Übersicht Ethik
Metaethik
Betrachtungen über die normative Ethik
Typische Fragen:
Gibt es moralische Werte?
Gibt es wahre moralische Urteile?
Gibt es eine oder mehrere richtige moralische Theorien?
Normative Ethik
Ausgangsfrage:
Wie soll ich (vor allem im zwischenmenschlichen Bereich) handeln?
Angewandte Ethik
Fokussierung auf einen bestimmten menschlichen Lebensbereich und dessen typische Fragestellungen
Typische Fragen am Beispiel der Medizinethik:
ist die PID (Präimplantationsdiagnostik) moralisch zulässig?
Ist aktive Sterbehilfe moralisch zulässig?
Deskriptive, präskritptive und normative Aussagen
Deskriptive Aussage: „Du hast gelogen.“ m
Präskriptive Aussage: „Du sollst nicht lügen.“ (vorschreibender Charakter)
Normative Aussage: „Lügen ist falsch.“ (präskritive Aussage)
Deskriptive Theorien: Beschreibung und Erklärung der Wirklichkeit (z.B. naturwissenschaftliche Theorien): Wie ist die Welt?
Normative (ethische) Theorien: Wie sollte die Welt sein? Wie sollen wir handeln? Leitet aus normativen Überlegungen präskriptive Aussagen ab (Handlungsanweisungen in Form von Imperativen/Sollenssätzen).
Aus Nicht-Können folgt Nicht-Sollen: Eine normative Theorie ist abzulehnen, wenn es für uns Menschen prinzipiell unmöglich ist, ihren Forderungen nachzukommen (z.B. „Du sollst 10m hoch springen!“; „Du sollst dich niemals über andere Menschen aufregen!“).
Aus Sein folgt kein Sollen (vgl, Humes Gesetz): Eine normative Theorie verliert nicht an Relevanz, wenn Menschen sich häufig oder sogar meistens nicht an ihre präskriptiven Aussagen halten (z.B. wenn wir manchmal lügen folgt daraus nicht, dass man lügen soll). Umgekehrt gilt, wenn Menschen sich immer entsprechend einer normativen Theorie verhalten, ist die normative Theorie überflüssig.
Normative Theorien bewerten nicht nur Verhalten sondern auch reine Überzeugungen oder Emotionen (z.B. rassistisches Gedankengut ist abzulehnen, auch wenn es sich nicht in entsprechenden Verhaltensweisen äußert).
Normative Ethik: Ethik vs. Moral
Ethik weiter gefasst als Moral, Moral ist eine Sonderform der Ethik
Ethik: Bezieht sich auf die allgemeine Lebensführung (z.B. „Was ist ein gutes Leben?“)
Moral: Unterklasse der ethischen Handlungsvorschriften, die sich auf zwischenmenschliche Verhaltensweisen bezieht (z.B. „Wie soll ich mich gegenüber meinen Mitmenschen verhalten?“). In jüngerer Zeit auch erweitert auf nicht- menschliche Lebewesen bzw. die Natur im Allgemeinen.
Normative Ethik: Moraltheorien vs. Alltagsmoral
Alltagsmoral: Hat sich durch Erziehung, (religiöse) Weltanschauung, Erfahrungen und persönliche Überlegungen herausgebildet und wird intuitiv verwendet.
Oft reicht die Alltagsmoral als intuitive Handlungsleitlinie bzw. eine ausgereifte Alltagsmoral kommt ohnehin zu den gleichen oder ähnlichen präskriptiven Regeln wie eine elaborierte Moraltheorie (à Überlegungs-Gleichgewicht nach Rawls).
