Buffl

beschränkt dingliche Rechte

LH
by Licia Huber H.

Rangordnung der beschränkten dingliche Rechte

  • Prinzip der Alterspriorität = besagt, dass das früher errichtete beschränkt dingliche Recht vor dem später errichteten Vorrang hat —> bestimmt isch nach dem Errichtungsdatum

    • bei Fahrnis: bei Errrichtung

    • bei Grundstücken: beim Eintrag ins Grundbuch

  • auch in ZGB 812

    • erster Fall: Vorrang der (älteren) Dienstbarkeit. Wird ein mit einer Dienstbarkeit belastetes Grundstück verpfändet, so kann es bei einer Pfandverwertung nach dem Grundsatz der Alterspriorität nur zusammen mit der Deinstbarkeit (die bestehen bleibt) versteirgert werden, auch wenn dadurch ein geringerer Erlös erzielt und die pfandgesicherte Forderung nicht abgedeckt wird

    • zweiter Fall: Vorrang des älteren Pfandrechts —> es sei denn, die Pfandgläubiger hätten zugestimmt, dass der neu zu errichtenden Dienstbarkeit im Verhältnis zum Pfandrecht Priorität zukommen soll

      • Errichtung einer neuen Dienstbarkeit ist durchaus zulässig; die Servitut wird jedoch gelöscht, wen ndie vorgehende Pfändgläubiger bei der Pfandverwertung durch ihren Bestand geschädigt wird. Um e ine allfällige Schädgiung festzustellen zu können, wird bei der Verwertung nach dem Prinzip des Doppelaufrufs verfahren —> vgl. SchKG 142 I und II

        • Grundstück wird zuert mit der Dienstbarkeit aufgerufen —> erfolgt darauf ein Angebot, das die Pfandrechte abdeckt, wird das Grundstück mit der Dienstbarkeit zugeschlagen

        • erfolgt kein Angebot, das die Pfandrechte bedekcen, so können die Pfandgläubiger ein zweites Ausgebot verlangen, diesmal ohne die Dienstbarkeit -> offeriert bei diesem zweiten Aufruf ein Beiter mehr als bei mersten, so wird die Dienstbarkeit gelöscht (SchKG 142 III; VZG 56); ein allfälliger ÜBerschuss nach Befridigung des Pfandgläubigers ist laut ZGB 812 III dem Deinstbarkeitsbereichtigten bis zur Höhe des WErts der Belastung als Entschädigugn zuzuweisen

          • erfolgt hingegen auch bei diesem zweiten Aufruf kein höheres Angbeot, so wird das Grundstück demjenigen zugeschlagen, der beim ersten aufruf am miesten geboten hat, und zwar mit der dienstbarkeit (VZG 56 lit.c), da derr Pfandgläubiger durch die Belastung ja offensichtlich nicht geschädigt werden

        • Bestimmung des Doppelaufrufs gelten nach SchKG 142 I (und VZG 104) nicht bloss mit Bezug auf Dienstbarkeiten und Grundlasten, sondern auch für im Grudnbuch vorgemekrte persönliche Rechte


Beschränkt dingliche Rechte an eigener Sache

  • grundsätzlich: beschränkt dingliches Recht nur an fremden Sachen —> beim Zusammentreffen der Eigenschaften des Eigentümers einer Sache und des Inhabers eines beschräntken dinglichen Rechts in einer Person das beschränkte dingliche Recht erlsicht (= Prinzip der Konsolidation)

  • nach schweizerischem Recht ist es jedoch in bestimmten Fällen zulässig, dass ein Eigentümer ein beschärnktes dingliches Recht an seiner eigenen Sache hat -> je nachdem, ob das beschränkte dingliche Recht des Eigentümers anderen auf der Sache lastenden dingliche nrechten vorgeht oder nicht

    • teilweise Konsolidation: bleibt das beschränkte dingliche Recht an eigener Sache bestehen —> Eigentümer hat an der Beibehaltung durchaus ein Interesse, da ihm dadurch eine bestimmte Teilherrschaft an der Sache zukommt, die sonst möglicherweise von de nanderen auf der Sache lastenden Rechten in Frage gestellt würde

    • vollständige Konsolidation: wenn das beschränkt dingliche Recht, dassen träger der Eigentüemr ist, keinen anderen beschärntken dinglichen Rechten an der Sache vorgeht

      • bei Fahrnis: Untergang des beschränkt dinglichen Rechts, wenn Eigentümer und Inhaber des beschärnkt dinglichen rechts in einer Person zusammenfallen (Publizitätsprinzip ist nicht mehr gewahrt)

      • bei Grundstücken: Publizitätsprinzip ist durch Grundbucheintrag gewahrt

        • Eigentümerdienstbarkeit: fallen Eigentümmer und Dienstbarkeitsberechtigter zusasmmen

          • Eigentümer errichtet gestützt auf ZGB 733 auf seinem Grudnstück zu Gunsten eines anderen ihm gehörenden Grundstücks eine Dienstbarkeit (bspw. Wegrecht, Näherbaurecht)

          • Dienstbarkeitsberechtigte wird Eigentümer des belasteten Grundstücks. Nach ZGB 735 II bleibt die Dienstbarkeit weiter bestehen, solange nicht im Grundbuch gelöscht wird

          • Vorteile der Eigentümerdienstbarkeit:

            • Eigentümer erhält Möglichkeit, im Fall einer Abparzellierung die Beziehung zwischen den Grundstücken vor einem allfälligen Verkauf zu regeln, indem etwa der Zugang zur Strasse mittesl eines Fuss- und Fahrwegrechts gesichert wird

            • Dienstbarkeit entsteht nach ZGB 972 mit der Eintragung in des Grundbuch. Datum ist entscheidend für den ragn, den die Dienstbarkeit im Verglich zu den anderen auf dem Grundstück lastenden beschränkten dinglcihen rEchten einnimmt

        • Eigentümergrundpfandrecht: fallene die Eigenschaften des Eigentümers und jene des Pfandgläubigers in einer Person zusammen. Wiederum sind zwei Grundkonstellationen zu beachten

          • Drittpfandverhältnisse: sind wohl Eigentümer und Pfandgläubiger dieselbe Person, doch unterscheiden sich Gläubiger und Schuldner der pfandgesicherten Obligation —> kommt dann vor, wenn ein Grundeigentümer, der sein Grudnstück für die schuld eines Dritten verpfändet hat, durch Abtretung oder Subrogation (ZGB 827 II und OR 110 Ziff. 1) die pfandversicherte Forderung erweribt oder wenn umgekehrt der Pfandgläubiger das pfandbelastete rundstück erweribt —> Pfandrecht belibt bestehen, solange der Grundeigentümer nicht die Löschung im Grundburch verlangt (ZGB 801 I)

          • Eigentümerschaft udn Pfandlägubigerstellung fallen zusammen sowie Gläubigeer und Schuldner

            • von Anfang an, wenn der Eigentümer auf seinem Grundstück ein Pfandrecht zu seinen eigenen Grundsten errichtet, indem er sich selbst als Gläubiger bezeichnet (ZGB 857 II und ZGB 860)

            • nachträglich: wenn Grundeigentümer, der sein Grundstück für eine eigene Schuld verpfändet hat, diese tilgt und vom Gläubiger verlangt, dass er der Übertragung des Register-Schuldbreifs unentkärftet herausgibt (ZGB 853)

            • Vorteile:

              • Eigentümer des rundstükcs beschafft sich gewissermassen Pfandrechte auf Vorrat, die er im Zeitpunkt der Kreditaufnahme an Dritte weitergegeben kann, ohne dass zur Errichtung eines Grundpfandrechts noch ein Vertrag abgeschlossen werden muss

              • Weiter besteht die Möglichkeit, am Pfandtitel ein Fahrnispfandrecht zu errichten. Auch der Register-Schuldbrief kann verpfändete werden (ZGB 859 I), obwohl es hier an einem Pfandtitel fehlt

              • Grundpfandrecht erhält schliesslich seinen Rang grundsätzlcih mit der Eintragung in das Grundbuch (vgl. ZGB 815)


BGE 107 III 128

Faustpfandrecht an Eigentümerschuldbriefen, die ein Grundeigentümer zur Sicherstellung der Darlehensschuld eines Dritten verpfändet hat; Stellung des Faustpfandgläubigers im Konkurs des Verpfänders.Ergibt sich bei der Verwertung des belasteten Grundstückes im Konkurs des Verpfänders ein Pfandausfall, so kann der Pfandgläubiger nicht im gleichen Konkurs eine entsprechende Forderung (in der fünften Klasse) kollozieren lassen; eine solche Pfandausfallforderung kann nur gegenüber dem Darlehensschuldner geltend gemacht werden.


1. Hat ein in Konkurs gefallener Grundeigentümer in seinem Eigentum stehende Eigentümerschuldbriefe, die sein Grundstück belasten, zu Faustpfand gegeben, so ist die Forderung des Faustpfandgläubigers gemäss Art. 126 Abs. 1 VZG als faustpfandgesichert zu kollozieren und die verpfändeten Pfandtitel sind unter Hinweis auf die Faustpfandkollokation mit dem Betrag der zugelassenen Faustpfandforderung unter die grundpfandversicherten Forderungen aufzunehmen. Art. 76 KOV bestimmt sodann, dass vom Gemeinschuldner verpfändete Eigentümerpfandtitel nichtBGE 107 III 128 S. 130separat versteigert werden dürfen, sondern bei der Versteigerung der Liegenschaft in der Weise zu liquidieren sind, dass in den Steigerungsbedingungen für den auf die Titel entfallenden Steigerungserlös Barzahlung zu verlangen ist und die Titel nach der Versteigerung zu entkräften sind. Mit dieser Regelung soll vermieden werden, dass zuerst der Faustpfandgläubiger die Masse für die bei der Versteigerung der Titel sich allenfalls ergebende Ausfallforderung belangen kann und nachher der Ersteigerer der Titel, wenn die Verwertung des Grundstückes diese nicht vollständig deckt, auch noch für diesen Ausfall mit seiner Forderung zugelassen werden muss (BGE 106 III 73 E. 4 mit Hinweisen). Den erwähnten Vorschriften hat die Konkursverwaltung im vorliegenden Fall nachgelebt.

2. Die Klägerinnen stehen auf dem Standpunkt, sie könnten den auf ihren Faustpfandforderungen erlittenen Ausfall vorerst als Fünftklassforderung gegenüber der Beklagten, der Konkursmasse der Horta Generalunternehmung AG, geltend machen und müssten anschliessend mit dem noch verbleibenden Ausfall im Konkurs der Horta Konzernleitung AG, ihrer eigentlichen Darlehensschuldnerin, in der fünften Klasse kolloziert werden. Sie räumen zwar ein, dass die Horta Generalunternehmung AG ihnen nicht als Darlehensnehmerin haftet, sondern lediglich als Dritte ihnen ein Pfand zur Sicherstellung des Darlehens an die Horta Konzernleitung AG bestellt hat. Indessen sind sie der Auffassung, Gegenstand ihres Faustpfandrechtes sei nicht nur die in den Schuldbriefen verurkundete Grundpfandsicherheit, sondern in erster Linie die darin verbriefte Schuldbriefforderung. Deshalb müsse vorerst im Konkurs des Drittpfandbestellers diese Forderung, soweit sie nicht durch die Grundpfandverwertung gedeckt worden sei, als Fünftklassforderung behandelt werden, und erst der noch verbleibende Ausfall sei dann als Fahrnispfandausfall im Konkurs des Darlehensschuldners in der fünften Klasse zu kollozieren.

Demgegenüber hält die Beklagte dafür, sie hafte als Drittpfandbestellerin lediglich mit dem Erlös, der aus der Verwertung des Grundpfandes auf die Schuldbriefe entfalle; soweit die Grundstückverwertung keine Deckung für die Schuldbriefe biete, handle es sich um eine Pfandausfallforderung, die nicht gegenüber dem Drittpfandbesteller, sondern allein gegenüber dem Schuldner der Darlehensforderung, im vorliegenden Falle der Horta Konzernleitung AG, als Forderung in der fünften Klasse geltend gemacht werden könne.BGE 107 III 128 S. 131

3. Das Obergericht hat die Klage mit zwei voneinander unabhängigen Begründungen abgewiesen und ausserdem auf die Erwägungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Alle drei Begründungen werden von den Klägerinnen als bundesrechtswidrig angefochten:

a) Vorerst wird im angefochtenen Entscheid ausgeführt, die Klägerinnen hätten zu keinem Zeitpunkt eine persönliche Forderung gegenüber der Horta Generalunternehmung AG bzw. der Beklagten erworben. Durch die Hingabe der Schuldbriefe zu Faustpfand an die Klägerinnen habe die Horta Generalunternehmung AG vielmehr lediglich die Schuld eines Dritten, der Horta Konzernleitung AG, sichergestellt; eine persönliche Schuldpflicht sei damit nicht begründet worden. Eine solche wäre erst entstanden, wenn die Klägerinnen die Schuldbriefe vor Konkurseröffnung auf dem Wege der Faustpfandverwertung realisiert hätten; in diesem Falle hätte der Ersteigerer die Titel zu vollem Eigentum erworben und damit auch eine selbständige Forderung aus dem Schuldbrief gegenüber der Horta Generalunternehmung AG als Grundeigentümerin erhalten. Nach der Konkurseröffnung sei aber eine solche Faustpfandverwertung der Schuldbriefe wegen der Vorschrift von Art. 76 KOV nicht mehr zulässig gewesen. Daraus ergebe sich, dass den Klägerinnen als Faustpfandgläubigerinnen bis zur Konkurseröffnung gegenüber der Horta Generalunternehmung AG nur ein Pfandrecht, aber keine Pfandforderung (gemeint ist offensichtlich eine Forderung aus dem Schuldbrief) zugestanden habe; das Bestehen einer solchen Pfandforderung wäre aber Voraussetzung für eine Pfandausfallforderung gegenüber der Beklagten.

Diese Überlegungen sind an sich zutreffend. Es wird dabei jedoch übersehen, dass die Klägerinnen ihren Anspruch auf Kollozierung einer Pfandausfallforderung gegenüber der Beklagten nicht damit begründen, sie hätten mit den Schuldbriefen gleichzeitig ein direktes Forderungsrecht gegen die Horta Generalunternehmung AG erworben. Vielmehr stehen sie auf dem Standpunkt, mit der Verpfändung der Schuldbriefe sei ihnen ausser dem darin verurkundeten Grundpfandrecht auch die in den Titeln verbriefte persönliche Schuld mitverpfändet worden. Das habe zur Folge, dass ihnen, für den aus der Verwertung des Grundpfandes nicht gedeckten Teil ihrer Forderung die im Schuldbrief verbriefte und mit dem Schuldbrief mitverpfändete persönliche Schuld der Beklagten, d.h. der Horta Generalunternehmung AG, ebenfalls nochBGE 107 III 128 S. 132als Faustpfand hafte. Die Realisierung dieses Teils des Pfandrechtes könne nur durch Kollozierung der entsprechenden Ausfallforderung in der fünften Klasse erfolgen. Erst der alsdann noch verbleibende Teil ihrer, der Klägerinnen, persönlichen Forderung gegenüber der Horta Konzernleitung AG sei dann in deren Konkurs als Faustpfandausfallforderung in der fünften Klasse zu kollozieren.

b) In zweiter Linie hat die Vorinstanz festgehalten, das Pfandrecht an einem Eigentümerschuldbrief könne nicht konsequent als Fahrnispfandrecht aufgefasst werden; teilweise müssten auch Grundsätze des Grundpfandrechtes zur Anwendung kommen. Im Einzelfall sei durch Interessenabwägung abzuklären, welche Rechte dem Pfandgläubiger zustünden. Dabei müsse nach der Vertrauenstheorie angenommen werden, dass derjenige, der einen Eigentümerschuldbrief für die Schuld eines Dritten zu Faustpfand gebe, nicht damit rechnen müsse, dass er neben der Haftung mit dem Grundstückwert auch noch eine persönliche Schuldverpflichtung eingehe. Den Interessen des Faustpfandgläubigers werde in solchen Fällen dadurch genügend Rechnung getragen, dass er die Möglichkeit habe, den Pfandtitel im Konkursfall zu ersteigern, d. h. zu Eigentum zu erwerben, und so die Rechte eines Grundpfandgläubigers zu erlangen.

Die zuletzt erwähnte Überlegung des Obergerichts ist unzutreffend, weil ja im Konkursfall Art. 76 KOV eine separate Versteigerung von Eigentümerpfandtiteln gerade ausschliesst. Im übrigen läuft auch diese Erwägung des Obergerichts letzten Endes auf die Frage hinaus, ob das Faustpfand am Schuldbrief nur den Grundstückwert oder auch die Schuldbriefforderung umfasse.

c) Das erstinstanzliche Urteil, auf welches das Obergericht ergänzend verweist, war davon ausgegangen, die Klägerinnen hätten durch die Faustpfandbestellung lediglich das Recht erworben, aus dem Verwertungserlös des Grundpfandes befriedigt zu werden; Gläubigerrechte hätten ihnen nicht erwachsen können. Dass sie vor der Konkurseröffnung die Möglichkeit gehabt hätten, Betreibung auf Faustpfandverwertung einzuleiten, bei der Versteigerung der Schuldbriefe diese zu erwerben und dadurch volle Eigentumsrechte mit einer persönlichen Forderung gegenüber dem Grundeigentümer zu erlangen, habe nicht ein Recht der Klägerinnen, sondern lediglich eine tatsächliche Chance dargestellt. Mit der Konkurseröffnung sei diese aufgrund der Art. 76 KOV und 126 VZG dahingefallen.BGE 107 III 128 S. 133

Damit ist im Ergebnis wiederum die Frage gestellt, ob die Klägerinnen mit dem Schuldbrief ein Faustpfandrecht nur am Grundpfand oder aber auch an der Schuldbriefforderung erworben haben.

4. Solange sich der Eigentümerschuldbrief im Besitze des Grundeigentümers befindet, führen sowohl das darin verbriefte Grundpfandrecht wie die durch das Grundpfand sichergestellte Forderung lediglich eine formelle Buch- bzw. Papierexistenz. Da der Inhaber des Schuldbriefes am Grundstück gleichzeitig das Eigentum und ein Pfandrecht hat und mit Bezug auf die Schuldbriefforderung gleichzeitig Schuldner und Gläubiger ist, ist die Geltendmachung sowohl von Gläubigerrechten wie auch des Grundpfandrechtes ausgeschlossen. Erst wenn der Schuldbrief in die Hand eines Dritten gerät, fallen Schuldner- und Gläubigereigenschaft einerseits, Grundeigentum und Grundpfandrecht andererseits auseinander und können praktische Bedeutung erlangen. Wird der Schuldbrief jemandem zu Eigentum übertragen, so erwirbt der Betreffende mit dem Schuldbrief zusammen das Forderungsrecht, das darin verbrieft ist, und er wird zum Grundpfandgläubiger, dem der im Schuldbrief verselbständigte Grundstückwert als Grundpfand haftet. Es fragt sich nun, ob dies auch dann zutrifft, wenn der Grundeigentümer den Eigentümerschuldbrief lediglich zu Faustpfand überträgt, oder ob nicht das Faustpfandrecht an einem solchen Schuldbrief dem Inhaber weniger Rechte verleiht als das Eigentum.

5. Vom Ergebnis her betrachtet, würde die klägerische These dazu führen, dass die Beklagte, d.h. die Horta Generalunternehmung AG, mit der Bestellung des Faustpfandes genau die gleiche Haftung übernommen hätte, wie wenn sie die Inhaberschuldbriefe den Klägerinnen zu Eigentum übertragen hätte. Demgegenüber beschränkt die von der Beklagten vertretene Lösung ihre Haftung auf den Wertteil des Grundstückes, der in den Grundpfandtiteln verkörpert ist. Letzteres dürfte dem mutmasslichen Parteiwillen bei der Pfandbestellung besser entsprechen. Wer einen Grundpfandtitel zu Faustpfand gibt, um damit die Schuld eines Dritten sicherzustellen, ist sich wohl bewusst, dass er damit eine Haftung mit dem entsprechenden Wertteil seines Grundstückes begründet. Er denkt aber kaum daran, dass die Pfandbestellung auch dazu führen könnte, dass er persönlich darüber hinaus noch für einen allfälligen Pfandausfall einzustehen haben würde. Billigerweise erwartet der Pfandgläubiger das denn wohl auch nicht.BGE 107 III 128 S. 134

Diese Auslegung lässt sich rechtsdogmatisch mit der Überlegung rechtfertigen, solange der Grundeigentümer den Eigentümerpfandtitel nicht an einen Dritten zu vollem Recht übertragen habe, bestehe noch gar keine Forderung aus dem Titel. Inhaber einer solchen Forderung könnte jedenfalls nicht der Faustpfandgläubiger sein; denn er hat ja den Titel nicht zu Eigentum, sondern lediglich zu Pfand erhalten. Titular der Forderung würde also der Grundeigentümer selbst bleiben, der gleichzeitig Schuldner wäre. Eine Forderung, die jemand gegen sich selbst hat, kann aber nur eine Papierexistenz führen und keinen wirklichen Wert besitzen. Mit der Übergabe eines Eigentümertitels zu Faustpfand erwirkt der Pfandgläubiger daher lediglich ein Pfandrecht am Wertanteil des Grundstückes, der Gegenstand des Pfandtitels bildet. Hinzu kommt freilich die Befugnis, auf dem Weg der Faustpfandverwertung die Übertragung des Titels zu Eigentum zu erwirken und dadurch die darin verbriefte Forderung entstehen zu lassen. Insofern hat der Faustpfandgläubiger die Möglichkeit, neben der betreffenden Wertquote des Grundstückes auch die erwähnte Forderung als Objekt seines Pfandrechtes zu realisieren. Fällt aber - wie im vorliegenden Fall - der Grundeigentümer in Konkurs, bevor der Faustpfandgläubiger diese Realisierung erwirkt hat, so bleibt es aufgrund der Vorschriften der Art. 76 KOV und 126 VZG dabei, dass die Forderung noch nicht entstanden ist und sich das Pfandrecht demzufolge lediglich auf die im Grundpfand verselbständigte Wertquote des Grundstückes bezieht. Entgegen der Ansicht von Zobl (Probleme bei der Verpfändung von Eigentümerschuldbriefen, in: ZBGR 59/1978, S. 214) bezweckt die Regelung von Art. 76 KOV und Art. 126 VZG nicht, den Faustpfandgläubiger gleich zu stellen, wie wenn er den Eigentümerschuldbrief schon vor der Konkurseröffnung zu vollem Recht erworben hätte (BGE 106 III 74). Vielmehr wollen diese beiden Bestimmungen einerseits dem Faustpfandgläubiger die Haftung des Grundpfandes sichern, andererseits aber verhindern, dass die andern Gläubiger dadurch geschädigt werden, dass jener vorerst den Titel verwerten lässt und hierauf für einen allfälligen Ausfall aus dieser Faustpfandverwertung in der fünften Klasse kolloziert wird, sowie dass anschliessend der Erwerber des Titels (der wieder der Faustpfandgläubiger sein könnte) die Verwertung des Grundpfandes verlangt und abermals für einen allfälligen Ausfall in der fünften Klasse kolloziert wird. Die privatrechtliche Stellung des Faustpfandgläubigers wollen diese Vorschriften nicht abändern; sie könnten es auch nicht (BGEBGE 107 III 128 S. 135102 III 94). Den Faustpfandgläubiger gleich stellen, wie wenn er das Faustpfand schon vor der Konkurseröffnung verwertet hätte, hiesse aber seine privatrechtliche Stellung ändern.

6. Die Vorinstanz hat die Kollokationsklage nach dem Gesagten zu Recht abgewiesen. Daran vermögen auch die weiteren Vorbringen der Klägerinnen nichts zu ändern:

a) Dass die Rechtsprechung einzelne der für das Grundpfand geltenden Grundsätze auch auf das Pfandrecht an einem Eigentümerpfandtitel anwende (vgl. OFTINGER/BÄR, N. 140 zu Art. 901 ZGB), ist hier ohne Bedeutung. Denn auch ein Grundeigentümer, der sein Grundstück für die Schuld eines Dritten verpfändet, haftet nur mit dem verpfändeten Grundstückwert, und nicht auch persönlich.

b) Der Faustpfandgläubiger kann - unter Beachtung der einschlägigen Vorschriften - bis zur Konkurseröffnung jederzeit die Faustpfandverwertung des Titels verlangen, wobei der Erwerber des Titels (auch wenn das der Faustpfandgläubiger selbst ist) die im Titel verbriefte Forderung erwirbt. Damit aber gelangt die Forderung - wie bereits dargelegt - erst zur Entstehung, und eine solche konnte vor diesem Zeitpunkt demnach nicht Gegenstand einer Pfandverwertung bilden. Durch die Konkurseröffnung wird daher dem Faustpfandgläubiger kein Recht entzogen, das ihm vorher zugestanden hätte, sondern es wird lediglich bewirkt, dass die Situation, wie sie bei Konkurseröffnung bestand, erhalten bleibt. Das entspricht dem Grundsatz, dass mit Konkurseröffnung jegliche Ansprüche der Gläubiger auf Durchführung von Spezialexekutionsmassnahmen untergehen.

c) Zur Stützung seines von den Klägerinnen vertretenen Standpunktes beruft sich ZOBL (Die Rechtsstellung des Fahrnispfandgläubigers an einem Eigentümer-Wertpapier, insbesondere im Konkurs des Verpfänders, in: ZBGR 61/1980, S. 129 ff.) unter anderem auch auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung. Es ist einzuräumen, dass sich in verschiedenen bundesgerichtlichen Urteilen die Feststellung findet, Pfandobjekt sei bei der Verpfändung eines Eigentümerpfandtitels die darin verbriefte Forderung (vgl. BGE 104 III 35; BGE 93 II 86 E. 3; BGE 68 II 87), und in BGE 63 II 230 wurde ausgeführt, dass durch die Verpfändung (oder Veräusserung) eines Eigentümerschuldbriefes die persönliche Schuldpflicht aus dem Schuldbrief zur Entstehung gelange. Andererseits wurde jedoch in BGE 64 II 417 festgehalten, dem Faustpfandgläubiger stehe kein aus dem Pfandtitel fliessendes GläubigerrechtBGE 107 III 128 S. 136gegen den Schuldner des Titels zu; sein Recht beschränke sich darauf, sich aus dem Erlös des Grundpfandes bezahlt zu machen. Die hier zu beurteilende Frage war jedoch in keinem dieser Fälle ausdrücklich gestellt, so dass sich eine Auseinandersetzung mit der erwähnten Rechtsprechung nicht aufdrängt. Es ergibt sich daraus jedenfalls nichts, was dagegen sprechen würde, der Auffassung der Beklagten den Vorzug zu geben.

BGE 125 III 123

Doppelaufruf; Schicksal davon erfasster Mietverträge (Art. 261 OR und Art. 142 SchKG).

Der Doppelaufruf ist sowohl bei vorgemerkten als auch bei nicht eingetragenen, langfristigen Mietverträgen zulässig (E. 1a-d).

Solche Mietverträge fallen mit dem Doppelaufruf nicht dahin, sondern gehen auf den Erwerber über. Dieser kann unbesehen dringenden Eigenbedarfs auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen (E. 1e).


1. Die Beschwerdeführer rügen in verschiedener Hinsicht eine Verletzung von Art. 4 BV. Insbesondere führen sie an, das Obergericht sei in Willkür verfallen, indem es das im Befehlsverfahren gestellte Gesuch gutgeheissen habe, obwohl der geltend gemachte Anspruch in keiner Weise liquid sei. Sodann liege eine Missachtung der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 ÜbBest. BV) und eine willkürliche (Nicht-) Anwendung bundesrechtlicher Bestimmungen vor, weil die Ausweisung ohne Kündigung durch die Beschwerdegegnerin zugelassen worden sei. Überdies habe das Obergericht den Beschwerdeführern das Recht verweigert, indem es ihnen die Möglichkeit genommen habe, ihre Sache im mietrechtlichen Verfahren der Schlichtungsbehörde und anschliessend dem Gericht bzw. dem Ausweisungsrichter mit umfassender Kognition zu unterbreiten. Schliesslich sei der angefochtene Entscheid im Ergebnis schlechterdings unhaltbar, da er zu einer Schlechterstellung der Mietpartei mit grundbuchlicher Vormerkung gegenüber einer Mietpartei ohne solche führe.

a) Nach § 226 ZPO kann bei nicht streitigen oder sofort feststellbaren tatsächlichen Verhältnissen das Befehlsverfahren eingeleitet werden; der Entscheid ergeht im summarischen Verfahren. Im vorliegenden Fall ist tatsächlich unbestritten, dass die Beschwerdeführer im Februar 1993 je Mietverträge mit einer Dauer von 20 Jahren über Wohn- und Geschäftsräume abgeschlossen und im Grundbuch vorgemerkt hatten, dass die Vermieterin im Jahre 1996 in Konkurs fiel und dass die Beschwerdegegnerin die Liegenschaft im Konkurs der Vermieterin nach Doppelaufruf erworben hat, wobei ihr die Mietverträge nach den Steigerungsbedingungen nicht überbunden wurden. Das Obergericht hat aufgrund dieser Sachlage mit der ersten Instanz die von der Beschwerdegegnerin verlangte Ausweisung geschützt in der Annahme, ein Mietvertrag zwischen dieser als Erwerberin der Mietsache und den Beschwerdeführern bestehe nicht. Sie hat sich dabei insbesondere auf BGE 124 III 37 berufen. In diesem Entscheid hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts die Ansicht vertreten, der Doppelaufruf gemäss Art. 142 SchKG sei auch auf nachträglich eingegangeneBGE 125 III 123 S. 126Pachtverhältnisse anwendbar, die von Gesetzes wegen bei der Zwangsverwertung auf den Erwerber übergehen. Ausserdem wurde - obiter dictu - bemerkt, dass dies ebenfalls für die von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehenden Mietverträge über Wohn- oder Geschäftsräume gelte.

b) Nach Art. 261 Abs. 1 OR geht das Mietverhältnis mit dem Eigentum an der Sache auf den Erwerber über, wenn der Vermieter die Sache nach Abschluss des Mietvertrages veräussert oder wenn sie ihm in einem Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren entzogen wird. Der neue Eigentümer kann jedoch bei Wohn- oder Geschäftsräumen das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen, wenn er einen dringenden Eigenbedarf für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte geltend macht (Art. 261 Abs. 2 lit. a OR). Die Bestimmung geht in dieser Form auf die parlamentarische Beratung zurück. Der Bundesrat hatte zwar im Entwurf ebenfalls vorgeschlagen, dass das Mietverhältnis mit dem Wechsel des Eigentümers - auch in der Zwangsverwertung der Mietsache - auf den Erwerber übergehen sollte. Der bundesrätliche Entwurf hatte jedoch noch vorgesehen, dass der neue Eigentümer das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Frist auf den nächsten gesetzlichen Termin kündigen könne, wenn der Vertrag keine frühere Kündigung gestatten sollte; dies entsprach insofern dem früheren Recht, als dieses zwar vom Grundsatz «Kauf bricht Miete» ausgegangen war, mangels Kündigung durch den Erwerber auf den nächsten gesetzlichen Termin aber die Übernahme des Mietvertrages fingiert hatte (Botschaft, BBl 1985 I S. 1441 und 1506). Die nationalrätliche Kommission schlug zunächst mehrheitlich vor, Mietverträge über Wohn- oder Geschäftsräume so, wie sie mit dem ursprünglichen Eigentümer abgeschlossen worden waren, auf den Erwerber übergehen zu lassen. Im Laufe der Beratung wurde dann als vermittelnde Lösung die Möglichkeit der Kündigung durch den Erwerber bei dringendem Eigenbedarf angenommen. In der Diskussion im Parlament wurde jedoch allein der Verkauf der Liegenschaft durch den Vermieter angesprochen (vgl. AB 1989 N 503-510 und 548 f.; AB 1989 S 423-425 und 683). Die besondere Problematik der Zwangsvollstreckung wurde nicht erwähnt.

c) Nach Art. 142 SchKG kann der vorgehende Grundpfandgläubiger den Aufruf sowohl mit als auch ohne die nachrangige Last verlangen, wenn das Grundstück ohne seine Zustimmung mit einer Dienstbarkeit, einer Grundlast oder einem vorgemerkten persönlichenBGE 125 III 123 S. 127Recht belastet worden ist (Abs. 1), und er kann die Löschung verlangen, wenn das Angebot mit der Last zur Befriedigung seiner Forderung nicht ausreicht (Abs. 3). Dass der gesetzlich vorgeschriebene Übergang nicht vorgemerkter Mietverhältnisse auf diese Weise mit doppeltem Aufruf verhindert werden könnte, ist nicht vorgesehen, obwohl Art. 142 SchKG erst 1994 revidiert worden ist. In der Lehre ist umstritten, ob diese Bestimmung auch auf (nicht vorgemerkte) Mietverhältnisse ausgedehnt werden könne, die nachträglich ohne Zustimmung vorgehender Grundpfandgläubiger abgeschlossen worden sind, jedoch von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen. Ein Teil der Autoren hält dafür, dass der Gesetzgeber bei der Mietrechtsrevision die Rangordnung zwischen dinglichen und persönlichen Rechten aus sozialpolitischen Gründen durchbrochen hat und daher ein Rückgriff insbesondere auf das sachenrechtliche System des Art. 812 ZGB ausgeschlossen sei (Daniel Staehelin, Zehn Fallen für Grundpfandgläubiger in der Zwangsvollstreckung, AJP 1998 S. 369; Brönnimann, Zwangsvollstreckungsrechtliche Risiken bei Grundpfandrechten, in: Berner Bankrechtstag 1996, S. 157; Jent-Sörensen, Das neue Mietrecht und seine zwangsvollstreckungsrechtlichen Konsequenzen, SJZ 1991 S. 410 ff.; vgl. auch Gilliéron, Bailleur et locataire d'une chose immobilière dans l'exécution forcée, 7e séminaire sur le droit du bail, Neuenburg 1992, S. 10). Ein anderer Teil der Doktrin vertritt die Ansicht, das Parlament habe mit der Revision des Mietrechts 1989 nicht gewollt, dass ein späterer Mietvertrag den Wert früherer Grundpfandrechte beeinträchtigen könne (Denis Piotet, Le bail en conflit avec des droits réels restreints sur la chose louée ou affermée, SJ 1997 S. 689; Monnier, Bevorzugte Mieter, Insolvenz- und Wirtschaftsrecht 1998 S. 23 f.; Hess-Odoni, Der Doppelaufruf nach Art. 142 SchKG und das neue Miet- und Pachtrecht, SJZ 87/1991 S. 145; Jacques Meyer, La fin du bail lors de la double mise à prix, Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung 1996 S. 10).

Die unterschiedlichen Auffassungen spiegeln sich auch in der kantonalen Rechtsprechung wieder. Das Thurgauer Obergericht hat am 17. September 1993 entschieden, dass ein Doppelaufruf auf den von Gesetzes wegen übergehenden Mietvertrag keine Wirkung auszu-üben vermöge (Schweizerische Zeitschrift für Beurkundungs- und Grundbuchrecht 1995 S. 94; in diesem Sinne auch Entscheid der Schlichtungsbehörde für Mietverhältnisse des Kantons Luzern vom 2. November 1991, mp 1991 S. 150). Das Kantonsgericht Freiburg hat demgegenüber in einem Urteil vom 28. November 1994 eineBGE 125 III 123 S. 128Gesetzeslücke angenommen und den Doppelaufruf auch für gesetzlich auf den Erwerber übergehende Mietverträge als zulässig erklärt (Freiburger Zeitschrift für Rechtsprechung 1995 S. 23, zustimmend Tercier/Pichonnaz, am selben Ort, S. 29).

d) Wie erwähnt wurde in BGE 124 III 37 entschieden, dass der Doppelaufruf im Sinne von Art. 142 SchKG für (nicht vorgemerkte) Pachtverträge zulässig ist, welche gemäss Art. 14 LPG von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen (zustimmend Lorandi, AJP 1998 S. 843 ff.; derselbe, Mietverträge im Konkurs des Vermieters, mp 1998 S. 123 ff.). Diese Auffassung ist für Mietverträge, welche gemäss Art. 261 OR von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen, zu übernehmen. Denn auch wenn Art. 142 SchKG bei der Revision im Jahre 1994 in dieser Hinsicht nicht angepasst worden ist, ergibt sich insbesondere aus der Entstehungsgeschichte des Art. 261 OR (oben E. 1b) nichts für eine bewusste Bevorzugung von Mietern mit langfristigen Mietverträgen gegenüber prioritären Grundpfandgläubigern in der Zwangsvollstreckung, so dass von einem zu weiten Wortlaut der massgebenden Bestimmungen ausgegangen werden muss und eine Regelungslücke angenommen werden kann. Das Gericht hat somit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 ZGB eine Regel aufzustellen, welche der Einheit der Rechtsordnung und den beteiligten Interessen Rechnung trägt. Da erst der Doppelaufruf im Sinne von Art. 142 SchKG erweist, ob überhaupt vorgängige Grundpfandrechte durch den später abgeschlossenen Mietvertrag in ihrem Wert beeinträchtigt werden (PIOTET, a.a.O., S. 690), ist der doppelte Aufruf in sinngemässer Anwendung der betreibungsrechtlichen Bestimmung ebenfalls für nicht eingetragene, langfristige Mietverträge zuzulassen. Dies hat freilich entgegen der Ansicht im angefochtenen Urteil nicht zur Folge, dass der Mietvertrag unbesehen der ausdrücklichen Anordnung in Art. 261 Abs. 1 OR überhaupt nicht auf den Erwerber übergehen würde. Art. 142 Abs. 3 SchKG regelt den Fall der gesetzlich auf den Erwerber übergehenden Mietverträge wie erwähnt nicht; diese Bestimmung schreibt nur vor, dass der Grundpfandgläubiger die Löschung einer im Grundbuch eingetragenen Last verlangen kann, wenn das Angebot für das Grundstück mit der Last zu seiner Befriedigung nicht ausreicht und er ohne sie bessere Deckung erhält; nicht eingetragene Rechte können aber nicht gelöscht werden. Die sinngemässe Anwendung von Art. 142 SchKG auf Mietverträge, die auch in der Zwangsverwertung von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen (Art. 261 Abs. 1 OR), rechtfertigt sich nur insoweit, als die Analogie reicht.

