenIndikator zur Verfügung, um das Wohlergehen der Menschen zu messen und zuvergleichen.

  • Elf Themenbereiche (darunter Gesundheit, Bildung, lokale Umweltfaktoren,persönliche Sicherheit, allgemeine Lebenszufriedenheit sowie Messgrößen wie dasEinkommen) werden in den Index mit einbezogen.

  • Das Besondere: Der BLI ist auch als interaktives Tool verfügbar. Mit diesem könnensich alle User ihren eigenen Indikator zusammenstellen, indem persönlichePrioritäten und Gewichtungen festgelegt werden.

• Der Happy Planet Index (HPI) der britischen Denkfabrik new economics foundation(nef) soll Auskunft darüber geben, wie sich die Lebensdauer und -zufriedenheit derBevölkerung eines Landes in Relation zum Ressourcenverbrauch – ausgedrückt imökologischen Fußabdruck – verhält. Die Berechnungsweise führt dazu, dass dieindustrialisierten Länder der Nordhalbkugel nur durchschnittliche Werte erzielen.Länder in Südostasien und Südamerika schneiden hier besser ab.