Moraltheorien leiten nicht nur präskriptive Aussagen her sondern in Abgrenzung zur Alltagsmoral begründen sie auch, warum bestimmte normative Überzeugungen richtig sind (z.B. durch Handlungsprinzipien wie den kategorischen Imperativ nach Kant oder das Nützlichkeitsprinzip nach Mill)
—> Moraltheorie fokussiert sich auf Zwischenmenschliches Verhalten (Moraltheorie enger gefasst als Ethiktheorie) -> wie muss ich mich meinen Mitmenschen gegenüber verhalten
Normative Ethik: Nutzen von systematisch ausgearbeiteten Moraltheorien
In sich selbst widersprüchliche Alltagsmoral: Es gibt Situationen, in denen verschiedene präskriptive Normen im Widerspruch zueinander stehen. Ohne eine systematische Moraltheorie ist es schwierig, diesen Widerspruch aufzulösen und zu einem angemessenen Verhalten zu kommen (z.B. „Du sollst nicht lügen!“ vs. „Du sollst die Gefühle deiner Mitmenschen nicht verletzen!“). (kleines Kind spielt Flöte -> lügen oder Wahrheit sagen, dass es schlecht war?)
Neue, komplexe Situationen: Für neue und besonders komplexe Situation hat sich noch keine Alltagsmoral herausgebildet (z.B. Einsatz von Gentechnik; Datenschutz im Internet; Verkehrsunfälle bei autonomen Fahrzeugen etc.). -> wer haftet Fahrer, Softwareentwickler,… -> Alltagsmoral hier überfragt
Revision der Alltagsmoral: Die Alltagsmoral kann auch falsch sein bzw. durch (kulturelle) Veränderungen überholt werden (z.B. Einsatz von körperlicher Züchtigung in der Erziehung bzw. in der Schule).
—> Alltagsmoral hat sich verändert
(Erfinder von sicherem Prügelgerät; Bild wo man sieht wie er seinen Sohn nutzt für Werbung; -> über Zeit hat sich die Alltagsmoral geändert; Züchtigung heute nicht mehr erlaubt)
Deontologie (Kant)
Kant (1724-1804): Ethik der Pflichten (= Deontologie von altgr.: deon = Pflicht)
Pflicht zu moralischem Verhalten
Kern: Intention einer Handlung muss richtig sein; Folgen sind dabei egal -> Menschen sind selbstbestimmte Individuen mit Pflichten
Manche Handlungen sind an sich geboten oder verboten unabhängig von den Folgen der Handlung. Handlungen müssen aus den moralisch richtigen Motiven auf Basis rationaler Schlussfolgerungen frei gewählt werden. Das impliziert einen freien Willen als Entscheidungsgrundlage.
z.B. ist es grundsätzlich moralisch verboten zu lügen, zu foltern oder zu töten.
Mitbegründer der europäischen Aufklärung, die „jeden Menschen zu einem selbstbestimmten Individuum mit festen Rechten und Pflichten machen möchte.“
Instrumentalisierungsverbot nach Kant: Man darf sich selbst oder andere nicht als bloßes Mittel zum Zweck gebrauchen: „Rationale Wesen sind Zwecke an sich selbst, und eben darum kommt ihnen ein innerer Wert, d.h. eine Würde, zu.“
—> menschliches Leben hat einen Zweck an sich -> man darf Menschen nicht instrumentalisieren / zu einem Zweck verwenden
Art. 1 des GG „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ geht unmittelbar auf die Idee Kants zurück, dass jedem Menschen eine unveräußerliche Würde zukommt.
Kritik der reinen Vernunft: „Unterscheidung zwischen der Welt der Erscheinungen, d.h. der Welt, wie wir sie sinnlich wahrnehmen, und der Welt der Dinge an sich. Eine reine Erkenntnis ist eine solche, die nicht auf empirischen, d.h. aus der Erfahrung entlehnten, Erkenntnissen beruht.“ (Empirie abgeneigt)
Kants Argumentationsstruktur
Mensch ist ein Mischwesen: sinnliche Impulse (unbewusst) und Fähigkeit zu Rationalität Parallele zu EMAK unbewusstes und bewusstes System
zu 1) Es zählt nur die Motivation für eine Verhaltensweise („der gute Wille“) und nicht die Konsequenzen einer Verhaltensweise.
zu 2) Es besteht für jeden Menschen (Allgemeingültigkeit) die zwingende Pflicht (Notwendigkeit) entsprechend des guten Willens zu handeln. Die Pflicht existiert unabhängig von individuellen Neigungen (Kant konzipiert den Menschen als Mischwesen aus rationaler Vernunft und sinnlichen Neigungen, die nicht steuerbar sind. Der Mensch hat jedoch einen freien Willen, so dass er losgelöst von seinen Neigungen entscheiden kann).
zu 3) Jeder Mensch ist vernunftbegabt. Durch vernünftige Überlegungen sollte jeder Mensch zu der gleichen Handlungsmaxime gelangen: Dem kategorischen Imperativ, der unabhängig von individuellen Neigungen gilt. Wäre der Mensch ein reines Vernunftwesen, würde er immer moralisch handeln.