BGE 125 III 123 S. 129

e) In der Lehre, welche den doppelten Aufruf für gesetzlich auf den Erwerber übergehende Mietverhältnisse befürwortet, wird zum Teil die Ansicht vertreten, dass der Vertrag überhaupt nicht auf den neuen Eigentümer übergehe und dieser unmittelbar die Ausweisung verlangen könne (LORANDI, mp 1998 S. 124; PIOTET, a.a.O., S. 691; MEYER, a.a.O., S. 13; HESS-ODONI, a.a.O., S. 150 f.). Dass mit dieser Lösung freilich die Interessen des Mieters nicht hinreichend gewahrt werden, wird auch hier teilweise erkannt. Wenn aus diesem Grund etwa vorgeschlagen wird, die Verwaltung der Mietliegenschaft durch das Konkursamt sei zu verlängern und es sei überdies dem betroffenen Mieter eine Beschwerdemöglichkeit zu öffnen, um den Rechtsweg zu gewährleisten (PIOTET, a.a.O., S. 691; MEYER, a.a.O., S. 13 f.), so erscheint doch fraglich, ob mit einer derartigen Lösung die befürchtete Aushöhlung des Wertes früherer Grundpfandrechte vollumfänglich verhindert werden könnte. Sollen nämlich die Interessen der betroffenen Mieter in irgendeiner Weise mitberücksichtigt werden, so ist unvermeidlich, dass die damit in Konflikt stehenden Interessen der vorgehenden Grundpfandgläubiger in entsprechendem Umfang beeinträchtigt werden. Es ist aber unbestreitbar, dass gemäss Art. 261 Abs. 1 OR die Interessen der Mieter in der Zwangsvollstreckung dadurch gewahrt werden sollen, dass der Mietvertrag grundsätzlich - wenn auch modifiziert mit zusätzlicher Kündigungsmöglichkeit - auf den Erwerber übergeht; dies war bei der Mietrechtsrevision von 1989 völlig unbestritten; umstritten war im Parlament nur, in welchem Umfang die Rechtsstellung des Mieters noch verbessert werden sollte. Es ist unter diesen Umständen schlechterdings nicht vertretbar, bei der analogen Anwendung von Art. 142 SchKG die ausdrückliche Bestimmung des Art. 261 Abs. 1 OR vollständig zu missachten und den Mietvertrag in keiner Weise auf den Erwerber übergehen zu lassen. Ein Teil der Lehre weist denn auch zutreffend darauf hin, dass der Doppelaufruf im Sinne von Art. 142 SchKG nicht den Übergang des Mietvertrags gemäss Art. 261 Abs. 1 OR schlechthin zu hindern vermag, sondern dass er allein - aber immerhin - dem Erwerber ohne Nachweis dringlichen Eigenbedarfs die ordentliche gesetzliche Kündigungsmöglichkeit auf den nächsten Termin eröffnet (TERCIER/PICHONNAZ*, a.a.O., S. 33; Monnier, a.a.O., S. 24; vgl. auch Brönnimann, a.a.O., S. 157). Wird Art. 142 SchKG in dieser Weise analog auf den gesetzlichen Übergang späterer langfristiger Mietverträge angewendet, so wird zwar den Interessen vorgehender Grundpfandgläubiger nicht der unbedingte Vorrang eingeräumt, es wird aber anderseitsBGE 125 III 123 S. 130die gesetzgeberische Absicht, den Mietvertrag auch im Falle der Zwangsverwertung der Mietsache auf den Erwerber übergehen zu lassen, welche in Art. 261 OR Ausdruck findet, Rechnung getragen. Art. 142 SchKG ist in dem Sinne analog auf Mietverträge anzuwenden, die gemäss Art. 261 OR von Gesetzes wegen auf den Erwerber übergehen, als dem Erwerber ermöglicht wird, nach dem Doppelaufruf die Mietsache unbesehen dringenden Eigenbedarfs auf den nächsten gesetzlichen Termin zu kündigen.

f) Im vorliegenden Fall waren die von den Beschwerdeführern mit der Konkursitin langfristig abgeschlossenen Mietverträge im Grundbuch vorgemerkt worden. Die Vormerkung, welche gemäss Art. 261b Abs. 2 OR die Kündigungsmöglichkeit vor Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer für den Erwerber überhaupt ausgeschlossen hätte, konnte gemäss Art. 142 SchKG nach Doppelaufruf gelöscht werden. Der doppelte Aufruf in sinngemässer Anwendung von Art. 142 SchKG vermochte dagegen den gesetzlichen Übergang des Mietvertrages auf die Beschwerdegegnerin nach Art. 261 OR nicht vollständig auszuschliessen. Mit dem Doppelaufruf, der sich nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Urteil nach den Steigerungsbedingungen auch auf das Mietverhältnis überhaupt und damit auf dessen gesetzlichen Übergang bezog, konnte nur die vertragliche Dauer des Mietvertrages beseitigt werden; die Beschwerdegegnerin erhielt dadurch die Möglichkeit, die gemäss Art. 261 Abs. 1 OR in der Zwangsverwertung auf sie übergegangenen Mietverträge auf den nächsten gesetzlich zulässigen Termin zu kündigen. Dass sie dies getan hätte, wird im angefochtenen Urteil nicht festgestellt. Insbesondere wird die Bedeutung der Bestätigung der Beschwerdegegnerin vom 17. Juni 1998, dass sie die umstrittenen Mietverträge mit den Beschwerdeführern nicht übernehmen wolle, weder von ihr selbst noch vom Obergericht als Kündigung qualifiziert. Die Ansicht im angefochtenen Urteil, die Mietverträge der Beschwerdeführer seien nach dem doppelten Aufruf in sinngemässer Anwendung von Art. 142 SchKG überhaupt nicht auf die Beschwerdegegnerin übergegangen und die Beschwerdegegnerin könne nach dem Erwerb der Mietsache in der Zwangsverwertung daher die Mietausweisung nach § 226 ZPO verlangen, ohne dass es einer Kündigung bedürfe, ist schlechterdings nicht vertretbar und hält vor Art. 4 BV sowie Art. 2 ÜbBest. BV nicht stand.

rechtliche Schutz des Dienstbarkeitsberechtigten

Inhaber einer Deinstbarkeit, der in der Ausübung seines Nutzungsrechts in irgendeiner Weise gestört wird, verfügt über verschiedene Abwehrbehelfe


  • Besitzesschutz:

    • Selbsthilfe: ZGB 737 I: gibt dem Berechtigten die Befugnis, alles zu tun, was zur Erhaltung und Ausüberung der Dienstbarkeit notwendig ist —> ist als u.U. zur Selbsthilfehandlung befugt (gem. Lehre nach ZGB 926)

      • heikel: ob Dienstbarkeitsberechtigte im konkreten Fall zur Selsbthilfe berechtigt ist oder ob er die gerichtlichen Rechtsschutzbehelfe ergreifen muss, d.h. klagen —> nach der hier vertretenenen Meinung sollte Selbsthifle nur in engen Rahmen zulässig sein

    • Besitzesschutzsklagen: Berechtigte hat bei den affirmativen Dienstbarkeiten die tatsächlcihe gewalt über die Sache (ZGB 919 I) —> steht ihm also gegen verbotene Eigentumacht ohne Weiteres sämtliche Behelfe des Besitzesschutzes nach ZGB 926 ff. zu

      • bei negativen Deinstbarkeiten: Berechtigte hat keine tatsächliche Gewalt über Sache -> Gestzt setht jedoch in ZGB 919 II für die Grunddienstbarkeiten die tatsächliche Ausübung des Rechts mit dem Sachbesitz gleich. Auch hier stehen damit dem Berechtigten die Behelfe des Besitzesschutzes zur Verfügung, also auch die Beistzschutzklagen

  • Rechtsschutz: ZGB 737 I befugt, alles zu tun, was zur Erhaltung und ausübung der Dienstbarkeit nötig ist

    • herrschender Auffassung: verfügt der Deinstbarkeitsberechtigte namentlich über folgende Schutzbehelfe:

      • Feststellungsklage ZPO 88

      • Vindikationsklage ZGB 641 II (?)

      • actio confessario = eigentumsberechtigte Negatorienklage oder Deinstbarkeitsklage —> Schutzbehelf ist gegen jede Person möglich,w elche die Ausübung der Dieinstbarkeit beeinträchtigt, also auch gegen den Eigentümer des belasteten Grundstücks (ZGB 737 III)

      • beruht Störung der Dienstbarkeit auf einer übermässigen Ausübung des Eignetums auf einem Nachbargrundsütck —> Klage aus ZGB 679 als lex specialis Vorrang gegenüber actio confessario

        • Dienstbarkeitsberechtigte ist gem. ZGB 679 aktivlegitimiert, wenn er die tatsächlcihe Herrschft über das betroffene Grundstück ausübt

      • Besitzechtsshcutz: geht um eine Dienstbarkeit an Fahrnis, kan nsich der Dienstbarkeitsberechtigte als unselbständiger Besitzer auf ZGB 931 enthaltenen Vermutungen berufen

        • steht auch Fahrnisklage offen, wenn ihm die bewegliche Sache gegen den Willen abhanden gekommen ist (ZGB 934 und 036)

        • Grundstück: kan nsich der Berechtigte, der als soclher im Grundbuch eingetragen ist, auf ZGB 937 I berufen —> Norm ermöglicht es ihm, die Vermutung des zu seinem Gunsten eingetragenen Rechts geltend zu machen, und legitmiert ihn zu einem der Fahrnisklage netsprechenden Vorgehen


BGE 73 II 27

Wurde der Umfang einer Dienstbarkeit durch Rechtsakt vor 1912 festgelegt, so bestimmt er sich nicht nach neuem Recht.

Schätzung des Schadens zufolge Beseitigung eines Durchgangsrechtes.


1. Die Rechtsmittelführerin macht geltend, die ersten Richter hätten die streitige Dienstbarkeit zu Unrecht als Vorfahrtsdienstbarkeit zu Fuß angesehen, sie sei nur ein Wegerecht zu Fuß, wie es Art. 171 des Waadtländer Gesetzes zur Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches und Art. 66 des früheren Waadtländer Landgesetzes vorsehe. und ersucht das Bundesgericht, die Angelegenheit gemäss der Rechtsprechung in den Urteilen Nörr v. Weber (AS 64 II 412) und Bezirksgemeinde Ennetbürgen gegen Bürgenstockbahn A.-G. et al. (AS 70 II 44). Die Rechtsmittelführerin verstehe die Bedeutung dieser Rechtsprechung. In beiden Fällen ist entschieden worden, dass der Umfang einer Dienstbarkeit nur insoweit durch das neue Recht bestimmt wird, als es nicht vor Inkrafttreten dieses Rechts durch einen Rechtsakt festgelegt worden ist. Diese Hypothese wird im vorliegenden Fall gerade verwirklicht, was im Übrigen durch die eigene Argumentation der Rechtsmittelführerin belegt wird, mit der nachgewiesen werden soll, dass die ersten Richter die notariellen Urkunden, in denen die Dienstbarkeit erwähnt wurde, falsch ausgelegt haben. Da es sich um Verträge handelt, die nach altem Recht abgeschlossen wurden, ist die Auslegung dieser Gesetze dem Bundesgericht nicht bekannt. Damit der Umfang einer Dienstbarkeit als durch die Vereinbarung der Parteien bestimmt angesehen werden kann, ist es nicht erforderlich, dass die Parteien die Art und Weise, in der dieses Recht ausgeübt wird, im Einzelnen festgelegt haben; Es genügt, dass sie Begriffe oder Ausdrücke verwendeten, die zu dem betreffenden Zeitpunkt und Ort eine genaue Bedeutung hatten. Unter Hinweis darauf, dass die bloße Festlegung eines Wegerechts als allgemeine Regel zu verstehen ist, ist nach Art. 171 des Waadtländer Gesetzes zur Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, des Passage of Man, stellt das angefochtene Urteil fest, dass es sich jedoch nur um eine bloße Vermutung handele und nur insoweit gelte, als der Ursprung der Leibeigenschaft oder die Art und Weise, in der sie ausgeübt worden sei, keine anderen Abzüge zuließen, und dass im vorliegenden Fall gerade die Prüfung der in Rede stehenden Rechtsakte Das Inventar und die Art und Weise, in der die Passage seit ihrer Entstehung benutzt worden war, ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass die Vertragsparteien nicht die Konstituierung einer Knechtschaft des Übergangs zum Streitwagen im Auge gehabt hatten. Dieser Entscheid ist deshalb für das Bundesgericht bindend. Das gleiche Ergebnis würde man erreichen, wenn man das Problem im Lichte der Kunst untersucht. 738 Abs. 2 CC, ebenso wie das Zivilgericht, d. h. unter Berücksichtigung der Feststellungen des Urteils über die Nützlichkeit der Knechtschaft für das herrschende Land und die Art und Weise, in der sie mehr als vierzig Jahre lang friedlich und in gutem Glauben ausgeübt wurde.

2. Im Rahmen des Verfahrens der einstweiligen Maßnahmen verzichtete der Kläger auf das Recht, die Wiederherstellung der Räumlichkeiten in dem Zustand zu verlangen, in dem sie sich vor Beginn der Arbeiten befunden hatten, und beschränkte sich in seinem Antrag darauf, Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihm durch die Beseitigung der streitigen Dienstbarkeit entstanden ist. Die ersten Richter sprachen ihm in diesem Zusammenhang 20'000 Franken zu, gemäss Art. 41 ff. CO; In seiner Berufung forderte er 30'000 Franken. Die Beklagte macht geltend, das Zivilgericht hätte die Kunst anwenden müssen. 742 in Verbindung mit Art. 736 CC und macht insoweit geltend, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Verlegung der Dienstbarkeitsgrundlage zu eng sei; Ihrer Ansicht nach hätte der Richter die Übertragung der streitigen Dienstbarkeit entlang der derzeitigen Trasse genehmigen und der Klägerin eine geringe Entschädigung für die Nachteile zusprechen müssen, die sich aus dieser Verlegung ergeben könnten.

Kunst. 742 ist, so weit sie auch ausgelegt werden mag, im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da sie sich auf den Fall einer einfachen Änderung der Grundlage der Dienstbarkeit bezieht, während die von der Beklagten durchgeführten Konstruktionen die Art der Dienstbarkeit verändert haben: Anstelle einer Wagenpassage hat der Kläger nur noch einen Durchgang zu Fuß. Was die Kunst betrifft. 736 gilt auch nicht. In der Tat kann nicht behauptet werden, dass die Dienstbarkeit, wie sie zuvor ausgeübt wurde, jeden Nutzen für das herrschende Land verloren hätte oder dass sie nur eine verminderte Nützlichkeit gehabt hätte, die in keinem Verhältnis zu den dem servienten Land auferlegten Belastungen stand. Die Beklagte begann ihre Arbeit, ohne die Rechte des Klägers zu berücksichtigen, und es ist klar, daß, wenn der Kläger schließlich dem Abschluß der Vereinbarung vom 14. Juli 1944 zustimmte, dies geschah, weil er befürchtete, für die Unterbrechung der Arbeiten haftbar gemacht zu werden. Tatsache ist, dass der Beklagte dadurch, dass er den Kläger durch eine einseitige Handlung seiner Leibeigenschaft beraubt hat, rechtswidrig gehandelt hat. Der Kläger war nämlich berechtigt, die Wiederherstellung der Räumlichkeiten in den Zustand vor den Arbeiten zu beantragen, wie er es in seinem Antrag auf einstweilige Maßnahmen getan hatte, und obwohl er an diesen Schlussfolgerungen nicht festhielt, verzichtete er nicht auf seinen Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Dieses Recht leitet sich aus der Kunst ab. 927 CC und nicht nur Kunst. 41 ff. CO, wobei der Schaden in beiden Fällen gleich zu beurteilen ist.

3. Die erstinstanzlichen Richter bewerteten den Schaden, der dem Kläger durch die Entfernung der Wagenpassage entstanden ist, anhand des "Verkehrswertes" der Dienstbarkeit. Ihrer Meinung nach hat eine Dienstbarkeit einen Marktwert, ebenso wie das Eigentumsrecht. "Es ist durchaus denkbar", heißt es in dem Urteil, "dass der Eigentümer des herrschenden Grundstücks zustimmt, den Vorteil der Dienstbarkeit nur zu einem Preis aufzugeben, der höher ist als der Nutzungswert des letzteren, und dass der Eigentümer des dienenden Grundstücks sich bereit erklärt, diesen Preis zu zahlen, um die vollständige und vollständige Verfügung über sein Land wiederzuerlangen." Die ersten Richter wollten daher herausfinden, "was aller Wahrscheinlichkeit nach der Preis hätte sein können, zu dem die Parteien aufgehört hätten, wenn die Gespräche erfolgreich gewesen wären". Was den Kläger angehe, so hätte er zunächst versucht, Vorteile zu erlangen, die denen der Dienstbarkeit entsprachen, indem er etwa einen Lastenaufzug und eine Treppe für rund 20.000 Franken baute - und er hätte auch einen Gewinn aus dem Betrieb erzielen wollen; Was die Beklagte betrifft, die den Widerspruch der Klägerin schnell beseitigen wollte, machte sie ein Angebot, das der Höhe ihres Interesses an der Streichung der Passage hätte entsprechen können, die die Sachverständigen auf 42 000 FRF festgesetzt hatten. Unter Berücksichtigung dieser beiden Elemente sowie der Tatsache, dass die alte Passage nicht vollständig entfernt wurde und dass sie, um nicht die gleichen Vorteile wie die alte zu haben, nicht ohne einige Annehmlichkeiten bietet, bei der Zahl von 20'000 Franken stehen geblieben ist.

Das Bundesgericht kann sich dieser Argumentation nicht anschließen. Eine Grunddienstbarkeit ist kein Vermögen, das unabhängig von der Immobilie, mit der es verbunden ist, veräußert werden kann und daher keinen Wert an sich haben kann; Sie hat sie nur für den dominanten Fonds, soweit sie ihr Vorteile verschafft. Zum anderen kann auch nicht der Preis berücksichtigt werden, zu dem der Kläger sein Recht abgetreten hätte, wenn die Parteien eine Einigung hätten erzielen können. Es ist durchaus möglich, dass der Kläger durch die Beharrlichkeit seiner Weigerung, der Aufhebung oder Änderung der Dienstbarkeit zuzustimmen, und durch Spekulationen auf das Interesse der Beklagten, ihre Arbeiten ohne Unterbrechung fortzusetzen, einen höheren Preis erzielt hätte als den Wert, den die Dienstbarkeit tatsächlich für seine Immobilie hatte. Dies ist jedoch kein Grund, diese Leistung in die Berechnung der Beihilfe einzubeziehen. Dies kann rechtlich nur das Äquivalent des tatsächlichen Schadens umfassen, der durch den Wertverlust des Gebäudes infolge der Änderung der Dienstbarkeit dargestellt wird. Darüber hinaus könne der Kläger nach den Grundsätzen der unrechtmäßigen Bereicherung nicht mehr erlangen. Durch sein Verhalten hat sich der Beklagte zwar einen großen Vorteil verschafft, aber es kann nicht zum Nachteil des Klägers gesprochen werden, wenn er ansonsten für den Verlust seines Rechts vollständig entschädigt wird.

Die Sachverständigen einigten sich auf das Kapital, das erforderlich ist, um dem Kläger den Schaden zu ersetzen, den der Klägerin jährlich durch den Wegfall der Wegedienstbarkeit entstehen würde, und fügten diesem Betrag 700 Franken hinzu, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der Kläger das Untergeschoss seines Gebäudes sieben Monate lang nicht nutzen konnte. Was den Rückgang des Mietwertes dieser Etage betrifft, so hat einer der Experten ihn auf 8000 Fr. und den anderen auf 11.000 Fr. festgelegt. Eine Unterscheidung zwischen den Sachverständigen in diesem Punkt ist nicht erforderlich, da diese beiden Beträge unter den oben genannten 12.500 Fr. liegen, wobei letztere auf jeden Fall beibehalten werden sollte. Es ist jedoch fraglich, ob der Schaden, den es zu reparieren gilt, wirklich auf die Verringerung des Mietwerts der Räumlichkeiten im Untergeschoss des Gebäudes beschränkt ist. Es liegt auf der Hand, dass, wenn Gründe dafür bestünden, dass es durch eine Änderung des Bestimmungsortes der Immobilie oder zumindest einem Teil davon dem Kläger selbst oder einem Dritterwerber möglich gewesen wäre, die streitige Dienstbarkeit besser auszunutzen, der Verlust dieses Vorteils zu berücksichtigen wäre — und nicht nur die Verringerung des Mietwerts der Räumlichkeiten an ihrem derzeitigen Bestimmungsort. Dies ist jedoch eine Frage, die zuerst vom kantonalen Gericht entschieden werden muss, da das Bundesgericht derzeit nicht in der Lage ist, sie zu beantworten. Die ersten Juroren werden sehen, ob es notwendig ist, dass sie zusätzliches Fachwissen bestellen. Im Übrigen wird es Sache von ihnen sein, zu prüfen, ob bei der Anwendung der im vorliegenden Urteil vorgesehenen Methode zur Berechnung der Entschädigung auch andere Schadenselemente zu berücksichtigen sind.

4. Zur Stützung des Beschlusses Nr. 2 ihrer Klage macht die Beklagte geltend, dass der Grundbuchbeamte die Aufhebung der streitigen Dienstbarkeit ablehnen werde, wenn ihm nicht nachgewiesen werde, dass die Hypothekengläubiger der Löschung zugestimmt hätten, während die Zustimmung des Hypothekengläubigers nicht erforderlich erscheine, wenn das Gericht die bloße Aufhebung der Dienstbarkeit anordnet.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich hierbei nicht um eine Änderung der Grundlage der Dienstbarkeit, wie sie in der Kunst vorgesehen ist. 742 CC, sondern von Amts wegen einer von der Beklagten vorgenommenen Enteignung, die sich bereit erklärt, der Klägerin eine Dienstbarkeit von geringerer Nutzung einzuräumen, da sie nunmehr eine bloße Dienstbarkeit des Durchgangs zu Fuß darstellt. Aus gutem Grund hielten es die ersten Richter daher für erforderlich, die Aufhebung der alten Dienstbarkeit und die Eintragung der neuen Dienstbarkeit anzuordnen. Unbestreitbar ist hingegen, dass Gläubiger, die von Hypotheken profitieren, die das herrschende Grundstück belasten, an der Frage der Abschaffung der alten Dienstbarkeit interessiert sind, da das Verschwinden dieser Dienstbarkeit den Wert ihres Pfandrechts verringern kann. Sie wären aber bei einer einfachen Änderung der Dienstbarkeitsgrundlage nicht weniger der Fall als bei der Aufhebung einer Dienstbarkeit und ihrer Ersetzung durch eine neue. Die Frage, welche Schritte unternommen werden sollten, um die Rechte der Hypothekengläubiger zu schützen, ist nicht Gegenstand dieses Prozesses. Es liegt in der Verantwortung der Parteien, wenn sie das Urteil vollstrecken müssen, sowie des Registerführers des Grundbuchs, über die erforderlichen Maßnahmen zu beraten. Kunst. 68 der Grundbuchverordnung und 964 CC werden ihnen das weitere Vorgehen sagen.

Rechtsmittel sind in dem Sinne zulässig, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung im Sinne der Begründung zurückverwiesen wird.

Grunddienstbarkeit

  • zulässiger Inhalt


Grundsatz: freie Gestaltung (OR 19) —> numerus clausus bezieht sich lediglich auf die zulässige arten von beschärnkten dinglichen Rechten

  • Schranken:

    • allgemeine Schranken der Inhaltsfreiheit (OR 20 I)

    • aufgrund von ZGB 730 I: Duldungs- oder Unterlassugnspflicht —> gem. Abs. 2: servitus in faciendo consistere nequit = Pflicht zur Vornahme von Handungen durch den Dienstbarkeitsbelasteten kann demnach nicht Inhalt der Servitut sein

      • Möglichkeit, solche Pflicht mit Dienstbarkeit zu verknüpfen, sofern sie im Verhältnis zum beschärnkten dinglichen Recht nur nebensächlich ist -> Voraussetzung ist erfüllt: wenn Pflicht zu einem Tun lediglich dazu dient, die Ausübung der Servitut zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern, und wenn sie vom Umfang her keine schwere Belastung als die Dienstbarkeit selber darstellt

      • geht es den Parteien hauptsächlich um eiin Tun, das dinglich abgesichert werden soll, müssen Grundlast nach ZGB 782 begründen

    • vernünftiges Interesse an der Dienstbarkeit habe (vgl. ZGB 736) —> Interesse bemisst sich nicht nach objektiven Kriterien, sondern wird vielmehr allein durch den Berechtigten beurteilt —> tatsächliches Interesse genügt

    • Inhalt: kann nur ein begrenztes Nutzungsrecht sein. Eigentümer des belasteten Grundstücks darf nach dem sogenannten Grundsatz der Beschränktheit der Belastung nicht von jeder Ntuzung ausgeschlossen unda uch sonst in seiiner Dispositionsfreiheit nicht übermässig eingeschärnkt werden —> ZGB 730 I: ordnet nämlich ausdrücklich an, dass isch der Verpfclihtete bestimmte Eingriffe gefallen alssen muss oder sein Eignetumsrecht in gewissen Richtungen nicht ausüben darf

      • Dauer der Gruddinstbarkeit ist gesetzlich nicht bschränkt

    • Grunddienstbarkeit muss Eigentümer des belasteten Grundstücks in der Ausübung von Eigentumsbefugnissen eingeschärnkt werden (vgl. ZGB 730 I)

    • Dauer: 5 oder 30 Jahren


Grunddienstbarkeit

  • Verbot der Mehrbelastung


ZGB 739: dass dem Verpflichteten keine Mehrbelastung zugemutet werden darf

  • Mehrbelastung liegt vor, wenn sie auf eine ÜBerschreitung des Umfangs der Dienstbarkeit zurückzuführen ist

    • gemessenen Dienstbarkeit lässt sich anhant der Umschreibung der Serviitut ohne Weiteres feststellen, ob der Umfang überschritten wird

    • ungemessene Dienstbarkeit —> Problem, da sich der umfang hier nach den Bedürfnissen des berechtigten Grundstücks richtet

      • Lehre und Rechtsprechung verlangen in diesem Zusammenahng, dass die Mehrbelastung erheblich sein muss, damit dem verpflichteten Grundeigentümer ein Abwehranspruch zukommt

        • ob eine erhebliche Mehrbelastung vorliegt, beurteil sich anhand einer Interessenabwägung -> Ineresse, das die Dienstbarkeit zum Zeitpunkt ihrer Errichtung für das herrschende Grundstück hatte mit dem heute bestehenden Interesse verglichen

        • Bger Rechtsprechung: ist dem Belasteten bei einer affirmativen Dienstbarkeit eine Mehrbelastung zuzumuten, wenn sie sich auf eine objetkive Veränderung der Verhältnisse zurückzuführen lässt, nicht auf einer willentlichen Ändderung der bisherigen Zweckbestimung beruht und die Bentzung des dienenden Grudnstükcs nicht behindert oder wesentlich stärker asl bisher beschränkt

          • Unzumutbarkeit ist eine Mehrbelastung aber dann, wenn die Erhöhung der Bedürfnisse nicht vorhersehbar war oder von den Parteien nicht zumindest in Kauf genommen wurde

  • Grundsatz der Identität der Dienstbarkeit: Identität liegt nicht schon bei gleicher Art der Benutzung des dienenden Grundstücks vor —> vielmehr wird vorausgesetzt, dass nur das jetzige Bedürfnis des Berechtigten im Rahmen des ursprünglichen Bedürfnisses liegt. Eine Benutzung zu einem anderen Zweck ist in jedem Fall unzulässig, also auch dann, wenn daraus für den Eigentümer des dienenden Grundstücks keine höherre Belatung resultiert

  • ZGB 974b III: nach dieser Bestimmung kann die Vereinigung von Grundstücken eines Eigentümers, zu deren Gunsten Dienstbarkeit bestehen, nur vorgenommen werden, wenn die Eigentümer der dienenden Grundstücke ihre Zustimmung geben oder wenn sich die Belastung durch die Vereinigung nicht vergrössert

    • Zustimmung muss nach Lehre und Rechtsprechung vorliegen, sobald die blosse Möglichkeit besteht, dass die Vereinigung zu einem späteren Zeitpunkt zu einer Mehrbelastung i.S.v. ZZGB 739 führt


BGE 123 III 337

Art. 730 Abs. 1 ZGB und Art. 2 ZGB; Art. 27 Abs. 2 ZGB; Zulässigkeit einer Dienstbarkeit, welche die gewerbliche Tätigkeit beschränkt.

Gestützt auf Art. 730 Abs. 1 ZGB ist eine negative Dienstbarkeit nur zulässig, wenn die Tätigkeit, welche damit verboten wird, den körperlichen Zustand, die äussere Erscheinungsform, den wirtschaftlichen oder sozialen Charakter des dienenden Grundstücks von aussen bemerkbar bestimmt (E. 2c/aa und bb). Eine Dienstbarkeit, die auf dem belasteten Grundstück nur den Betrieb einer Zimmerei erlaubt und eine andere industrielle Nutzung ausschliesst, ist im Lichte dieses Grundsatzes zulässig (E. 2c/cc).

Eine Dienstbarkeit, die ausschliesslich die durch sie selbst bestimmte Nutzung des dienenden Grundstücks zulässt, verletzt den in Art. 730 Abs. 1 ZGB enthaltenen Grundsatz der Beschränktheit der Belastung (E. 3a). Im konkreten Fall lässt die Dienstbarkeit jedoch nebst dem Betrieb einer Zimmerei wichtige Nutzungsmöglichkeiten des dienenden Grundstücks bestehen. Sie verstösst daher nicht gegen Art. 730 Abs. 1 ZGB, aber auch nicht gegen Art. 730 Abs. 2 ZGB, weil sie nicht hauptsächlich auf eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen hinausläuft (E. 3b).

Der Eigentümer des herrschenden Grundstücks muss ein vernünftiges Interesse an der Dienstbarkeit haben (E. 4a). Nicht erforderlich ist jedoch, dass es sich dabei um ein rechtlich geschütztes Interesse handelt (E. 4b).

Eine vertragliche Beschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit gilt nur dann als übermässig im Sinne des Art. 27 Abs. 2 ZGB, wenn sie den Verpflichteten der Willkür seines Vertragspartners ausliefert, ihn der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit beraubt oder diese dermassen einschränkt, dass die Grundlage seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet ist (E. 5).

BGE 106 II 315

Eintragung einer Dienstbarkeit in das Grundbuch.

Kann gestützt auf eine Vereinbarung, in der sich ein Stockwerkeigentümer gegenüber andern Stockwerkeigentümern verpflichtet, zur Verbesserung der Trittschallisolation in seiner Wohnung Plattenböden mit Spannteppichen belegen zu lassen, eine Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen werden?


1. Die Vorinstanz führt aus, Ziffer 4 der Vereinbarung vom 17. Juli 1977 regle nur das einmalige Verlegen von Spannteppichen, statuiere aber keine dauernde Pflicht zur Duldung der Teppiche und sage auch nichts aus über deren Erneuerung. Sollte sie damit den Willen der Vertragsparteien zum Abschluss eines Grunddienstbarkeitsvertrages in Frage stellen wollen, könnte ihr nicht gefolgt werden. Wohl wurde in der Vereinbarung nicht ausdrücklich festgehalten, die Teppiche müssten dauernd in der Wohnung der Eheleute Z. bleiben. Der Sinn der Vereinbarung konnte aber kein anderer sein, war diese doch darauf gerichtet, inskünftig Schallimmissionen auszuschalten. Über den Unterhalt der Teppiche brauchten die Parteien keine besondere Vereinbarung zu treffen, zumal dafür eine gesetzliche Regelung besteht (Art. 741, allenfalls in Verbindung mit Art. 737 ZGB). Es ist nach dem Gesagten davon auszugehen,BGE 106 II 315 S. 317dass der Wille der Vertragsparteien darauf gerichtet war, Schallimmissionen für eine unbegrenzte Zeit auszuschalten und dieses Ziel mittels einer Grunddienstbarkeit zu erreichen. So wurde es im Ingress der Vereinbarung denn auch ausdrücklich festgelegt.

2. Ein Stockwerkeigentumsanteil kann zu Gunsten eines andern in der Weise mit einer Grunddienstbarkeit belastet werden, dass der Eigentümer sich bestimmte Eingriffe des andern Stockwerkeigentümers gefallen lassen muss oder zu dessen Gunsten nach gewissen Richtungen das ihm zustehende Recht nicht ausüben darf. Mit der Grunddienstbarkeit kann nebensächlich auch eine Verpflichtung zur Vornahme von Handlungen verbunden sein (dazu Art. 730 in Verbindung mit Art. 655 Abs. 2 Ziff. 4 ZGB).

a) Eine Grunddienstbarkeit im umschriebenen Sinne auferlegt dem Eigentümer des belasteten Grundstückes entweder eine Duldungs- oder eine Unterlassungspflicht. Ist der erwähnte Eigentümer zu einem Dulden verpflichtet, so ist der Eigentümer des berechtigten Grundstückes zu einem Tun befugt; man spricht von einer positiven oder affirmativen Dienstbarkeit. Ist jener zu einem Unterlassen verpflichtet, so steht diesem die Befugnis zu einem Verbieten zu; es liegt eine negative Dienstbarkeit vor (LIVER, N. 4 zu Art. 730 ZGB).

Die Eheleute Z. sind gemäss der Vereinbarung vom 17. Juli 1977 verpflichtet, die Böden ihrer Wohnung mit Teppichen belegen zu lassen. Daraus könnte abgeleitet werden, dass ihnen das Dulden von Spannteppichen vorgeschrieben werde. Einem solchen Dulden stünde aber keine Berechtigung der Begünstigten gegenüber, denn diese sind nicht (wie z.B. bei einer Wegdienstbarkeit) befugt, die Spannteppiche ihrerseits zu benützen. Ihrem eigentlichen Sinne nach bezweckt die Vereinbarung die Ausschaltung von Schallimmissionen. Die Eheleute Z. sind verpflichtet, das zu unterlassen, was zu solchen Immissionen führen kann. Konkret müssen sie es unterlassen, die Böden ihrer Wohnung mit nackten Platten belegt zu lassen, d.h. ihre Wohnung so auszustatten und in der Folge zu benützen, wie sie es ursprünglich gewünscht hatten. Sie müssen somit bezüglich der Gestaltung und Benützung der Wohnung auf eine Möglichkeit verzichten, von der sie ohne Vereinbarung im Rahmen von Art. 684 ZGB Gebrauch machen dürften. Die Berechtigten andererseits sind befugt, den Eheleuten Z. zu verbieten, in ihrer WohnungBGE 106 II 315 S. 318Bodenplatten zu belassen, die nicht durch eine Filzauflage und Teppiche abgedeckt sind.

Es geht nach dem Gesagten nicht darum, dass die Eheleute Z. Teppiche zu dulden hätten. Die Feststellung der Vorinstanz, Spannteppiche seien bewegliche Sachen und die Duldungspflicht hinsichtlich solcher könne nicht Gegenstand einer Grunddienstbarkeit bilden, stösst deshalb ins Leere.

b) Die Vorinstanz führt demgegenüber zu Recht aus, die Schutzbedürftigkeit des Rechts und die Vorteile der Eigentümer der berechtigten Stockwerkeigentumseinheiten seien offensichtlich; die Berechtigten hätten ein Interesse an einem wirksamen Schutz gegen Schallimmissionen vom oberen Stockwerk her; die Spannteppiche erfüllten diesen Zweck; der Wert der unterliegenden Wohnungen steige, wenn kein Lärm von oben herabdringe. Wohl könnte die Pflicht, eine Eigentumswohnung mit Spannteppichen zu belegen, obligatorisch oder durch ein Stockwerkeigentümerreglement geordnet werden. Das ändert aber nichts daran, dass auch der Weg der Grunddienstbarkeit offen steht.

c) Nach Rechtsprechung und Lehre können Unterlassungspflichten, die dem Grundeigentümer schon durch gesetzliche Vorschriften auferlegt sind, nicht zum Gegenstand einer Dienstbarkeit gemacht werden, weil der Berechtigte kein Interesse daran haben kann, ein Recht, das ihm schon von Gesetzes wegen eindeutig zusteht, noch als Dienstbarkeit zu erwerben oder zu sichern (BGE 99 II 33 E. 4 mit Verweisungen). Vielfach steht jedoch nicht von vornherein fest, dass die Anwendung der Gesetzesvorschriften zu dem Ergebnis führt, das mit der Dienstbarkeit erreicht werden will. Besonders im Nachbarrecht kann ein Interesse daran bestehen, bestimmte von einem Nachbargrundstück ausgehende Einwirkungen, die an sich zu den nach Art. 684 ZGB verbotenen Immissionen gehören, durch eine Dienstbarkeit auszuschliessen, weil ungewiss ist, ob der Richter die Einwirkungen als übermässig und ungerechtfertigt betrachten würde (LIVER, N. 93 und 95 zu Art. 730 ZGB).

