2 Strategien zur Erforschung von Persönlichkeit
a) Ideographischer Ansatz
Es werden Einzelfälle analysiert, um die einzigartigen Merkmale einer Person zu ermitteln. Jede Person weist also eine einzigartige Kombination von Persönlichkeitsmerkmalen auf. Berechnung von Durchschnittswerten und Korrelationen wird abgelehnt, da dadurch die Einzigartigkeit verloren geht.
b) Nomometischer Ansatz
Annahme, dass es eine Grundstruktur der Persönlichkeit gibt. Alle Menschen besitzen dieselben Eigenschaften, aber in unterschiedlichem Aumaß. Bei diesem Ansatz wird versucht, eine universelle, gesetzmäßige Beziehung zwischen verschiedenen Aspekten der Persönlichkeit herzustellen. Man verwendet dazu korrelative Methoden.
Ansatz von Allport 1966
Bekanntester Vertreter des ideographischen Eigenschaftansatzes
Eigenschaften bzw. Merkmale sind gleichermaßen Bausteine der Persönlichkeit und die Quelle der Individualiät
Die Eigenschaften bzw. Merkmale können als eine Art intervenierende Variable aufgefasst werden, die Stimuli und Reaktion in Beziehung setzen
1) Reizsituation: eine Rede halten; auf Party gehen
2) Eigenschaften (intervenierende Variable): Schüchternheit; Fremde treffen
3) Reaktion: Vermeidung und Rückzug; Gedächtnislücken, Schweigen
Drei Arten von Eigenschaften
Allport 1966
Diese drei Arten bilden die Struktur einer Persönlichkeit und sind für das Verhalten der Person verantwortlich
Kardinaleigenschaften: Fundamentale Charakterzüge, um die der Mensch sein Leben aufbaut (Macht, Hilfsbereitschaft), müssen nicht bei allen Menschen ausgebildet sein
Zentrale Eigenschaften: Wichtige Merkmale einer Person (Ehrlichkeit)
Sekundäre Eigenschaften: Weniger wichtige Persönlichkeitsmerkmale, wie bestimmte Einstellungen, Vorlieben, Verhaltensweisen.
Fünffaktorenmodell der Persönlichkeit
Costa und McCrae 1992
Vorläufer: Eysenck (1990): Drei breite Dimensionen von Persönlichkeitsmerkmalen: Extraversion, Neurotizismus, Psychotizismus
! Im Kindesalter und im frühen Jugendalter wird Persönlichkeit nicht anhand des Fünffaktormodells sondern über Temperamentsmerkmale erfasst !
Wichtige Befunde:
Persönlichkeitsmerkmale sind von Umwelteinflüssen weitgehend unbeeinflusst, intrinsischer Reifungsprozess der Faktoren führt zu charakteristische Einstellungen, Fertigkeiten, Interessen des Selbstkonzept
Zugrundeliegende Faktoren sind sehr stabil (gerade im Erwachsenenalter) und waren in Fragebogenstudien, Interviewurteilen und Beurteilungsskalen methodenstabil
Testmöglichkeit: “NEO-FFI” (NEO-Fünf-Faktoren-Inventar, Fragenbogenmethode)
Die Kategorien ersetzen nicht die Vielzahl der Eigenschaftsbegriffe, jeder für sich hat spezifische Bedeutungsnuancen, sie erlauben lediglich eine Taxonomie, um von Menschen eine Beschreibung in Dimensionen vorzunehmen, von denen wir wissen, dass sie wichtig sind
9 Temperamentmerkmale
Thomas und Chess 1980
5A2SIR
1) Ausmaß der Aktivität
4) Anpassungsvermögen
7) Intensität der Reaktionen
2) Regelmäßigkeit biol. Rhythmen
5) Sensorische Reizschwelle
8) Ablenkbarkeit
3) Annäherung/Vermeidung von neuen Reizen
6) Stimmungslage
9) Ausdauer
—> Temperamentsmerkmale bilden wichtige Grundlage für Kernmerkmale der Persönlichkeit im Erwachsenenalter:
Hohe Ausdauer und geringe Ablenkbarkeit —> höhere Gewissenhaftigkeit im Erwachsenenalter
Ausgeprägte negative Stimmungslage und Schwierigkeiten sich an neue Situationen anzupassen —> Vorläufer des Neurotizismus
In Studien: Teilgruppen von Kindern mit einer typischen Kombination von Temperamentsmerkmalen identifiziert
Unkontrollierte Kinder: besonders wenig Selbstkontrolle, irritierbar, impulsiv, nicht ausdauernd, Schwierigkeiten beim Stillsitzen
Gehemmte Kinder: übermäßig ängstlich, zurückhaltend, leicht durch Fremde zu beunruhigen
Gut angepasste Kinder: angemessene Selbstkontrolle, lassen sich durch neue Anforderungen nicht so leicht aus der Ruhe bringen
“Schwieriges Temperament”: Kinder, die viel weinen, Gefühle sehr intensiv zum Ausdruck bringen, wenig feste Verhaltensabläufe zeigen und sich schlecht durch andere Menschen lenken lassen —> Schwierig meint, dass Eltern/Andere viele Schwierigkeiten haben, mit diesen Kindern umzugehen
Einflüsse auf die Persönlichkeit