Deontologie (Kant): Goldene Regel und Kategorischer Imperativ
Die goldene Regel findet sich in verschiedenen religiösen Schriften. Diese Formulierung entstammt einer Luther-Übersetzung der Bibel.
Goldene Regel hat Aspekte des kategorischen Imperativ, dieser geht an sich jedoch noch weiter
Man macht etwas nicht wegen den eigenen individuellen Neigungen (man möchte Porsche selbt nicht geklaut bekommen)
Kategorischer Imperativ:
Kant möchte von den individuellen Neigungen abstrahieren
—> allgemeine Gesetzte
—> verallgemeinerndes Prinzip
Deontologie (Kant): Triebfeder
Utilitarismus (Mill)
John Stuart Mill (1806-1873): Utilitarismus bzw. Nützlichkeitsethik
Grundprinzip: Maximierung des Glücks der größten Anzahl an Menschen. Der moralische Wert einer Handlung wird anhand der Folgen einer Handlung bewertet. Es ist somit eine konsequentialistische Ethik.
Nützlichkeit/Glück = bringt Lust hervor oder erzeugt zumindest keinen Schmerz.
Nützlichkeitsprinzip: » Die Auffassung, für die die Nützlichkeit oder das Prinzip des größten Glücks die Grundlage der Moral ist, besagt, dass Handlungen insoweit und in dem Maße moralisch richtig sind, als sie die Tendenz haben, Glück zu befördern, und insoweit moralisch falsch, als sie die Tendenz haben, das Gegenteil von Glück zu bewirken. «
Anhänger des Empirismus, d.h. dass Wissen aus Erfahrungen abgeleitet wird.
Großer Einsatz für die Gleichberechtigung von Frauen – sowohl in privater als auch in politischer Hinsicht.
Verfechter eines politischen Liberalismus (à Freiheit des Einzelnen gegenüber dem Staat – sowohl in moralischer als auch ökonomischer Hinsicht).
Bei Mill geht es um die Konsequenz der Handlung, bei Kant um die Intention
Utilitarismus (Mill): Nützlichkeistprinzip
Utilitarismus (Mill): Hedonismus
» Es ist besser, ein unzufriedener Mensch zu sein als ein zufriedenes Schwein; besser ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr « —> Tiere können nur sinnliche Lust erleben, also keine interlektuelle
Nach Mills Meinung steht die interlektuelle Lust höher als die sinnliche Lust
Utilitarismus (Mill): Analogieargument (und Argumentationskette nach Mill)
Analogieargument = Glück ist das einzige Gut des Menschen, da sich alle anderen Güter des Menschen als Teil oder Determinante des Glücks auffassen lassen.
Argumentationskette nach Mill:
Das Einzige, was für ein Individuum wertvoll ist, ist sein persönliches Glück.
Moral fragt, was wertvoll ist aus der Perspektive der moralischen Gemeinschaft, d.h. der Menge aller Menschen.
Was wertvoll aus der Perspektive der moralischen Gemeinschaft, d.h. der Menge aller Menschen ist, ist das Maximum von dem, was für das Individuum gut ist, nämlich Glück.
Moral fragt nach dem größten Maß an Glück für die moralische Gemeinschaft.
Das Analogieargument ist kein strikter Beweis: Selbst wenn wir akzeptieren, dass Glück das einzig Wertvolle für das Individuum ist, folgt daraus noch nicht, dass das allgemeine Glück das einzig Wertvolle für eine Gemeinschaft ist. Demnach sollte man den „Beweis“ des Nützlichkeitsprinzips in einer schwächeren Form lesen, als eine Art Analogieargument.