Gewiss hat der Stockwerkeigentümer bei der Ausübung seines Eigentumsrechtes sich aller übermässigen Einwirkungen auf die Wohnungen seiner Nachbarn (neben, unter und über ihm) zu enthalten und alle nach Lage und Beschaffenheit der Wohnungen oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Lärmeinwirkungen zu unterlassen. In Fällen der vorliegendenBGE 106 II 315 S. 319Art ist jedoch ungewiss, ob der Lärm, der durch Herumgehen auf nackten, nicht durch Teppiche belegten Bodenplatten verursacht wird, bereits als übermässige und nach Lage und Beschaffenheit oder Ortsgebrauch ungerechtfertigte Einwirkung im Sinne von Art. 684 ZGB bezeichnet werden könne. Ein vertraglicher Schutz gegen Lärmeinwirkungen kann sodann weiter gehen als der gesetzliche. Die Parteien dürfen durch Dienstbarkeiten auch Lärmeinwirkungen ausschalten, die aufgrund der gesetzlichen Regelung noch geduldet werden müssten. Unter den angeführten Umständen kann nicht gesagt werden, dass im vorliegenden Fall das vertraglich angestrebte Ziel mit dem gesetzlichen Immissionenverbot des Art. 684 ZGB identisch sei.

d) Die Grunddienstbarkeit muss eine Beschränkung des Eigentums an der belasteten Stockwerkeinheit zum Inhalt haben. Bei der negativen Dienstbarkeit besteht jene darin, dass der Belastete eine Benutzung zu unterlassen hat, die ihm als Eigentümer zustünde, wenn seine Stockwerkeinheit nicht belastet wäre. Es geht dabei unter anderem um den körperlichen Zustand und die äussere Erscheinung der Stockwerkeinheit; es muss eine störende, belästigende oder schädigende Wirkung nach aussen gegeben sein. Eine Beschränkung in der persönlichen Betätigungsfreiheit (im Gegensatz zur Freiheit der Stockwerkeinheitsbenützung) kann dagegen nicht zum Inhalt einer Dienstbarkeit gemacht werden (LIVER, N. 106, 107 und 110 zu Art. 730 ZGB).

Die Vorinstanz bemerkt in diesem Zusammenhang, die bestimmungsgemässe Benutzung der Wohnung werde durch das Vorhandensein eines Spannteppichs nicht beeinträchtigt; der belastete Stockwerkeigentümer sei nur in der Gestaltungsfreiheit als Wohnungsbenützer eingeschränkt, indem er sich mit dem Vorhandensein eines bestimmten Ausrüstungsgegenstandes abfinden müsse; dies sei eine Beschränkung der persönlichen Betätigungsfreiheit, die sich nicht verdinglichen lasse.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Nach Art. 712a Abs. 1 ZGB ist der Stockwerkeigentümer berechtigt, seine Wohnung ausschliesslich zu benützen und innen auszustatten. Dazu gehört, dass er die Böden der Wohnung nach seinem Belieben gestalten und belegen darf. Durch die Verpflichtung, sie mit einer Filzunterlage und Spannteppichen abzudecken, wird er demnach in der Ausübung seines Eigentums beschränkt; er hat etwas zu unterlassen (das Anbringen von nacktenBGE 106 II 315 S. 320Bodenplatten), wozu er als Eigentümer an sich berechtigt wäre. Die Unterlassungspflicht bezieht sich nicht auf die persönliche, sondern auf die mit der Eigentumsausübung zusammenhängende Betätigungsfreiheit, die den körperlichen Zustand und die äussere Erscheinungsform der Wohnung zum Gegenstand hat.

e) Die Dienstbarkeit kann den Eigentümer der belasteten Stockwerkeinheit grundsätzlich nur zu einem Dulden oder Unterlassen, nicht aber zu einer Leistung verpflichten. Eine Pflicht zur Vornahme von Handlungen darf mit der Dienstbarkeit nur verbunden werden, wenn jene im Verhältnis zur Dienstbarkeit sowohl dem Inhalt wie dem Umfang nach von nebensächlicher Bedeutung sind. Dem Inhalt nach ist eine Handlung dann von nebensächlicher Bedeutung, wenn sie lediglich dazu dient, die Ausübung der Dienstbarkeit zu ermöglichen, zu erleichtern oder zu sichern. Dem Umfang nach ist sie es, wenn die Leistungspflicht nicht die hauptsächliche Last darstellt (LIVER, N. 154, 194, 195, 202, 204 und 212 zu Art. 730 ZGB).

Die Vorinstanz erblickt in der Verpflichtung der Eheleute Z., die Böden ihrer Wohnung mit Spannteppichen belegen zu lassen, eine Handlung, die nicht mit einer Dienstbarkeit verbunden werden dürfe. Stellt man jedoch die Pflicht der Eheleute Z., in Zukunft während vieler Jahre etwas zu unterlassen, wozu sie als Wohnungseigentümer an sich berechtigt wären, ihrer einmaligen Pflicht gegenüber, die Böden der Wohnung mit Spannteppichen belegen zu lassen, so erscheint diese als nebensächlich.

BGE 137 III 444

Art. 781 ZGB; Inhalt und Umfang eines Kiesausbeutungsrechts.

Der privatrechtliche Dienstbarkeitsvertrag und die öffentlich-rechtliche Kiesabbaubewilligung bestimmen Inhalt und Umfang der im Grundbuch als "Kiesausbeutungsrecht" eingetragenen Dienstbarkeit. Die dingliche Berechtigung umfasst nicht nur den Abbau von Sand, Kies und weiteren Materialien, sondern auch sämtliche Tätigkeiten auf dem belasteten Grundstück, die zur Wiederherrichtung nicht mehr genutzter Abbaustellen erforderlich sind (E. 2-4).


2. Die Dienstbarkeit zu Gunsten der Beschwerdegegnerin ist im Grundbuch mit dem Stichwort "Kiesausbeutungsrecht" eingetragen. Sie geht zurück auf einen Vertrag vom 4. Mai 1979 zwischen dem Vater des heutigen Grundeigentümers und der Beschwerdegegnerin. Den Dienstbarkeitsvertrag von 1979 haben die Begründungsparteien in Zusatzvereinbarungen vom 4. Juli 1981 und vom 7. April 1988 ergänzt und bestätigt und in einer Vereinbarung vom 6. Dezember 2006 unter Einbezug des heutigen Grundeigentümers zusätzlich ausgedehnt. Der Dienstbarkeitsvertrag und alle Zusatzvereinbarungen sind beim Grundbuch angemeldet und zu den Belegen genommen worden. Die Beschwerdegegnerin hat auf Grund des Kiesausbeutungsrechts während Jahren Sand, Kies und weitere Materialien abgebaut und die abgebauten Flächen fortlaufend in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt und renaturiert bzw. rekultiviert.

2.1 Die im Grundbuch eingetragene Dienstbarkeit zu Gunsten der Beschwerdegegnerin ist eine Personaldienstbarkeit (Art. 781 Abs. 1BGE 137 III 444 S. 446ZGB) und gehört zu den sog. Ausbeutungsrechten, d.h. zu den Rechten auf Gewinnung von Bodenbestandteilen wie Lehm, Torf, Schiefer, Sand, Steine u.ä. (vgl. LEEMANN, Berner Kommentar, 1925, N. 36 zu Art. 781 ZGB; LIVER, Zürcher Kommentar, 1980, N. 174 zu Art. 730 ZGB).

2.2 Als Personaldienstbarkeit bestimmt sich ihr Inhalt und Umfang nach den für die Grunddienstbarkeiten geltenden Regeln (Art. 781 Abs. 3 ZGB; vgl. BGE 132 III 651 E. 8 S. 655). Ausgangspunkt ist der Grundbucheintrag. Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrag deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend (Art. 738 Abs. 1 ZGB). Nur wenn sein Wortlaut unklar ist, darf im Rahmen des Eintrags auf den Erwerbsgrund zurückgegriffen werden. Ist auch der Erwerbsgrund nicht schlüssig, kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit - im Rahmen des Eintrags - aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist (Art. 738 Abs. 2 ZGB; vgl. BGE 137 III 145 E. 3.1 S. 147 f.). Ist der Eintrag nicht klar und muss auf den Erwerbsgrund abgestellt werden, bestimmt sich gemäss Art. 781 Abs. 2 ZGB der Inhalt der Personaldienstbarkeit, soweit es nicht anders vereinbart wird, nach den gewöhnlichen Bedürfnissen der Berechtigten (vgl. STEINAUER, Les droits réels, Bd. III, 3. Aufl. 2003, N. 2577 S. 120). Massgebend sind dabei die Bedürfnisse im Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit (vgl. BGE 132 III 651 E. 8.1 S. 656).

2.3 Die Bestimmung von Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit hat die Frage zu beantworten, was die Beschwerdegegnerin alles zu tun befugt ist, um ihre Dienstbarkeit ihrem Zweck gemäss auszuüben. Das Obergericht hat festgestellt, nicht angefochten seien die amtsgerichtlichen Ausführungen, wonach der Grundbucheintrag "Kiesausbeutungsrecht" keine hinlängliche Antwort über den Inhalt und den Umfang der Dienstbarkeit geben könne. Streitig sei einzig die Auslegung des dem Grundbucheintrag zugrunde liegenden Dienstbarkeitsvertrags mit seinen Zusatzvereinbarungen.

2.3.1 Zum Gegenstand des Dienstbarkeitsvertrags hat das Obergericht festgestellt, dass der Beschwerdegegnerin darin auf unbestimmte Zeit das dingliche Recht eingeräumt werde, auf einem Teil der Liegenschaft unbeschränkt Kies, Sand und alle übrigen Materialien und Elemente auszubeuten (Ziff. 1), und dass das von der Kiesausbeutung in Anspruch genommene Terrain durch dieBGE 137 III 444 S. 447Beschwerdegegnerin fortlaufend wieder einzufüllen, zu humusieren und zu begrünen sei (Ziff. 4 des Dienstbarkeitsvertrags vom 4. Mai 1979).

2.3.2 Bereits aufgrund des Wortlautes von Ziff. 4 hat das Obergericht angenommen, der Dienstbarkeitsvertrag könne nur so verstanden werden, dass es sich um ein Kiesausbeutungsrecht mit anschliessender Renaturierung handle bzw. dass das Ausbeutungsrecht durch die Beschwerdegegnerin ohne Wiederauffüllung nicht ausgeübt werden könne.

2.3.3 Für sein Verständnis des Dienstbarkeitsvertrags spreche auch, so hat das Obergericht dafürgehalten, der Zusammenhang von Ziff. 4 zu Ziff. 2 des Vertrags, wonach die Beschwerdegegnerin bei der Ausübung des Ausbeutungsrechts grösstmögliche Sorgfalt anzuwenden und insbesondere die Vorkehren zu treffen habe, damit das anschliessende Erdreich nicht in Bewegung gerate. Solle das anschliessende Erdreich nicht in Bewegung geraten, müsse es der Beschwerdegegnerin möglich sein, fortlaufend Aushubmaterial zur Wiederauffüllung auf das Grundstück zu bringen und dort zu deponieren. Aufgrund des Vertrags vom 4. Mai 1979 habe der Zweck des Kiesausbeutungsrechts somit nicht darin bestanden, eine unbeschränkt grosse Grube zu schaffen. Die Landschaft habe vielmehr erhalten und die abgebauten Gebiete hätten wieder aufgefüllt und humusiert werden sollen, so dass das Land irgendwann wieder genutzt werden könne.

2.3.4 Dass von einem Kiesausbeutungsrecht mit anschliessender Rekultivierung auszugehen sei und dass die Dienstbarkeit nicht ohne anschliessende Rekultivierung und Wiederherstellung ausgeübt werden könne, hat das Obergericht schliesslich aus den späteren Zusatzvereinbarungen abgeleitet, insbesondere aus der Vereinbarung vom 7. April 1988. Es hat weiter erwogen, zum selben Ergebnis führten auch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die die Vertragsparteien bei den von ihnen auf privatrechtlicher Ebene getroffenen Vereinbarungen zu beachten hätten und auf die in den Vereinbarungen vom 4. Mai 1979 und vom 7. April 1988 verwiesen werde. Beim Abbau von Kies seien verschiedene Bestimmungen des Gewässer-, Natur- und Landschaftsschutzes zu berücksichtigen bzw. die abgebauten Gebiete entsprechend den öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu rekultivieren, was auch aus den der Beschwerdegegnerin seit dem 20. Januar 1982 erteilten öffentlich-rechtlichen Bewilligungen hervorgehe.BGE 137 III 444 S. 448

2.3.5 Sei im Kiesausbeutungsrecht zu Gunsten der Beschwerdegegnerin somit die Wiederauffüllung und Humusierung des abgebauten Gebietes enthalten, hat das Obergericht geschlossen, müsse es der Beschwerdegegnerin möglich sein, auf dem belasteten Grundstück das Aushubmaterial zur Auffüllung zu deponieren und das belastete Grundstück zu diesem Zweck zu befahren.

3. Der Grundbucheintrag lautet auf "Kiesausbeutungsrecht". Vor Obergericht war nicht mehr streitig, dass der Grundbucheintrag den Inhalt und den Umfang der Dienstbarkeit nicht eindeutig festlegt. Gleichwohl ist darauf einzugehen, setzt doch die Beschwerdeführerin die Dienstbarkeiten "Kiesausbeutungsrecht" und "Kiesabbaurecht" inhaltlich gleich.

3.1 Grundbuchtechnisch wird das Stichwort "Kiesausbeutungsrecht" als "Bezugsrecht für Kies" verstanden (vgl. URS FASEL, Grundbuchverordnung [GBV], 2008, N. 17 zu Art. 35 GBV, S. 441). Die Umschreibung ist zu allgemein, als dass sie genauen Aufschluss darüber geben könnte, welche einzelnen Ausübungsbefugnisse das "Kiesausbeutungsrecht" dem Berechtigten verleiht (vgl. zur Bedeutung des Stichworts: BGE 128 III 169 E. 3a S. 172).

3.2 Nach dem zur Zeit der Begründung bestehenden und dem heutigen allgemeinen Sprachgebrauch meint "Ausbeutung" bzw. "ausbeuten" nicht nur "abbauen" als Tätigkeit hier des Tagebaues, sondern ganz allgemein "wirtschaftlich nutzen" (vgl. Duden, Das grosse Wörterbuch der deutschen Sprache [...], Bd. I, 1976, S. 238 zu "ausbeuten", und Duden, Das Herkunftswörterbuch, Bd. VII, 4. Aufl. 2007, S. 92 zu "Beute"). Dass ein "Kiesausbeutungsrecht" vom Wortlaut und Wortsinn her weiter geht als ein "Kiesabbaurecht" belegen die im Grundbuch zu Gunsten der Beschwerdeführerin eingetragenen Dienstbarkeiten. Neben dem "Abbaurecht für Sand, Kies, Aushub und übrige Materialien" wurden die zu dessen Ausübung erforderlichen Dienstbarkeiten "Fahrwegrecht" und "Leitungsrecht" separat begründet und im Grundbuch eingetragen, während das "Kiesausbeutungsrecht" selbst nach Ansicht der Beschwerdeführerin ohne Begründung einer eigenen Dienstbarkeit das Fahrwegrecht zum Transport von Kies mit umfasst und über den Abbau von Kies auch die Entnahme von Sand und weiteren Materialien zulässt (vgl. zur Auslegung des Grundbucheintrags: BGE 86 II 243 E. 5 S. 251; Urteile 5A_617/2009 vom 26. Januar 2010 E. 3.2 und 5C.257/2001 vom 3. Dezember 2001 E. 2a).BGE 137 III 444 S. 449

3.3 Der Grundbucheintrag "Kiesausbeutungsrecht" legt die damit verbundenen Rechte und Pflichten im Einzelnen nicht derart eindeutig fest, dass, wie die Beschwerdeführerin meint, kein Raum bleibt, um für die Ermittlung des Inhaltes der Dienstbarkeit auf ihren Erwerbsgrund zurückzugreifen (vgl. BGE 123 III 461 E. 2b S. 464; BGE 128 III 169 E. 3a S. 172). Die Auslegung des Grundbucheintrags ergibt, dass die Dienstbarkeit nicht auf den eigentlichen Abbau von Kies und anderen Materialien beschränkt sein muss und weitergehend zur allgemeinen wirtschaftlichen Nutzung des Kiesvorkommens bzw. der Kiesabbaustätte auf dem belasteten Grundstück berechtigen kann. In diesem Rahmen ist der Inhalt der Dienstbarkeit zunächst anhand ihres Erwerbsgrundes zu bestimmen (E. 2.2 hiervor).

4. Gegen die obergerichtliche Auslegung des Erwerbsgrundes wendet die Beschwerdeführerin zur Hauptsache ein, im Kiesausbeutungsrecht der Beschwerdegegnerin sei kein dingliches Recht enthalten, nach erfolgtem Kiesabbau die Abbaufläche fortlaufend in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen, d.h. mit Aushubmaterial zu verfüllen, mit Humus zu bedecken und zuletzt zu begrünen. Aus dem Dienstbarkeitsvertrag und den Zusatzvereinbarungen ergebe sich vielmehr eine schuldrechtliche Pflicht der Beschwerdegegnerin gegenüber dem Grundeigentümer, die Kiesgruben wieder aufzufüllen und die betroffenen Stellen zu renaturieren bzw. zu rekultivieren. Diese bloss schuldrechtliche Pflicht aber könne nicht mit ihrem Deponierecht in Widerspruch geraten.

4.1 Eine Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands besteht gemäss den Feststellungen des Obergerichts aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften und der Bewilligungen zum Kiesabbau, die der Beschwerdegegnerin seit 1982 zustehen (E. 2.3.4 hiervor).

4.1.1 Während die Beschwerdeführerin diese öffentlich-rechtlichen Vorschriften offenbar für belanglos hält, betont die Beschwerdegegnerin, eine Kiesabbaubewilligung werde stets nur unter der Bedingung erteilt, dass mit dem fortschreitenden Abbau der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt werde. Sie verweist - wie bereits das Obergericht - auf die in den Akten liegenden Bewilligungen und den dazu gehörenden "Landschafts- und Abbauplan" der P. AG, aus dem die wiederherzustellende Sekundärlandschaft ersichtlich sei.BGE 137 III 444 S. 450

4.1.2 Für das Bundesgericht ist unangefochten und verbindlich festgestellt, dass die Wiederauffüllung der ausgehobenen Kiesgrube und die Renaturierung bzw. Rekultivierung der Abbauflächen eine Bedingung der erteilten Bewilligung zum Kiesabbau ist. Die Bewilligungen, auf die das Obergericht verwiesen hat, belegen diesen Sachverhalt. Danach kann die Bewilligung jederzeit widerrufen werden, wenn die Bedingungen, Auflagen und Vorschriften nicht eingehalten werden. Zu diesen Bedingungen und Auflagen gehört, dass die Wiederinstandstellung und Begrünung der abgebauten Fläche schrittweise mit dem Abbau zu erfolgen hat (Ziff. 3.3 und 4.8 der Bewilligung zur Entnahme von Kies vom 20. Januar 1982 und Ziff. 4.3 und 5.5 der Bewilligung für die Erweiterung der Kiesgrube vom 11. Januar 1994). Entsprechende Verpflichtungen zur Wiederherrichtung nicht mehr genutzter Abbaustellen werden regelmässig mit der Bewilligung zum Kiesabbau auferlegt (vgl. etwa BEAT EDELMANN, Rechtliche Probleme des Kiesabbaus im Kanton Aargau, 1990, S. 90 und 104 ff.; JACQUES MATILE, Un cas pratique: les gravières, in: L'aménagement du territoire en droit fédéral et cantonal, 1990, S. 219 ff., 241 f.; LAURENT SCHULER, L'exploitation des gisements naturels en droit vaudois, RDAF 2007 I S. 185, 195 f.).

4.1.3 Es kann somit festgehalten werden, dass die Beschwerdegegnerin kraft öffentlichen Rechts verpflichtet ist, schrittweise mit dem Kiesabbau den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen und die abgebauten Flächen zu renaturieren bzw. zu rekultivieren.

4.2 Das Obergericht ist davon ausgegangen, der Grundeigentümer habe der Beschwerdegegnerin neben dem Abbaurecht auch alle weiteren Rechte vertraglich eingeräumt, die sie benötigt, um ihre öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Wiederinstandstellung und Begrünung der abgebauten Fläche zu erfüllen (E. 2.3.4 hiervor).

4.2.1 Das Obergericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Auslegung des Dienstbarkeitsvertrags die öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind. Denn die Dienstbarkeit ist hier unstreitig im Hinblick auf die öffentlich-rechtliche Kiesabbaubewilligung eingeräumt und vor deren Hintergrund insbesondere durch die Zusatzvereinbarungen näher umschrieben worden. Öffentlich-rechtliche Bestimmungen, auf die im Dienstbarkeitsvertrag verwiesen wird, können insoweit den Inhalt der privatrechtlichen Dienstbarkeit bestimmen, wenn die Auslegung des Erwerbsgrundes, insbesondere unter Berücksichtigung des Zwecks der DienstbarkeitBGE 137 III 444 S. 451ergibt, dass die Parteien diese inhaltliche Bestimmung so gewollt haben (ausführlich: BEAT ESCHMANN, Auslegung und Ergänzung von Dienstbarkeiten, 2005, S. 79 f., mit Hinweisen).

4.2.2 Die einschlägige Ziff. 4 des Dienstbarkeitsvertrags von 1979 ist zwar neutral formuliert und schreibt allgemein vor, "das von der Kiesausbeutung in Anspruch genommene Terrain ist durch die Berechtigte fortlaufend wieder einzufüllen, zu humusieren und zu begrünen". Wie die Ziff. 4 des Dienstbarkeitsvertrags von den Begründungsparteien selbst verstanden wurde, ergibt sich jedoch aus deren Zusatzvereinbarung von 1988, auf die das Obergericht verwiesen hat. Darin wird unter dem Zwischentitel "Rekultivierung" festgehalten, der Abbauer habe dafür besorgt zu sein, dass die Rekultivierung gemäss behördlicher Vorschrift erfolgt. Weiter heisst es, die Parteien stimmten überein, dass demzufolge im heutigen Zeitpunkt die Rekultivierung gemäss dem Plan Nr. 1 vom Februar 1988 des Büros P. erfolgt. Die Vertragsklausel schliesst mit dem Satz: "Der Grundeigentümer erklärt sich mit dieser Regelung ausdrücklich einverstanden" (Ziff. 7 der Vereinbarung vom 7. April 1988).

4.2.3 Die Vertragsabrede mit ihrer ausdrücklichen Bezugnahme auf "die Rekultivierung gemäss behördlicher Vorschrift" kann nur dahin gehend verstanden werden, dass der Grundeigentümer der Beschwerdegegnerin gestattet und damit das Recht eingeräumt hat, ihrer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Wiederherstellung des früheren Zustandes nachzukommen, d.h. das belastete Grundstück auch zu diesem Zweck zu nutzen. Aus diesem Gesamtrechtsverhältnis von öffentlich-rechtlicher Kiesabbaubewilligung und damit verbundener privatrechtlicher Dienstbarkeit einen Teil - nach Ansicht der Beschwerdeführerin die Wiederherstellung des früheren Zustandes - herauszubrechen, wäre nicht sachgerecht, darf doch nicht leichthin angenommen werden, die Parteien hätten eine unangemessene vertragliche Lösung gewollt (vgl. BGE 122 III 420 E. 3a S. 424; BGE 126 III 119 E. 2c S. 121). Die obergerichtliche Auslegung berücksichtigt vielmehr richtigerweise den öffentlich-rechtlichen Gesamtzusammenhang, in den die Dienstbarkeit eingebettet ist (vgl. BGE 128 III 265 E. 3a S. 267), und die Bedürfnisse der Berechtigten, wie sie bereits im Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit bestanden haben (vgl. E. 2.2 hiervor).

4.2.4 Ernsthafte Gründe dafür, vom klaren Wortlaut des Vereinbarungstextes abzuweichen, sind weder ersichtlich noch dargetan (vgl.BGE 137 III 444 S. 452BGE 136 III 186 E. 3.2.1 S. 188). Die Beschwerdeführerin gibt die Ziff. 7 der Zusatzvereinbarung in ihrer Darstellung der dienstbarkeitsrechtlichen Ausgangslage überhaupt nicht und in der Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil nur verstümmelt wieder, während die Beschwerdegegnerin die Wichtigkeit der Vertragsklausel mehrfach hervorhebt.

4.2.5 Zur Hauptsache wendet die Beschwerdeführerin ein, es handle sich bei der Wiederherstellung des früheren Zustandes nach erfolgtem Kiesabbau um eine schuldrechtliche Verpflichtung der Beschwerdegegnerin gegenüber dem Grundeigentümer. Eine bloss schuldrechtliche Verpflichtung aber habe keine dingliche Wirkung, so dass der frühere Zustand nach erfolgtem Kiesabbau auch von einer anderen Firma, beispielsweise von ihr selber gestützt auf ihr Deponierecht, wiederhergestellt werden könne, wenn der Grundeigentümer dies wolle. Der Beschwerdeführerin ist darin beizupflichten, dass schuldrechtliche Pflichten - von den gesetzlichen Sonderfällen in Art. 730 Abs. 2 und Art. 741 ZGB abgesehen - persönlicher Natur sind und nur die Vertragsparteien binden (vgl. Urteil 5A_229/2010 vom 7. Juli 2010 E. 4.1.2, in: ZBGR 92/2011 S. 209 f.). Es erscheint auch nicht als ausgeschlossen, wie das die Beschwerdeführerin betont, dass der Grundeigentümer selber an der Wiederherstellung des früheren Zustandes ein Interesse hat, beispielsweise um das Grundstück später landwirtschaftlich wieder nutzen zu können, und dass die Beschwerdegegnerin insoweit auch ihm gegenüber verpflichtet sein mag, die abgebauten Flächen mit Aushubmaterial aufzufüllen, mit Humus zu bedecken und zu begrünen. Entscheidend ist indessen, dass die Beschwerdegegnerin ihre Verpflichtung zu dieser Wiederherstellung des früheren Zustandes nur erfüllen kann, wenn sie berechtigt ist, zu diesem Zweck das Grundstück zu betreten und darauf Aushubmaterial zu deponieren und alle weiteren Arbeiten auszuführen. Diese Rechte hat der Grundeigentümer der Beschwerdegegnerin im Dienstbarkeitsvertrag mit seinen Zusatzvereinbarungen eingeräumt (E. 4.2.2 hiervor). Da neben dem Dienstbarkeitsvertrag insbesondere auch die Zusatzvereinbarung von 1988 dem Grundbuchamt eingereicht und zu den Belegen genommen worden ist, kommt den darin der Beschwerdegegnerin eingeräumten Rechten dingliche Wirkung zu (vgl. Urteil 5C.269/2001 vom 6. März 2002 E. 4b, nicht publ. in: BGE 128 III 169, BGE 128 III 265 E. 3a Abs. 3 S. 267; allgemein: STEINAUER, a.a.O., N. 2536 S. 102 f., mit Hinweisen).BGE 137 III 444 S. 453.

4.3 Aus den dargelegten Gründen ist der Haupteinwand der Beschwerdeführerin unbegründet. Zur wirtschaftlichen Nutzung des Kiesvorkommens bzw. der Kiesabbaustätte auf dem belasteten Grundstück und damit zur Ausübung des im Grundbuch eingetragenen Kiesausbeutungsrechts gehören einerseits der Abbau von Sand, Kies und weiteren Materialien und andererseits die fortlaufende Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verbunden mit der Renaturierung bzw. Rekultivierung. Die Beschwerdegegnerin ist aufgrund ihrer Dienstbarkeit deshalb insbesondere auch berechtigt, auf dem belasteten Grundstück Aushubmaterial zu deponieren und das belastete Grundstück mit Aushubmaterial zu befahren. Da die Dienstbarkeit der Beschwerdegegnerin zeitlich vor den allenfalls gleichgerichteten Dienstbarkeiten der Beschwerdeführerin im Grundbuch eingetragen wurde, gehen die Rechte der Beschwerdegegnerin nach dem Grundsatz der Alterspriorität den Rechten der Beschwerdeführerin vor (vgl. Art. 972 ZGB; BGE 57 II 258 E. 2 S. 262; 131 III 345 E. 2.3.1 S. 352).

BGE 131 III 345

Art. 730 und Art. 738 f. ZGB; Grunddienstbarkeit "Benützungsrecht an Hofraum"; Auslegung; Mehrbelastung.Auslegung einer Dienstbarkeit nach deren Bereinigung bei der Grundbucheinführung (E. 1). Ein allgemeines Benützungsrecht an einem Hofraum gestattet jede gemeinverträgliche Nutzung und damit das kurzfristige, hingegen nicht das längerfristige Abstellen von Fahrzeugen (E. 2). Soweit die Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks es erfordern, darf das Benützungsrecht zu Gunsten einer Gewerbeliegenschaft auch von den Kunden des Eigentümers ausgeübt werden (E. 3). Beurteilung der Zumutbarkeit einer Mehrbelastung im Falle von ungemessenen Dienstbarkeiten (E. 4).



1. Vor Bundesgericht streitig sind Inhalt und Umfang der im Grundbuch "Bau-, Unterkellerungs-, Ablagerungs- undBGE 131 III 345 S. 347Einfried(ig)ungsverbot" und "Benützungsrecht an Hofraum" benannten Grunddienstbarkeiten. Die Streitfragen lauten, ob die Dienstbarkeitsberechtigung das längerfristige Abstellen (Parkieren) von Fahrzeugen umfasst (E. 2) und Kundenverkehr zu Gewerbeliegenschaften zulässt (E. 3 und 4 hiernach). Über die Auslegungsgrundsätze sind sich die Parteien einig. Folgendes muss hervorgehoben werden:

1.1 Für die Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit gibt Art. 738 ZGB eine Stufenordnung vor: Massgebend ist der Grundbucheintrag, soweit sich Rechte und Pflichten daraus deutlich ergeben (Abs. 1). Nur wenn sein Wortlaut unklar ist, darf im Rahmen des Eintrags auf den Erwerbsgrund zurückgegriffen werden. Ist auch der Erwerbsgrund nicht schlüssig, kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit - im Rahmen des Eintrags - aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist (Abs. 2; BGE 128 III 169 E. 3a S. 172; BGE 130 III 554 E. 3.1 S. 556/557). Für den hier strittigen Inhalt der Dienstbarkeiten ist deren Benennung im Grundbuch allein nicht schlüssig. Darin stimmen die Parteien mit dem Obergericht überein. Verschieden beantworten sie hingegen die Frage, ob die Auslegung des Erwerbsgrundes klaren Aufschluss über die behaupteten Dienstbarkeitsinhalte gibt. Das Obergericht hat die Frage bejaht und deshalb die Beweisanträge sowohl der Klägerin als auch des Beklagten zur Art der Ausübung der Dienstbarkeit abgewiesen. Der Einwand des Beklagten, das Obergericht habe seinen Beweisführungsanspruch verletzt, könnte somit nur begründet sein, falls die Auslegung des Erwerbsgrundes zu keinem eindeutigen Ergebnis führt. Darauf verweist die Klägerin zu Recht.

1.2 Der wirkliche Parteiwille aus dem Jahre 1937 hat offenbar nicht mehr festgestellt werden können. Weder der Beklagte noch die Klägerin bringen diesbezüglich Gegenteiliges vor. Sie gehen vielmehr übereinstimmend davon aus, der Erwerbsgrund müsse nach dem Vertrauensgrundsatz (Art. 18 OR) ausgelegt werden. Mangels behaupteten und bewiesenen wirklichen Parteiwillens hat das Obergericht den Erwerbsgrund so ausgelegt, wie er nach seinem Wortlaut und Zusammenhang sowie namentlich auf Grund der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks und mit Rücksicht auf Sinn und Zweck der Dienstbarkeit verstanden werden durfte und musste (BGE 128 III 265 E. 3a S. 267; BGE 130 III 554 E. 3 S. 556 ff.).

BGE 131 III 345 S. 348

1.3 Erwerbsgrund sind die im Dienstbarkeitsbereinigungsverfahren - bei Einführung des eidgenössischen Grundbuchs - protokollierten wechselseitigen Erklärungen, deren Auslegung grundsätzlich wie beim Dienstbarkeitsvertrag als ordentlichem Erwerbsgrund zu erfolgen hat (LIVER, Zürcher Kommentar, 1980, N. 11 und N. 86 zu Art. 738 ZGB). Entgegen der Ansicht der Klägerin ist für die Auslegung das Schlussprotokoll im Bereinigungsverfahren massgebend und nicht der - die Grundbucheinführung vorbereitende - Liquidationsplan von 1906 mit (öffentlich rechtlichem) Baureglement "über die dem Staate gehörenden Baugründe der ehemaligen Klosterliegenschaft im G.", zu welchen die T.-Überbauung gehört. Zwischen dem Baureglement und den später protokollierten Erklärungen der Eigentümer bestehen Differenzen. So kann die Breite des Hofraums gemäss Baureglement 4 bis 8 Meter betragen. Im privatrechtlich massgebenden Schlussprotokoll beträgt die Breite dagegen 8 Meter. Die Erklärungen der Eigentümer im Bereinigungsverfahren haben insoweit nicht bloss deklaratorische Bedeutung gehabt, sondern rechtsbegründende Wirkung und umschreiben Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit neu. Als Erwerbsgrund auszulegen ist deshalb allein das Schlussprotokoll von 1937 (LIVER, a.a.O., N. 63-65 zu Art. 732 ZGB; SCHMID, Basler Kommentar, 2003, N. 17 zu Art. 43 SchlT ZGB). Das Baureglement von 1906 kann dabei als Hilfsmittel der Auslegung dienen. Dies ist namentlich insoweit der Fall, als im Schlussprotokoll Begriffe des Baureglements übernommen werden. So hat das Obergericht mit Recht den Begriff der "inneren Bauflucht" im Lichte des Baureglements ausgelegt.

2. Der erste Streitpunkt betrifft die Frage, ob die Grunddienstbarkeiten zu einem "Abstellen (Parkieren) von Fahrzeugen" berechtigen. Gemeint ist das längerfristige bzw. länger dauernde Abstellen (Parkieren) eines Fahrzeugs im Gegensatz zum - vor Obergericht unbestritten zulässigen (E. 4.2 hiernach) - Abstellen (Parkieren) eines Fahrzeugs für den kurzzeitigen Waren- und Personenumschlag.

2.1 Die hier auszulegende Erklärung gemäss Schlussprotokoll von 1937, die die im Grundbuch als "Bau-, Unterkellerungs-, Ablagerungs- und Einfried(ig)ungsverbot" und "Benützungsrecht an Hofraum" eingetragenen Grunddienstbarkeiten begründet, lautet wie folgt: Zu Gunsten aller Grundstücke der T.-Überbauung darf zu Lasten der Aussengrundstücke vom Hofraum "längs der innernBGE 131 III 345 S. 349Bauflucht ein Streifen von 8 m Breite nicht abgeschlossen, nicht überbaut oder als Ablagerungsplatz verwendet und nicht unterkellert werden, sondern ist diesen Grundstücken zur allgemeinen Benützung freizuhalten".

2.1.1 Die Parteien stimmen der obergerichtlichen Auslegung zu, dass es um ein Zusammenspiel von Recht und Verbot geht. Die Belastung besteht darin, dass die Eigentümer auf näher umschriebene Befugnisse verzichten (Verbote), um dadurch den Hofraum freizuhalten. Die Berechtigung wird mit einer "allgemeinen Benützung" umschrieben. Benützungsrecht und Freihaltegebot hängen insoweit zusammen, als dieses jenes gewährleisten soll.

2.1.2 Der Beklagte unterstreicht, dass es sich vom Wortlaut her um ein "allgemeines" Benützungsrecht handle. Wie der Begriff der "innern Bauflucht" wurde die Umschreibung "zur allgemeinen Benützung" aus dem Baureglement von 1906 übernommen. Das Baureglement sah vor, dass vom Hofraum der Bauabteilungen (d.h. der verschiedenen Gevierte) ein Streifen "zur allgemeinen Benutzung frei zu bleiben" hat. Wird als Auslegungshilfe auf das Baureglement und dessen Sprachgebrauch abgestellt, kann die Umschreibung "allgemeine" Benutzung nur als bestimmungsgemässe und gemeinverträgliche Nutzung verstanden werden, d.h. die Benutzung hat dem Zweck des Hofraums zu entsprechen und derart zu erfolgen, dass die gleichzeitige Benutzung durch die anderen Berechtigten nicht erheblich erschwert wird. Die Bestimmung des Hofraums beschränkt sich nicht auf den Verkehr, sondern er dient gemäss seiner allgemeinen Zweckbestimmung auch andern mit dem Wohnen und Arbeiten verbundenen gemeinverträglichen Zwecken. Das längerfristige bzw. länger dauernde Abstellen (Parkieren) eines Fahrzeugs gilt nun aber selbst bei einzig dem Verkehr dienenden Anlagen nicht als gemeinverträglich und wird deshalb bei der vorliegenden weiteren Zwecksetzung schon vom Wortlaut des Erwerbsgrundes - allgemeines Benützungsrecht - nicht mehr gedeckt (vgl. dazu BGE 122 I 279 E. 2b S. 283 mit Hinweisen).

