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Anfechtung

PS
by Preskella S.

I. Anfechtungsgrund

a) Der Erklärungsirrtum (§ 119 I Alt. 2 BGB)

  • Fälle in denen bereits der äußere Tatbestand nicht vom Willen des Erklärenden getragen

  • Der Erklärende benutzt ein Erklärungszeichen, das er gar nicht benutzen wollte

  • Klassische Situationen, in denen das gegeben ist, sind Verschreiben, Versprechen, Vergreifen

  • Beim Erklärungsirrtum weicht die Erklärung unbewusst vom Geschäftswillen ab.

  • Anfechtung ist außerdem nur dann begründet, wenn anzunehmen ist, dass der Erklärende die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

b) Der Inhaltsirrtum (§ 119 I Alt. 1 BGB)

  • Erklärende setzt das Erklärungszeichen, das er setzen wollte, der äußere Erklärungstatbestand ist also von seinem Willen getragen

  • Erklärende weiß, was er sagt oder schreibt

  • Sein Irrtum bezieht sich auf die Bedeutung oder Tragweite seiner Erklärung, er misst der Erklärung einen anderen Sinn zu als dieser nach der Auslegung zukommt

  • Auch beim Inhaltsirrtum

c) Anfechtbarkeit wegen falscher Übermittlung (§ 120 BGB)

  • Gesondert geregelter Fall des Erklärungsirrtums

  • Der Erklärende nutzt Erklärungswerkzeuge, die nicht richtig funktionieren

  • Z.B. Bote macht was falsch

  • Auch hier auf Kausalität achten


d) Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Person oder der Sache (§ 119 II BGB)

aa) Einführung

  • Irrtümer können auch bei Willensbildung auftreten,

  • Der Irrtum tritt im Stadium der Willensbildung auf und beeinflusst den Willensentschluss (Motivirrtum)

  • Grundsätzlich unbeachtlich

  • Aber: Wohl überwiegend wird der Eigenschaftsirrtum (§ 119 II BGB) als ausnahmsweise beachtlicher Motivirrtum eingestuft.

bb) Voraussetzungen des § 119 II BGB

(1) Verkehrswesentliche Eigenschaft einer Person

  • Person: Geschäftspartner, aber auch Dritte, auf die sich das Geschäft bezieht

  • Eigenschaften einer Person: prägende Faktoren, erfasst sind alle rechtlichen oder tatsächlichen Merkmale oder Verhältnisse, die in der Person selbst begründet sind, ihr unmittelbar anhaften

Verkehrswesentlichkeit (nicht unstrittig):

  • BGH: Solche Eigenschaften verkehrswesentlich, wenn sie vom Erklärenden in irgendeiner Weise erkennbar dem Vertrag zu Grunde gelegt worden seien, ohne dass er sich gerade zum Inhalt seiner Erklärung gemacht haben müsse

  • Wohl überwiegend in Literatur: Verkehrswesentlichkeit einer Eigenschaft objektiv festzustellen. Möglich ist es allerdings selbstverständlich auch, dass die Beteiligten kraft ihrer Privatautonomie eine Eigenschaft als (Verkehrs-) wesentlich definieren.

  • Immer Bezug zum jeweiligen Geschäft herstellen


(2) Verkehrswesentliche Eigenschaften einer Sache

  • Eigenschaften einer Sache: Alle tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die aufgrund ihrer Beschaffenheit für die Brauchbarkeit und den Wert der Sache von Einfluss sind

Wichtig: Zu den Eigenschaften einer Sache gehören also die so genannten wertbildenden Faktoren. Keine Eigenschaft ist der Wert (der Marktpreis) der Sache.


e) Anfechtung wegen arglistiger Täuschung § 123 I 1 Alt. 2

a) Täuschung

  • Verhalten, das darauf abzielt, in einem anderen eine unrichtige Vorstellung hervorzurufen, zu bestärken oder zu unterhalten

  • Täuschung kann einmal durch aktives Tun- ausdrücklich oder konkludent – geschehen.

  • Möglich ist es aber auch, dass die Täuschung durch „Unterlassen“, d.h. es wird etwas verschwiegen.

Unterlassen, ein verschweigen, ist nur dann rechtlich relevant,

  • Wenn eine Aufklärungspflicht bestand,

  • Wenn eine Pflicht bestand, zu reden.

b) Widerrechtlichkeit

  • Widerrechtlichkeit als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ansehen

  • Relevanz gewinnt die Frage der Widerrechtlichkeit vor allem, wenn auf eine Frage eine falsche Antwort gegeben wird. So gibt es Fragen, die unzulässig sind.