Biologische Einflüsse
Verhaltensgenetische Studien (Emde und Hewitt 2001): 30-40% der interindividuellen Unerschiede in Temperamentsmerkmalen können durch genetische Faktoren erklärt werden
ca. 40% der interindividuellen Unerschiede in den 5 Kerndimensionen ebenfalls auf genetische Faktoren zurückführbar
Umwelteinflüsse
Wichtig: Passung von Temperament und Elternverhalten
Ungünstiges Elternverhalten hat negativere Auswirkungen, wenn Kind bereits ungünstige Temperamentsmerkmale hat: z.B. wird sich geringe Selbstkontrolle verfestigen, wenn Eltern keine Grenzen setzen und Kind nicht beim Aufbau von Selbstkontrollfähigkeiten unterstützen
Identitätszustände und -prozesse
Anhand der Kombination einer hohen beziehungsweise niedrigen Ausprägung der Dimensionen (Exploration und Commitment) unterschied
Marcia 4 Identitätszustände
Identitätszustände: Typische Verlaufstypen nach Waterman 1982
Progressiver Verlauf: Über das Moratorium wir die erarbeitete Identität erreicht
Regressiver Verlauf: Dieser entdet nach dem Moratorium bei einer diffusen Identität
Stagnierender Verlauf: Dieser verweilt auf der übernommenen oder diffusen Identiät
Einflüsse auf die Identitätsentwicklung
Soziale Einflüsse
Förderung der Identitätsentwicklung durch soziale Umwelt, die Exploration möglicher Identitäten und Eingehen von Festlegungen unterstützen
Starre Erwartungen der Eltern, wenig Autonomie —> fördert vorweggenommene Identität
Jugendlicher mit diffuser Identität: wenig emotionale Bindung an Eltern, wenig Autonomie
Höhere Exploration bei SuS, die LK als unterstützend wahrnehmen, als Vorbilder ansahen und meinten, dass in der Schule auch Werteentwicklung angeregt wird (Rich und Schachter 2012)
Einflüsse von Persönlichkeit und Verhalten
Hohe Offenheit für neue Erfahrungen —> mehr Identitätsexploration
Hohe Gewissenhaftigkeit und Extraversion —> mehr Exploration, Eingehen von Festlegungen; wer zielgerichtet plant und seine Impulse kontrolliert, kann besser bestehende Möglichkeiten erkunden
Aggressives und delinquentes Verhalten im Jugendalter —> mehr Probleme beim Eingehen von Festlegungen und stellt diese auch öfter in Frage; Impulisivität hemmt Treffen durchdachter Entscheidungen; Problemverhalten kann Verfügbarkeit von attraktiven Optionen einschränken
Krisen der Identität der Moderne
In der heutigen Zeit stellt sich die Identitätsfindung als zunehmend problematisch dar. Unter anderem sind folgende Probleme zu nennen
Flexibler Kapitalismus: ständige Anforderungen, neue Aufgaben im Beruf zu übernehmen und sich in neuen Bereichen zurechtzufinden
Soziale Pluralisierung und Differenziertheit: Vielzahl von Rollen, Erwartungen in unterschiedlichen Institutionen, die von einer Person übernommen wird (mehr Freiheit bei hoher Komplexität im Vergleich zu früher)
Zukunfsorientierung: rascher (technischer) Fortschritt erfordert ständige Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Entwicklungen und Anpassung eigener Einstellungen
Die Struktur des Selbstkonzepts: Hierachisches Selbstkonzeptmodell
Shavelson und Marsh 1976
Eigenschaften des Selbstkonzepts
Modell des internalen und externalen Bezugsrahmens: Entstehung FSK
Marsh 1986
Zusammenwirken von zwei Vergleichsprozessen —> Kinder können aus objektiven Leistungen Rückschlüsse für eigenes SK ziehen
indem sie externale, interindividuelle Vergleiche (eigene Leistung in Mathe verglichen mit denen anderer) oder
internale, intraindividuelle Vergleiche (eigene Leistung in Mathe vergleichen mit Sprache) anstellen
SuS nehmen Unterschiede ihrer eigenen Leistungsfähigkeit übertrieben deutlich wahr —> kontrastieren mathematische und verbale SK
5 Quellen selbstbezogenen Wissens
Direkte Prädikatenzuweisungen durch andere
Indirekte Prädikatenzuweisungen durch andere (wird von anderen um Hilfe gebeten)
Komparative Prädikatenselbstzuweisung (Vergleich)
Reflexive Prädikatenselbstzuweisungen (Selbstbeobachtung)
Ideationale Prädikatenselbstzuweisungen (Nachdenken über eigene Person)
DIKRI
4 Phasen, die aus den 5 Quellen selbstbezogenen Wissens stammen
Filipp 1984
1) Vorbereitung
2) Enkodierung
3) Speicherung
4) Abruf
Entwicklung des Selbstkonzepts
Frühe Kindheit:
Visuelles Selbsterkennen (ab 2. Lj.)