2.1.3 Diese Auslegung des "allgemeinen Benützungsrechts" wird bestätigt, wenn die in der Dienstbarkeit aufgezählten Verbote "Bau-, Unterkellerungs-, Ablagerungs- und Einfried(ig)ungsverbot" in die Überlegungen einbezogen werden. Das Obergericht ist davon ausgegangen, dass das Benützungsrecht weder durchBGE 131 III 345 S. 350Vorrichtungen beeinträchtigt werden sollte, die fest mit dem Boden verbunden sind, noch durch Ablagerungen, die nicht mit einem gewissen Aufwand beseitigt werden können. Der Auslegung kann vorbehaltlos beigepflichtet werden. Die aufgezählten vier verbotenen Tätigkeiten dienen lediglich als Beispiele und wollen das Freihaltegebot näher umschreiben, das eine gemeinverträgliche Nutzung des Hofraums durch alle Berechtigten gewährleisten will und insbesondere jede dauerhafte Einschränkung der Nutzung des Hofraums zu verhindern bezweckt. Entgegen der Annahme der Klägerin bedarf es deshalb keines ausdrücklichen Parkierverbots. Die verbotenen Tätigkeiten werden im Schlussprotokoll nicht abschliessend aufgezählt, sondern exemplifizieren das Freihaltegebot. Das Ablagerungsverbot erfasst ohne weiteres auch das längerfristige bzw. länger dauernde Abstellen (Parkieren) eines Fahrzeugs, zumal das Abschleppen eines Fahrzeugs, dessen Halter nicht erreichbar ist, mit keinem geringeren Aufwand verbunden ist als das Beseitigen von anderem abgelagertem Material (so auch Urteil des Bundesgerichts C.380/79 vom 25. Februar 1980, E. a S. 3 f., das ein in ZBGR 63/1982 S. 149 ff. publiziertes Urteil des Zürcher Obergerichts bestätigt).

2.2 Das Obergericht ist zu einem abweichenden Auslegungsergebnis gelangt. Es hat dafürgehalten, die Dienstbarkeiten regelten das länger dauernde Parkieren nicht. Da das Grundbuchbereinigungsverfahren im Jahre 1937 abgeschlossen worden sei, müsse angenommen werden, dass ein Bedürfnis der Bewohner der T.-Überbauung ihre Fahrzeuge im Hof zu parkieren gar nicht in Betracht gezogen worden sei. Die Grunddienstbarkeiten seien daher hinsichtlich des länger dauernden Parkierens zu ergänzen.

2.2.1 Auf Grund der Vorbringen des Beklagten erscheint die obergerichtliche Annahme nicht als bundesrechtswidrig, im Grundbuchbereinigungsverfahren sei wegen des damals noch äusserst geringen Fahrzeugbestands und der wenig verbreiteten Motorisierung nicht an ein längerfristiges bzw. länger dauerndes Abstellen (Parkieren) von Fahrzeugen gedacht worden. Denn andernfalls wäre die Frage des Parkierens wohl geregelt worden, wie das bei Innenhofservituten aus jener Zeit oft geschehen ist, in denen das "Stehenlassen (dauernd und vorübergehend) von Fahrzeugen" ausdrücklich untersagt wird (vgl. für eine im Jahre 1933 begründete Dienstbarkeit: Sachverhalt zum Urteil des Bundesgerichts C.276/ 1979 vom 30. November 1979, publ. in: ZBGR 63/1982 S. 377/BGE 131 III 345 S. 351378). Zu prüfen ist deshalb, ob in diesem Punkt eine eigentliche Lücke vorliegt. Ein lückenhafter Erwerbsgrund darf - im Gegensatz zur lückenhaften Eintragung im Grundbuch (BGE 124 III 293 E. 2c S. 296) - gerichtlich ergänzt werden (BGE 88 II 252 E. 6d S. 273 und 498 E. 5 S. 507 f.). Es ist zu fragen, wie die Parteien, wenn sie damals den heute vorliegenden Tatbestand ins Auge gefasst hätten, ihren Vertrag vernünftigerweise präzisierend ergänzt hätten (LIVER, a.a.O., N. 97 ff. zu Art. 738 ZGB; allgemein: GAUCH/ SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht, I., 8. Aufl., Zürich 2003, N. 1256-1263 S. 277 ff. und N. 1288-1296 S. 285 ff., mit Hinweisen).

2.2.2 Die Voraussetzungen für eine Ergänzung des Erwerbsgrundes sind hier nicht erfüllt: Zum einen weist die Regelung keine Lücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit auf. Ein längerfristiges bzw. länger dauerndes Abstellen (Parkieren) von Fahrzeugen wird - wie gesagt (E. 2.1.3 soeben) - durch das im Wortlaut des Grundbucheintrags ausdrücklich genannte Ablagerungsverbot erfasst. Zum anderen sind die Voraussetzungen für eine Anpassung an veränderte Verhältnisse nach Massgabe eines hypothetischen Parteiwillens nicht dargetan. Auf Grund der offenen Formulierung des Dienstbarkeitsinhalts als allgemeines Benützungsrecht ist vielmehr davon auszugehen, dass schon im Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit jedes künftige - vorhersehbare oder unvorhersehbare - Nutzungsbedürfnis erfasst und zugelassen werden wollte, solange es der allgemeinen Zweckbestimmung entspricht und gemeinverträglich ist. Diese Voraussetzung aber trifft - wie gesagt (E. 2.1.2 soeben) - auf ein längerfristiges bzw. länger dauerndes Abstellen (Parkieren) von Fahrzeugen nicht zu.

2.2.3 Eine Ergänzung der Dienstbarkeiten erweist sich aus den dargelegten Gründen als unzulässig. In Anbetracht dessen kann letztlich dahingestellt bleiben, ob und inwiefern im Bereiche des Dienstbarkeitsrechts - über die gesetzlich geregelten Tatbestände hinaus (z.B. Art. 736 und Art. 739 ZGB) - eine Anpassung des Erwerbsgrundes an veränderte Verhältnisse möglich und zulässig ist (eher ablehnend: BGE 127 III 300 E. 5a/bb S. 303/304; vgl. zur generell gebotenen Zurückhaltung gegenüber Vertragsanpassungen: KRAMER, Berner Kommentar, 1985, N. 333 ff. zu Art. 18 OR).

2.3 Die Klägerin erneuert verschiedene Einwände gegen diese Auslegung gemäss dem Wortlaut der Dienstbarkeit und von deren Sinn und Zweck her. Darauf ist nachstehend einzugehen:BGE 131 III 345 S. 352

2.3.1 Im kantonalen Verfahren hat sich die Klägerin auf eine Grunddienstbarkeit aus dem Jahre 1982 berufen, die die beiden Grunddienstbarkeiten von 1937 teilweise überlagert. Im Jahre 1982 haben sich die Eigentümer der Parzellen Nrn. x und y wechselseitig Fahrwegrechte und Rechte auf Benützung eines Abstellplatzes für Fahrzeuge eingeräumt. Das Obergericht hat dazu festgehalten, die Dienstbarkeiten von 1937 verschafften ein Mitbenützungsrecht aller Eigentümer am Hofraum, so dass die Klägerin aus der Dienstbarkeit von 1982 kein ausschliessliches Recht auf einen Autoabstellplatz im Hofraum ableiten könne. Den zutreffenden Erwägungen ist nichts beizufügen. Es gilt der Grundsatz der Altersprioriät (vgl. Art. 972 ZGB). Dies bedeutet, dass von zwei Dienstbarkeiten, welche sich nicht miteinander vertragen, die ältere grundsätzlich den Vorrang hat (BGE 57 II 258 E. 2 S. 262; statt vieler: LIVER, a.a.O., N. 37 f. der Einleitung; STEINAUER, Les droits réels, II, 3. Aufl., Bern 2002, N. 2148-2150 S. 338 f.).

2.3.2 Die Klägerin wirft dem Beklagten ein treuwidriges Verhalten vor, wenn er ein Recht auf längerfristiges bzw. länger dauerndes AbstellenBGE 131 III 345 S. 353(Parkieren) von Fahrzeugen bestreite, aber selber seit je her im Hofraum parkiere und parkiert habe. Es ist indessen ein Unterschied, ob ein im Grundbuch eingetragener Anspruch besteht oder ob sich die am Hofraum Berechtigten gegenseitig ein längerfristiges Parkieren auf Zusehen hin und damit gleichsam prekaristisch gestatten (vgl. LIVER, a.a.O., N. 59-61 zu Art. 730 und N. 99 zu Art. 732 ZGB). Der Umstand, dass der Beklagte gleich wie die Klägerin den Hofraum selber als Parkfläche verwendet hat, hindert ihn nicht, einen dinglichen Anspruch der Klägerin auf längerfristiges bzw. länger dauerndes Abstellen (Parkieren) von Fahrzeugen im Hofraum zu bestreiten. Desgleichen begründet eine allfällige Ausübung einer Dienstbarkeit gegen den Vertragsinhalt keine Rechte, wie das Obergericht in früheren Fällen entschieden hat (z.B. Urteil vom 9. Oktober 1974, publ. in: ZBGR 57/1976 S. 145 mit Hinweis). Die Art der Ausübung der Dienstbarkeit ändert an deren Inhalt und Umfang nichts, wenn der Eintrag im Grundbuch und der Erwerbsgrund eindeutig sind. In diesem Fall kann die langjährige Ausübung auch nicht zur Erweiterung der Dienstbarkeit durch Ersitzung führen (vgl. LIVER, a.a.O., N. 119 f. zu Art. 738 ZGB; STEINAUER, a.a.O., N. 2295 S. 396).

2.3.3 Schliesslich verweist die Klägerin auf die räumlichen Verhältnisse, die ein längerfristiges bzw. länger dauerndes Abstellen (Parkieren) von Fahrzeugen gestatte. Abgesehen davon, dass die tatsächliche Möglichkeit der Ausübung kein Recht schaffen kann, das nicht schon gemäss Erwerbsgrund besteht, übersieht die Klägerin, dass der Hofraum nicht nur dem fahrenden und ruhenden Verkehr, sondern auch andern mit dem Wohnen und Arbeiten verbundenen gemeinverträglichen Nutzungen zu dienen hat. Zudem widerspricht diese Auslegung anhand der räumlichen Gegebenheiten dem Schlussprotokoll von 1937, wonach "ein Streifen von 8 m Breite ... freizuhalten" ist (E. 2.1 soeben). Daran lassen auch die von der Klägerin zitierten Formulierungen in den Bereinigungsheften, die der Einführung des Grundbuchs zugrunde gelegen haben, keinen Zweifel. Dort heisst es: "Der Hofraum zwischen den äusseren und inneren Bauparzellen ist auf seiner ganzen Breite zur Allgemeinen Benützung des ganzen Blockes jederzeit freizuhalten" (zit. nach der Berufungsantwort, Hervorhebung beigefügt). Danach wäre nicht einmal ein Parkieren entlang den Hausmauern im Hofraum statthaft, das sich die Eigentümer offenbar auf Zusehen hin gestatten.

2.4 Die Auslegung ergibt, dass die Grunddienstbarkeiten nicht zu einem längerfristigen bzw. länger dauernden Abstellen (Parkieren) eines Fahrzeugs berechtigen. Demgegenüber ist das Abstellen (Parkieren) eines Fahrzeugs für den kurzzeitigen Waren- und Personenumschlag unbestrittenermassen zulässig. Zwischen dieser negativen und positiven Umschreibung bleibt die Abgrenzung der Dienstbarkeitsberechtigungen unscharf, doch kann heute nicht näher festgelegt werden, was im Einzelnen unter einem (unerlaubten) längerfristigen und einem (erlaubten) kurzfristigen Abstellen eines Fahrzeugs zu verstehen ist. Zum einen darf das Bundesgericht nicht über die Anträge der Parteien hinausgehen (Art. 63 Abs. 1 OG) und deshalb auch keine anderen als die beantragten Feststellungen treffen. Zum anderen könnte eine verbindliche Ordnung für die Ausübung aller Benützungsrechte nur unter Einbezug aller an den Dienstbarkeiten beteiligten Parteien festgelegt werden, hingegen nicht im vorliegenden Prozess zwischen zwei sich streitenden Dienstbarkeitsberechtigten mit Wirkung für alle (vgl. dazu D. PIOTET, Comment organiser les rapports d'usage entre les bénéficiaires de servitudes de même rang?, Festschrift Paul Piotet, Bern 1990, S. 89 ff.).

2.5 Die Berufung muss aus den dargelegten Gründen gutgeheissen, Dispositiv-Ziff. 1 des obergerichtlichen Urteils aufgehobenBGE 131 III 345 S. 354und die Klage abgewiesen werden, soweit die Feststellungs- und Verbotsbegehren die Berechtigung zu einem längerfristigen bzw. länger dauernden Abstellen (Parkieren) eines Fahrzeugs betreffen. Mit der Aufhebung und der ersatzlosen Streichung der Dispositiv-Ziff. 1 wird das darauf bezogene Berichtigungsbegehren der Klägerin gegenstandslos, ohne dass auf dessen Zulässigkeit in der Berufungsantwort näher einzutreten wäre.

3. Der zweite Streitpunkt betrifft die Frage, ob die Grunddienstbarkeiten den Kundenverkehr zu den Gewerbeliegenschaften zulassen.

3.1 Aus dem Erwerbsgrund und aus dem Eintrag im Grundbuch folgt, dass die Dienstbarkeiten zu Gunsten und zu Lasten bestimmter Grundstücke begründet wurden. Es handelt sich um Grunddienstbarkeiten im Sinne von Art. 730 ff. ZGB, bei denen der jeweilige Eigentümer eines Grundstücks aus der Dienstbarkeit berechtigt bzw. verpflichtet ist. Räumt der Dienstbarkeitsberechtigte einem Dritten ein Nutzungsrecht am Grundstück als solchem ein (z.B. Nutzniessung, Miete oder Pacht), erstreckt sich dieses Nutzungsrecht auch auf die zu Gunsten des Grundstücks bestehenden Grunddienstbarkeiten. Ohne Verleihung des Nutzungsrechts am Grundstück selber kann ein Nutzungsrecht an Grunddienstbarkeiten hingegen nicht verliehen werden, soweit es sich - wie hier - um eine positive (affirmative) Dienstbarkeit handelt, die dem Berechtigten die Befugnis zu einem Tun gibt, währenddem sie dem Belasteten eine Duldungspflicht auferlegt (BGE 100 II 105 E. 3a S. 115; BGE 114 II 426 E. 2d S. 430). Die Begründung dafür liegt im für Grunddienstbarkeiten typischen Zusammenhang zwischen Berechtigung und Grundstück, der durch die bloss obligatorische Übertragung der Ausübung nicht aufgehoben werden darf (vgl. LIVER, a.a.O., N. 42 zu Art. 730 ZGB; STEINAUER, a.a.O., N. 2282 f. S. 390). Soweit der Beklagte seinen Kunden die Bewilligung erteilt, sein "Benützungsrecht an Hofraum" mitzubenützen, bewirkt er durch einseitiges Rechtsgeschäft, dass seine Kunden befugt sind, in seinem Rechtsbereich zu handeln (vgl. GAUCH/SCHLUEP/ SCHMID, a.a.O., N. 129 und N. 142 ff. S. 26 ff.). Eine derartige rechtsgeschäftliche Übertragung des Nutzungsrechts an der Dienstbarkeit ohne gleichzeitige Übertragung des Nutzungsrechts am herrschenden Grundstück hat das Obergericht - nach dem soeben Gesagten - zu Recht abgelehnt.BGE 131 III 345 S. 355

3.2 Der Beklagte anerkennt heute die gezeigte Rechtslage, verneint aber, dass er seinen Kunden jemals ein Nutzungsrecht an der Grunddienstbarkeit "Benützungsrecht an Hofraum" habe verleihen wollen. Er macht geltend, das "Benützungsrecht an Hofraum" selber beinhalte sein Recht, Kunden und Besucher seines Wäschereibetriebs im Hofraum zu empfangen und zu bedienen und diese den Hofraum befahren zu lassen. Diesbezüglich greift die obergerichtliche Beurteilung zu kurz.

3.2.1 Nach dem Wortlaut von Art. 730 Abs. 1 ZGB besteht der "Gegenstand" (Marginalie) der Grunddienstbarkeit in der Belastung eines Grundstücks "zum Vorteil eines andern Grundstückes". Herrschende Rechtsauffassung will diese und vom Wortlaut her ähnliche Bestimmungen (Art. 736 und Art. 739 ZGB: "alles Interesse" bzw. "Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes") nicht nur im Sinne des Utilitätsprinzips verstanden wissen, wonach eine Grunddienstbarkeit für das berechtigte Grundstück nützlich sein muss und persönliche Interessen des berechtigten Grundeigentümers ausser Betracht zu bleiben haben. Vielmehr verstehen Lehre und Rechtsprechung unter dem Interesse für das berechtigte Grundstück auch das Interesse des Eigentümers des berechtigten Grundstücks an der Ausübung der Dienstbarkeit gemäss deren Inhalt und Umfang (BGE 130 III 554 E. 2 S. 556 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung; LIVER, a.a.O., N. 7 ff. der Vorbem. zu Art. 730- 744 und N. 103 ff. zu Art. 730 ZGB, mit Hinweisen; seither: STEINAUER, a.a.O., N. 2213 S. 360; PETITPIERRE, Basler Kommentar, 2003, N. 11 ff. zu Art. 730 ZGB; teilweise abweichend: REY, Berner Kommentar, 1981, N. 7 ff. der Vorbem. zu Art. 730-736 ZGB).

3.2.2 Es ist anerkannt, dass der "Vorteil" oder das "Interesse" des herrschenden Grundstücks bzw. des Eigentümers des herrschenden Grundstücks durch ein auf ihm betriebenes Gewerbe vermittelt werden kann. Bei einem dinglichen Wegrecht zu Gunsten einer Geschäftsliegenschaft kommt es auf die Verkehrsbedürfnisse des dortigen Geschäftsbetriebs an. Falls der Erwerbsgrund die Frage nicht ausdrücklich regelt, bestimmt sich nach den Bedürfnissen des herrschenden Grundstücks bzw. dessen Eigentümers, ob die Grunddienstbarkeit nicht nur vom Mieter und Pächter, sondern auch von Hausgenossen, Besuchern und Kunden ausgeübt werden darf (vgl. für Einzelheiten, z.B. aus dem deutschen Recht: BGB-Kommentare STAUDINGER/MAYER, 2002, N. 4 und N. 12,BGE 131 III 345 S. 356RGRK/ROTHE, 1996, N. 3, und STAUDINGER/RING, 1994, N. 25, je zu § 1019 BGB; MEISNER/STERN/HODES, Nachbarrecht, 4. Aufl., Berlin 1964, § 31/II S. 547 f.).

3.2.3 Von seinem Wortlaut her sagt der Erwerbsgrund nichts zur Frage, wer das "Benützungsrecht an Hofraum" ausüben darf. Die Frage wird hingegen von den Bedürfnissen des berechtigten Grundstücks, denen bei der Auslegung besonderes Gewicht zukommt (hiervor E. 1.2: "namentlich"), eindeutig beantwortet. Bei den berechtigten Grundstücken des Beklagten handelt es sich um seit 1912 bis heute gewerblich genutzte Liegenschaften, auf denen stets eine Wäscherei mit den dafür notwendigen Installationen betrieben wurde. Das sich aus der Bewirtschaftung dieser Gewerbeliegenschaft ergebende Bedürfnis "Kundenverkehr" ist deshalb zu berücksichtigen und wird vom Inhalt der Grunddienstbarkeit "Benützungsrecht an Hofraum" ohne weiteres erfasst. Anspruchsberechtigt ist zwar nur der Beklagte, da es um eine Grunddienstbarkeit geht und diese ihm als Eigentümer der berechtigten Innengrundstücke zusteht. Ausgeübt werden darf das Benützungsrecht jedoch auch von seinen Kunden in gleicher Weise, d.h. die Kunden des Beklagten dürfen den Hofraum insbesondere befahren und daselbst ihre Fahrzeuge kurzzeitig abstellen, soweit diese Tätigkeiten durch das auf den Grundstücken des Beklagten betriebene Gewerbe veranlasst sind.

3.3 Bei diesem Auslegungsergebnis muss die Berufung gutgeheissen, Dispositiv-Ziff. 3 des obergerichtlichen Urteils aufgehoben und die Klage abgewiesen werden, soweit die Feststellungs- und Verbotsbegehren die Ausübung der Dienstbarkeit "Benützungsrecht an Hofraum" durch Kunden oder Besucher des Beklagten betreffen.

4. In ihrer Berufungsantwort erneuert die Klägerin ihre kantonalen Appellationssubeventualbegehren-Ziff. 9 und 10. Sie beantragt dem Bundesgericht diese Anträge zu prüfen und gutzuheissen, eventuell die Sache zu diesem Zweck an das Obergericht zurückzuweisen.

4.1 Die Klägerin stellt als Berufungsbeklagte Anträge, die - jedenfalls mit Bezug auf die Feststellungsbegehren gemäss Ziff. 9 - über die blosse Abweisung der Berufung des Beklagten hinausgehen, ohne formell (Eventual-)Anschlussberufung zu erheben. Die Zulässigkeit dieses prozessualen Vorgehens kann ausBGE 131 III 345 S. 357nachstehenden Gründen dahingestellt bleiben (vgl. dazu SCYBOZ, Le recours en réforme au Tribunal fédéral, in: Les recours au Tribunal fédéral, Schriftenreihe SVA, Bd. 15, Bern 1997, S. 7 ff., S. 53/54, mit Hinweisen).

4.2 Vor Obergericht hat die Klägerin beantragt, subeventuell sei festzustellen, dass die fraglichen Grunddienstbarkeiten das Parkieren von Fahrzeugen und das Markieren von Parkfeldern auf den dienstbarkeitsbelasteten Flächen generell verbieten und nur den kurzzeitigen Warenumschlag durch die aus den Dienstbarkeiten berechtigten Grundeigentümer und deren Mieter, nicht aber der Kunden und Besucher zulassen (Ziff. 9).

Das Obergericht ist auf diesen Subeventualantrag nicht eingetreten, weil es zuvor festgestellt hat, dass die Klägerin zum länger dauernden Parkieren von Fahrzeugen auf den von ihr bezeichneten Feldern berechtigt ist. Das Amtsgericht hat den Antrag teilweise gutgeheissen und festgestellt, dass das Parkieren von Fahrzeugen und das Markieren von Parkfeldern generell verboten ist und nur der kurzzeitige Personen- und Warenumschlag zulässig ist. Das Feststellungsinteresse hat das Amtsgericht bejaht, weil die Markierungs- und Parkierungsverhältnisse am Hofraum strittig sind.

Soweit mit der Feststellung eine unterschiedliche Behandlung zwischen Grundeigentümern und Kunden der Gewerbeliegenschaften verlangt wird, ist das Begehren - wie erwähnt (E. 3.3 hiervor) - unbegründet. Zu beurteilen ist hingegen die Feststellung, dass die Grunddienstbarkeiten das Parkieren von Fahrzeugen und das Markieren von Parkfeldern auf den dienstbarkeitsbelasteten Flächen generell verbieten und nur den kurzzeitigen Warenumschlag zulassen. Selbst wenn die Feststellungsklage in weitem Umfang gestattet werden soll, wie das die kantonalen Gerichte hier angenommen haben, muss nun aber doch vorausgesetzt werden, dass es sich um ein streitiges Rechtsverhältnis handelt, dessen Feststellung beantragt wird. Andernfalls ist die eine Feststellungsklage rechtfertigende Ungewissheit der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien zu verneinen (allgemein: BGE 123 III 49 E. 1a S. 51 und 414 E. 7b S. 429; für die Dienstbarkeitsberechtigung: BGE 128 III 265 E. 2b, nicht veröffentlicht). Auf Grund sämtlicher bisher beurteilter Begehren der Klägerin (E. 2 und 3 hiervor) wird deutlich, dass das mit dem Subeventualantrag-Ziff. 9 zurBGE 131 III 345 S. 358Feststellung verstellte Rechtsverhältnis nicht streitig ist. Es kann ergänzt werden (Art. 64 Abs. 2 OG), dass sich die Beklagte in ihrer kantonalen Appellationsantwort vollauf damit einverstanden erklärt hat, dass das Parkieren von Fahrzeugen und das Markieren von Parkfeldern generell verboten und nur der kurzzeitige Personen- und Warenumschlag zugelassen ist. Ein Interesse an dieser Feststellung besteht somit nicht. Der vor Obergericht gestellte Subeventualantrag-Ziff. 9 muss deshalb insgesamt abgewiesen werden, soweit darauf einzutreten ist.

4.3 Die Klägerin hat vor Obergericht weiter beantragt, subeventuell seien die fraglichen Grunddienstbarkeiten wegen unzulässiger Mehrbelastung so zurückzustufen, dass die Kunden und Besucher vom Kreis der Berechtigten ausgeschlossen sind (Ziff. 10). Das Obergericht ist auf das Begehren nicht eingetreten, weil es festgestellt hat, dass die Kunden und Besucher der Dienstbarkeitsberechtigten nicht berechtigt seien, den Hofraum zu benützen. Das Amtsgericht ist auf den Antrag eingetreten, hat aber eine unzumutbare Mehrbelastung verneint und den Antrag abgewiesen.

4.3.1 Gemäss Art. 739 ZGB darf dem Verpflichteten eine Mehrbelastung nicht zugemutet werden, wenn sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes ändern. Die daherige Klage des Dienstbarkeitsbelasteten zielt auf eine Herabsetzung der Ausübung der Dienstbarkeit auf das ursprüngliche Mass. Nur wenn diese Zurückführung auf das ursprüngliche Mass nicht möglich ist, kommt ein Verbot der Ausübung in Frage. Da der Kundenverkehr einen Teil der Belastung bedeutet (E. 3 hiervor) und auch heute noch unbestreitbar möglich ist und stattfinden kann, fällt das beantragte Verbot des Kundenverkehrs ausser Betracht (vgl. LIVER, a.a.O., N. 54-56 zu Art. 739 ZGB; STEINAUER, a.a.O., N. 2300d S. 398 f.).

4.3.2 Zu prüfen bleibt die im beantragten Ausschluss des Kundenverkehrs mitenthaltene Reduktion. Das "Benützungsrecht an Hofraum" wird im Erwerbsgrund nicht positiv umschrieben, sondern nur negativ durch - auf den Kundenverkehr nicht zutreffende - verbotene Tätigkeiten abgegrenzt. Insoweit liegt eine ungemessene Dienstbarkeit vor, deren Inhalt und Umfang - wie der Beklagte das hervorhebt - durch die Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks bestimmt werden (LIVER, a.a.O., N. 19-21 zu Art. 737 ZGB; Urteil 5C.199/2002 vom 17. Dezember 2002, E. 3.1, publ. in: ZBGR 84/2003 S. 308).BGE 131 III 345 S. 359

Bei der vorliegenden affirmativen, ungemessenen Dienstbarkeit ist dem Dienstbarkeitsbelasteten diejenige Mehrbelastung grundsätzlich zumutbar, die auf eine objektive Veränderung der Verhältnisse, wie etwa die Entwicklung der Technik, zurückgeht und nicht auf willentlicher Änderung der bisherigen Zweckbestimmung beruht und die die zweckentsprechende Benützung des belasteten Grundstücks nicht behindert oder wesentlich mehr als bisher einschränkt (BGE 91 II 339 E. 4b S. 342; BGE 117 II 536 E. 4b S. 538). Erst wenn die - verglichen mit dem früheren Zustand - gesteigerte Inanspruchnahme des belasteten Grundstücks zur Befriedigung der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks eine erhebliche Überschreitung der ungemessenen Dienstbarkeit bedeutet, liegt eine unzumutbare Mehrbelastung vor. Diesfalls muss die Zunahme aber derart stark sein, dass mit Sicherheit angenommen werden kann, sie überschreite die Grenze dessen, was bei der Begründung der Dienstbarkeit vernünftigerweise in Betracht gezogen worden sein könnte. (BGE 122 III 358 Nr. 66; Urteil des Bundesgericht 5C.217/1991 vom 26. Mai 1992, E. 3, publ. in: ZBGR 77/1996 S. 52 und SJ 1992 S. 601; LIVER, a.a.O., N. 3, 8 und N. 10 zu Art. 739 ZGB; STEINAUER, a.a.O., N. 2298-2300 S. 397 f.).

Die Voraussetzungen einer unzumutbaren Mehrbelastung sind hier nicht erfüllt. Gemäss den tatsächlichen Feststellungen im obergerichtlichen Urteil bestand auf den Innenhofgrundstücken seit 1912 eine Wäscherei, die immer einen gewissen Kundenverkehr bewirkt hat. Eine willentliche Änderung der Zweckbestimmung hat somit nicht stattgefunden, wie die Klägerin das auch einräumt. Soweit sie behauptet, es sei seither ein erheblicher und unzumutbarer Mehrverkehr aufgetreten, kann ihr nicht gefolgt werden. Wie das Obergericht weiter festgestellt hat, sind die Innengrundstücke bereits im Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit für Gewerbebetriebe vorgesehen gewesen und durften keine Wohnungen enthalten. Davon gehen heute auch beide Parteien aus. Wird nebst dieser Nutzungsbeschränkung zu Lasten der Innengrundstücke berücksichtigt, dass der Hofraum in seiner ganzen Breite von acht Metern zur allgemeinen Benützung jederzeit freigehalten werden sollte (vgl. E. 2.3.3 hiervor), muss angenommen werden, dass die Eigentümer im Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit Steigerungen in der Nutzung des Hofraums vorhergesehen und in Kauf genommen haben, damit das Gewerbe auf den Innengrundstücken wachse und gedeihe.BGE 131 III 345 S. 360

4.3.3 Der vor Obergericht gestellte Subeventualantrag-Ziff. 10 betreffend Mehrbelastung muss nach dem Gesagten abgewiesen werden, ohne dass die Sache an das Obergericht zur Vervollständigung des Sachverhalts zurückzuweisen wäre. Die Feststellungen im obergerichtlichen Urteil gestatten die Beurteilung dessen, was die Eigentümer seinerzeit vernünftigerweise und damit objektiviert in Betracht gezogen haben mögen, als sie die Grunddienstbarkeiten begründet haben.

BGE 134 III 341

Dienstbarkeit.

Eine vor dem Inkrafttreten des Schweizerischen Zivilgesetzbuches zu Gunsten des Gemeinwesens (Stadt Zürich) begründete, den Betrieb eines unsittlichen Gewerbes auf dem belasteten Grundstück untersagende Gemeindeservitut entfaltet ihre Wirkung ungeachtet des Umstandes, dass der Gegenstand der Dienstbarkeit heute auch im öffentlichen Bau- und Planungsrecht geregelt ist (E. 2). Letzteres bedeutet namentlich nicht, dass das Gemeinwesen im Sinne von Art. 736 Abs. 1 ZGB alles Interesse an der Dienstbarkeit verloren hätte (E. 3). Der Begriff "unsittliches Gewerbe" ist hinreichend bestimmt und lässt zu, dass ein Erotiksalon darunter subsumiert wird (E. 4).


2. Die Beklagte beanstandet sowohl die Gutheissung der Klage als auch die Abweisung der Widerklage. Aus verschiedenen Gründen zieht sie die Rechtsbeständigkeit der in Frage stehenden Dienstbarkeit in Zweifel, so dass die Berufung vorab hinsichtlich der auf deren Löschung bzw. Abänderung gerichteten Widerklage zu prüfen ist.

2.1 Mit dem Hinweis, Gemeindeservituten seien heute widerrechtlich im Sinne von Art. 20 OR, hält die Beklagte die strittige Dienstbarkeit für nichtig. Ihre Auffassung begründet sie im Wesentlichen damit, die Quartierservitut habe dazu gedient, Anlagen und Gewerbe, von denen übermässige Einwirkungen ausgingen, zu untersagen. Es sei der Klägerin bei deren Errichtung mithin einerseits um Immissionsschutz gegangen, doch habe sie andererseits auch nutzungsplanerische Interessen verfolgt. Vor dem Erlass des kantonalen Gesetzes über die Raumplanung und das öffentliche Baurecht (Planungs- und Baugesetz vom 7. September 1975 [PBG/ZH; LS 700.1]) und der entsprechenden kommunalen Ausführungsgesetzgebung seien auf diese Weise eine Vielfalt von Gemeindeservituten errichtet worden. Heute fänden sich öffentlichrechtliche Vorschriften, die wie die strittige Quartierservitut positiv auf eine geordnete Bodennutzung hinlenken wollten, in diesen Erlassen. So halte Art. 24c Abs. 3 der Bauordnung der Stadt Zürich (BZO) beispielsweise fest, dass inBGE 134 III 341 S. 344Quartiererhaltungszonen mit einem Wohnanteil von mindestens 50 % sexgewerbliche Salons oder vergleichbare Einrichtungen nicht mehr zulässig seien. Derartige Bestimmungen gehörten zu den Vorschriften über die Grundstücknutzungen und seien mitsamt den kommunalen Ausführungsbestimmungen zwingendes, nicht abänderbares Recht. Spätestens seit den 1960er-Jahren seien Fragen der strittigen Art abschliessend im öffentlichen Recht geregelt und einer privatrechtlichen Regelung nicht mehr zugänglich. Klar verankert sei dieser Grundsatz in § 218 Abs. 2 PBG/ZH, wonach Bauvorschriften im Sinne dieses Gesetzes einer für die Baubehörden verbindlichen privatrechtlichen Regelung nur zugänglich seien, wo es ausdrücklich vorgesehen sei.

2.2 Im Gegensatz zu anderen Fällen mit ähnlichen Nutzungsfragen (vgl. etwa 5C.81/1999 vom 1. Juli 1999, publ. in: Pra 88/1999 Nr. 189 und ZBGR 82/2001 S. 56 ff.) geht es hier nicht um einen Rechtsstreit unter Privaten. Als Gemeinwesen verfolgt die Klägerin mit der auf der privatrechtlichen Dienstbarkeit beruhenden Klage auch nicht private Zwecke. Sie tritt nicht privatrechtlich, als Eigentümerin eines Nachbargrundstücks auf. Vielmehr geht es ihr um öffentliche Interessen.

Servituten, die im Dienste des öffentlichen Bau- und Planungsrechts stehen, sind seit jeher als zulässig betrachtet worden (vgl. BGE 78 II 21 E. 4 S. 26 f. bezüglich einer zu Gunsten des Kantons Zürich errichteten Dienstbarkeit auf Unterlassung des Betreibens einer Gastwirtschaft; PETER LIVER, Zürcher Kommentar, Die Grunddienstbarkeiten, Einleitung N. 100 ff. und N. 114 zu Art. 730 ZGB). Von Bedeutung waren solche Dienstbarkeiten beispielsweise auch immer wieder im Rahmen von Enteignungen (vgl. Art. 5 und 91 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Enteignung [EntG; SR 711]; BGE 116 Ib 241 E. 3a S. 245; BGE 99 Ia 364 E. 4b S. 368 f.; LIVER, a.a.O., N. 102 a.E. zu Art. 730 ZGB; HANS MICHAEL RIEMER, Die beschränkten dinglichen Rechte, 2. Aufl., Bern 2000, § 11 N. 10).

Aufgrund der Entwicklung des öffentlichen Bau- und Planungsrechts in neuerer Zeit mögen privatrechtliche Dienstbarkeiten als Instrumente auf diesem Gebiet an Bedeutung verloren haben. Für den vorliegenden Fall ist jedoch immerhin auf den in § 218 Abs. 2 PBG/ZH nach wie vor ausdrücklich festgehaltenen Vorbehalt zu Gunsten privatrechtlicher Regelungen wie auch auf die Anwendungsfälle etwa bei Quartierplänen (§§ 139 und 140 PBG/ZH) sowie bei Grenzbereinigungen (§ 180 PBG/ZH) hinzuweisen. Es kann unter diesenBGE 134 III 341 S. 345Umständen nicht gesagt werden, ältere Dienstbarkeiten der in Frage stehenden Art seien widerrechtlich bzw. seien ohne weiteres unzulässig geworden. Die Einführungs- und Schlussbestimmungen des kantonalen Planungs- und Baugesetzes sehen namentlich nicht etwa eine Pflicht des berechtigten Gemeinwesens zur Ablösung solcher Dienstbarkeiten vor (vgl. die §§ 342 ff. PBG/ZH). Das Bundesgericht hat zudem schon wiederholt geäussert, dass beispielsweise ein Gestaltungsplan oder öffentlichrechtliche Bauvorschriften nicht von sich aus bestehende Dienstbarkeiten ausser Kraft zu setzen vermöchten (vgl. BGE 91 II 339 E. 4a S. 342; 107 II 331 E. 5a S. 341; Urteil 5C.213/2002 vom 7. Februar 2003, E. 3.2, publ. in: ZBGR 85/2004 S. 95 f.). Dass den angeführten Entscheiden Dienstbarkeiten unter Privaten zugrunde gelegen hatten, ist aus der hier massgebenden Sicht ohne Belang. Von einer Nichtigkeit der strittigen Dienstbarkeit aus den von der Beklagten angeführten Gründen kann nach dem Gesagten keine Rede sein.

3. Die Beklagte bringt sodann vor, die Klägerin habe im Sinne von Art. 736 Abs. 1 ZGB seit Jahrzehnten alles Interesse an der uralten Gemeindeservitut verloren, so dass ihr ein Anspruch auf deren Löschung zustehe.