c) Irrtum

  • Beim Erklärenden muss ein Irrtum vorliegen

  • Unerheblich, worauf sich der Irrtum bezieht

  • Es reicht hier auch ein bloßer Motivirrtum


d) Kausalität

  • Im Kontext mit der Täuschung mehrere Kausalbeziehungen

  • Zum einen muss zwischen Täuschung und Irrtum eine Kausalbeziehung bestehen

  • Zum anderen muss dieser Irrtum dann (zumindest mit) kausal für die vom Erklärenden abgegebene WE gewesen sein


e) Arglist

  • Täuschender muss in subjektiver Hinsicht arglistig gehandelt haben

  • Ausreichend ist bedingter Vorsatz

  • Es genügt auch für Arglist, wenn jemand in bewusster Unkenntnis, ob etwas wahr ist, etwas ins Blaue hinein behauptet.

f) Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung (§ 123 I 2. Alt. 1 BGB)

a) Drohung

  • Inaussichtstellung eines künftigen Übels

  • Reicht, wenn Drohender vorgibt, auf Eintritt Einfluss zu haben

  • Reicht, wenn Bedrohter die Drohung ernst nimmt

  • Angekündigtes Übel kann Erklärenden selbst betreffen, aber auch eine ihm nahestehende Person

Anders als bei arglistiger Täuschung

  • Egal, von wem die Drohung ausgeht.


b) Kausalität

  • Drohung muss kausal für Angst des Bedrohten und

  • Diese muss wiederum kausal für die Abgabe der WE sein

  • Mitursächlichkeit reicht aus.


c) Widerrechtlichkeit

  • Rechtswidrigkeit folgt aus eingesetztem Mittel (Annahmeerklärung wird unter Vorhalt einer Waffe erklärt)

  • Rechtswidrigkeit folgt aus erstrebtem Zweck (Mieter soll sich zur Zahlung von überhöhter Miete verpflichten)

  • Rechtswidrigkeit folgt aus einer Zweck-Mittel-Relation (Wertungsfrage; weder Mittel noch Zweck für sich genommen widerrechtlich).


Problemfälle und Abgrenzungen bei Anfechtungsgrund

a) Behandlung des Rechtsfolgenirrtums

Man irrt dann über die Rechtsfolg, die aus dem Rechtsgeschäft hervorgehen, das man herbeigeführt hat.

Kein relevanter Irrtum über die Rechtsfolgen,

  • Wenn die Rechtsfolgen nicht zum Inhalt der Erklärung gemacht wurden, und man sich über die weiteren gesetzlichen Folgen der Erklärung irrte.


b) Kalkulationsirrtum

Erklärender irrt über einen Umstand, den er seiner Berechnung zugrunde legt.


c) Problem des fehlenden Erklärungsbewusstseins

Beispiel: Trierer Weinversteigerung

Wie wichtig ist das Erklärungsbewusstsein für die Willenserklärung?

Überwiegend wird das so genannte potentielle Erklärungsbewusstsein als ausreichend betrachtet.

  • Für inneren Tatbestand einer WE soll es genügen, dass es für den Erklärenden erkennbar war, dass sein Verhalten als WE verstanden werden konnte.

  • Erklärendem die Möglichkeit eröffnet, sich ggf. von der WE zu lösen.

  • Ihm wird ein Anfechtungsrecht nach § 119 I BGB (analog) eröffnet.


d) Unterschreiben einer ungelesenen Urkunde

Häufig Fälle, in denen jemand eine Urkunde unterschreibt, die er nicht durchgelesen hat.

Hier werden differenzierende Lösungen angezeigt sein.

aa) Vorstellbar, dass jemand etwas unterschreibt, ohne sich überhaupt eine Vorstellung über den Inhalt gemacht zu haben, gleichwohl aber bewusst gewesen zu sein, etwas rechtlich Relevantes zu tun.


bb) Leistet der Unterzeichnende eine Unterschrift und geht davon aus, überhaupt nichts rechtlich Relevantes zu tun, so stellt sich das oben dargestellte Problem der Behandlung des mangelnden Erklärungsbewusstseins.


cc) Erklärender ist sich bewusst, dass er eine rechtlich relevante Urkunde unterschreibt, geht er aber davon aus, die Urkunde habe Inhalt A, tatsächlich hat sie aber Inhalt B,


e) Problematik: Täuschung durch einen Dritten

Wertung des § 123 BGB liegt zugrunde: Empfänger der Erklärung (Anfechtungsgegner) hat Täuschung vorgenommen.

Täuschung durch einen Dritten: Anfechtung bei empfangsbedürftiger WE dann gerechtfertigt, wenn Erklärungsempfänger von der Täuschung wusste oder fahrlässigerweise keine Kenntnis hatte (§ 123 II 1 BGB).

Wer ist aber Dritter?

Geht man von der Zweckrichtung des § 123 II BGB aus, dann ist kein Dritter iSd § 123 II BGB:

  • Z.B. Stellvertreter des Vertragspartners;

  • Aber auch bei weiteren Personen möglich, wenn

  • Täuschende Mittelsperson mit Willen des Erklärungsempfängers in die Verhandlungen eingeschaltet wurde.



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Preskella S.

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