Autobiografisches Gedächtnis (ab 4. Lj)
*Vorschulalter:
Fremd-Soll-Selbst
Real-Selbst
SK besteht aus relativ unuzusammenhängenden, inkohärenten Selbstaspekten
Alles-oder-Nichts-Denken
*Schulalter:
Soziale Vergleiche
Liestungsbezogene Vergleiche
Lehrer als Quelle selbstbezogenen Wissens
Hierarchische Struktur des SK tritt zunehmend zutage
Jugend:
Selbst- und Identitätsfindung
Erhöhte Selbstaufmerksamkeit
Ideationale Prädikatenzuweisungen
Ausbildung Persönlichkeitskonzept
Eigene Beschreibung anhand Persönlichkeitseigenschaften
Kontextualisierung der abstrakten SK
Körperselbstkonzept rückt in den Mittelpunkt
Ablösung vom Elternhaus
Online-Identität
Das Selbst in Schulalter: Fähigkeitsselbstkonzept
Selbstkonzept: Gesamtheit der auf das Individuum bezogenen Gedanken/ Gefühle “Ich bin zufrieden mit mir.”
Schulisches Fähigkeitsselbstkonzept: “Ich bin ein guter Schüler.” (Hat Einfluss auf Leistung)
Schulfach-/ domänenspezifisches Fähigkeitsselbstkonzept: “Ich bin gut in Mathe”
4 Stufen des Fähigkeitsselbstkonzept
Nicholls 1984
Tüchtigkeitsselbstkonzept (bis ca. 3 J.): Bewertung von Gewinn und Verlust
*Ipsatives Fähigkeitsselbst (4-5 J.): Vergleich mit sich selbst
*Normatives Fähigkeitsselbst (Grundschulalter): Sozialer Vergleich mit anderen
Gesellschaftlich-normatives Fähigkeitsselbst (Beginn des Jugendalters)
TING
Fähigkeitsselbstkonzept und Leistung
Helmke 1998
Sehr günstig: leichte Überschätzung des Fähigkeitsselbst
Schwierige Aufgaben werden angepackt, bei Problemen wird durchgehalten
Ungünstig: starke Überschätzung
zu schwere Aufgaben werden gewählt —> ständiges scheitern —> niedrigeres Selbstkonzept
Lernerfolg wird für selbstverständlich gehalten (Hochbegabte, die nun auch lernen müssten)
Big-Fish-Little-Pond-Effekt
Marsh 2005
Beschreibt Phänomen, dass Leistungen in einem sozialen Umfeld von eher leistungsschwächeren Kindern (“big fish in a little pond”) zu einem gesteigerten FSK beitragen, während sich dies in einer Bezugsgruppe leistungsstarker Kinder umkehrt; großenteils über Leistungsrückmeldungen durch LK vermittelt.
Basking-in-reflected-glory: Bewusstsein, einer prestigeträchtigen Schulform anzugehören, kann auch selbstkonzeptsteigernd wirken; deutlich schwächer als der negative Effekt der ungünstigen sozialen Vgl. in leistungsstarken Klassen
Fähigkeitsselbstkonzept und Selbstwirksamkeitserwartung
Selbstwirksamkeitserwartung:
Einflüsse auf Selbstkonzept und -wert
Prozesse des Selbstkonzeptschutzes
Brandstätter 2007
Ausgangspunkt: Widersprüche zwischen vorhandenem SK und neuen Infos
Assimilation und Akkomodation
Immunisierende Prozesse: negative Infos nicht an sich heranlassen
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