3.1 Den geltend gemachten Interessenverlust glaubt sie vorab mit dem Inkrafttreten des modernen öffentlichen Bau-, Raumplanungs- und Umweltrechts begründen zu können, das einer Anrufung der Servitut keinen Raum mehr lasse. Wie das Obergericht hervorhebt und die Beklagte übrigens selbst nicht verschweigt, sind nach dem geltenden öffentlichen (städtischen) Baurecht (Art. 24c Abs. 3 BZO) in Gebieten, wo ein Wohnanteil von mindestens 50 % vorgeschrieben ist, sexgewerbliche Salons oder vergleichbare Einrichtungen nicht zulässig. Nach den von der Beklagten nicht beanstandeten Feststellungen der Vorinstanz liegt ihr Grundstück in der Quartiererhaltungszone QII mit einem Wohnanteil von 50 %. Dem Inhalt und dem Umfang der Dienstbarkeit nach ist das klägerische Interesse an deren Ausübung unter den angeführten Umständen keineswegs untergegangen: Was öffentlichrechtlich verboten ist, kann aus der Sicht des Privatrechts nicht inhaltlich überholt sein bzw. unzeitgemäss geworden sein (vgl. BGE 130 III 554 E. 2 S. 556).

Soweit die Beklagte (in formeller Hinsicht) geltend macht, die privatrechtliche Dienstbarkeit sei überflüssig, weil das öffentliche Baurecht eine entsprechende Bestimmung enthalte, verdient ihr Standpunkt keinen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 2 ZGB): Es geht nicht an,BGE 134 III 341 S. 346

unter Hinweis auf das öffentlichrechtliche Verbot, das heute für den Betrieb eines Etablissements der in Frage stehenden Art gilt, die rückwirkende Aufhebung des seit 1909 ununterbrochen bestehenden privatrechtlichen Verbots gleichen Inhalts zu verlangen, um die (Rechts-)Lücke ausnützen zu können, wie sie sich nach den Feststellungen im bundesgerichtlichen Urteil vom 5. Mai 2003 ergab, als der Salon im ersten Obergeschoss der beklagtischen Liegenschaft eingerichtet wurde. Unbehelflich ist das Vorbringen der Beklagten, die verwaltungsrechtlichen Instanzen hätten rechtskräftig festgestellt, dass die Nutzung des ersten Obergeschosses als Erotiksalon Bestandesgarantie geniesse: Da gemäss Art. 24c Abs. 3 BZO im Quartier, wo das beklagtische Grundstück liegt, sexgewerbliche Salons nicht zulässig sind, steht die Dienstbarkeit nicht im Widerspruch zum öffentlichen Recht. Dass die genannte Regelung erst nach dem Einrichten des Sexsalons in der beklagtischen Liegenschaft in Kraft trat und jener deshalb nicht darunterfiel, kann nicht zur Folge haben, dass - aufgrund einer Bestandesgarantie - das Betreiben des strittigen Etablissements schlechthin zulässig wäre und der Zivilrichter von einer entsprechenden Tatsache auszugehen hätte. Die Nichtanwendung der einschlägigen öffentlichrechtlichen Nutzungsbeschränkungen auf den umstrittenen Betrieb bedeutet nicht, dass damit auch privatrechtliche Nutzungsbeschränkungen ausser Kraft gesetzt worden wären. Vielmehr ist der Rechtszustand massgebend, wie er ohne die Nutzungsbeschränkung durch die städtische Bauordnung bestand und weiterhin besteht, wozu auch das strittige Gemeindeservitut und das darin sinngemäss enthaltene Verbot des Betriebs sexgewerblicher Einrichtungen gehören. Aus dieser Sicht hat die Klägerin an der Dienstbarkeit nach wie vor ein Interesse.

3.2 Die Beklagte ist ferner der Ansicht, die Klägerin habe das Interesse an der Ausübung der Dienstbarkeit ebenfalls deshalb verloren, weil dem von der Vorinstanz festgehaltenen Sinn und Zweck, den "C.-Platz" als gehobenes Wohnquartier zu schützen, insofern keine Bedeutung mehr zukomme, als der durch den Strassenverkehr in der fraglichen Zone verursachte Lärm heute sehr gross sei und der "C.-Platz" sich zu einem hektischen Verkehrsknotenpunkt und zu einem lebhaften Gewerbezentrum entwickelt habe. Der Hinweis auf die eingetretene Änderung des Quartiercharakters ist unbehelflich. Er ändert nichts daran, dass nach den öffentlichrechtlichen Bestimmungen der Wohnanteil im fraglichen Gebiet eine sexgewerbliche Nutzung ausschliesst. Von einem Verlust des Interesses am zivilrechtlichen Verbot kann auch aus dieser Sicht keine Rede sein.BGE 134 III 341 S. 347

4.

4.1 Des Weiteren bringt die Beklagte vor, das Verbot ein "unsittliches" Gewerbe zu betreiben, sei als Inhalt einer Dienstbarkeit nicht zulässig. Einer Dienstbarkeit mit einem derart vagen Moralbegriff hätte wegen mangelnder Bestimmtheit von Anfang an die Eintragung in das Grundbuch verweigert werden müssen. Das im Grundbuch eingetragene Recht und die eingetragene Last müssten ihrem Inhalt nach für Dritte klar erkennbar sein, was hier nicht zutreffe.

4.2 Soweit die von der Beklagten angesprochene Frage sich überhaupt nach Bundesrecht beurteilt und damit hier zu prüfen ist (dazu nicht publ. E. 6.2), ist darauf hinzuweisen, dass beispielsweise das Bezirksgericht Zürich eine gleichlautende Formulierung als hinreichend bestimmt betrachtet hat (Urteil vom 17. Januar 1936, publ. in: ZBGR 17/1936 S. 265 ff. und SJZ 33/1936-37 Nr. 23 S. 123 f.; offenbar zustimmend LIVER, a.a.O., N. 97 und 193 zu Art. 730 ZGB; a.M. HEINZ REY, Berner Kommentar, N. 91 zu Art. 730 ZGB). Auch wenn heutzutage wohl eine andere Umschreibung gewählt würde, ist der in jenem Entscheid vertretenen Auffassung beizupflichten. Es besteht in der Tat ein genügender Bestimmtheitsgrad. Ein gewisser Auslegungsspielraum liegt in der Natur von Dienstbarkeiten der in Frage stehenden Art. So kann angesichts der Vielfalt heutiger Bewirtungsformen etwa auch der Begriff "Gastwirtschaftsbetrieb" (vgl. BGE 87 I 311 ff.) oder der Begriff "lärmendes, gesundheitswidriges oder ekelerregendes Gewerbe" (vgl. BGE 88 II 145 ff.) auslegungsbedürftig sein. Der in der beklagtischen Liegenschaft eingerichtete Betrieb lässt sich auf jeden Fall nach wie vor unter den in der strittigen Dienstbarkeit gewählten Begriff "unsittliches Gewerbe" subsumieren.

BGE 130 III 554

Art. 736 Abs. 1 und Art. 738 ZGB; Ermittlung des Zwecks und Löschung eines Wegrechts.Die Erschliessung durch eine öffentliche Strasse rechtfertigt die Löschung eines bestehenden privaten Wegrechts dann, wenn die öffentliche Strasse den mit dem privaten Wegrecht gewährleisteten Zweck vollumfänglich erfüllt und die bisherige private Wegverbindung nicht vorteilhafter ist als die neu erstellte öffentliche. Eine Ausnahme besteht für Wegrechte, die nach dem Willen der Parteien den Charakter eines Notwegs haben (E. 2-4).


2. Vor Bundesgericht ist streitig, ob die Vorinstanz Art. 736 ZGB richtig angewendet hat. Nach Art. 736 ZGB kann der Belastete die Löschung einer Dienstbarkeit verlangen, wenn diese für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat (Abs. 1). Ist ein Interesse des Berechtigten zwar noch vorhanden, aber im Vergleich zur Belastung von unverhältnismässig geringer Bedeutung, so kann die Dienstbarkeit gegen Entschädigung ganz oder teilweise abgelöst werden (Abs. 2). Unter dem Interesse für das berechtigte Grundstück bzw. dem Interesse des Berechtigten versteht die Rechtsprechung das Interesse des Eigentümers des berechtigten Grundstücks an der Ausübung der Dienstbarkeit gemäss deren Inhalt und Umfang. Dabei ist vom Grundsatz der Identität der Dienstbarkeit auszugehen, der besagt, dass eine Dienstbarkeit nicht zu einem andern Zweck aufrechterhalten werden darf als jenem, zu dem sie errichtet worden ist. Zu prüfen ist somit in erster Linie, ob der Eigentümer des berechtigten Grundstücks noch ein Interesse daran hat, die Dienstbarkeit zum ursprünglichen Zweck auszuüben, und wie sich dieses Interesse zu jenem verhält, das anlässlich der Begründung der Dienstbarkeit bestand (BGE 107 II 331 E. 3 S. 334 f.; BGE 121 III 52 E. 2 S. 54; BGE 114 II 426 E. 2a S. 428, je mit Hinweisen). Dabei bestimmt sich die Interessenlage des Eigentümers des berechtigten Grundstücks nach objektiven Kriterien (BGE 121 III 52 E. 3a S. 55 mit Hinweisen).

3. Das Obergericht ist insgesamt davon ausgegangen, das Interesse der Beklagten an der Ausübung des Wegrechts decke sich nicht mit dem ursprünglichen Zweck, zu dem das Wegrecht errichtet worden sei. Das im Zeitpunkt seiner Errichtung massgebende Interesse am Wegrecht bestehe seit dem Bau der U.-Strasse nicht mehr. Zu einem anderen Zweck bzw. Interesse dürfe das Wegrecht aber nicht aufrechterhalten bleiben. Es sei deshalb im Grundbuch zu löschen.

3.1 Für die Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit gibt Art. 738 ZGB eine Stufenordnung vor. Ausgangspunkt ist der Grundbucheintrag. Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrag deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der DienstbarkeitBGE 130 III 554 S. 557massgebend (Art. 738 Abs. 1 ZGB). Nur wenn sein Wortlaut unklar ist, darf im Rahmen des Eintrags auf den Erwerbsgrund zurückgegriffen werden (Art. 738 Abs. 2 ZGB), d.h. auf den Begründungsakt, der als Beleg beim Grundbuchamt aufbewahrt wird (Art. 948 Abs. 2 ZGB) und einen Bestandteil des Grundbuchs bildet (Art. 942 Abs. 2 ZGB). Ist auch der Erwerbsgrund nicht schlüssig, kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit - im Rahmen des Eintrags - aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist (Art. 738 Abs. 2 ZGB; zuletzt: BGE 128 III 169 E. 3a S. 172 mit Hinweis).

Ordentlicher "Erwerbsgrund" im Sinne des Gesetzes ist der Dienstbarkeitsvertrag (vgl. LIVER, Zürcher Kommentar, 1980, N. 86 zu Art. 738 ZGB). Seine Auslegung erfolgt in gleicher Weise wie die sonstiger Willenserklärungen (vgl. LEEMANN, Berner Kommentar, 1925, N. 6 zu Art. 738 ZGB). Gemäss Art. 18 Abs. 1 OR bestimmt sich der Inhalt des Vertrags nach dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien. Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, ist der Vertrag nach dem Vertrauensgrundsatz auszulegen. Die empirische oder subjektive hat gegenüber der normativen oder objektivierten Vertragsauslegung den Vorrang (allgemein: BGE 121 III 118 E. 4b/aa S. 123; BGE 129 III 118 E. 2.5 S. 122; für Grunddienstbarkeiten zuletzt: BGE 128 III 265 E. 3a S. 267).

Diese allgemeinen Auslegungsgrundsätze gelten vorbehaltlos unter den ursprünglichen Vertragsparteien, im Verhältnis zu Dritten dagegen nur mit einer Einschränkung, die sich aus dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs (Art. 973 ZGB) ergibt, zu dem - wie gesagt - auch der Dienstbarkeitsvertrag gehört. Bei dessen Auslegung können gegenüber Dritten, die an der Errichtung der Dienstbarkeit nicht beteiligt waren und im Vertrauen auf das Grundbuch das dingliche Recht erworben haben, individuelle persönliche Umstände und Motive nicht berücksichtigt werden, die für die Willensbildung der ursprünglichen Vertragsparteien bestimmend waren, aus dem Dienstbarkeitsvertrag selber aber nicht hervorgehen und für einen unbeteiligten Dritten normalerweise auch nicht erkennbar sind (BGE 108 II 542 E. 2 S. 545 f. unter Hinweis auf die Ansichten von LIVER, a.a.O., N. 94 f. zu Art. 738 ZGB, und PIOTET, Dienstbarkeiten und Grundlasten, Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/1, Basel 1977, § 93/I S. 584). Im gezeigten Umfang wird der Vorrang der subjektiven vor der objektivierten Vertragsauslegung eingeschränkt.BGE 130 III 554 S. 558Diese Rechtslage bringen Lehre und Rechtsprechung teilweise nur verkürzt zum Ausdruck, wenn es heisst, der Dienstbarkeitsvertrag sei objektiviert bzw. nach Massgabe des Vertrauensprinzips auszulegen, wo sich nicht mehr die Begründungsparteien, sondern Dritte gegenüberstünden (z.B. Urteil 5C.269/2001 vom 6. März 2002, E. 4b nicht publ. in BGE 128 III 169; Urteil 5C.200/2000 vom 29. März 2001, E. 2c, publ. in: ZBGR 83/2002 S. 245; vgl. etwa SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 2. Aufl., Zürich 2003, N. 1279 S. 276).

3.2 Der in erster Linie massgebende Grundbucheintrag "Wegrecht" ist nicht schlüssig für die Frage der Zweckbestimmung der Dienstbarkeit. Das Obergericht ist davon ausgegangen, im seinerzeitigen Mutationsplan werde für die Lage des Wegrechts auf eine "Parz. a entlang der eingetrag., lt. Bebauungsplan 1:2000 proj. Strasse" verwiesen. Mit diesem Hinweis komme das Motiv für die Begründung des Wegrechts deutlich zum Ausdruck. Es sei darum gegangen, eine Verbindung von den heute im Eigentum der Beklagten stehenden Parzellen an das öffentliche Strassennetz sicher zu stellen. Der abparzellierte südliche Teil hätte erschlossen werden sollen, zunächst mit einem Wegrecht und anschliessend mit der laut Bebauungsplan projektierten Strasse. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass damals die von den Beklagten angeführten Gründe - direkter, ungehinderter und sicherer Anschluss - eine Rolle gespielt hätten. Mit der Begründung des Wegrechts hätten die Parteien des seinerzeitigen Dienstbarkeitsvertrags somit einzig und allein bezweckt, den südlich gelegenen und heute im Eigentum der Beklagten stehenden Parzellen einen Anschluss an das öffentliche Strassennetz zu gewähren.

Gegenüber diesen Erwägungen des Obergerichts erheben die Beklagten Einwände, als ob es sich dabei um das Ergebnis einer objektivierten Vertragsauslegung handelt, die das Bundesgericht im Berufungsverfahren frei überprüfen kann. Gleichzeitig rügen die Beklagten die Verletzung der in Art. 8 ZGB enthaltenen Beweisvorschriften, wie wenn das Obergericht den wirklichen Willen der Parteien für das Bundesgericht verbindlich festgestellt hätte (Art. 63 Abs. 2 OG; BGE 129 III 664 E. 3.1 S. 667). Ob ein kantonales Urteil im einen oder anderen Sinn zu verstehen ist, wird aus seiner Begründung oft nicht ohne weiteres klar. Die Abgrenzung von Tat- und Rechtsfrage kann vorab bei der Vertragsauslegung schwierig sein (vgl. KLETT, Berufung, in: Seminar Bundesrechtsmittel SVA, Bd. 16,BGE 130 III 554 S. 559Bern 2002, S. 22; MÜNCH, Berufung und zivilrechtliche Nichtigkeitsbeschwerde, in: Prozessieren vor Bundesgericht, 2. Aufl., Basel 1998, N. 4.42 S. 135 und N. 4.50 S. 138). Was tatsächliche Feststellung ist, kann sich aus dem Gegensatz zur Rechtsfrage ergeben, lässt sich aber nicht losgelöst von der Art ihres Zustandekommens bestimmen. Nicht entscheidend ist, ob der Feststellung des Sachverhalts ein Beweisverfahren vorangegangen ist. Denn Tatfragen können auch ohne Beweiserhebung auf Grund von Indizien, eigenem Wissen des Gerichts oder allgemeiner Lebenserfahrung beantwortet werden (vgl. für Einzelheiten: MESSMER/IMBODEN, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, N. 94-96 S. 128 ff., mit Hinweisen).

Das Obergericht hat - abgesehen von einem Augenschein - weder ein Beweisverfahren durchgeführt (z.B. Einvernahme der ursprünglichen Vertragsparteien oder des Nachführungsgeometers) noch Indizien genannt, auf die es seine Annahme stützt. Es hat das "Motiv" für die Begründung des Wegrechts einzig aus dem Mutationsplan erschlossen, der von den ursprünglichen Vertragsparteien unterzeichnet worden ist und integrierenden Bestandteil des Dienstbarkeitsvertrags gebildet hat. Unter diesen Umständen muss davon ausgegangen werden, das Obergericht habe nicht mehr positiv feststellen können, welche Motive für die Errichtung der Dienstbarkeit tatsächlich massgebend waren. Gestützt auf die Grundbuchbelege wird im obergerichtlichen Urteil vielmehr unterstellt, die Parteien hätten mit dem Wegrecht denjenigen Zweck verfolgt, der sich auf Grund der damaligen Verhältnisse aus den Bedürfnissen des herrschenden Grundstücks vernünftigerweise ergab (BGE 107 II 331 E. 3b S. 335 f.). Die Ermittlung, welchen Sinn und Zweck die Dienstbarkeit zum Zeitpunkt der Errichtung hatte, betrifft die objektivierte Vertragsauslegung auf Grund der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks (BGE 115 II 434 E. 2b S. 436; Urteil 5C.217/1991 vom 26. Mai 1992, E. 2, publ. in: SJ 1992 S. 600/601 und ZBGR 77/1996 S. 51/52 mit Hinweisen). Sie kann im Berufungsverfahren frei überprüft werden.

3.3 In der Lehre, auf die sich das obergerichtliche Urteil stützt, wird dafürgehalten, ein Wegrecht sei zwecklos geworden und für den Eigentümer des herrschenden Grundstücks dann nicht mehr von Interesse, wenn der damit erfüllte Zweck inzwischen durch eine öffentliche Strasse gewährleistet werde (SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, a.a.O., N. 1309 S. 283; STEINAUER, Les droits réels, Bd. II, 3. Aufl., BernBGE 130 III 554 S. 5602002, N. 2267 S. 384; vgl. auch LIVER, a.a.O., N. 18 und 61 zu Art. 736 ZGB).

Diese Aussage trifft vorbehaltlos zu, wenn die öffentliche Strasse entsprechend dem privaten Wegrecht gebaut wird, wie es im Dienstbarkeitsvertrag umschrieben und in den dazugehörigen Plänen eingezeichnet ist. Dann kann ohne weiteres gesagt werden, die öffentliche Strasse erfülle den Zweck, den bisher das Wegrecht gewährleistet habe. Weist die öffentliche Strasse dagegen einen anderen Inhalt oder Umfang auf als das Wegrecht, nimmt sie - wie hier - insbesondere einen anderen Verlauf als das Wegrecht oder wird sie in einer andern Breite erstellt, dann ist in jedem einzelnen Fall zu prüfen, ob die öffentliche Strasse den mit dem Wegrecht gewährleisteten Zweck vollumfänglich erfüllt oder - anders gesagt - ob die bisherige private Wegverbindung nicht vorteilhafter ist als die neu erstellte öffentliche (vgl. etwa LEEMANN, a.a.O., N. 7 zu Art. 736 ZGB). Denn entscheidend ist, ob die Dienstbarkeit im konkreten Fall für das berechtigte Grundstück alles Interesse verloren hat bzw. ob der berechtigte Eigentümer weiterhin ein vernünftiges Interesse an der Ausübung der Dienstbarkeit hat (BGE 89 II 370 E. 3 und 4 S. 383 f.).

Die davon abweichende, gegenteilige Auffassung des Obergerichts könnte nur geteilt werden, wenn ein Wegrecht gleichsam den Charakter eines Notwegrechts hat, d.h. einem Grundeigentümer eingeräumt wird, der keinen genügenden Weg von seinem Grundstück auf eine öffentliche Strasse hat (vgl. Art. 694 ZGB). Wäre dies anzunehmen, verlöre das vertraglich vereinbarte Wegrecht seine Existenzberechtigung, sobald die Notlage für das herrschende Grundstück durch den Anschluss an das öffentliche Wegnetz behoben ist (LIVER, a.a.O., N. 75 zu Art. 736 ZGB). Eine derartige Wegenot hat das Obergericht indessen nicht ausdrücklich festgestellt und fände zudem keine Grundlage in den örtlichen Gegebenheiten. Wie sich aus dem Mutationsplan ohne weiteres ersehen lässt und ergänzend festgestellt werden kann (Art. 64 Abs. 2 OG), hat das berechtigte Grundstück alt-Nr. 2112 nicht nur über das Wegrecht nach Norden eine Verbindung zum öffentlichen Verkehrsnetz, sondern grenzt im Süden an die Strassenparzelle alt-Nr. 2484, die ebenfalls zur öffentlichen Strasse führt, dem heutigen V.-Weg. Das Wegrecht ist im Mutationsplan denn auch als Teil der im Bebauungsplan projektierten Strasse eingezeichnet, die der gesamten Westgrenze des belasteten und des berechtigten Grundstücks entlang führt undBGE 130 III 554 S. 561anschliessend sowohl im Norden (über ein kurzes Stück des T.-Wegs) als auch im Süden (über ein kurzes Stück der Strassenparzelle alt-Nr. 2484 bzw. den V.-Weg) mit der R.-Strasse, der Hauptachse im fraglichen Quartier, verbunden ist. Eine Wegenot zu beseitigen, fällt damit als "Motiv" für die Begründung des Wegrechts ausser Betracht.

Gleichzeitig ist damit die obergerichtliche Auffassung widerlegt, das Wegrecht sei im Jahre 1968 nur deshalb auf der Westseite der betroffenen Grundstücke errichtet worden, weil das am einfachsten zu bewerkstelligen gewesen sei, indem keine weiteren Eigentümer hätten mit einbezogen werden müssen. Die Grundbuchbelege verdeutlichen vielmehr, dass das Trassee des Wegrechts seinerzeit an die Westgrenze des belasteten Grundstücks gelegt wurde, weil dort die projektierte Strasse als direkte Verbindung zur R.-Strasse vorgesehen war. Nicht bloss irgendeine Verbindung zur öffentlichen Strasse sollte das Wegrecht gewährleisten, sondern diejenige gemäss Bebauungsplan.

Entscheidend für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens ist aus den dargelegten Gründen nicht der Umstand allein, dass die beklagtischen Grundstücke an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen sind, sondern ob die Beklagten deswegen ein vernünftiges Interesse am Wegrecht, so wie es konkret vereinbart worden ist, verloren haben. Dabei können alle Interessen in die Waagschale geworfen werden, die bereits im Zeitpunkt der Errichtung eine Rolle spielen konnten, ohne dass für jeden Vorteil oder Nachteil einzeln nachgewiesen werden müsste, dass er damals bereits tragend war. Insofern ist entgegen der Auffassung des Obergerichts nicht massgebend, ob es für die geltend gemachten Interessen Anhaltspunkte gibt, dass sie bereits im Zeitpunkt der Dienstbarkeitserrichtung für die damaligen Berechtigten subjektiv eine Rolle gespielt haben, sondern entscheidend ist, dass sie bei objektiver Betrachtung damals vernünftigerweise von Bedeutung sein konnten (E. 3.1 und 3.2 soeben; vgl. LIVER, a.a.O., N. 57 zu Art. 736 ZGB; PIOTET, a.a.O., § 92/II S. 578). Das ist im Folgenden zu beurteilen.

4. In Anbetracht seiner Rechtsauffassung ist das Obergericht nur mehr kurz auf die von den Beklagten geltend gemachten Interessen an der Beibehaltung des Wegrechts eingegangen. Seine Feststellungen über die örtlichen Verhältnisse genügen aber zur Beurteilung der Rechtsfrage, ob die beiden Verbindungen von den heuteBGE 130 III 554 S. 562im Eigentum der Beklagten stehenden Parzellen an das öffentliche Strassennetz gleichwertig sind oder ob das private Wegrecht gegenüber der öffentlichen U.-Strasse für die Beklagten vorteilhafter ist.

Im obergerichtlichen Urteil wird nicht in Frage gestellt, dass auf dem T.-Weg zwischen der Einmündung der U.-Strasse und der Einmündung des Wegrechts kein Trottoir besteht, was gegenüber dem bestehenden Fusswegrecht einen Nachteil bedeutet. Ebenso wenig steht in Frage, dass das Wegrecht über die belasteten Grundstücke eben verläuft, während die U.-Strasse in Richtung T.-Weg ein Gefälle aufweist und Letzterer gegen die Einmündung des Wegrechts wiederum ansteigt. Die topographischen Verhältnisse sind insoweit nicht gleichwertig und lassen das private Wegrecht gegenüber der U.-Strasse, vor allem im Winter bei prekärer Fahrbahn, als die bessere Verbindung zum T.-Weg erscheinen. Schliesslich wird im obergerichtlichen Urteil auch nicht in Frage gestellt, dass die Beklagten über das Wegrecht eine kürzere Fusswegverbindung zum Ortsbus haben. Auch dieses Interesse dürfen die Beklagten in die Waagschale werfen, zumal das Obergericht zwar bezweifelt, aber nicht ausgeschlossen hat, dass der Ortsbus bereits im Zeitpunkt der Dienstbarkeitserrichtung bestanden hat.

Das Obergericht hat auch nicht verneint, dass der T.-Weg als Einbahnstrasse ausgestaltet ist, so dass zum Erreichen der beklagtischen Grundstücke von Norden her kommend ein Umweg von mehreren hundert Metern gefahren werden muss. Das Obergericht hat zwar darauf hingewiesen, dass dieser Umweg heute auch bei Benutzung des Wegrechts gefahren werden müsse, weil das Einbahnzeichen (verbotene Fahrtrichtung) unmittelbar nördlich der Einmündung des Wegrechts angebracht sei. Dieser Hinweis vermag das geltend gemachte Interesse gleichwohl nicht zu entkräften. Denn es ist offen, wie der Verkehrsfluss gestaltet werden wird, falls die Klägerin bei der vorgesehenen Überbauung ihres Terrains zu deren Erschliessung auf dem Trassee des Wegrechts eine Privatstrasse erstellt. Aus verkehrstechnischer Sicht müsste wohl davon ausgegangen werden, dass das heutige Signal "Einbahnstrasse" um einige Meter auf die südliche Seite der Einmündung gestellt würde, so dass der T.-Weg bis zur Privatstrasse beidseitig befahren werden könnte. Dies hätte - wie seinerzeit im Bebauungsplan vorgesehen - die direkte Verbindung mit der R.-Strasse als Hauptachse im Gegenverkehr zur Folge.BGE 130 III 554 S. 563

Schliesslich ist auch der Hinweis des Obergerichts unbehelflich, das Trassee des Wegrechts sei heute mit Rasen überwachsen und würde sich als Fahrweg gar nicht eignen. Das Interesse am Fahrweg dürfte erst verneint werden, wenn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht mehr damit zu rechnen wäre, dass die Dienstbarkeit in absehbarer Zeit wieder ausgeübt wird (vgl. BGE 89 II 370 E. 3 S. 383; BGE 81 II 189 E. 2 S. 194). Die Möglichkeit der Weiternutzung besteht unbestrittenermassen durchaus, wenn die Beklagten im vorliegenden Verfahren obsiegen. Diese haben die Absicht, das Wegrecht weiterhin auszuüben. Wenn nötig wäre es ihnen unbenommen, ihr Wegrecht gerichtlich durchzusetzen. Zudem sieht die Klägerin bei der Überbauung ihres Grundstücks offenbar eine Privatstrasse auf dem Trassee des Wegrechts vor, die auch von den Beklagten benutzt werden könnte.

Zusammenfassend besteht heute noch ein vernünftiges Interesse am Bestand sowohl des Fuss- als auch des Fahrwegrechts.

BGE 137 III 145

Art. 738 und 737 Abs. 2 und 3 ZGB; Ermittlung von Inhalt und Umfang eines Wegrechts, Gebot der schonenden Ausübung einer Dienstbarkeit.

Sind für die Ausübung einer Dienstbarkeit bauliche Anlagen erforderlich, bestimmen diese in der Regel auch den Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit, und zwar grundsätzlich mit voller Wirkung gegenüber dem Dritterwerber (E. 3 und 4). Das Gebot der schonenden Ausübung beziehungsweise Duldung vernachlässigbarer Beeinträchtigungen gemäss Art. 737 Abs. 2 und 3 ZGB bedeutet keine inhaltliche oder umfangmässige Beschränkung des Dienstbarkeitsrechts, sondern regelt die Ausübung der Dienstbarkeit nach Massgabe ihres feststehenden Inhalts und Umfangs (E. 5).


3.

3.1 Für die Ermittlung von Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit gibt Art. 738 ZGB eine Stufenordnung vor. Ausgangspunkt ist der Grundbucheintrag. Soweit sich Rechte und Pflichten aus dem Eintrag deutlich ergeben, ist dieser für den Inhalt der Dienstbarkeit massgebend (Art. 738 Abs. 1 ZGB). Nur wenn sein Wortlaut unklar ist, darf im Rahmen des Eintrags auf den Erwerbsgrund, das heisst den Begründungsakt, zurückgegriffen werden. Ist auch der ErwerbsgrundBGE 137 III 145 S. 148nicht schlüssig, kann sich der Inhalt der Dienstbarkeit - im Rahmen des Eintrags - aus der Art ergeben, wie sie während längerer Zeit unangefochten und in gutem Glauben ausgeübt worden ist (Art. 738 Abs. 2 ZGB; BGE 132 III 651 E. 8 S. 655 f.; BGE 131 III 345 E. 1.1 S. 347; BGE 130 III 554 E. 3.1 S. 556 f.).

3.2

3.2.1 Die Auslegung des Begründungsakts (zweite Stufe der Auslegungsordnung gemäss Art. 738 ZGB) erfolgt in gleicher Weise wie die sonstiger Willenserklärungen. Gemäss Art. 18 Abs. 1 OR bestimmt sich der Inhalt des Vertrags nach dem übereinstimmenden wirklichen Willen der Parteien. Nur wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, ist der Vertrag nach dem Vertrauensgrundsatz auszulegen. Die empirische oder subjektive hat gegenüber der normativen oder objektivierten Vertragsauslegung den Vorrang ( BGE 130 III 554 E. 3.1 S. 557).

3.2.2 Stehen sich jedoch im Streit um den Inhalt und Umfang einer Dienstbarkeit nicht mehr die ursprünglichen Vertragsparteien, sondern Dritterwerber gegenüber (oder eine ursprüngliche Vertragspartei und ein Dritterwerber), werden die allgemeinen Grundsätze der Vertragsauslegung (E. 3.2.1 oben) durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs (Art. 973 Abs. 1 ZGB) begrenzt (HOHL, Le contrôle de l'interprétation des servitudes par le Tribunal fédéral, ZBGR 90/2009 S. 78).

3.3

3.3.1 Gemäss Art. 973 Abs. 1 ZGB ist im Erwerbe zu schützen, wer sich in gutem Glauben auf einen Eintrag im Grundbuch - wobei der Dienstbarkeitsvertrag als Beleg beim Grundbuchamt aufbewahrt wird (Art. 948 Abs. 2 ZGB) und ebenfalls einen Bestandteil des Grundbuchs bildet (Art. 942 Abs. 2 ZGB) - verlassen und daraufhin Eigentum oder andere dingliche Rechte erworben hat. Wo das Gesetz eine Rechtswirkung an den guten Glauben einer Person geknüpft hat, ist dessen Dasein zu vermuten (Art. 3 Abs. 1 ZGB).

Der öffentliche Glaube des Grundbuchs bedeutet nicht nur, dass der Inhalt des Grundbuchs als richtig fingiert wird (positive Seite des Publizitätsprinzips). Der Grundbucheintrag gilt vielmehr auch als vollständig (negative Seite des Publizitätsprinzips; Urteile 5C.232/2003 vom 2. März 2004 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 130 III 306 , aber in: ZBGR 86/2005 S. 41; 5C.301/2005 vom 17. Februar 2006 E. 3, in: ZBGR 89/2008 S. 292).BGE 137 III 145 S. 149

3.3.2 Der gute Glaube ist jedoch nicht absolut geschützt. Vielmehr darf sich nicht auf seinen guten Glauben berufen, wer bei der Aufmerksamkeit, wie sie nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, nicht gutgläubig sein konnte (Art. 3 Abs. 2 ZGB). Selbst ein an sich gutgläubiger Erwerber muss daher nähere Erkundigungen einziehen, sofern besondere Umstände ihm Zweifel an der Genauigkeit des Eintrags aufkommen lassen (vgl. BGE 127 III 440 E. 2c S. 443; BGE 109 II 102 E. 2 S. 104). Der Entscheid darüber erfolgt aufgrund sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls nach gerichtlichem Ermessen (Art. 4 ZGB; BGE 122 III 1 E. 2a/aa S. 3).

3.3.3 Den guten Glauben des Erwerbers in das Grundbuch zerstören kann namentlich die sog. natürliche Publizität, die darin besteht, dass der Rechtsbestand im physischen Zustand der Liegenschaft nach aussen sichtbar in Erscheinung tritt (vgl. dazu BGE 137 III 153 E. 4.1.3 S. 156 mit Hinweisen).

Für Wegrechte bedeutet dies insbesondere, dass dort, wo für die Ausübung der Dienstbarkeit bauliche Anlagen erforderlich sind, diese in der Regel auch den Inhalt und den Umfang der Dienstbarkeit bestimmen, und zwar mit voller Wirkung gegenüber dem Dritterwerber, der sich grundsätzlich alles entgegenhalten lassen muss, was sich aus der Lage und der nach aussen in Erscheinung tretenden Beschaffenheit der Grundstücke ergibt (vgl. LIVER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1980, N. 31, 33 und 55 zu Art. 738 ZGB; SCHMID/HÜRLIMANN-KAUP, Sachenrecht, 3. Aufl. 2009, N. 1275c; allgemein zu baulichen Anlagen vgl. auch Urteile 5C.27/2006 vom 3. August 2006 E. 3.2; 5C.257/2001 vom 3. Dezember 2001 E. 2b/aa und 2b/bb).

In diesem Sinn hat das Bundesgericht festgehalten, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung niemand ein wegrechtsberechtigtes Grundstück kaufe, ohne es vorher zu besichtigen, und dass - Ausnahmefälle vorbehalten - kein Dritterwerber in gutem Glauben geltend machen könne, er habe die im Grundbucheintrag (wozu wie erwähnt auch der Dienstbarkeitsvertrag zählt) nicht erwähnten Besonderheiten des Wegrechts nicht gekannt, die für ihn bei einer Besichtigung erkennbar gewesen wären. Wird folglich der Inhalt und Umfang des Wegrechts durch die örtlichen Gegebenheiten für jedermann sichtbar beschränkt, hat sich der Erwerber dies grundsätzlich entgegenhalten zu lassen (vgl. Urteil 5C.71/2006 vom 19. Juli 2006 E. 2.3, in: ZBGR 88/2007 S. 467 ff.; BGE 137 III 153 E. 4.2.3 S. 157; ähnlich Urteil 5A_846/2009 vom 12. März 2010 E. 4.2, in: ZBGR 92/2011 S. 116 f.; HOHL, a.a.O., S. 79; PIOTET, Le contenu d'une servitude, saBGE 137 III 145 S. 150modification conventionnelle et la protection de la bonne foi, ZBGR 81/2000 S. 288; unklar ESCHMANN, Auslegung und Ergänzung von Dienstbarkeiten, 2005, S. 41 f. und 95 f.; teilweise abweichend und kritisch hingegen KOLLER, Bemerkungen zum zitierten Urteil 5C.71/2006, AJP 2008 S. 474 f.).

4.

4.1 Im vorliegend zu beurteilenden Fall lautet der Grundbucheintrag "Fuss- und Fahrwegrecht mit allen Fahrzeugen".

Das Kantonsgericht hat insoweit zutreffend erwogen (was die Beschwerdeführer zudem nicht bestreiten), dass sich aus dem Grundbucheintrag (Art. 738 Abs. 1 ZGB) keine Einzelheiten zum Inhalt und Umfang der Dienstbarkeit entnehmen lassen, so dass gemäss Art. 738 Abs. 2 ZGB der Erwerbsgrund zu befragen ist.

4.2

4.2.1 Im Dienstbarkeitsvertrag vom 8. Mai 1957 räumten sich die ursprünglichen Vertragsparteien "gegenseitig zwischen den beiden Häusern, soweit die Grenzlinie GBNr. 432 (heute Nr. 61) B. verläuft, das Fuss- und Fahrwegrecht mit allen Fahrzeugen ein".

4.2.2 In der vorliegenden Streitigkeit um den Umfang des Wegrechts stehen sich unbestrittenermassen nicht mehr die ursprünglichen Vertragsparteien gegenüber.

