Was ist der Sinn und Zweck der vorzeitigen Wartezeiterfüllung?
Leistungen der Sozialversicherung sollen gerecht sein und manche haben nicht die Möglichkeit.
Zum Beispiel in Fällen, in denen Versicherte in jungen Jahren, also vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erwerbsgemindert werden bzw. sterben, wären diese bzw. ihre Hinterbliebenen ohne Leistungsanspruch, weil für EM- Renten und Renten wegen Todes u.a. die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (5 Jahre) erforderlich ist.
In welchem § ist die vorzeitige Wartezeiterfüllung geregelt?
§53 SGB VI
Was ist die allgemeine Vorsaussetzung zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung? Und was bedeutet diese?
Die Versicherteneigenschaft, denn sämtliche Vorschriften zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung setzen voraus, dass es sich um Versicherte handelt. Bis zu dem Tag, an dem die Schädigung eintritt muss mindestens ein rechtswirksamer Beitrag entrichtet (oder zumindest geschuldet) worden sein, der auf die Wartezeit anzurechnen ist.
Versicherter ist, wer mindestens einen rechtswirksamen Beitrag entrichtet hat oder für den Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten.
Versicherte sind auch Personen, die nachversichert worden sind oder für die aufgrund eines Versorgungsausgleichs oder eines Rentensplittings Anwartschaften übertragen oder begründet worden sind.
Was muss eintreten, damit die Wartezeit gemäß §53 Abs.1 SGB VI vorzeitig erfüllt sein könnte?
verminderte Erwerbsfähigkeit (hier ist teilweise und volle möglich)
Tod
Was versteht man unter dem Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Eintritt der Erwerbsminderung/ des Todes?
Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Wehr- oder Zivildienstbeschädigung, Gewahrsam muss ursächlich für den Eintritt der Erwerbsminderung bzw. des Todes sein.
Die Wartezeit ist nur dann vorzeitig erfüllt!
In welchen Fällen ist die Kausalität mehrfach von Bedeutung? Was ist die doppelte Kausalität?
Die Kausalität ist mehrfach von Bedeutung, wenn es sich bei dem schädigenden Ereignis um einen Arbeitsunfall, eine Berufskrankheit oder eine Wehr- oder Zivildienstbeschädigung handelt.
Es müssen ursächliche Zusammenhänge und eine haftungsbegründende Kausalität erfüllt sein.
=> ist die doppelte Kausalität ursächlich?
Zum Beispiel bei Arbeitsunfall -> doppelte Kausalität in der Unfallversicherung:
Unfallkausalität -> liegt eine unfallversicherte Tätigkeit vor? (Nachversicherte Beamte erfüllen das nicht! §4 Abs.1 N.1 SGB VII)
haftungsbegründende Kausalität -> ist eine Folge daraus entstanden?
Welche Tatbestände werden in §53 Abs.1 genannt?
Arbeitsunfall, Berufskrankheit
Wehr- oder Zivildienstbeschädigung
Gewahrsam
Was versteht man unter einem Arbeitsunfall?
Arbeitsunfall ist jeder Unfall, der nach den Vorschriften der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung einen Leistungsanspruch auslösen kann (§ 8 SGB VII). Es kommt nicht darauf an, ob die Tätigkeit, bei deren Ausübung die berechtigte Person unfallversichert war, auch rentenversicherungspflichtig war oder nicht. -> die Tätigkeit muss Unfallversicherung sein!
Als Arbeitsunfall gilt auch ein sog. Wegeunfall (§ 8 Abs. 2 SGB VII).
Unfallversicherte Tätigkeiten sind nicht nur die reinen beruflichen Betätigungen
sondern beispielsweise auch Sachverhalte bzw. Personen nach §§ 2 und 3 SGB VII (z.B. Blutspenden)
Wann ist die Erfüllung der besonders versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §53 Abs.1 Nr.2 notwendig?
Bei Arbeitsunfall oder Berufskrankheit
Welche zwei besonderen versicherrungsrechtlichen Voraussetzungen sind in §53 Abs.1 S.2 geregelt?
Versicherungspflicht bei Eintritt des Arbeitsunfalls / der Berufskrankheit
-> am Tag des Arbeitsunfalls oder der Berufskrankheit muss Versicherungspflicht (auch nach §§ 3, 4 SGB VI erfüllt) in der gesetzlichen Rentenversicherung bestanden haben.