Utilitarismus (Mill): Kritik
Idee von Utilitarismus operativ nicht umsetzbar; siehe 1. – 4.
Glücksskala: Annahme, dass man Nutzenwerte bzw. Glückspunkte tatsächlich vergeben könne. Anzunehmen, es gäbe eine absolute Glücksskala, ist jedoch nicht sonderlich plausibel. Eher sollte man davon ausgehen, man könne vergleichend feststellen, ob ein Zustand mehr Glück beschert als ein anderer. Dies wird jedoch mehr eine grobe Schätzung als eine exakte Bestimmung sein.
Gruppengröße: Je größer die Gruppe wird, desto schwieriger ist, abzuwägen, welche Folgen eine Handlung für ein spezielles Individuum hat. Daher wird man in der Praxis das allgemeine Glück abschätzen, ohne jeden einzelnen Glückswert der betroffenen Individuen zu bestimmen. So vergleicht man zwei Handlungen miteinander und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und schätzt ab, welche bessere Folgen hat.
Vorhersehbarkeit der Handlungsfolgen: Annahme man könne tatsächlich die Folgen einer Handlung vorhersehen. Natürlich können wir häufig die Folgen einer Handlung abschätzen, jedoch können sich aus einer Handlung auch Konsequenzen ergeben, an die man nicht denkt oder die man zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht vorhersehen kann. Demnach wird in der Praxis eine Folgenabwägung immer nach »bestem Wissen und Gewissen« ablaufen. Bewertet man eine Handlung im Nachhinein, fällt dies häufig einfacher, da man über zusätzliches Wissen verfügt, d.h. man weiß, welche Folgen tatsächlich aufgetreten sind.
Allgemeines Glück: Die letzte hier erwähnte Problematik bezieht sich auf die ungenaue Bestimmung der Aussage »allgemeines Glück«. Wer fällt alles in die Referenzgruppe von »allgemein«? Betrachte ich nur das Glück der direkt von meiner Handlung Betroffenen? Oder kalkuliere ich auch Effekte auf andere Menschen mit ein? Betrachte ich nur die deutsche Gesellschaft oder alle Menschen weltweit und ihr Glück? Und was ist mit den künftigen Generationen? Sollte ich sie nicht auch in meine Betrachtung mit einbeziehen? Wo ziehe ich die Grenze? Mill schenkt darüber hinaus nicht nur dem menschlichen Glück Beachtung, sondern erwähnt an einer Stelle explizit, dass wir auch für das Glück aller fühlenden Wesen, d.h. auch der Tiere, verantwortlich sind.
Utilitarismus (Mill): Kritik (2)
Dem Utilitarismus fehlen moralische Handlungsmaxime:
Beispiel: »The Survival Lottery«: John Harris schrieb 1975 einen Artikel mit dem Titel »The Survival Lottery«, in welchem er dieses Problem an einem akzentuierten Beispiel darstellte. Stellen wir uns in Anlehnung an Harris Folgendes vor: Wir haben zwei Patienten Y und Z. Y benötigt dringend ein neues Herz und Z eine neue Lunge, ansonsten werden beide sterben. Leider gibt es keine Möglichkeit, für beide ein Organ zu finden. Nun kommt ein junger, gesunder, sportlicher Mann in die Notaufnahme, da er sich einen Arm gebrochen hat. Zufälligerweise stellt sich heraus, dass er den passenden Gewebetypus hat, so dass seine Organe perfekt für unsere beiden Kranken wären. Diese haben beide ein vorbildliches Leben geführt, haben eine große Familie und noch kleine Kinder. Der junge Mann hat keine nahen Verwandten und kaum Freunde, die ihn vermissen könnten.
Aus dem Handlungsutilitarismus scheint zu folgen, dass der Arzt moralisch dazu verpflichtet ist, den jungen Mann zu töten, um seine Organe an die beiden Patienten zu verteilen, da dadurch das allgemeine Glück maximiert wird. Dies ist eine Folge aus dem Handlungsutilitarismus, die viele strikt ablehnen, da hier das Recht auf Leben verneint wird. Jemanden zu töten, auch unter der Voraussetzung, andere dadurch zu retten, scheint an sich eine unmoralische Handlung zu sein.