Sowohl das Bezirksgericht wie implizit auch das Kantonsgericht haben anhand der Fotografien des Beschwerdegegners vom April 1980 (Klagebeilagen 37 und 38) festgestellt, dass die strittige Fläche zwischen den beiden Häusern jedenfalls ab dem Jahr 1980 asphaltiert war und dieser Strassenbelag auf dem Grundstück der Beschwerdeführer durch einen Randstein (in Form von Pflastersteinen) abgegrenzt war und auch heute noch ist. Gegen diese Tatsachenfeststellungen erheben die Beschwerdeführer keine Rügen.

4.2.3 Der Beschwerdeführer 1 hat das Grundstück Nr. 61 am 25. März 1980 erworben (vgl. im Übrigen auch seinen "Antrag auf Bereinigung und Zusammenlegung" seiner damaligen Grundstücke Nr. 61 und 62 zum vergrösserten Grundstück Nr. 61 vom 30. August 1983, wo er ausdrücklich auch das fragliche Wegrecht - das damals wie erwähnt bereits asphaltiert und mit einem Randstein versehen war - aufführt). Am 28. September 2006 bildete er Miteigentumsanteile und gestaltete diese als Stockwerkeigentum aus. Die Beschwerdeführer 2 und 3 erwarben in der Folge Stockwerkeigentumsanteile.BGE 137 III 145 S. 151

4.3 Steht damit fest, dass die bauliche Anlage (asphaltierte Strasse mit einem Randstein aus Pflastersteinen auf der Seite des Grundstücks der Beschwerdeführer) im Zeitpunkt des Dritterwerbs durch die Beschwerdeführer bereits bestand, müssen sie sich diese für jedermann sichtbaren örtlichen Begebenheiten (asphaltierter Weg mit Randstein als bauliche Anlage) entgegenhalten lassen. Der Inhalt und Umfang des Wegrechts bestimmt sich damit gegenüber den Beschwerdeführern aufgrund des asphaltierten Weges.

4.4 Soweit sie einwenden, es sei einzig der ursprüngliche Zustand zur Zeit der Begründung der Dienstbarkeit im Jahr 1957 massgebend und damals sei die Wegrechtsfläche nur gekiest gewesen und es habe keine bauliche Anlage bestanden, verkennen sie, dass für die Frage der Gutgläubigkeit der Dritterwerber auf die Verhältnisse zur Zeit ihres Erwerbs abzustellen ist (Urteil 5C.232/2003 vom 2. März 2004 E. 2.1 und 4.1, nicht publ. in: BGE 130 III 306 , aber in: ZBGR 86/2005 S. 41 ff.).

4.5 Was die Breite betrifft, erstreckt sich damit das Wegrecht aufgrund der baulichen Anlage - jedenfalls gegenüber den Beschwerdeführern - von der Fassadengrenze des Hauses des Beschwerdegegners auf dem Grundstück Nr. 60 bis zum Randstein auf dem Grundstück Nr. 61 der Beschwerdeführer. Auf welcher Länge das Wegrecht verläuft, braucht nicht weiter thematisiert zu werden, da die asphaltierte Fläche mit dem Randstein jedenfalls weiter nach Osten reicht als der Steg und damit die fragliche Fläche von 0,75 m 2 auch mit Blick auf die Länge auf die Dienstbarkeitsfläche zu liegen kommt.

Im Ergebnis ( BGE 136 III 449 E. 4.2 S. 452) ist damit der kantonsgerichtliche Schluss, das Wegrecht erstrecke sich in der Breite auf der Seite der Beschwerdeführer bis zum Randstein, nicht zu beanstanden. Die fragliche Fläche von 0,75 m 2 des Stegs der Beschwerdeführer befindet sich auf der Dienstbarkeitsfläche.

5.

5.1 Art. 737 ZGB verdeutlicht den Grundgedanken, wonach der belastete Grundeigentümer nicht hindern darf, was der Grunddienstbarkeitsberechtigte zu tun befugt ist. Währenddem der Berechtigte verpflichtet ist, sein Recht in möglichst schonender Weise auszuüben (Art. 737 Abs. 2 ZGB; Grundsatz "servitus civiliter exercenda"; BGE 113 II 151 E. 4 S. 153), darf der Belastete nichts vornehmen, was die Ausübung der Dienstbarkeit verhindert oder erschwert (Art. 737 Abs. 3 ZGB).BGE 137 III 145 S. 152

5.2 Das Kantonsgericht gelangte zum Schluss, die fragliche Fläche von 0,75 m 2 behindere die Ausübung der Dienstbarkeit mit gängigen Lastwagen stark beziehungsweise es sei deren Ausübung ohne erhebliche Einschränkung nicht mehr möglich. Diese rechtliche Folgerung schloss es insbesondere aufgrund der Klagebeilagen 45 und 46. Diese zeigen einen Lastwagen, der den Weg zwischen den Häusern passiert.

5.3 Die Beschwerdeführer rügen insoweit eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Befahren des Weges sei auch mit heute gängigen Lastwagen noch möglich. Die verfügbare Fahrwegbreite betrage vier Meter und sei damit ausreichend für das Passieren mit gängigen Lastwagen. Die Würdigung der Fotografien in der Klagebeilage 45 und 46 erweise sich als willkürlich, da der dort abgebildete Lastwagen die Wegfläche gar nicht befahre, sondern sich in einem Wendemanöver befinde (der LKW sei am "Rangieren", um eine Mulde abzuladen).

5.4 Das Prinzip "servitus civiliter exercenda" bedeutet als Konkretisierung von Art. 2 ZGB, dass der Berechtigte auf eine den Belasteten beeinträchtigende Rechtsausübung verzichten muss, soweit diese Rechtsausübung unnütz ist oder sein Interesse daran jedenfalls in einem krassen Missverhältnis zum Interesse des Belasteten an der Unterlassung der Beeinträchtigung steht ( BGE 100 II 195 E. 4a S. 197). Mit Blick auf Art. 737 Abs. 3 ZGB folgt aus diesem Grundsatz spiegelbildlich, dass der Belastete dem Berechtigten in gewisser Hinsicht Beschränkungen auferlegen kann, solange dadurch die Ausübung der Dienstbarkeit nicht merklich beeinträchtigt wird (STEINAUER, Les droits réels, Bd. II, 3. Aufl. 2002, N. 2287).

5.5 Durch den Grundsatz "servitus civiliter exercenda" wird nicht der Umfang oder Inhalt der Dienstbarkeit eingeschränkt, sondern lediglich deren missbräuchliche Ausübung untersagt ( BGE 113 II 151 E. 4 S. 153; Urteile 5C.232/2003 vom 2. März 2004 E. 5.3, nicht publ. in: BGE 130 III 306 , aber in: ZBGR 86/2005 S. 48 f.; 5A_833/2009 vom 11. März 2010 E. 4.3.1; 5A_617/2009 vom 26. Januar 2010 E. 2.3; a.M. und mit Hinweis auf die unterschiedlichen Lehrmeinungen ESCHMANN, a.a.O., S. 12 f.). Mit anderen Worten darf das Gebot der schonenden Ausübung (beziehungsweise der Duldung vernachlässigbarer Beeinträchtigungen) nicht zu einer inhaltlichen Verengung des Dienstbarkeitsrechts führen. Wer die Beseitigung von Bauten verlangt, welche die Dienstbarkeit verletzen, handeltBGE 137 III 145 S. 153nicht wider Treu und Glauben (STEINAUER, a.a.O., N. 2281a; LEEMANN, Berner Kommentar, 1925, N. 6 zu Art. 737 ZGB).

Wenn der Beschwerdegegner vorliegend gestützt auf Art. 737 Abs. 3 ZGB die Beseitigung eines Teils des Stegs der Beschwerdeführer (auf einer Fläche von 0,75 m 2 , die in die Dienstbarkeitsfläche hineinragt und damit deren Inhalt verletzt) verlangt, handelt er deshalb nicht treuwidrig, zumal er sich dem Ausbauprojekt der Beschwerdeführer von Anfang an widersetzt hat ( BGE 83 II 201 E. 2 und 3 S. 204 ff.; Urteil 5C.307/2005 vom 19. Mai 2006 E. 7.2 f. mit Hinweisen, in: ZBGR 88/2007 S. 134).

Die Beschwerdeführer sind damit verpflichtet, die mit der Dienstbarkeit unvereinbare Baute zu beseitigen (vgl. BGE 83 II 201 E. 2 S. 204 f.). Das kantonsgerichtliche Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

5.6 Stellt sich die Frage nach der Missbräuchlichkeit der Ausübung gemäss Art. 737 ZGB gar nicht, erübrigen sich weitere Bemerkungen zu den von den Beschwerdeführern gerügten Sachverhaltsfeststellungen, die dieser Rechtsfrage zugrunde liegen würden. Damit kann ebenfalls offenbleiben, inwieweit die Vorbringen der Beschwerdeführer neue Tatsachen gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG enthalten.

BGE 122 III 150

Art. 731 Abs. 3 ZGB; Ersitzung einer Grunddienstbarkeit.

Gehört ein Grundstück zum unverteilten Nachlass, ist eine Ersitzung des Alleineigentums durch einen Erben ausgeschlossen. Fällt eine Eigentumsersitzung ausser Betracht, kann nach Art. 731 Abs. 3 ZGB auch eine Ersitzung einer Grunddienstbarkeit nicht in Frage kommen. Daran ändert nichts, dass die Eigentumsersitzung im Grundbuch vollzogen wurde (E. 2).

Ein Teil eines ungültigen Erbteilungsvertrages kann als Dienstbarkeitsvertrag selbständigen Bestand haben, wenn dieser Teil hinsichtlich Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen an einen Dienstbarkeitsvertrag entspricht (E. 3).


2. Das Kantonsgericht geht in seiner Begründung davon aus, dass die Mutter des Klägers 1 - Christina R.S. - die Parzelle Nr. 204 (Hausteil West) durch Ersitzung erworben habe. Während der Dauer der Eigentumsersitzung habe Christina R.-S. auch den Korridor und die Veulta im Hausteil Ost unangefochten und ununterbrochen als Dienstbarkeitsberechtigte benutzt. Gestützt auf Art. 731 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 662 Abs. 1 ZGBBGE 122 III 150 S. 154schliesst das Kantonsgericht daraus, dass Christina R.-S. nicht nur das Eigentum am Grundstück Nr. 204 mit dem darauf stehenden Hausteil West, sondern auch die Dienstbarkeit zur Nutzung der genannten Gebäudeteile des Hausteils Ost vor dem 1. Mai 1956 ersessen habe. Die Beklagten halten die Auffassung des Kantonsgerichtes in verschiedener Hinsicht für bundesrechtswidrig. Sie wenden im wesentlichen ein, die Ersitzung einer Dienstbarkeit scheitere bereits daran, dass während der angeblichen Ersitzungsdauer nur ein Grundstück und nicht deren zwei - nämlich ein belastetes und ein berechtigtes - bestanden hätten. Abgesehen davon sei das (altrechtliche) Kauf- und Pfandprotokoll mit negativer Rechtskraft ausgestattet, weshalb Grunddienstbarkeiten nur durch Registereintrag und nicht auch durch (ausserordentliche) Ersitzung rechtsgültig entstehen könnten.

a) Gemäss Art. 731 Abs. 3 ZGB ist die Ersitzung einer Dienstbarkeit nur zu Lasten von Grundstücken möglich, an denen das Eigentum ersessen werden kann. Für die hier zu beurteilende Frage der Ersitzung einer Dienstbarkeit ist daher vorweg zu prüfen, ob die Ersitzung des Eigentums durch Christina R.-S. und Anna M.-S. an den jeweiligen Hausteilen möglich war.

Gehört ein Grundstück zum unverteilten Nachlass, ist eine Ersitzung des Alleineigentums durch einen Erben ausgeschlossen, da der Erbteilungsanspruch einer Ersitzung zum vornherein entgegensteht (BGE 116 II 267 mit weiteren Hinweisen). In bezug auf das seinerzeit Placidus S. gehörende Grundstück fand keine rechtsgültige Teilung statt. Einerseits kann die anscheinend nach der Vereinbarung vom 18. Januar 1913 erfolgte Übertragung der beiden Haushälften in den Eigenbesitz von Christina R.-S. und Anna M.-S. nicht als Realteilung qualifiziert werden. Für den rechtsgeschäftlichen Erwerb von Grundeigentum gilt das absolute Eintragungsprinzip, weshalb ein Erbe durch blosse Besitzübertragung kein Alleineigentum erwerben kann (BGE 102 II 197 E.3 S. 203 ff.). Andererseits kann die von den damaligen Erbinnen am 18. Januar 1913 unterzeichnete Vereinbarung, die zwar als Erbteilung konzipiert war - sie wird ausdrücklich als das bezeichnet ("partgida") -, nicht als gültiger Teilungsvertrag im Sinne von Art. 634 ZGB qualifiziert werden, da ihr nicht zu entnehmen ist, welchen der vier Erbinnen die beiden Hausteile zuzuweisen sind. Damit entbehrt sie eines unabdingbaren Elementes (BGE 100 Ib 121 E. 2 S. 124 mit Hinweis). Daher stand das Grundstück des Placidus S. (bzw. standen im Falle einer vorgängigen Parzellierung die beiden Grundstücke Nr. 204 und 205) bis zur kreisamtlichen Ersitzungsverfügung im GesamteigentumBGE 122 III 150 S. 155der vier Töchter des Placidus S. (Art. 602 Abs. 1 ZGB). Weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus den Akten ergibt sich, ob vor der kreisamtlichen Ersitzungsverfügung - und gegebenenfalls wann - das Grundstück in die beiden Parzellen 204 und 205 aufgeteilt wurde. Ist aber ein Grundstück der Ersitzung nicht zugänglich, folgt aus Art. 731 Abs. 3 ZGB ohne weiteres, dass auch die Ersitzung einer Dienstbarkeit zulasten eines solchen Grundstückes nicht möglich ist. Die Ersitzung der in Frage stehenden Dienstbarkeit war daher nicht möglich.

b) Daran ändert auch der Hinweis des Kantonsgerichtes nichts, das der Grundbucheintrag gemäss Art. 9 ZGB den Nachweis für die Eigentumsersitzung erbringe. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann dieser Bestimmung keineswegs entnommen werden, dass mit der Verurkundung der Ersitzung des Eigentums die Frage der ausserordentlichen Ersitzung von Grunddienstbarkeiten präjudiziert werde. Art. 9 ZGB bezieht sich nur auf den Beweis von Tatsachen, während sich die Rechtswirkungen des Grundbucheintrages nicht aus Art. 9 ZGB, sondern aus den Art. 972 ff. ZGB ergeben; diesen Bestimmungen kann für die mit der Anwendung von Art. 731 Abs. 3 ZGB verbundene Fragestellung nichts entnommen werden. Im übrigen handelt es sich bei der im Auskündungsverfahren gemäss Art. 662 Abs. 3 ZGB ergangenen Verfügung des Kreisamts Trins vom 7. Februar 1955, Anna M.-S. und Christina R.-S. als Eigentümerinnen der beiden Grundstücke 204 und 205 im Grundbuch einzutragen, nicht um einen Entscheid, der bei der Anwendung von Art. 731 Abs. 3 ZGB zu berücksichtigen ist. Das Auskündungsverfahren ist ein nichtstreitiges Verfahren, in welchem die Voraussetzungen der Ersitzung nicht geprüft werden, sondern nur allfällige Mängel am Ersitzungstatbestand mangels Einsprache geheilt werden (HEINZ REY, Die Grundlagen des Sachenrechts und das Eigentum, Band I, Bern 1991, N. 1634 ff.; PETER LIVER, Das Eigentum, Schweizerisches Privatrecht V/1, Basel 1977, S. 155). Wenn die Behörde aber keine Kognition zur Prüfung der materiellen Rechtsfragen hat, kann ihr Entscheid auch keine Bindungswirkung in einem späteren Verfahren haben, in dem der Richter über volle Kognition verfügt (OSKAR VOGEL, Grundriss des Zivilprozessrechtes, 4. Auflage, Zürich 1995, 8. Kapitel, Rz. 75). Der kreisamtlichen Ersitzungsverfügung kommt somit keine präjudizielle Wirkung zu.

c) Der Vollständigkeit halber ist schliesslich festzuhalten, dass eine Ersitzung der Grunddienstbarkeit auch für den Zeitraum nach Erlass derBGE 122 III 150 S. 156kreisamtlichen Ersitzungsverfügung ausser Betracht fällt. Erkennt ein Kanton bis zur Einführung des eidgenössischen Grundbuches einzelne Wirkungen auch den kantonalen Publizitätseinrichtungen zu (Art. 48 SchlT ZGB), so kommt dem provisorischen Grundbuch für die Zeit nach Inkrafttreten desselben - trotz fehlender Bereinigung der altrechtlichen Verhältnisse - die negative Grundbuchwirkung zu (BGE 114 II 318 E.4 S. 322 ff.). Zwar versagt das Kantonsgericht Graubünden in ständiger Praxis den in bezug auf Bestand oder Nichtbestand von Dienstbarkeiten unzuverlässigen Kauf- und Pfandprotokollen die negative Grundbuchwirkung. Hingegen erkennt es den Liegenschafts- und Servitutenregistern hinsichtlich der Dienstbarkeiten die negative Rechtskraft zu, weil diese Register bereits wie das eidgenössische Grundbuch nach dem Realfolienprinzip aufgebaut sind und ihrer Einführung ein umfassendes Bereinigungs- und Einspracheverfahren vorausgegangen ist (PKG 1991, Nr. 16; vgl. auch Urteil des Bundesgerichts vom 6. November 1992, publiziert in ZGBR 75/1994, S. 80 ff.). Das Liegenschafts- und Servitutenregisters trat für die Gemeinde Flims am 1. Mai 1956 in Kraft.

3. Ist die Ersitzung der beanspruchten Grunddienstbarkeiten ausgeschlossen, stellt sich die Frage, ob deren Eintragung nicht direkt gestützt auf die von den Töchtern des Placidus S. getroffene Vereinbarung vom 18. Januar 1913 verlangt werden kann. Dabei steht namentlich dessen Ziff. 4 im Vordergrund. Darin wurde vereinbart, die Durchgänge im Haus und die Veulta gemeinsam zu benutzen. Zu prüfen ist dabei einerseits, ob Ziff. 4 als selbständiger Teil der Vereinbarung vom 18. Januar 1913 Bestand haben kann; anderseits ist zu beurteilen, ob sie den Anforderungen an Form und Inhalt eines Dienstbarkeitsvertrages genüge. Zu diesen Fragen hat sich die Vorinstanz zwar nicht geäussert; doch wendet das Bundesgericht das Bundesrecht von Amtes wegen an und hat insoweit die Befugnis, den verbindlich festgestellten Sachverhalt im Rahmen von Art. 43 OG frei zu würdigen (Art. 63 Abs. 3 OG).

a) Der von den Töchtern des Placidus S. am 18. Januar 1913 schriftlich geschlossene Vertrag war als Erbteilungsvertrag konzipiert; als solcher war er indessen nicht gültig, weil ihm nicht zu entnehmen ist, wem die beiden Hausteile zu Alleineigentum zuzuweisen sind (siehe E. 2a). Es stellt sich die Frage, ob die Vereinbarung einer gemeinsamen Nutzung bestimmter Teile des Hauses - für sich allein genommen - Bestand haben kann, war sie doch mit der gleichzeitig vorgesehenen erbrechtlichen Teilung des ursprünglichenBGE 122 III 150 S. 157Grundstückes und der Zuweisung der zu bildenden Parzellen zu Alleineigentum verbunden.

Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Erbinnen und Gesamteigentümerinnen mit der in Ziff. 4 der Vereinbarung getroffenen Regelung im Hinblick auf die Teilung ("partgida") und Parzellierung der Liegenschaft die gemeinsame Nutzung ("gudi comunablamein") bestimmter Teile des Hauses durch deren Alleineigentümer ordnen wollten. Die Zuweisung der beiden Hausteile bzw. der Parzellen, auf der diese stehen, zu Alleineigentum erfolgte zwar nicht aufgrund der Vereinbarung vom 18. Januar 1913, sondern durch Verfügung im amtlichen Auskündungsverfahren. Der Umstand allein, dass keine Erbteilung zustande gekommen ist und in der Folge die Zuweisung der beiden Hausteile zu Alleineigentum schliesslich unter einem andern Titel als von den Vertragsparteien ursprünglich vorgesehen erfolgte, kann der Verbindlichkeit der 1913 vereinbarten Nutzungsordnung nicht entgegenstehen. Es gibt keine Anhaltspunkte, die Vereinbarung so auszulegen, dass sie dann nicht gelten sollte, wenn die Eigentumszuweisung nicht wie vorgesehen aufgrund des Erbteilungsvertrages, sondern eines anderen Titels erfolgen würde. Für die Vereinbarung der in Frage stehenden Nutzungsordnung konnte daher nur entscheidend sein, dass die aufzuteilende Liegenschaft ins Alleineigentum übergehen würde, nicht aber, kraft welchen Titels dies geschehen würde. Im Ergebnis wurde mit der Eigentumseinweisung im amtlichen Auskündungsverfahren denn auch keine andere Rechtslage - nämlich Zuweisung der beiden Hausteile zu Alleineigentum - bewirkt als jene, für welche die Vertragsparteien seinerzeit die gemeinsame Nutzungsordnung für bestimmte Teile des Hauses vereinbart hatten. Ziff. 4 der Vereinbarung vom 18. Januar 1913 hat somit als selbständiger Vertrag Bestand.

b) Zu prüfen ist des weiteren, ob die Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen hinsichtlich Form und Inhalt eines Dienstbarkeitsvertrages entspricht. Ziff. 4 entspricht ohne weiteres der gesetzlichen Formvorschrift gemäss Art. 732 ZGB, da die Vereinbarung schriftlich abgefasst ist und die Unterschrift aller durch sie verpflichteten Gesamteigentümerinnen trägt. In bezug auf den Inhalt des Dienstbarkeitsvertrages ist zunächst festzuhalten, dass Grunddienstbarkeiten zwei Grundstücke - ein berechtigtes und ein belastetes - voraussetzen. Freilich ist nicht erforderlich, dass diese bereits bei Abschluss des Vertrages bestehen; vielmehr kann ein Grunddienstbarkeitsvertrag auch im Hinblick auf erst noch zu bildende Grundstücke vereinbart werden; vorausgesetzt ist allerdings, dass aufgrundBGE 122 III 150 S. 158des Vertrages das belastete und das berechtigte Grundstück bestimmt oder bestimmbar sind (BGE 44 II 394S. 397; PETER LIVER, Zürcher Kommentar, N. 17 zu Art. 732 ZGB). Weiter müssen dem Dienstbarkeitsvertrag der Inhalt und der Umfang der Dienstbarkeit zu entnehmen sein, wobei an die Umschreibung des Inhalts keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind (BGE 87 I 311 E. 1 S. 313 f.; P. LIVER, N. 25 zu Art. 732 ZGB). Schliesslich muss der Dienstbarkeitsvertrag auch eine Willenseinigung über die dingliche Natur des zu begründenden Rechts enthalten (P. LIVER, N. 32 zu Art. 732 ZGB).

Die zwischen den Töchtern des Placidus S. am 18. Januar 1913 abgeschlossene Vereinbarung genügt den Anforderungen an den Inhalt eines Grunddienstbarkeitsvertrages. Die beteiligten Grundstücke sind zumindest bestimmbar, da der Hausteil West genau bezeichnet wird und die übrigen Räume dem Hausteil Ost zugewiesen werden. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die den beiden Schwestern im Auskündungsverfahren zu Eigentum zugewiesenen Grundstücke, soweit das Wohnhaus betreffend, anders gebildet wurden als gemäss der in der Vereinbarung vom 18. Januar 1913 vorgesehenen räumlichen Ausscheidung. Auch der Inhalt der Dienstbarkeit lässt sich der Vereinbarung genügend klar entnehmen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, wie die Nutzung seit der im Anschluss an die Übertragung zu Eigenbesitz der Hausteile West und Ost auf die beiden Schwestern Christina R.-S. und Anna M.-S. seit 1913 tatsächlich erfolgte; den vom Kantonsgericht im Zusammenhang mit der Behandlung der Ersitzungsfrage getroffenen verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen ist zu entnehmen, dass der Nordeingang, der Korridor und die Veulta von den Bewohnern des Hausteils West im Bewusstsein genutzt wurden, dass ihnen diese Nutzung dauernd und ohne Einschränkung zustehe. Schliesslich ist der Vereinbarung auch eine Willenseinigung über die dingliche Natur des zu begründenden Rechts zu entnehmen. Es wurde nicht etwa bloss ein gegenseitiges Benutzungsrecht zugunsten bestimmter Personen vereinbart; vielmehr einigten sich die Parteien im Hinblick auf die Teilung des Hauses unter Zuweisung der dabei zu bildenden Teile zu Alleineigentum - mithin im Bewusstsein, dass die beiden Hausteile verschiedenen Eigentümern gehören würden - auf die gemeinsame Nutzung der Durchgänge im Haus und der Veulta.

c) Dies kann nichts anderes heissen, als dass der jeweilige Eigentümer des Hauses West - heute auf Parzelle 204 - berechtigt ist, das Haus Ost - heute auf Parzelle 205 - zu betreten bzw. dass ihm eine Grunddienstbarkeit nachBGE 122 III 150 S. 159Massgabe der Ziff. 1 des Dispositivs des Urteils des Bezirksgerichtes Imboden vom 14. Dezember 1994 eingeräumt wurde. Gestützt auf die Ziff. 4 der Vereinbarung vom 18. Januar 1913 können die Kläger daher die Eintragung der Grunddienstbarkeit verlangen. Das angefochtene Urteil erweist sich somit im Ergebnis als richtig. Die Berufung wird deshalb abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.

BGE 122 III 358

Art. 739 ZGB; Mehrbelastung einer Dienstbarkeit.

Eine Mehrbelastung einer Dienstbarkeit ist nach Art. 739 ZGB dann unzulässig, wenn sie erheblich ist. Bei der Beurteilung der Erheblichkeit sind das Interesse des herrschenden und die Belastung des dienenden Grundstückes bei der Begründung der Dienstbarkeit mit der heutigen Interessenlage zu vergleichen. Einige zusätzliche Fahrbewegungen pro Tag als Folge einer intensiveren Nutzung des berechtigten Grundstückes führen nicht zu einer erheblichen Mehrbelastung eines "unbedingten Fuss- und Fahrwegrechtes" (E. 2c).


2. c) Im weiteren stellt sich die Frage, ob der Einbau zusätzlicher Wohnungen in einem bestehenden Wohnhaus zu einer quantitativen Mehrbeanspruchung der Dienstbarkeit führt, die dem belasteten Grundstück nicht zugemutet werden darf.

Gemäss Art. 739 ZGB darf dem Verpflichteten nicht allein aufgrund der Tatsache, dass sich die Bedürfnisse des berechtigten Grundstückes geändert haben, eine Mehrbelastung zugemutet werden. Gemeint ist dabei nach einhelliger Rechtsprechung und Lehrmeinung eine erhebliche Mehrbelastung, denn das Tatbestandsmerkmal der Mehrbelastung schliesst die Erheblichkeit bereits ein, da eine unerhebliche Mehrbelastung gar keine Mehrbelastung ist (BGE 94 II 145 E. 6 S. 148; BGE 100 II 105 E. 3c S. 118; LIVER, Berner Kommentar, N. 32 f. zu Art. 739; RIEMER, Die beschränkten dinglichen Rechte, Grundriss des schweizerischen Sachenrechts, Band II, Rz. 10 zu § 12; Steinauer, Les droits réels, 2. Auflage, Bern 1994, Rz. 2298). Bei der Beurteilung der Erheblichkeit ist das Interesse des herrschenden und die Belastung des dienenden Grundstückes bei der Begründung der Dienstbarkeit mit der heutigen Interessenlage zu vergleichen (BGE 100 II 105 E. 3c S. 118). Bei dieser Interessenabwägung steht dem Richter Ermessen zu (LIVER, a.a.O., N. 32 zu Art. 739 ZGB), dessen Ausübung vom Bundesgericht nur mit Zurückhaltung geprüft wird (BGE 119 II 157 E. 2a S. 159 mit Hinweis).

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass das Wohnhaus auf dem berechtigten Grundstück bislang von den Personen zweier Wohnungen bzw. Haushalte bewohnt wurde, welche die Dienstbarkeit beanspruchten. Nach Realisierung des Projektes werden es fünf Wohnungen bzw. Haushalte sein, wovon allerdings drei Wohnungen sehr klein sein werden. Dadurch wird ein vergrösserter Personenkreis zur Benützung der Dienstbarkeit berechtigt sein und es muss mit einer intensiveren Benutzung des Wegrechtes gerechnet werden. Dennoch ist aus verschiedenen Gründen nicht auf eine unzulässige Mehrbelastung zu schliessen. Zunächst ist festzuhalten, dass sich die heutige Interessenlage der Parteien im Vergleich zu derjenigen im Zeitpunkt der Errichtung der Dienstbarkeit nicht erheblich verändert hat. Dem Interesse des Beklagten an einer besseren Nutzung seiner Liegenschaft - das sich auch mit dem allgemeinen Interesse einer zeitgemässen Bodennutzung deckt - stehen nur geringfügige Auswirkungen auf den Kläger gegenüber, die ihm zugemutet werden können. Der Kläger spricht zwar von einem "erheblichen Mehrverkehr", doch macht er nicht geltend, es sei mit einem intensiven und ständigen Verkehr zu rechnen; vielmehr wird es sich lediglich um einige zusätzliche Fahrbewegungen pro Tag handeln. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Vermehrung der Wohnungszahl zwar eine intensivere BeanspruchungBGE 122 III 358 S. 360der Dienstbarkeit erwarten lässt, dass eine solche aber in gewissem Rahmen auch möglich und zu dulden gewesen wäre, wenn die Zahl der Bewohner ohne Umbau zugenommen hätte. Schliesslich war angesichts der offenen Umschreibung des Dienstbarkeitsinhaltes schon bei der Begründung des "unbedingten Fuss- und Fahrwegrechtes" vernünftigerweise mit einer gewissen Ausdehnung der Beanspruchung der Dienstbarkeit zu rechnen (vgl. TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Das schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Auflage, Zürich 1995, S. 785; STEINAUER, a.a.O., Rz. 2299b).

Die Rechtsprechung hat denn auch in vergleichbaren Fällen eine unzulässige Mehrbelastung einer Dienstbarkeit stets verneint, wenn durch Umbauten die Anzahl der Benützer steigt und dadurch ein Zugang stärker begangen oder befahren wird (Urteil des Bundesgerichtes vom 26. Mai 1992, publiziert in SJ 114 [1992] 597 E. 3b S. 601 f., wo es um vier oder fünf zusätzliche Fahrzeuge ging; ZR 90 [1991] Nr. 21 S. 70 ff., vom Bundesgericht bestätigt im unveröffentlichten Entscheid vom 15. April 1991 i.S. F.Z u. E.W. gegen F.K., in welchem Fall die Erstellung von acht Parkplätzen zu beurteilen war; vgl. auch die umfangreiche ältere Kasuistik in HANS FLEISCHLI, Die Mehrbelastung nach Art. 739 ZGB, Diss. Freiburg 1980, S. 175 ff.). Unter Berücksichtigung der Zurückhaltung, die sich das Bundesgericht bei Ermessensfragen auferlegt, kann im vorliegenden Fall nicht von einer unzulässigen Mehrbeanspruchung der Dienstbarkeit die Rede sein.

BGE 118 II 115

Grundbuchrecht.

Ein selbständiges und dauerndes Baurecht kann nicht wie ein eigentliches Grundstück derelinquiert werden, mit der Folge, dass es im Grundbuch als herrenlos zu bezeichnen wäre.


2. Gegenstand der Beschwerde kann nur die Grundbuchanmeldung vom 24. April 1991 bilden, mit welcher der Beschwerdeführer beantragte, das Baurecht sei in der Kolonne "Eigentümer" als herrenlos zu bezeichnen. Die Vorinstanz hat dazu ausgeführt, das Baurecht stelle nach einhelliger Auffassung eine Dienstbarkeit dar. Zwar seien die in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte gemäss Art. 655 Abs. 2 ZGB Grundstücke. Da solche Rechte, auch wenn sie ein eigenes Blatt im Grundbuch erhielten, Rechte blieben und nicht körperliche Gegenstände würden, könnten sie indessen nicht wirkliche Objekte des Grundeigentums bilden. Das Baurecht sei daher kein Grundstück im eigentlichen

BGE 118 II 115 S. 118

Sinne, sondern es werde lediglich in bestimmter Hinsicht wie ein solches behandelt. Der Verzicht auf das Baurecht entspreche demzufolge nicht der Dereliktion von Grundeigentum; die Dienstbarkeit werde dadurch nicht zu einer herrenlosen Sache, an der die beschränkten dinglichen Rechte weiterbestünden. Herrenlos werde nur eine Sache, nicht etwas, das gar nicht Eigentumsobjekt sein könne. Das Baurecht gehe nach den für die Dienstbarkeiten geltenden Grundsätzen unter. Danach könne der Bauberechtigte zwar auf sein Recht verzichten und die Schliessung des eröffneten Grundbuchblattes verlangen. Ein solcher Verzicht setze aber gemäss Art. 964 ZGB die Zustimmung der Berechtigten aus den am Baurecht bestehenden beschränkten dinglichen Rechten voraus, an der es hier fehle. Diese Begründung überzeugt. Es kann darauf verwiesen werden. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, beschränkt sich auf das Argument, dass das Baurecht, obwohl es keine körperliche Sache, sondern eine Dienstbarkeit darstelle, mit seiner Aufnahme im Grundbuch rechtlich zum Grundstück werde. Für die Übertragung des Rechts, für die Belastung mit beschränkten dinglichen Rechten und für den Untergang seien daher ausschliesslich die Bestimmungen über das Grundeigentum massgebend. Da das Baurecht demnach sehr wohl Objekt des Eigentums sei, könne das Eigentumsrecht daran auch durch Dereliktion aufgegeben werden. Diese Betrachtungsweise bleibt jedoch am Wortlaut von Art. 655 Abs. 2 ZGB kleben. Danach "sind" zwar Grundstücke im Sinne des Gesetzes unter anderem auch die in das Grundbuch aufgenommenen selbständigen und dauernden Rechte. Es ist jedoch längst anerkannt, dass die selbständigen und dauernden Rechte durch diese gesetzgeberische Fiktion nicht zu Grundstücken, d.h. zu Sachobjekten, an denen Eigentum begründet werden könnte, gemacht werden und dass die Bestimmungen über die Grundstücke demgemäss auf sie nur analog angewendet werden können, indem den Besonderheiten ihres Charakters als Dienstbarkeitsrechte Rechnung getragen wird (vgl. neben den im angefochtenen Entscheid zitierten Autoren auch MEIER-HAYOZ, N. 5 zu Art. 655 ZGB; LIVER, Das Eigentum, in: Schweiz. Privatrecht, Bd. V/1, S. 123). Dereliktion (und Aneignung) ist aber nur an körperlichen Sachen möglich, nicht auch an Rechten. Damit ist der Argumentation des Beschwerdeführers der Boden entzogen.

BGE 127 III 300

Anpassung eines Vertrages an veränderte Verhältnisse (clausula rebus sic stantibus).

Anwendung des Grundsatzes der clausula rebus sic stantibus auf einen Baurechtsvertrag; Voraussetzungen der richterlichen Vertragsanpassung (E. 5).

Vertragsanpassung im konkreten Fall (E. 6).


5. Es bleibt somit zu beurteilen, ob der strittige Baurechtsvertrag aufgrund der clausula rebus sic stantibus an die veränderten Umstände anzupassen ist.

a) Zunächst stellt sich die Frage, ob der für Schuldverträge entwickelte Grundsatz der clausula rebus sic stantibus unbesehen auch auf Dienstbarkeiten als verdinglichte Rechtsinstitute, die sachenrechtlichen Gesetzmässigkeiten folgen, anwendbar sei. DieseBGE 127 III 300 S. 303Problematik erhält namentlich dort besonderes Gewicht, wo - wie das vorliegende Baurecht - die Dienstbarkeit im Rechtsverkehr den Grundstücken gleichgestellt worden ist, mithin ein selbständiges Rechtsobjekt darstellt, das seinerseits mit beschränkten dinglichen Rechten (insbesondere Pfandrechten) belastet werden kann (vgl. Art. 655 Abs. 2 Ziff. 2 i.V.m. Art. 779 Abs. 3 ZGB).

aa) Vorab ist festzuhalten, dass das Baurecht seinen Charakter als Dienstbarkeit nicht verliert, wenn es ins Grundbuch aufgenommen und damit im Rechtsverkehr den Grundstücken gleichgestellt wird (HANS MICHAEL RIEMER, Das Baurecht [Baurechtsdienstbarkeit] des Zivilgesetzbuches und seine Behandlung im Steuerrecht, Diss. Zürich 1968, S. 32 f.; LIVER, Über die Baurechtsdienstbarkeit, in: ZBJV 94/1958 S. 379 f.). Konsequenz dieser Aufnahme ins Grundbuch ist für die hier interessierenden Fragen im Wesentlichen bloss, dass eine - vorzeitige - Löschung des Baurechts durch Verzicht des Bauberechtigten nur mit Zustimmung der daran dinglich Berechtigten möglich ist (Art. 964 ZGB; LIVER, Zürcher Kommentar, N. 43 f. zu Art. 734 ZGB; HANS-ULRICH FREIMÜLLER, Die Baurechtsdienstbarkeit im System der dinglichen Rechte, Diss. Bern 1967, S. 48 f.; HOMBERGER, Zürcher Kommentar, N. 11 zu Art. 964 ZGB). Im vorliegenden Fall ist allerdings weder festgestellt noch geltend gemacht, dass Drittrechte am Baurecht dessen Untergang und Löschung durch Verzicht des Berechtigten entgegenstehen.

bb) Durch den Verzicht des Berechtigten erlöschen für die Parteien alle Rechte und Pflichten aus dem Dienstbarkeitsverhältnis (LIVER, Zürcher Kommentar, N. 74 zu Art. 730 und N. 87 ff. zu Art. 741 ZGB). Der Baurechtszins ist jedoch weder Akzessorium zum dinglichen Recht noch realobligatorische Verpflichtung (im Sinne von Art. 730 Abs. 2 ZGB) daraus, sondern eine rein obligatorische Verpflichtung, deren Erfüllung der ursprünglich Berechtigte aus Vertrag schuldet, und die er bei fehlender externer Schuldübernahme auch bei Veräusserung des Baurechts weiterhin zu erfüllen hat (BGE 52 II 27 E. 1 S. 37; ISLER, Der Baurechtsvertrag und seine Ausgestaltung, Diss. Zürich 1973, S. 44 ff. und 132; FREIMÜLLER, a.a.O., S. 75 f.).