(Es ist nicht erforderlich, dass sich der Arbeitsunfall in der rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung ereignet hat)
(Die Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn der Arbeitsunfall während eines Zeitraums eintritt, in dem die Beschäftigung nach § 7 Abs.3 SGB IV als fortbestehend gilt)
ODER
ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten zwei Jahren vor dem Arbeitsunfall / der Berufskrankheit
-> als Pflichtbeiträge zählen auch: siehe §53 Abs.3
Wann beginnt und wann endet der Zwei-Jahreszeitraum? Welche § sind zu zitieren?
Fristbeginn: Tag vor zwei Jahren, der dem Tagdes Arbeitsunfalls / der Berufskrankheit entspricht
Fristende: Tag vor dem Arbeitsunfall oder der Berufskrankheit
Achtung: Die „letzten zwei Jahre“ enden auch dann am Tag vor dem Arbeitsunfall bzw. der Berufskrankheit, wenn das schädigende Ereignis und der Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsminderung oder des Todes auseinanderfallen.
Berechnung der Zwei-Jahresfrist nach §26 SGB X i.V.m. §§187 Abs.1, 188 Abs.2 BGB
Was sind die Rechtsfolgen und wichtige allgemeine Infos der vorzeitigen Wartezeiterfüllung?
Rentenanspruch besteht wie bei tatsächlicher Wartezeiterfüllung
Rentenberechnung erfolgt mit tatsächlich zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten und ggf. einer Zurechnungszeit
Die vorzeitige Wartezeiterfüllung gilt nur für die jeweils eingetretene und dann andauernde Erwerbsminderung (aktueller Leistungsfall)
§115 Abs.3 S.1 SGB VI: Bei Erreichen der Regelaltersgrenze wird im Anschluss an die EM-Rente von Amts wegen eine Regelaltersrente gezahlt -> vorzeitige Wartezeiterfüllung gilt indirekt auch für die Regelaltersrente gem. § 50 Abs.1 S.2 Nr.1 SGB VI als erfüllt
( § 43 Abs.5 SGB VI: 36 in 60 muss nicht erfüllt sein, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist)
Was muss eintreten, damit die Wartezeit gemäß §53 Abs.2 vorzeitig erfüllt sein könnte?
volle Erwerbsminderung
Auf welchen Zusammenhang kommt es bei der Anwendung des § 53 Abs.2 SGB VI an?
Auf den zeitlichen Zusammenhang mit dem Ende der Ausbildung
( NICHT auf die Ursache des schädigenden Ereignisses wie in Absatz 1)
Welche Frist muss man für §53 Abs.2 berechnen?
Welche Vorschriften muss man beachten?
Wann beginnt und wann endet sie?
Die Sechs Jahresfrist
als maßgebende Vorschriften gelten § 26 SGB X i.V.m. §§ 187 Abs.1, 188 Abs.2 BGB und § 26 Abs.3 S.1 SGB X (Verlängerung der Frist um Samstag, Sonntag oder Feiertag)
Beginn: Tag nach Beendigung der Ausbildung
Ende: Tag der Beendigung der Ausbildung in sechs Jahren
Welche versicherungsrechtliche Voraussetzung muss für §53 Abs.2 erfüllt sein?
Ein Jahr Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten 2 Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles
Was ist der Unterschied der Regelung “ein Jahr Pflichtbeiträge in den letzten zwei Jahren” zwischen §53 Abs.1 und 2?
Das Ende der Zweijahresfrist in Absatz 1 ist der Tag vor dem Arbeitsunfall/ Berufskrankheit
Das Ende der Zweijahresfrist in Absatz 2 ist der Tag vor dem Leistungsfall der Rente (EM / Hinterbliebenenrente)
Um welche Zeiten kann der Zwei Jahreszeitraum (§53 Abs.2) verlängert werden?
Wie viele Jahre kann man höchstens verlängern?
Verlängerung der Zwei-Jahresfrist bis zu einer Höchstdauer von sieben Jahren um Zeiten der schulischen Ausbildung, wenn
sie in diesem Zeitraum und
nach Vollendung des 17.Lebensjahres liegen und
nicht zeitgleich mit Pflichtbeiträgen belegt sind
→ Zeiten der schulischen Ausbildung (vgl. Legaldefinition in § 58 Abs.1 S.1 Nr.4 SGB VI)
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