Utilitarismus (Mill): Kritik (3)
Verteilungsgerechtigkeit
Verteilung von Glückspunkten auf vier Personen
Nach Mill: Glückspunkte so hoch wie möglich —> Option 1
Deontologie vs. Utilitarismus
Mill: » Wer einen Mitmenschen vor dem Ertrinken rettet, tut, was moralisch richtig ist, einerlei, ob er es aus Pflichtgefühl tut oder in der Hoffnung, für seine Mühe entschädigt zu werden «
—> nach Kant (Deontologie) muss eine Handlung eine richtige Absicht haben, dabei ist das Ergebnis egal
—> nach Mill (Utilitarismus) ist es egal, ob man jmd. aus egoistischen Gründen rettet, wichtig ist, dass man Person gerettet hat
Deontologie vs. Utilitarismus (Vorstellen von Situationen)
Deontologie vs. Utilitarismus (Luftsicherheitsgesetz)
Beispiel: Luftsicherheitsgesetz
Betrachten wir zunächst ein Problem, das in den vergangenen Jahren die Öffentlichkeit und auch das Bundesverfassungsgericht im Februar 2006 beschäftigt hat (siehe Urteil vom 15. Februar 2006). Die Rede ist von der Debatte um das Luftsicherheitsgesetz und von der Frage, ob wir ein Flugzeug abschießen lassen dürfen, welches mutmaßlich von Terroristen entführt wurde und bei welchem zu befürchten ist, dass ein Terroranschlag mit ihm verübt wird. Anders formuliert: Dürfen wir das Leben von unschuldigen Menschen bewusst beenden, um das Leben einer noch größeren Anzahl von unschuldigen Menschen zu schützen?
—> Utilitarismus: Das Nützlichkeitsprinzip fordert, dass das Flugzeug abgeschossen wird, da dadurch das allgemeine Glück im Vergleich zu der alternativen Handlung maximiert wird.
—> Deontologie: Würde man ein solches Flugzeug abschießen, würden dessen Passagiere instrumentalisiert werden. Ihr Tod wird als Mittel angesehen, um andere zu retten – etwas, was für Kant unakzeptabel ist. Jeder Mensch besitzt für ihn eine nicht zu veräußernde Würde, was bedeutet, dass er bestimmte Grundrechte hat, die nicht zur Debatte stehen können, wie beispielsweise das Recht auf Leben.
—> Das Bundesverfassungsgericht hat entsprechend Artikel 1 den Abschuss untersagt.
Ethik der Verantwortung (Jonas)
Hans Jonas (1903-1993): Das Prinzip der Verantwortung
In seinem Hauptwerk „Das Prinzip der Verantwortung“ entwickelt Hans Jonas eine Ethik, die den Herausforderungen der modernen Technik begegnen kann. Eine solche ist notwendig, da sich seines Erachtens das Wesen menschlichen Handelns durch die Fortschritte der Technik grundlegend verändert hat. Menschliches Handeln kann tiefgreifende Auswirkungen auf die menschliche und außermenschliche Natur haben und sogar zur Vernichtung allen menschlichen Lebens führen (z.B. Atombomben).
Ökologischer Imperativ: »Handle nur so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz menschlichen Lebens auf Erden«
Ökologischer Imperativ: Jonas sieht es weiter als Kant -> Kant: kategorischer Imperativ nur zwischenmenschliches Verhalten; Jonas: ökologischer Imperativ erweiterete Perspektive (auch Tiere,…)
Grundlegend ist die Verantwortung, die jeder Mensch als Mensch trägt. Wir sind für all das verantwortlich, worüber wir Macht haben, also auch für die dauerhafte Existenz menschlichen Lebens.
Herkömmliche Moraltheorien kümmern sich darum, zwischenmenschliches Handeln zu regulieren. Diese Theorien sind anthropozentrisch, da sie sich auf das Zusammenleben der Menschen untereinander konzentrieren. Es ist jedoch keine Rede von Tieren oder der Natur im Allgemeinen. Diese haben z.B. bei Kant keinen moralischen Eigenwert. Dieser kommt bloß vernunftbegabten Wesen, also hauptsächlich Menschen, zu, die selbst moralisch handeln können.