Bewirken veränderte Verhältnisse eine wesentliche Äquivalenzstörung zu Lasten des Belasteten, kann dieser die Dienstbarkeit gerichtlich aufheben lassen (Art. 736 ZGB). Darin erschöpft sich für ihn der Rechtsschutz aus der clausula; sie vermag über den Anwendungsbereich von Art. 736 ZGB hinaus keine Wirkung zu entfalten (lex specialis oder erschöpfte Durchgangsfunktion vonBGE 127 III 300 S. 304Art. 2 ZGB; LIVER, Zürcher Kommentar, N. 89 zu Art. 734 und N. 36 ff. zu Art. 736 ZGB; MERZ, Berner Kommentar, N. 42 und 247 zu Art. 2 ZGB).

Der Berechtigte, welcher Nebenverpflichtungen im Sinne von Art. 730 Abs. 2 ZGB zu erfüllen hat, kann sich diesen durch Verzicht auf die Dienstbarkeit entschlagen. Darüber hinaus wird ihm aber auch die Berufung auf die clausula zugestanden. Daraus kann die Leistungspflicht reduziert oder aufgehoben werden (BGE 45 II 386 E. 5 S. 396 ff.; MERZ, Berner Kommentar, N. 247 zu Art. 2 ZGB), ohne dass deswegen die Dienstbarkeit automatisch untergeht. Allerdings kann die Aufhebung oder Änderung der Leistungspflicht im Gegenzug dem Belasteten einen Anspruch geben, seinerseits aus Art. 736 ZGB vorzugehen und die Aufhebung der Dienstbarkeit zu verlangen (LIVER, Zürcher Kommentar, N. 243 zu Art. 730, N. 89 zu Art. 734 und N. 36 ff. zu Art. 736 ZGB).

Dasselbe muss a fortiori für eine nicht akzessorische, rein obligatorische Verpflichtung aus dem Dienstbarkeitsvertrag gelten. Sind die Voraussetzungen der clausula gegeben, darf der Richter daher in den Vertrag eingreifen, um die Äquivalenzstörung zu beheben. Geht es um eine Gegenleistung für das dienstbarkeitsrechtliche Dulden oder Unterlassen, stehen ihm dabei theoretisch die Möglichkeiten einer vorzeitigen Beendigung des Vertrags oder einer Preisanpassung offen (dazu unten E. 6b). Auf den Bestand der Dienstbarkeit als dingliches Recht hat sein Urteil vorerst keinen Einfluss (a.A. HEINRICH MAYRHOFER, Abstehen vom Vertrag aus wichtigem Grund bei Dienstbarkeiten?, österreichische Juristische Blätter 1974 S. 593 ff.). Insbesondere greift Art. 82 OR nicht in dem Sinne, dass die Aufhebung oder Reduktion der Gegenleistung nur gegen vollen oder teilweisen Verzicht des Berechtigten erfolgen dürfte. Dass der Kläger die Einrede gemäss Art. 82 OR erhoben hätte, ist im Übrigen weder festgestellt noch dargetan.

Nach dem Gesagten steht einer Anwendung der clausula rebus sic stantibus auf die obligatorischen Bestimmungen des strittigen Baurechtsvertrages grundsätzlich nichts entgegen, womit sich die Frage stellt, ob die Voraussetzungen der richterlichen Vertragsanpassung gegeben sind.

b) Ein richterlicher Eingriff in einen Vertrag aufgrund veränderter Umstände setzt nach herrschender Auffassung unabhängig von der dogmatischen Grundlage (dazu GAUCH, Auslegung, Ergänzung und Anpassung schuldrechtlicher Verträge, in: Gauch/Schmid [Hrsg.], Die Rechtsentwicklung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert,BGE 127 III 300 S. 305S. 234; SCHWENZER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 223, je mit Hinweisen) voraus, dass die Verhältnisänderung weder vorhersehbar noch vermeidbar war, für Fälle wie den vorliegenden eine gravierende Äquivalenzstörung zur Folge hat und der Vertrag nicht vorbehaltlos erfüllt wurde (vgl. BGE 122 III 97 E. 3a mit Hinweisen; aus der Lehre statt vieler SCHWENZER, a.a.O, S. 223; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 7. Aufl., Rz. 1298 ff.; BAUMANN, Zürcher Kommentar, N. 455 zu Art. 2 ZGB; WIEGAND, Basler Kommentar, N. 99 ff. zu Art. 18 OR; KRAMER, Berner Kommentar, N. 337 ff. zu Art. 18 OR).

aa) Die Vorinstanz hielt in tatsächlicher Hinsicht fest, dass die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit einer Zuweisung der Baurechtsgrundstücke in die Reservezone nicht rechneten. Damit ist allerdings die Rechtsfrage nicht entschieden, ob die Verhältnisänderung auch nicht vorausgesehen werden konnte (JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 666 zu Art. 18 OR).

Nach der Rechtsprechung müssen die Parteien bei langfristigen Verträgen damit rechnen, dass sich die zur Zeit des Vertragsabschlusses bestehenden Verhältnisse später ändern. Namentlich Änderungen der Gesetzeslage gelten grundsätzlich nicht als unvorhersehbar (WIEGAND, Basler Kommentar, N. 103 zu Art. 18 OR; KRAMER, Berner Kommentar, N. 339 zu Art. 18 OR). Sehen die Parteien ausdrücklich oder sinngemäss davon ab, den Einfluss solcher Änderungen auf die gegenseitigen Leistungen auszuschliessen, so entspricht es grundsätzlich dem Wesen des Vertrages, dass er so erfüllt wird, wie er abgeschlossen worden ist (BGE 107 II 343 E. 2 S. 347; BGE 104 II 314 E. II/1a S. 315). Waren die nachträglich eingetretenen Umstände jedoch nicht vorauszusehen, so kann von einem ausdrücklichen oder sinngemässen Verzicht auf eine Vertragsanpassung nicht die Rede sein. Dabei ist die Voraussehbarkeit auch dann zu verneinen, wenn eine Verhältnisänderung wie etwa die Änderung der gesetzlichen Grundlagen als solche zwar vorhersehbar war, nicht aber deren Art, Umfang und Auswirkungen auf den Vertrag (JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 670 zu Art. 18 OR; KRAMER, Berner Kommentar, N. 340 zu Art. 18 OR).

bb) Die Vorinstanz erwog, die Baurechtsgrundstücke hätten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in der Bauzone gelegen. Vor dem Vertragsschluss habe die Gemeinde Adliswil eine - allerdings erst 1975 vom Regierungsrat genehmigte - Teilbauordnung für das in Frage stehende Gebiet erlassen, durch welche die planungs- undBGE 127 III 300 S. 306baurechtlichen Voraussetzungen für das Projekt "Jolieville" hätten geschaffen werden sollen. Für eine baldige Redimensionierung der Bauzone hätten überhaupt keine Anzeichen vorgelegen. Daran vermöge auch der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende befristete Baustopp nichts zu ändern, denn dieser sei konjunkturpolitisch und nicht raumplanerisch motiviert gewesen. Weder das Raumplanungsgesetz noch das zürcherische Bau- und Planungsgesetz hätten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestanden.

cc) Dem Kläger ist darin beizupflichten, dass zumal bei langfristigen Verträgen grundsätzlich mit einer Änderung der bau- und planungsrechtlichen Grundlagen gerechnet werden muss. Aus den von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich getroffenen Feststellungen lässt sich indessen nicht der Schluss ziehen, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Auszonung der Baurechtsgrundstücke vorhersehbar war. Die laufenden Planungsmassnahmen zielten vielmehr gerade in die gegenteilige Richtung, sollten damit doch die Grundlagen für die Verwirklichung des Projektes "Jolieville" und damit den Bau einer Satellitenstadt geschaffen werden. Das Bundesgericht hat seiner Beurteilung zudem namentlich die vorinstanzliche Feststellung zugrunde zu legen, wonach bei Vertragsschluss für eine baldige Auszonung der Baurechtsgrundstücke keine Indizien bestanden hätten. Unter diesen Umständen verstösst es nicht gegen Bundesrecht, wenn die konkrete Art und der Umfang der eingetretenen Verhältnisänderung trotz deren genereller Voraussehbarkeit als unvorhersehbar beurteilt wird. Dass diese vermeidbar gewesen oder der Vertrag vorbehaltlos erfüllt worden wäre, macht der Kläger zu Recht nicht geltend.

c) Die Parteien orientierten sich bei der Festlegung des Baurechtszinses am Verkehrswert der Baurechtsgrundstücke, welche im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in der Bauzone lagen. Die Umzonung von der Bau- in die Reservezone verminderte diesen Verkehrswert erheblich. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz sind die Baurechtsgrundstücke nach deren Umzonung in die Reservezone nur noch für eine landwirtschaftliche Pacht nutzbar, wobei sich ein angemessener Pachtzins auf einen Bruchteil des vereinbarten Baurechtszinses belaufen würde. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das Gleichgewicht der auszutauschenden Leistungen durch die Umzonung der Baurechtsgrundstücke erheblich beeinträchtigt wurde, womit die Vorinstanz eine gravierende Äquivalenzstörung bundesrechtskonform bejaht hat.BGE 127 III 300 S. 307

Die Voraussetzungen für eine richterliche Anpassung des Vertrages an veränderte Umstände sind somit gegeben.

6. a) Der aufgrund veränderter Umstände gebotene richterliche Eingriff in den Vertrag kollidiert mit dem Prinzip der Vertragstreue und wirkt sich unweigerlich zu Lasten einer der Parteien aus. Bei der Zuweisung des Änderungsrisikos ist dabei in erster Linie auf eine allfällige privatautonome Regelung und sodann auf die dispositiven gesetzlichen Anpassungsregeln zurückzugreifen (WIEGAND, Basler Kommentar, N. 118 zu Art. 18 OR; JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 575 ff. zu Art. 18 OR), wie dies der in den Grundzügen in Lehre und Rechtsprechung unbestrittenen Stufenordnung der Risikoverteilungsregeln entspricht (dazu BAUMANN, Zürcher Kommentar, N. 453 f. zu Art. 2 ZGB mit Hinweisen). Mangelt es an einer solchen vertraglichen oder gesetzlichen Regel, ist für die richterliche Vertragsanpassung auf den hypothetischen Parteiwillen abzustellen (SCHWENZER, a.a.O., S. 224; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, a.a.O., Rz. 1289; WIEGAND, Basler Kommentar, N. 118 zu Art. 18 OR; KRAMER, Berner Kommentar, N. 326 und 358 zu Art. 18 OR; JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 651 zu Art. 18 OR). Das Gericht hat demnach zu ermitteln, was die Parteien nach dem Grundsatz von Treu und Glauben vereinbart haben würden, wenn sie den eingetretenen Verlauf der Dinge in Betracht gezogen hätten. Dabei hat es sich am Denken und Handeln vernünftiger und redlicher Vertragspartner sowie an Wesen und Zweck des konkret in Frage stehenden Vertrages zu orientieren. Das Ergebnis dieser normativen Tätigkeit überprüft das Bundesgericht im Berufungsverfahren grundsätzlich als Rechtsfrage (BGE 115 II 484 E. 4b S. 488 mit Hinweisen).

b) Als Hauptfolgen richterlicher Vertragsanpassung kommen die vorzeitige Vertragsauflösung einerseits und eine Modifikation der vertraglichen Leistungspflichten anderseits in Betracht (BGE 59 II 372 E. 2; BGE 122 III 97 E. 3a S. 98; BGE 100 II 345 E. 2b S. 349; BGE 97 II 390 E. 6 S. 398; BGE 68 II 169 E. 2 S. 173; GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, a.a.O., Rz. 1291; WIEGAND, Basler Kommentar, N. 118 zu Art. 18 OR; KRAMER, Berner Kommentar, N. 353 zu Art. 18 OR, je mit Hinweisen). Bei der Bestimmung der im Einzelfall aufgrund des hypothetischen Parteiwillens sachgerechten Anpassungsfolge steht dem Sachgericht ein gewisser Ermessensspielraum zu (so ausdrücklich Art. 373 Abs. 2 OR; vgl. auch BGE 115 II 484 E. 4b S. 488 mit Hinweis; JÄGGI/GAUCH, Zürcher Kommentar, N. 652 zu Art. 18 OR). Nach ständiger Rechtsprechung übt das BundesgerichtBGE 127 III 300 S. 308bei der Überprüfung derartiger Ermessensentscheide Zurückhaltung und greift nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgegangen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen. Es hebt Ermessensentscheide ausserdem auf, wenn sie sich im Ergebnis als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 126 III 266 E. 2b S. 273; BGE 123 III 246 E. 6a S. 255, je mit Hinweisen).

c) Die Vorinstanz ging bei der Bestimmung der Anpassungsfolgen davon aus, dass sich die Rechtsform des Baurechtsvertrages weder für die landwirtschaftliche Nutzung noch dafür eigne, Land in der Reservezone zu horten und darauf zu warten, dass es dereinst zu Bauland umgezont werde. Eine Überprüfung der Bauzonendimensionierung könne gemäss § 65 Abs. 4 PBG/ZH frühestens acht Jahre nach der letzten Revision des Zonenplanes beantragt werden, wobei Dauer und Resultat des Zonenerweiterungsverfahrens ungewiss seien. Angesichts der Tatsache, dass bereits mehr als ein Viertel der Vertragsdauer abgelaufen sei und der Kläger nicht behaupte, eine andere Anpassungsregel würde dem hypothetischen Willen und dem Vertragszweck besser entsprechen, komme als Anpassung an die veränderten Verhältnisse nur die Vertragsauflösung in Frage. Das Handelsgericht erachtete sodann eine Kündigungsfrist von 6 Monaten auf einen Zinstermin am naheliegendsten, weshalb der Baurechtsvertrag aufgrund des Kündigungsschreibens des Beklagten vom 15. September 1993 auf den 1. Juli 1994 aufgelöst worden sei.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass bereits die Voraussetzungen der clausula rebus sic stantibus nicht vorliegen. Diese Ansicht erwies sich als unzutreffend (oben E. 5). Darüber hinaus vermag er keine Umstände darzutun, welche die Ermessensausübung durch die Vorinstanz als bundesrechtswidrig erscheinen liessen. Solche sind denn auch nicht ersichtlich. Die Vorinstanz konnte bundesrechtskonform annehmen, die Parteien hätten als redlich handelnde Vertragspartner eine Kündigungsmöglichkeit auf einen Zinstermin vereinbart, wenn sie die Möglichkeit einer Umzonung der Baurechtsgrundstücke in die Reservezone bedacht hätten. Diese Lösung trägt namentlich der Tatsache Rechnung, dass der Beklagte aus einem Baurecht an einem Grundstück in der Reservezone keinen vernünftigen Nutzen ziehen kann und deshalbBGE 127 III 300 S. 309nicht anzunehmen ist, dass die Vertragspartner das Risiko der Umzonung in guten Treuen dem Beklagten zugewiesen hätten, falls sie die nachfolgende Entwicklung bei Vertragsschluss in Betracht gezogen hätten. Die von der Vorinstanz ermittelte Kündigungsfrist von 6 Monaten, welche sich an den halbjährlichen Zinsterminen orientiert, ist ebenfalls angemessen. Ist somit das angefochtene Urteil zu bestätigen, kann offen bleiben, ob auch eine andere Anpassungsfolge als die Vertragsauflösung von den Rechtsbegehren der Parteien gedeckt gewesen wäre.

BGer 5A_251/2010

1. 

Das Urteil ist ein rechtskräftiger Entscheid (Art. 90 LTF) einer letztinstanzlichen kantonalen Behörde (Art. 75 Abs. 1 LTF) in einer Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 LTF), deren Streitwert CHF 30'000 übersteigt (Art. 74 Abs. 1 lit. b LTF). Zudem wurde die vorliegende Beschwerde frist- (Art. 100 Abs. 1 LTF) und formgerecht (Art. 42 LTF) von einem Beteiligten eingelegt, der mit seinen Forderungen vor der bisherigen Behörde teilweise unterlegen war (Art. 76 Abs. 1 LTF). Sie ist daher grundsätzlich zulässig.

 

2. 

2.1 Das Bundesgericht wendet das Gesetz von Amts wegen an (Art. 106 Abs. 1 LTF). Unter Berücksichtigung des Begründungserfordernisses nach Artikel 42 Absätze 1 und 2 LTF ist es jedoch unzulässig (Artikel 108 Absatz 1 Buchstabe b LTF), prüft es grundsätzlich nur die erhobenen Rügen; es ist nicht verpflichtet, alle Rechtsfragen zu behandeln, die sich stellen, wie es ein erstinstanzliches Gericht tun würde - wenn diese vor ihm nicht mehr erörtert werden (ATF 134 II 244Erwägungsgrund 2.1; 134 III 102Consid. 1.1; 133 III 545consid. 2.2). Weiter befasst sich das Bundesgericht mit einer Verletzung von Grundrechten oder kantonalem Recht nur, wenn die Beschwerde vom Beschwerdeführer erhoben und begründet wurde (Art. 106 Abs. 2 LTF; ATF 134 I 83konsid. 3.2; 133 II 249consid. 1.4.2). Rügt der Beschwerdeführer die Verletzung solcher Rechte, so hat er den Rügeprinzip, principio dell'allegazione) zu beachten. Es muss also genau angeben, gegen welche Verfassungs- oder Rechtsvorschrift verstoßen wurde, und anhand präziser Argumente darlegen, worin der Verstoß besteht. Das Bundesgericht prüft solche Beschwerden nur, wenn sie geltend gemacht und begründet sind, d.h. wenn sie ausdrücklich vorgebracht und klar und detailliert dargelegt sind (ATF 133 IV 286Vgl. 1.4; 133 II 249consid. 1.4.2). Er befasst sich nicht mit Kritikpunkten mit Appellationscharakter (ATF 133 II 396Erwägungsgrund 3).

 

2.2 Das mit der Beschwerde in Zivilsachen befasste Bundesgericht entscheidet gestützt auf den von der bisherigen Behörde festgestellten Sachverhalt (Art. 105 Abs. 1 LTF). Er darf davon nur abweichen, wenn diese Tatsachen offensichtlich unrichtig oder gesetzeswidrig im Sinne von Art. 95 LTF (Art. 105 Abs. 2 LTF) festgestellt worden sind und wenn die Beseitigung des Mangels geeignet ist, den Ausgang des Falles zu beeinflussen (Art. 97 Abs. 1 LTF). Die Beschwerdeführerin, die sich darauf berufen will, dass die Tatsachen offensichtlich unrichtig festgestellt worden seien (Art. 97 Abs. 1 LTF), d.h. dass die Tatsachenfeststellungen willkürlich im Sinne von Art. 9 der Verfassung seien. (ATF 133 II 249Erwägungsgrund 1.2.2), muss dem oben genannten Anspruchsgrundsatz genügen (Erwägungsgrund 2.1). Ein Rechtsmittelführer, der Willkür rügt, kann sich daher nicht darauf beschränken, die angefochtene Entscheidung zu kritisieren, wie er es im Beschwerdeverfahren tun würde, in dem die Beschwerdebehörde freie Kenntnis hat; insbesondere kann sie sich nicht darauf beschränken, ihr Vorbringen dem der vorherigen Behörde entgegenzustellen, sondern muss durch eine präzise Argumentation darlegen, dass diese Entscheidung auf einer unhaltbaren Tatsachen- oder Beweisfeststellung beruht (Erwägungsgrund 3.2 ATF 133 II 396).

 

Ein Urteil, das ergangen ist, ohne die für die Rechtsanwendung erforderlichen Tatsachen festzustellen, ist rechtswidrig (Art. 95 lit. a LTF; ATF 133 IV 293konsid. 3.4.1; 134 V 53konsid. 4.3 und zitierte Quellen). Das dem Bundesgericht durch Art. 105 Abs. 2 LTFeingeräumte Recht zur Berichtigung oder Ergänzung der Feststellungen der früheren Behörde entbindet den Beschwerdeführer nicht von seiner Behauptungs- und Begründungspflicht (ATF 133 IV 286ziff. 6.2). Wenn der Beschwerdeführer beabsichtigt, die Tatsachen zu vervollständigen, muss er sie unter Bezugnahme auf die Akten genau angeben; Die vollständige Annahme ist, dass die entsprechenden Tatsachenbehauptungen regelmässig und rechtzeitig in das kantonale Verfahren eingebracht wurden, dass sie zu Unrecht als irrelevant angesehen oder einfach ignoriert wurden; sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, gilt der geltend gemachte Sachverhalt als neu (Art. 99 Abs. 1 LTF) und damit als unzulässig (Urteil 5A_249/2007 vom 12. März 2008 Conserv. 4.3; Urteil 4A_290/2007 vom 10. Dezember 2007 con 5.1; vgl. zu Art. 55 Abs. 1 Bst. c ABl.: ATF 115 II 484 N. 2aund die dort angeführte Rechtsprechung).

 

3. 

3.1 Das Kantonsgericht stellte fest, dass der in der Mitteilung vom 10. April 2001 angemeldete Betrag sowohl die Flächenmiete als auch die gemäss dem Mietvertrag geschuldete Miete umfasste. Aus den Beweisen ergebe sich ferner, dass sich die Parteien ab dem 1. Juli 2001 auf eine Oberflächenrente von 15.520 Franken geeinigt hätten, wobei die Miete für die Parkplätze unverändert bei 4.000 Franken liege. Da die Beschwerdegegnerin zum einen die angemeldete Mieterhöhung nicht angefochten und sodann ihre Zahlungen entsprechend erhöht habe, und da die Beschwerdeführerin andererseits die Zahlungen ohne Widerspruch angenommen habe, stelle der Betrag von 15.520 Franken eine Vereinbarung zwischen den Parteien dar und stelle eine neue Grundlage für die Berechnung der Rente dar. Bei der Prüfung der Einhaltung der Formerfordernisse waren die kantonalen Richter der Ansicht, dass die Änderung die Vorschriften über die Echtheit nicht umgehe, da die geänderte Rente tiefer bleibe als die ursprüngliche indexierte Rente. Da die Antragsgegnerin ihre Zahlungen erst ab dem 1. Januar 2002 angepasst hatte, verurteilte die kantonale Behörde sie daher zur Zahlung des Restbetrags von 700 Franken und eines Betrags von 1 858 Franken, der der Indexierung der Rente seit 2001 entspricht.

 

3.2 Die Rechtsmittelführerin bestreitet im Wesentlichen das Bestehen einer etwaigen Vereinbarung zwischen den Parteien über eine mögliche Änderung der Indexierung der Oberflächenrente und beruft sich dabei auf den Fehler ihres Treuhänders, der das von ihr unterzeichnete Mieterhöhungsformular vorbereitet hatte. Außerdem hätte eine solche Änderung nur in authentischer Form erfolgen können. Sie verlangt daher die Zahlung indexierter Renten gemäss dem Gründungsvertrag für die letzten fünf Jahre vor der Eröffnung der Klage, d.h. für den Zeitraum von 2001 bis 2006, was einem Gesamtbetrag von 176 927 Franken entspricht.

 

3.3 Angesichts der Rüge der Beschwerdeführerin einerseits der Willkür bei der Sachverhaltsermittlung und der Beweiswürdigung im Hinblick auf die subjektive Auslegung des Willens der Parteien, die auch einen Irrtum ihres Treuhänders und andererseits der kantonalen Gerichte geltend macht, nicht nach dem Vertrauensgrundsatz vorgegangen zu sein, ist zu prüfen, ob das kantonale Gericht den Willen der Parteien richtig ausgelegt hat (Verstoß gegen Art. 18 Abs. 1 CO). Sollte sich herausstellen, dass der in der Mitteilung vom 10. April 2001 genannte Betrag tatsächlich eine neue Grundlage für die Berechnung des Ruhegehalts ab dem 1. Juli 2001 darstellt, wie von der vorherigen Behörde angenommen, und dass daher der ursprünglich die Bedingungen für die Indexierung der Rente festgelegte Vertrag tatsächlich geändert worden ist, ist die Einhaltung der Formerfordernisse zu prüfen.

 

4. 

Il sied, tout d'abord, de déterminer si les parties ont modifié le contrat de rente superficiaire, le montant de 15'520 fr. constituant une nouvelle base de calcul, ou si, comme le soutient la recourante, il n'y a pas eu d'accord dans ce sens. 

 

4.1 La rente superficiaire constitue la rétribution pour l'usage de longue durée de l'immeuble (ATF 101 Ib 329 consid. 1). Elle est une dette personnelle du superficiaire, mais ne constitue pas un élément du droit de superficie, ni ne lui est rattachée à titre d'obligation propter rem (ATF 127 III 300 consid. 5a/bb; Steinauer, Les droits réels, Tome III, 2003, n. 2546; Isler, Basler Kommentar, 2007, n. 32 ad art. 779a CC; Schmid/Hürlimann-Kaup, Sachenrecht, 2009, n. 1395). La rente est généralement assortie d'une clause d'indexation à l'indice des prix suisses à la consommation. 

 

4.2 La question de savoir si, par suite de la notification de la hausse de loyer du 10 avril 2001, les parties sont tombées d'accord et ont modifié le contrat prévoyant le versement d'une rente superficiaire relève de l'interprétation de leurs volontés. 

 

Comme pour tout contrat, le juge doit recourir en premier lieu à l'interprétation subjective, c'est-à-dire rechercher la réelle et commune intention des parties, le cas échéant empiriquement, sur la base d'indices, sans s'arrêter aux expressions ou dénominations inexactes dont elles ont pu se servir, soit par erreur, soit pour déguiser la véritable nature de la convention (art. 18 al. 1 CO; ATF 133 III 675 consid. 3.3; 132 III 268 consid. 2.3.2, 626 consid. 3.1; 131 III 606 consid. 4.1). Ce n'est que si le juge ne parvient pas à déterminer cette volonté réelle des parties - parce que les preuves font défaut ou ne sont pas concluantes - ou s'il constate qu'une partie n'a pas compris la volonté exprimée par l'autre à l'époque de la conclusion du contrat (ATF 131 III 280 consid. 3.1) - ce qui ne ressort pas déjà du simple fait qu'elle l'affirme en procédure, mais doit résulter de l'administration des preuves (arrêt 5A_198/2008 du 26 septembre 2008 consid. 4.1) - qu'il doit recourir à l'interprétation objective, à savoir rechercher la volonté objective des parties, en déterminant le sens que, d'après les règles de la bonne foi, chacune d'elles pouvait et devait raisonnablement prêter aux déclarations de volonté de l'autre (application du principe de la confiance; ATF 133 III 675 consid. 3.3; 132 III 268 consid. 2.3.2, 626 consid. 3.1). Ce principe permet d'imputer à une partie le sens objectif de sa déclaration ou de son comportement, même si celui-ci ne correspond pas à sa volonté intime (ATF 133 III 675 consid. 3.3; 130 III 417 consid. 3.2; 129 III 118 consid. 2.5; 128 III 419 consid. 2.2). S'agissant d'un contrat de remise de dette, la renonciation du créancier à sa créance ne peut toutefois être admise que si son attitude, interprétée selon le principe de la confiance, peut être comprise dans le cas particulier comme manifestant clairement sa volonté de renoncer définitivement à tout ou partie de sa créance (ATF 132 III 406 consid. 2.6, 460 consid. 4.5; 129 III 476 consid. 1.4; 110 II 344 consid. 2b; 109 II 327 consid. 2b; arrêt 4A_325/2007 du 15 novembre 2007 consid. 6.2; arrêt 5C.170/2006 du 17 octobre 2006 consid. 4; Aepli, Zürcher Kommentar, 1991, n. 30 ad art. 115 CO; Gonzenbach, Basler Kommentar, 2007, n. 6 ad art. 115 CO). 

 

La détermination de la volonté réelle, en particulier savoir ce qu'un cocontractant savait et voulait au moment de conclure, relève des constatations de fait (ATF 131 III 606 consid. 4.1), qui lient le Tribunal fédéral (art. 105 al. 1 LTF), à moins qu'elles ne soient manifestement inexactes (art. 97 al. 1 et 105 al. 2 LTF), c'est-à-dire arbitraires au sens de l'art. 9 Cst. (ATF 133 II 249 consid. 1.2.2, 384 consid. 4.2.2). En matière de constatation des faits et d'appréciation des preuves, le Tribunal fédéral se montre réservé, vu le large pouvoir qu'il reconnaît en ce domaine aux autorités cantonales; il n'intervient, pour violation de l'art. 9 Cst., que si le juge n'a manifestement pas compris le sens et la portée d'un moyen de preuve, s'il a omis, sans motif sérieux, de tenir compte d'un moyen de preuve pertinent ou encore s'il a effectué, sur la base des éléments recueillis, des déductions insoutenables (ATF 134 V 53 consid. 4.3; 129 I 8 consid. 2.1). 

En revanche, la détermination de la volonté objective, selon le principe de la confiance, est une question de droit, que le Tribunal fédéral examine librement; pour la trancher, il faut cependant se fonder sur le contenu de la manifestation de volonté et sur les circonstances, lesquels relèvent du fait (ATF 132 III 268 consid. 2.3.2, 626 consid. 3.1; 131 III 586 consid. 4.2.3.1). Les circonstances déterminantes à cet égard sont celles qui ont précédé ou accompagné la manifestation de volonté, mais non pas les événements postérieurs (ATF 135 III 410 consid. 3.2; 133 III 675 consid. 3.3; 132 III 626 consid. 3.1 in fine et les références citées). 

 

5. 

En l'espèce, la cour cantonale a procédé à une appréciation des preuves recueillies et a tenu compte du comportement ultérieur des parties, pour parvenir à la conclusion qu'elles avaient arrêté la rente superficiaire ainsi que le loyer pour un montant global de 19'520 fr. dès le 1er juillet 2001, et que la somme représentant la rente, soit 15'520 fr., constituait une nouvelle base pour le calcul de celle-ci, implicitement pour l'indexation des rentes des années futures. Elle a ainsi déterminé la volonté réelle des parties. 

5.1 

5.1.1 La cour cantonale a tout d'abord constaté que la notification de la hausse de loyer du 10 avril 2001 concernait aussi bien le loyer pour les places de parc que la rente superficiaire. Pour ce faire, elle s'est fondée sur le courrier d'un ancien mandataire de la recourante ainsi que sur le fait que le montant inscrit était proche du loyer et de la rente payés jusqu'ici. Elle a également constaté que, depuis cette date, l'intimée s'était acquittée d'une somme globale pour le loyer et la rente superficiaire. 

5.1.2 Les critiques de la recourante se bornent à ce sujet à contester de manière appellatoire l'appréciation des preuves de l'autorité cantonale. En effet, elle fait uniquement valoir qu'il est impossible qu'elle ait voulu réclamer une somme englobant le loyer et la rente, vu le montant supérieur qu'aurait représenté la seule rente dûment indexée, et qu'il s'agit d'une erreur de sa fiduciaire. De plus, elle reproche aux juges cantonaux d'avoir interprété le courrier de Maître S.________, qui était alors son mandataire, sans tenir compte de l'ensemble de son contenu, en particulier le fait que celui-ci y indiquait expressément que les négociations concernant les places de parc avaient eu lieu indépendamment de la question de la rente. Par ces critiques, la recourante ne fait qu'opposer sa propre thèse à celle du jugement querellé sans démontrer de manière précise en quoi les constatations de l'autorité cantonale se révéleraient insoutenables. Insuffisamment motivées, elles sont dès lors irrecevables (cf. consid. 2.2 supra). 

5.2 

5.2.1 Considérant ensuite la notification de hausse de loyer du 10 avril 2001, la cour cantonale a constaté qu'elle n'avait pas été contestée par l'intimée et que celle-ci avait adapté ses paiements dès 2002, effectuant régulièrement ses versements. Elle a également relevé que la recourante, à qui incombe la charge de la preuve, n'avait produit aucun élément démontrant qu'elle était en désaccord avec les montants qui lui avaient été payés. À cet égard, il a été retenu que, selon le témoin interrogé, employé de la fiduciaire de la recourante, il n'y avait pas eu, à sa connaissance, de litige au sujet des paiements et que, si tel avait été le cas, il en aurait été informé. Enfin, les juges cantonaux ont admis que la recourante avait accepté les paiements sans protester, ce qui démontrait que la hausse de loyer notifiée ne procédait pas d'une erreur. Compte tenu de ces éléments, la cour cantonale a conclu que la hausse de loyer notifiée valait accord entre les parties. 

5.2.2 Par sa critique, la recourante ne démontre pas l'arbitraire de l'appréciation des preuves relative à la volonté réelle des parties effectuée par la cour cantonale. Elle se contente en effet d'affirmer que l'usufruitière ou les propriétaires n'ont jamais eu l'intention de renoncer à leurs droits à l'indexation. En tant qu'elle invoque l'erreur de sa propre fiduciaire, qui a négligé de vérifier que la superficiaire s'acquitte d'une rente indexée, la mauvaise foi de l'intimée qui aurait dû se rendre compte qu'elle bénéficiait d'une erreur ou encore son âge avancé au décès de son époux, sa méconnaissance des affaires financières de ce dernier ainsi que son incapacité à comprendre ce qu'elle signait, la recourante invoque des faits non constatés par l'arrêt cantonal. Une telle critique se révèle dès lors irrecevable (cf. consid. 2.2 supra). Il en va de même lorsqu'elle invoque avoir fait confiance à sa fiduciaire, confiance dont on ne saurait déduire un accord pour un abandon de créance aussi important. 

5.3 

5.3.1 Les juges cantonaux ont enfin retenu un dernier argument en faveur d'une interprétation de la volonté réelle des parties, qu'ils tirent de l'acceptation par l'intimée de l'augmentation du loyer des places de parc le 20 juin 2005. Ils ont en effet constaté, suite à l'audition du mandataire ayant représenté l'intimée lors de la procédure devant l'autorité de conciliation, qu'une telle hausse de loyer n'aurait pas été acceptée si l'intimée avait pu s'attendre à ce que la rente superficiaire soit indexée en application du contrat constitutif. 

5.3.2 La recourante invoque à cet égard que cette augmentation a été décidée dans le cadre de négociations séparées ne concernant que le loyer des places de parc. Puis, elle tente de démontrer que la hausse de loyer convenue en 2005 ne saurait implicitement comprendre sa renonciation à l'indexation de la rente superficiaire alors même que la cour cantonale n'a jamais procédé à une telle déduction. La recourante ne s'en prend donc pas directement à la constatation de l'autorité précédente laquelle se réfère à la volonté réelle de la seule intimée. Ses critiques purement appellatoires ne satisfont en outre pas aux exigences de motivation requises pour remettre en cause l'état de fait tel qu'il résulte du jugement querellé (cf. consid. 2.2 supra). Elles se révèlent en conséquence irrecevables. 

 

5.4 Il ressort de ce qui précède que les griefs de la recourante relatifs à l'appréciation des preuves effectuée par l'autorité cantonale en vue d'établir la volonté réelle des parties sont irrecevables. Dans ces circonstances, force est de constater que les juges cantonaux sont parvenus à établir la réelle et commune intention des parties si bien qu'on ne saurait leur reprocher de n'avoir pas procédé à une interprétation objective de la volonté de celles-ci (cf. consid. 4.2 supra). Les griefs de la recourante à ce sujet se révèlent dès lors sans objet. 

 

6. 

Les parties ayant modifié le contrat relatif à la rente superficiaire - le montant de 15'520 fr. constituant une nouvelle base pour l'indexation future de la rente -, il reste à examiner si dite modification est intervenue dans les formes requises. 

6.1 

6.1.1 La validité des contrats n'est subordonnée à l'observation d'une forme particulière qu'en vertu d'une prescription spéciale de la loi; à défaut d'une disposition contraire sur la portée et les effets de la forme prescrite, le contrat n'est valable que si cette forme a été observée (art. 11 al. 1 et 2 CO). Selon la jurisprudence, la forme prescrite doit porter sur tous les éléments objectivement essentiels du contrat, et aussi sur les points objectivement secondaires mais subjectivement essentiels - c'est à dire lorsque les deux parties ou l'une d'elles ne concluraient pas le contrat si un accord ne se réalisait pas à leur sujet (ATF 118 II 32 consid. 3d) -, pour autant que ces derniers, de par leur nature, constituent un élément du contrat; il s'agit de tous les éléments qui affectent le rapport entre la prestation et la contre-prestation (ATF 135 III 295 consid. 3.2, 113 II 402 consid. 2; arrêt 5A_641/2008 du 8 janvier 2009 consid. 4.3 publié in: Revue suisse du notariat et du registre foncier [RNRF] 2009 p. 308; Guggenheim, Commentaire romand, 2003, n. 12 ss ad art. 11 CO; SCHWENZER, Basler Kommentar, 2007, n. 14 s. ad art. 11 CO). 