Traditionellen Moraltheorien geht es primär um die Regulierung von individuellem Handeln (»Wie soll ich in dieser Situation handeln?«). Die Macht, welche der Mensch sich verschafft hat, äußert sich nicht nur in individuellen Handlungen, sondern gerade in der Aufsummierung der Folgen individueller Handlungen (z.B. Klimawandel). Daher sucht Jonas weniger nach einer individuellen Ethik, sondern nach einer Ethik, die in den politischen Bereich hineinreicht.
Der Horizont bisheriger Ethiken in ihren Betrachtungen ist sowohl in räumlicher als auch in zeitlicher Hinsicht begrenzt. Konzentriert man sich auf zwischenmenschliches Handeln, geht es (meist) um eine Handlung und deren Folgen auf unser direktes Gegenüber. Durch die moderne Technik können unsere Handlungen jedoch Folgen haben, die sich über das sowohl räumlich als auch zeitlich Unmittelbare ausdehnen (z.B. Finanzkrise 2009 oder Gentechnik: Ein heutiger Eingriff in das menschliche Erbgut kann Folgen haben, die zukünftige Generationen tangieren).
—> Die Ethik der Verantwortung ist eine Zukunftsethik, die langfristig und auf kollektive Handlungen ausgerichtet ist und dabei weniger anthropozentrisch orientiert ist.
Politische Philosophie – Vertragstheorie
Kernfragestellung: Welche Staatsform ist die beste? Wie sollte der perfekte Staat aussehen? Wie kann staatliche Autorität legimitiert werden?
Argumentationsschritte der Vertragstheorie:
Naturzustand (Kernannahme): Rein hypothetischer Zustand, in dem keine staatliche Autorität und keine Gesetze existieren. Alle Menschen sind gleichermaßen frei und gleich. Ein Zusammenleben in größeren Gruppen ist jedoch nicht möglich.
Gesellschaftsvertrag (Kernidee): Um den Naturzustand zu beenden, müssen sich die Menschen auf Gesetze und staatliche Strukturen einigen, denen jeder vernünftige Mensch freiwillig zustimmen würde. à !!!nur vernünftige Menschen willigen freiwillig ein
Staat: Der Staat hat die Aufgabe die Einhaltung der Gesetze zu überwachen und den Bruch von Gesetzen zu sanktionieren.
Thomas Hobbes
Thomas Hobbes (1588-1679): Begründer der Vertragstheorie
Deswegen schließen alle Menschen freiwillig untereinander einen Vertrag mit folgendem Wortlaut: » Ich übergebe mein Recht, mich selbst zu beherrschen, diesem Menschen oder dieser Gesellschaft unter der Bedingung, dass du ebenfalls dein Recht über dich ihm oder ihr abtrittst «
John Rawls
John Rawls (1921-2002): Theorie der Gerechtigkeit
» Jedermann hat gleiches Recht auf das umfangreichste Gesamtsystem gleicher Grundfreiheiten, das für alle möglich ist «
Jedem Menschen sollen die gleichen Grundfreiheiten zukommen. Diese Bedingung kann zu einer Eingrenzung der Freiheit jedes Einzelnen führen. Jedem Menschen stehen nur so viele Grundfreiheiten zu, wie das mit dem gleichen Maß an Grundfreiheiten für den anderen vereinbar ist.
Normativer Rahmen I: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948)
Diese sind nur Empfehlungen -> keine Gesetzte!
Reaktion der Vereinten Nationen auf 2. Weltkrieg
-> gesetzlichen Rahmen schaffen, um so etwas zu
verhindern
Normativer Rahmen I: Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (ausgewählte Artikel)
Normativer Rahmen II: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Mai 1949)
Normativer Rahmen II: Grundgesetz für die BRD (Auswahl, eigene Hervorhebung)
Artikel 1
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Artikel 2
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Artikel 3
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
Artikel 5
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.
Artikel 14
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Artikel 20a
Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
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