6.1.2 Aux termes de l'art. 12 CO, lorsque la loi exige qu'un contrat soit fait en la forme écrite, cette règle s'applique également à toutes les modifications du contrat, hormis les stipulations complémentaires et accessoires qui ne sont pas en contradiction avec l'acte. Selon la jurisprudence, cette disposition est applicable pour un acte soumis à la forme authentique (ATF 123 III 97 consid. 2; 95 II 419 consid. 2b), mais non pour la forme contractuellement réservée par les parties (arrêt 4C.474/1996 du 18 février 1997 consid. 2; GUGGENHEIM, op. cit., n. 3 ad art. 12 CO; SCHWENZER, op. cit., n. 10 s. ad art. 16 CO; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, 1973, n. 43 ad art. 16 CO; Schmidlin, Berner Kommentar, 1986, n. 45 ad art. 16 CO). En revanche, selon l'art. 115 CO, la remise de dette n'est soumise au respect d'aucune forme spéciale, même si, en vertu de la loi ou de la volonté des parties, l'obligation n'a pu prendre naissance que sous une certaine forme. Cela étant, dans un contrat synallagmatique parfait, si la dette remise totalement ou partiellement ne constitue pas la seule obligation restant à exécuter et qu'il subsistera, à charge du créancier disposant, une contre-prestation non supprimée à l'occasion de la remise de dette, la forme requise selon l'art. 12 CO pour toute modification du contrat prévaut (arrêt 4A_49/2008 du 9 avril 2008 consid. 2.1, publié in RNRF 2008, p. 317; GUGGENHEIM, op. cit., n. 7 ad art. 12 CO; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, op. cit., n. 22 ad art. 12 CO, GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/REY, Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2008, vol. II, n. 3127; SCHWENZER, op. cit., n. 6 ad art. 12 CO; SCHMIDLIN, op. cit., n. 10 ss ad art. 12 CO; contra aepli, op. cit., n. 54 ss ad art. 115 CO; GONZENBACH, op. cit., n. 9 ad art. 115 CO). 

6.1.3 À teneur de l'art. 779a CC, le contrat constitutif d'un droit de superficie distinct et permanent n'est valable que s'il a été fait par acte authentique. La question de savoir si la rente superficiaire, de même que toute adaptation ultérieure de celle-ci, doivent également revêtir la forme authentique, est controversée en doctrine: certains auteurs estiment qu'il ne s'agit pas d'éléments essentiels à la constitution du droit lui-même de sorte qu'ils ne doivent pas obligatoirement figurer dans l'acte constitutif (STEINAUER, op. cit., n. 2546a; ISLER, op. cit., n. 3 ad art. 779a CC; RIEMER, Die beschränkten dinglichen Rechten, 2000, p. 71; FREIMÜLLER, Die Stellung der Baurechtsdienstbarkeit im System der dinglichen Rechte, 1967, p. 45 et 76; cf. également arrêt de la Cour d'appel du canton de Berne du 21 août 1991 in: RNRF 1996 p. 30) D'autres sont en revanche d'avis que la rente superficiaire est un élément objectivement essentiel, et en général subjectivement essentiel, du contrat constitutif d'un droit de superficie à titre onéreux (SIMONIUS/SUTTER, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht, 1990, vol. II, p. 131; Ghandchi, Das gesetzliche Vorkaufsrecht im Baurechtsverhältnis, 1999, p. 42) et qu'elle doit dès lors, ainsi que toute adaptation ultérieure, être couverte par la forme authentique (Schmid/Hürlimann-KAUP, op. cit., n. 1396; MÜLLER, Der Baurechtszins und seine grundpfandrechtlichen Sicherung, Zurich 1968, p. 14 ss; considérant la rente comme élément subjectivement essentiel: ISLER, Der Baurechtsvertrag und seine Ausgeltung, Berne 1973, p. 170; cf. également arrêt du Tribunal de commerce du canton de Zurich du 25 octobre 2002: in RNRF 2005 p. 291). Le nouvel art. 779a al. 2 CC, dont le texte a été voté le 11 décembre 2009 mais pour lequel le Conseil fédéral n'a pas encore arrêté la date d'entrée en vigueur, prévoit que la rente superficiaire que les parties prévoient d'annoter au registre foncier doit être passée en la forme authentique pour être valable (FF 2009 7943, spéc. p. 7947; cf. également STEINAUER, Servitudes foncières et droit de superficie: développement récents in: FOËX/HOTTELIER éd., Servitudes, droit de voisinage, responsabilité du propriétaire immobilier, 2007, p. 17 s.). 

 

6.2 Lors de l'examen du respect des exigences de forme, les juges cantonaux ont considéré que la modification n'éludait pas les règles sur la forme authentique puisque l'augmentation de la rente notifiée le 10 avril 2001 demeurait bien inférieure à la rente indexée convenue initialement. Ils ont dès lors estimé que le contrat de base n'avait pas été modifié. La recourante fait quant à elle valoir qu'une modification de l'indexation de la rente superficiaire n'aurait pu intervenir qu'en la forme authentique. 

 

6.3 Tout d'abord, il sied de statuer sur la question de la forme que doit revêtir un contrat prévoyant le versement d'une rente superficiaire, de même que toute adaptation ultérieure de celle-ci. La constitution du droit de superficie doit être passée en la forme authentique en application de l'art. 779a CC. Les dispositions contractuelles portant sur les effets et l'étendue du droit de superficie sont obligatoires pour tout acquéreur du droit de superficie et de l'immeuble grevé en vertu de l'art. 779b CC. Ces éléments du contrat définissent le droit lui-même et sont de nature réelle. En revanche, la rente est une dette personnelle du superficiaire; elle ne constitue pas un élément constitutif du droit de superficie, ni ne lui est rattachée à titre d'obligation propter rem (cf. consid. 4.1 supra). En conséquence, il convient d'admettre, avec la doctrine majoritaire, que la rente ne constitue pas un élément objectivement essentiel du contrat constitutif de superficie devant impérativement être couvert par la forme authentique. Cette conception est en outre en conformité avec la modification législative récemment adoptée qui n'exige le respect de la forme authentique que pour une rente dont l'annotation est prévue. Le législateur admet en effet que des rentes superficiaires peuvent être prévues sans forme authentique; elles ne pourront simplement pas être annotées. 

 

Im Übrigen geht aus dem angefochtenen Urteil nicht hervor, dass die Rente ein subjektiv wesentliches Element war, das die authentische Form annehmen musste. Die Beschwerdeführerin, die die Beweislast nach Art. 8 des Zivilgesetzbuchs trägt, erwähnt in ihrer Beschwerde vor dem Bundesgericht nicht, dass sie im kantonalen Verfahren behauptet und angeboten hat, durch genaue Angabe der Passagen ihrer Schriftsätze und der dazugehörigen Dokumente (vgl. Erwägungsgrund 2.2) nachzuweisen, dass die Rente für die Parteien ein solches Element darstelle. Vielmehr hat sie nicht einmal den Baurechtsvertrag vorgelegt, der ihn gegebenenfalls hätte aufsetzen können. In Ermangelung entsprechender Tatsachenfeststellungen oder konkreter Behauptungen ist daher einzuräumen, dass die Rechtsmittelführerin nicht nachgewiesen hat, dass die vereinbarte ursprüngliche Rente zwingend die authentische Form annehmen muss und daher nicht geändert werden konnte, ohne diese Form zu beachten.

 

Nach alledem braucht nicht weiter geprüft zu werden, ob Art. 115 ORim vorliegenden Fall anwendbar ist.

 

6.4 Kurz gesagt, die Änderung der Oberflächenrente, die nach der am 10. April 2001 mitgeteilten "Mieterhöhung" vereinbart wurde, ist voll wirksam, auch wenn sie nicht in der authentischen Form vorgenommen wurde. Die Klage ist daher in diesem Punkt abzuweisen.

 

7. 

Schließlich macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass sie als Nießbraucherin nicht allein berechtigt gewesen sei, die Oberflächenrente zu ändern, sondern in Abstimmung mit den bloßen Eigentümern handeln müsse.

 

Im vorliegenden Fall geht aus den Feststellungen der Cour cantonale nicht hervor, dass die Rechtsmittelführerin und die bloßen Eigentümer mit der Mitteilung vom 10. April 2001 nicht einverstanden waren oder dass diese von ihnen dazu nicht befugt war. Die Untersuchung des Falles befasste sich nie mit dieser Frage. Das kantonale Gericht entschied somit ausschliesslich über das Bestehen einer Vereinbarung zwischen den Parteien über die Änderung der Höhe der Rente und über die Einhaltung der Formerfordernisse. Indem die Rechtsmittelführerin ihre Befugnis zur Änderung der Rente in Frage stellt, wirft sie eine neue Frage auf, die mangels Tatsachenfeststellung, die auf eine Verletzung des Bundesrechts schließen ließe, nicht geprüft werden kann. Nach Art. 99 Abs. 1 LTF ist ein neues Rechtsargument nur zulässig, wenn es auf Tatsachen gestützt wird, die in der angefochtenen Entscheidung festgestellt wurden (Urteil 4A_28/2007 vom 30. Mai 2007, Abs. 1.3; siehe auch Erwägungsgrund 2.2). Abgesehen davon, dass die Mitteilung vom 10. April 2001 allein von der Nießbrauchsbeschwerdeführerin unterzeichnet ist, war im vorliegenden Fall weder der Umfang der Verwaltung der Nießbrauchsbeschwerdeführerin noch eine Meinungsverschiedenheit mit den bloßen Eigentümern über die Mitteilung vom 10. April 2001 Gegenstand der Feststellungen im angefochtenen Urteil, so dass nicht geprüft werden kann, ob die kantonale Behörde gegen Bundesrecht verstoßen hat, indem sie davon ausging, dass die Beschwerdeführerin berechtigt war, Ändern Sie die Surface-Pension.

BGE 99 II 28

Grundlast; Einfriedungspflicht.

1. Eindringen von Vieh als ungerechtfertigte Einwirkung auf ein Grundstück (Art. 641 Abs. 2 ZGB; Erw. 3 b).

2. Der Grundeigentümer ist verpflichtet, sein Grundstück einzufrieden, wenn er es anders nicht bewerben kann, ohne Dritte zu schädigen (Erw. 3 b und c).

3. Pflichten, die ohne Zweifel schon von Rechts wegen bestehen, können nicht zum Gegenstand einer Grundlast gemacht werden (Erw. 4).

4. Kann eine Grundlast ausserordentlich ersessen werden? Frage offen gelassen (Erw. 4).


2. Eine Einfriedung kann mannigfachen Zwecken dienen; sie kann zum Beispiel bestimmt sein, das Entlaufen des weidenden Viehs oder das Eindringen von Wild oder fremdem Vieh zu verhindern, fremden Personen den Zutritt oder den Einblick zu verwehren, gefährliche Stellen zur Verhütung von Unfällen abzuschirmen, den Kulturen einen Windschutz zu verschaffen, das Erdreich vor Abschwemmungen zu bewahren usw. (dazu LEEMANN und HAAB, je N. 1 zu Art. 697 ZGB).

Im vorliegenden Fall stellt die Vorinstanz auf Grund einer Würdigung der Zeugenaussagen "eindeutig fest, dass die jeweiligen Eigentümer der Hüschiweid nur darum den Zaun erstellten, damit sich ihr Vieh nicht auf das Nachbargrundstück verlaufe und dort Schaden anrichte", bzw. dass die Zäunung "nur erfolgte, damit das Vieh sich nicht auf das Stamserälpli verlaufe und dort Schaden anrichte". Dies ist eine im Rahmen der Beweiswürdigung getroffene Feststellung tatsächlicher Art. Dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustandegekommen sei oder offensichtlich auf Versehen beruhe, behaupten die Beklagten nicht. Das Bundesgericht ist deshalb an diese Feststellung gebunden und hat sie seinem Entscheid zugrunde zu legen (Art. 63 Abs. 2 OG). Soweit die Beklagten in der Berufungsschrift geltend machen, die Zäunung diene auch insoweit den wirtschaftlichen Bedürfnissen ihres Grundstücks, als sie verhindert habe, dass Vieh vom Stamserälpli auf die Hüschiweid gelange, wenden sie sich gegen verbindliche Feststellungen der Vorinstanz und versuchen sie, dem Entscheid einen andern als den vom Kantonsgericht festgestellten Tatbestand zugrunde zu legen. Dies ist nicht zulässig.

Es ist im vorliegenden Verfahren also davon auszugehen, dass die Rechtsvorgänger des Klägers den Zaun einzig und allein deshalb errichteten, um zu verhindern, dass ihr Vieh aus ihrem Grundstück weglaufe, das heisst dass es aus der Hüschiweid auf das Stamserälpli eindringe und dort Schaden anrichte. Zu prüfen ist, ob eine zu diesem (einzigen) Zweck errichtete Einfriedung überhaupt Gegenstand einer Grundlast sein könne.

3. a) Das Recht zur Einfriedung des GrundeigentumsBGE 99 II 28 S. 32wird im Gesetz zwar nicht ausdrücklich erwähnt, gilt aber als selbstverständlich und als bundesrechtlich gewährleistet (BGE 56 I 271; LEEMANN, N. 3 und HAAB, N. 2 zu Art. 697 ZGB; NEUENSCHWANDER, Die Leistungspflichten der Grundeigentümer im französischen Code civil und im schweizerischen ZGB unter besonderer Berücksichtigung des Nachbarrechts, Diss. Bern 1966, S. 338). Über die Einfriedungspflicht befinden die Kantone (Art. 697 Abs. 2 ZGB; BGE 88 II 268 E. 5). Soweit sie darüber Bestimmungen erlassen haben, sehen sie die Einfriedungspflicht in der Regel vor für Grundstücke mit Weidebetrieb (LEEMANN, N. 11 und HAAB, N. 3 zu Art. 697 ZGB; NEUENSCHWANDER, a.a.O. S. 346 ff).

Das angefochtene Urteil sagt nicht, dass das kantonale Recht den Rechtsvorgängern des Klägers vorgeschrieben habe, ihr Grundstück einzuzäunen. Nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Beklagten hat der Kanton Graubünden keine Vorschriften über die Zaunpflicht erlassen. Dass eine entsprechende Pflicht sich aus kommunalen Bestimmungen ergäbe, ist den Akten nicht zu entnehmen. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Einfriedungspflicht aber auch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen hervorgehen.

b) Der Grundeigentümer darf seine aus dem Grundeigentum erwachsenden Befugnisse nicht unbegrenzt, sondern nur innerhalb jener Schranken ausüben, welche die Rechtsordnung im Interesse der Öffentlichkeit und des nachbarlichen Zusammenlebens aufgestellt hat. Seine Eigentumsherrschaft reicht nur soweit, als sie mit den ihm obliegenden Pflichten vereinbar ist. Der Eigentumsinhalt wird nicht nur umschrieben durch die Art. 667 ff. ZGB, sondern durch die ganze Rechtsordnung. Diese gebietet dem Grundeigentümer ganz allgemein, seinen Grund und Boden so zu bewerben, dass Schädigungen Dritter ausgeschlossen sind (MEIER-HAYOZ, N. 22 zu Art. 641 und N. 76 zu Art. 679 ZGB; LEEMANN, N. 6 und 10 und HAAB, N. 4 zu Art. 679 ZGB; KOLB, Die Haftung des Grundeigentümers nach Art. 679 ZGB, ZSR 1952 S. 106 a, 121 a und 122 a). Insbesondere braucht sich der Nachbar keine ungerechtfertigte Einwirkung auf sein Grundstück gefallen zu lassen (Art. 641 Abs. 2 ZGB). Ungerechtfertigt und von der Rechtsordnung schlechthin verpönt ist eine Einwirkung immer dann wenn sie eine unmittelbare ist und somit einer Besitzesstörung im Sinne von Art. 928 ZGB gleichkommt (z.B. das Betreten eines Grundstücks),BGE 99 II 28 S. 33es sei denn, der Störer könne sich zu seiner Rechtfertigung auf eine besondere gesetzliche Vorschrift oder auf ein dingliches oder vertragliches Recht berufen (BGE 95 II 401, BGE 88 II 265; MEIER-HAYOZ, N. 63 zu Art. 641 ZGB; HAAB, N. 11 zu Art. 684 ZGB; KOLB, a.a.O. S. 141 a; BACHMANN, Die nachbarliche Überschreitung des Grundeigentumsrechts, Diss. Bern 1937, S. 86). Entsteht durch eine solche Einwirkung auf dem Nachbargrundstück ein Schaden, so hat der Nachbar nach Art. 41 OR Anspruch auf Schadenersatz (STARK, N. 46 zu Art. 928 ZGB mit Verweisungen).

Eine unmittelbare Einwirkung auf das Nachbargrundstück kann auch durch das Eindringen von Tieren bewirkt werden. Wer sein Vieh auf fremdem Boden weiden lässt, verletzt daher das Eigentumsrecht des Nachbarn und macht sich nach Art. 56 OR haftbar (MEIER-HAYOZ, N. 19 zu Art. 679 ZGB; L'HUILLIER, La responsabilité du propriétaire foncier selon l'art. 679 du CCS, ZSR 1952 S. 22 a).

c) Die Rechtsvorgänger des Klägers waren somit verpflichtet, beim Bestossen der Hüschiweid mit Vieh darauf zu achten, dass das Nachbargrundstück nicht beeinträchtigt werde. Wie sie das taten, war ihre Sache. Sie hätten Hirten anstellen und diese Tag und Nacht darüber wachen lassen können, dass ihr Vieh sich nicht auf das angrenzende Stamserälpli verlaufe. Wenn sie statt dessen einen Zaun errichteten, erfüllten sie auf diese Weise die ihnen von der Rechtsordnung vorgeschriebene Pflicht, ihr Eigentum so zu bewerben, dass daraus den Nachbarn kein Schaden erwächst. Die Erstellung des Zaunes durch die Rechtsvorgänger des Klägers stellte demnach eine Sicherungsvorkehr dar, die bei der damaligen Art der Eigentumsnutzung (Weidenlassen von Vieh ohne dauernde Beaufsichtigung) durch die allgemeine Rechtsordnung vorgeschrieben war.

4. Nach Rechtsprechung und Lehre kann die Unterlassung von Handlungen, die ohnehin schon durch das Gesetz (z.B. durch das Nachbarrecht) eindeutig verboten sind, nicht zum Gegenstand einer Dienstbarkeit gemacht werden, weil der Berechtigte kein Interesse daran haben kann, ein Recht, das ihm schon von Gesetzes wegen eindeutig zusteht, noch als Dienstbarkeit zu erwerben oder zu sichern (LIVER, N. 90 und 93 ff. zu Art. 730 ZGB mit Verweisungen; PFISTER, Der Inhalt der Dienstbarkeit, ZSR 1933 S. 341 ff; vgl. auch BGE 84 I 131; DESCHENAUX, Les restrictions légales de la propriétéBGE 99 II 28 S. 34foncière et le registre foncier, ZBGR 1957 S. 329; AUER, Die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters, Diss. Bern 1932 S. 65).

Analog verhält es sich mit der Grundlast. Pflichten, die ohne Zweifel schon von Rechts wegen bestehen, können demnach nicht zum Gegenstand einer Grundlast gemacht werden. Das Grundbuch soll nicht mit Eintragungen belastet werden, die lediglich bereits bestehende gesetzliche Pflichten bestätigen. In diesem Sinne hat der Bundesrat schon im Jahre 1918 entschieden (SJZ 1917/18 S. 243 f).

Im vorliegenden Fall war den Rechtsvorgängern des Klägers die Erstellung des Zauns schon durch die allgemeine Rechtsordnung vorgeschrieben. Diese Pflicht kann daher nicht Gegenstand einer Grundlast sein. Somit hat die Vorinstanz die Klage zu Recht gutgeheissen. Ob eine Grundlast (ausserordentlich)

ersessen werden könne, muss unter diesen Umständen nicht geprüft werden.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden vom 22./23. Juni 1972 bestätigt.

BGE 124 III 196

Ordentliche Ersitzung einer Grundlast (Art. 661 ZGB , Art. 731 Abs. 2 und Abs. 3 ZGB, Art. 783 Abs. 3 ZGB, Art. 788 Abs. 2 ZGB und Art. 919 Abs. 2 ZGB; Art. 18 OR).

Wasserbezugsrechte, die wegen Formmangels zu Unrecht im Grundbuch eingetragen sind, können ersessen werden (E. 2b).


1. a) Der Appellationshof ging davon aus, die Beklagten hätten das im Grundbuch eingetragene "Wasserbezugsrecht" als Grundlast ersessen. Er erachtete diese Grundlasten durch das Schreiben der Klägerin vom 8. Februar 1991 als abgelöst, wegen der JahresfristBGE 124 III 196 S. 198des Art. 788 Abs. 2 ZGB allerdings erst auf den 31. März 1992. Die Beklagten erblicken darin eine Verletzung von Art. 18 und 1 OR sowie Art. 788 ZGB.

b) Die Klägerin hat den Beklagten am 8. Februar 1991 mitgeteilt, gestützt auf den Beschluss der Abgeordnetenversammlung vom 27. November 1990 werde "das bestehende Wasserbezugsrecht auf den 30. Juni 1991 entschädigungslos gekündigt". In der Begründung ist darauf verwiesen worden, dass solche Wasserrechte nach zwei bundesgerichtlichen Urteilen keine Dienstbarkeiten sein könnten, und sie daher zu Unrecht im Grundbuch eingetragen seien; es handle sich um obligationenrechtliche Verhältnisse, sogenannte Sukzessivlieferungsverträge, welche nach 30jährigem Bestand entschädigungslos gekündigt werden könnten.

Der Appellationshof stellt keinen für die Beklagten aus jenem Schreiben erkennbaren wirklichen Willen der Klägerin fest. Für dessen Auslegung ist daher das Vertrauensprinzip massgeblich (BGE 123 III 16 E. 4b mit Hinweisen). Nach den gesamten Umständen durften und mussten die Beklagten die Erklärung, "das bestehende Wasserbezugsrecht" werde "auf den 30. Juni 1991 entschädigungslos gekündigt", in guten Treuen dahin verstehen (BGE 121 III 118 E. 4b/aa S. 123 mit Hinweisen), es werde ein obligatorisches Rechtsverhältnis, eine schuldrechtliche Verpflichtung aufgekündigt. Nebst den bereits angeführten Gründen wurde weiter ausgeführt, damit klare Rechtsverhältnisse bestünden, müssten die Dienstbarkeiten gelöscht werden; zu gegebener Zeit würden die Inhaber eines Wasserbezugsrechts das Löschungsbegehren mit Löschungsbewilligung erhalten. Sodann wurde in der Mitteilung erwähnt, der Beschluss der Abgeordnetenversammlung, alle bestehenden Wasserbezugsrechte würden aufgehoben und entschädigungslos gekündigt, sei nach gründlicher wirtschaftlicher und rechtlicher Prüfung gefasst worden. Nichts liess erkennen, dass damit eine Grundlast abgelöst werden sollte, zudem noch ohne jegliche Entschädigung und ausserhalb der dafür vorgesehenen gesetzlichen Frist (Art. 788 und 789 ZGB). Die Klägerin selber hat denn auch auf jener Grundlage geklagt und die Löschung der als Dienstbarkeit eingetragenen Wasserbezugsrechte im Grundbuch sowie die Feststellung verlangt, dass allfällig bestehende vertragliche Wasserlieferungspflichten auf den 30. Juni 1991 entschädigungslos aufgehoben seien.

2. a) Die Klägerin wendet in der Berufungsantwort allerdings ein, die Wasserbezugsrechte der Beklagten könnten nur eine GrundlastBGE 124 III 196 S. 199darstellen, da nach der Rechtsprechung die Verpflichtung zur Wasserlieferung an einem bestimmten Punkt einer Fassungsleitung nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit bilden könne. Der Eintrag der Wasserbezugsrechte im Grundbuch als Dienstbarkeit sei daher nichtig und nicht bloss ungerechtfertigt im Sinne von 974 Abs. 2 ZGB; die ordentliche Ersitzung sei deshalb wegen Fehlens dieser Grundvoraussetzung unmöglich. Ferner wendet die Klägerin ein, die für die Errichtung einer Grundlast erforderliche Form der öffentlichen Beurkundung sei nicht erfüllt, so dass eine Verpflichtung rein obligatorischer und persönlicher Natur vorliege, die nicht ersessen werden könne; auch eine Konversion in eine Grundlast sei nicht möglich und die Frage der Ersitzung einer solchen zudem kontrovers.

b) Der Appellationshof stellt in tatsächlicher Hinsicht einzig fest, auf den Grundbuchblättern der Beklagten sei unter der Rubrik Dienstbarkeiten und Grundlasten "R, Wasserbezugsrecht ..." eingetragen, nicht jedoch, diese Wasserbezugsrechte seien als Dienstbarkeiten eingetragen; daran ändert nichts, dass die Berechtigten auf Anfrage des Grundbuchverwalters sich 1919 bzw. 1920 damit einverstanden erklärt haben, dass ihre Wasserbezugsrechte als "Grunddienstbarkeit zugunsten und zulasten" der betreffenden Grundstücke eingetragen werden. Soweit die Argumentation der Klägerin auf der unzutreffenden Annahme gründet, die Bezugsrechte seien als Dienstbarkeit eingetragen, erweist sie sich daher als von vornherein haltlos. Als belanglos erscheint sodann, ob für die Begründung der Wasserbezugsrechte als Grundlast die dafür erforderliche Form der öffentlichen Beurkundung erfüllt worden ist (vgl. dazu BGE 93 II 290 E. 6a S. 299), nachdem sie nach Feststellung des Appellationshofes unter der Rubrik "Dienstbarkeiten und Grundlasten" im Grundbuch eingetragen sind. Schliesslich anerkennt selbst die Klägerin, dass die Wasserbezugsrechte Gegenstand einer Grundlast bilden können; und das Vorhandensein der dafür nötigen Voraussetzungen ist nicht umstritten. Es bleibt letztlich nur zu prüfen, ob die Wasserbezugsrechte, die wegen Formmangels zu Unrecht im Grundbuch eingetragen sind, gemäss Art. 661 ZGB ersessen werden konnten, wie der Appellationshof dafürhält.

Ob die ordentliche Ersitzung einer Grundlast möglich ist, war vom Bundesgericht bis jetzt nicht zu beurteilen (offengelassen hinsichtlich der ausserordentlichen Ersitzung in BGE 99 II 28 E. 4 S. 34 am Ende). Gemäss Art. 783 Abs. 3 ZGB gelten für Erwerb und Eintragung der Grundlast wie auch der Grunddienstbarkeit (Art. 731 Abs. 2 ZGB), wo es nicht anders geordnet ist, die Bestimmungen über dasBGE 124 III 196 S. 200Grundeigentum. Dem Gesetz ist keinerlei Einschränkung zu entnehmen, wonach die Ersitzung der Grundlast ausgeschlossen oder anders als bei der Grunddienstbarkeit, wo die Zulässigkeit der Ersitzung jedoch ausdrücklich erwähnt wird (Art. 731 Abs. 3 ZGB), beschränkt wäre; sie ist nach dem klaren Wortlaut jener Bestimmung demnach möglich (LEEMANN, Berner Kommentar, N. 2 zu Art. 783 ZGB). Logischerweise sollte sie zwar wie beim Grundpfand ausgeschlossen sein; denn das dingliche Recht kann nicht in Besitz genommen und als Nebenrecht der Forderung ohne diese nicht erworben werden. In Wirklichkeit besteht nur der Besitz einer Dienstbarkeit in der Ausübung eines dinglichen Rechts, während es sich für die Grundlast als Verpflichtung zu einer positiven Leistung lediglich um deren Erbringung durch den Schuldner handeln kann; diese "Ausübung des Rechts" besteht genauso, wenn durch Grundpfandverschreibung oder Schuldbrief sichergestellte Annuitäten oder Zinsen bezahlt werden (PIOTET, SPR V/1, S. 658/II und 649; WIELAND, Zürcher Kommentar, N. 2 zu Art. 783 ZGB; LIVER, ZBJV 111 S. 75). Art. 919 Abs. 2 ZGB stellt indessen die tatsächliche Ausübung des Rechts nicht bloss bei der Grunddienstbarkeit, sondern ausdrücklich ebenso bei der Grundlast dem Sachbesitz gleich. Dadurch ist, was sich als logischer Schluss aufdrängte, vom Gesetz selber entkräftet und unmissverständlich bekräftigt, dass entgegen Wieland (l.c.) die Möglichkeit der Ersitzung einer Grundlast, wie sie sich aus Art. 783 Abs. 3 ZGB ergibt, der Absicht des Gesetzgebers entspricht; dessen Wortlaut gibt den Sinn der Bestimmung demnach zutreffend wieder. Die Mehrzahl der Autoren bejaht denn auch die Ersitzungsmöglichkeit (LEEMANN, a.a.O.; MEIER-HAYOZ, Berner Kommentar, N. 4 zu Art. 661 ZGB; HAAB/SIMONIUS, Zürcher Kommentar, N. 3 zu Art. 661, 662, 663 ZGB; REY, Berner Kommentar, N. 153 zu Art. 731 ZGB; PIOTET, SPR V/1, S. 649; TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch, 11. Aufl. Zürich 1995, S. 806/IV; SIMONIUS/SUTTER, Schweizerisches Immobiliarsachenrecht, Bd. II, § 11 Rz. 27, S. 299; STEINAUER, Les droits réels, Bd. III, Rz. 2594a, S. 83; LAIM, Grundstrukturen der ausserordentlichen Ersitzung nach Schweizerischem Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1993, S. 83 ff.; PFISTER, Die Ersitzung nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1931, S. 43 und 95; LIVER, Zürcher Kommentar, N. 25 zu Art. 730 ZGB und N. 94 zu Art. 731 ZGB für die ordentliche Ersitzung; gegenteiliger Auffassung: WIELAND, l.c. sowie CURTI-FORRER, Zürcher Kommentar, 1911, N. 7 zu Art. 783 ZGB).

Konnte der Appellationshof ohne Bundesrecht zu verletzen davon ausgehen, die Wasserbezugsrechte der Beklagten seien als Grundlast ersessen, hält anderseits aber der Schluss, sie seien als Grundlast abgelöst worden (E. 1 vorne), vor Bundesrecht nicht stand, so ist die Berufung gutzuheissen und die Anschlussberufung abzuweisen, mit welcher geltend gemacht worden ist, als Verpflichtung bloss obligatorischer Natur seien die Wasserbezugsrechte auf den 30. Juni 1991 entschädigungslos gekündigt worden. Bestehen diese als Grundlast fort, so ist die Klage abzuweisen.

BGE 131 I 321

Art. 9 und 26 BV; Eigentumsgarantie; Wassertaxen; Kündigung einer altrechtlichen, unentgeltlichen Wasserlieferungspflicht (Grundlast).

Ein vor dem Inkrafttreten des ZGB rechtmässig erworbenes - privates und unentgeltliches - Recht auf Quellwasserbezug besteht (als Grunddienstbarkeit) auch ohne späteren Eintrag im Grundbuch weiter. Dies gilt auch für die als Ersatz für die Beeinträchtigung dieses Rechts (infolge Erstellens einer öffentlichen Wasserversorgung) durch Gerichtsurteil im Jahre 1901 der Gemeinde Altdorf im Sinne einer Grundlast auferlegte unentgeltliche Wasserlieferungspflicht zu Gunsten der ursprünglich Berechtigten. Diese Verpflichtung steht zwar unter dem Schutz der Eigentumsgarantie, kann aber in (analoger oder direkter) Anwendung von Art. 788 ZGB nach Ablauf von dreissig Jahren gekündigt werden (E. 5).

Die altrechtliche unentgeltliche Wasserlieferungspflicht kann nur gegen Entschädigung abgelöst bzw. gekündigt werden. Kriterien für deren Bemessung; Berücksichtigung besonderer Verhältnisse (E. 6).


5.

5.1 Zunächst ist zu prüfen, welches Recht den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführerin bis zu den beiden Urteilen aus dem Jahr 1901 zustand.

5.1.1 Nach der unbestrittenen Darstellung im angefochtenen Entscheid hatten die jeweiligen Eigentümer der in Frage stehenden Parzelle einen Anspruch auf Wasserbezug aus den oberhalb der Gemeinde Altdorf liegenden Quellen des Bannwaldes, die samt Grund und Boden im Eigentum der Korporation Uri standen; der Gemeinde stand lediglich die Nutzniessung, Überwachung und Verwaltung derselben zu (Urteil des Kreisgerichts Uri vom 28./ 29. Januar 1901). Der Regierungsrat hat dieses Wasserrecht als vorbestandenes, ehehaftes oder historisches Recht betrachtet. Das Obergericht hat das ursprüngliche Quellenrecht ebenfalls als gemäss Urkunden seit unvordenklicher Zeit bestehendes und damit wohlerworbenes Recht qualifiziert. Diese Auffassung wird von der Beschwerdeführerin ausdrücklich geteilt.

5.1.2 Neben kleinen Grundwasservorkommen bildeten Quellen seit jeher den Hauptbestand des privaten Wasserrechts (PETER LIVER, Öffentliches Grundwasserrecht und privates Quellenrecht, in: ZBJV 89/1953 S. 3); grosse Grundwasserströme unterstehen dagegen dem öffentlichen Wasserrecht der Kantone (BGE 65 II 143). Die Quelle ist Bestandteil des Grundstücks, auf dem sie an die Oberfläche tritt oder gefasst wurde (Art. 704 ZGB; PETER LIVER, a.a.O., S. 14; BGE 65 II 52 E. 2 S. 55 f.; der Grundsatz galt schon vor dem Inkrafttreten des ZGB: BGE 12 480 S. 493). Als ehehafte Wasserrechte werden altrechtliche private Rechte bezeichnet, soweit die Gewässer, an denen sie bestanden haben, später zu öffentlichenBGE 131 I 321 S. 325Gewässern geworden sind (PETER LIVER, Die ehehaften Wasserrechte in der Schweiz, in: Festschrift für Paul Gieseke, 1958, S. 226 f.), die ihren Ursprung in einer Rechtsordnung haben, die nicht mehr besteht, und welche nach neuem Recht nicht mehr begründet werden können, aber auch unter der neuen Rechtsordnung weiterbestehen dürfen; sie erlangten ursprünglich Bedeutung insbesondere im Zusammenhang mit der Wassernutzung (BGE 127 II 69 E. 4b S. 74). Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichts beschränkt die ehehaften (althergebrachten) Wasser(bezugs)rechte auf private Rechte an öffentlichen Gewässern (vgl. Urteil 2P.256/2002 vom 24. März 2003, E. 3) und stellt sie wegen der durch sie verliehenen Befugnisse für ihre Auslegung grundsätzlich den Dienstbarkeiten des ZGB gleich (BGE 88 II 498 E. 3 mit Hinweisen). Da es im vorliegenden Fall ausschliesslich um Rechte an Quellen, d.h. um Privatrechte ging, ist somit anzunehmen, dass die Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin vor dem Inkrafttreten des ZGB zwar nicht über ein ehehaftes, jedoch über ein althergebrachtes privates Quellwasserbezugsrecht - über die von ihnen selber erstellte Leitung - von der Quellfassung der Korporation Uri verfügten. Dieses (beschränkte) dingliche Recht an Quellen auf fremdem Boden - das heute als Grunddienstbarkeit ins Grundbuch eingetragen werden könnte (Art. 704 Abs. 2 und 780 ZGB) - haben sie durch die unbestrittene Ausübung seit unvordenklicher Zeit rechtmässig erworben (vgl. PETER LIVER, Zürcher Kommentar, Zürich 1980, N. 141 ff. zu Art. 731 ZGB). Davon gehen zu Recht auch der Regierungsrat und das Obergericht des Kantons Uri sowie der Gemeinderat Altdorf aus. Als bereits bestehendes dingliches Recht bliebe es, obschon im Grundbuch nicht eingetragen, nach dem Inkrafttreten des ZGB auch unter dem neuen Recht anerkannt (Art. 17 Abs. 1 SchlT ZGB; vgl. Urteil 5C.166/1993 vom 22. Dezember 1993, E. 3); es hätte seine Gültigkeit behalten und könnte lediglich Dritten, die sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen, nicht entgegengehalten werden (Art. 44 Abs. 1 SchlT ZGB).

5.2

5.2.1 Das Obergericht hat gestützt auf die erwähnten früheren Urteile festgestellt, die im Jahre 1898 im Zusammenhang mit der Erstellung einer öffentlichen Wasserversorgung von der Gemeinde Altdorf beanspruchten Quellen hätten auch jene umfasst, die bis dahin von den Rechtsvorgängern der Beschwerdeführerin in Ausübung ihres Quellenrechts benutzt worden waren. InfolgeBGE 131 I 321 S. 326dieses (auch nach Darstellung der Beschwerdeführerin im Jahre 1898 vorgenommenen) Eingriffes führten die bisher genutzten Quellen bzw. deren Fassungen kein Wasser mehr, womit der bisherige Wasserbezug der Nutzungsberechtigten nicht mehr möglich war (Entscheid des Gemeinderates Altdorf vom 12. August 2002, Ziff. 35.5).

5.2.2 Das ursprüngliche Quellenrecht der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin ist damit zufolge der nicht mehr möglichen Ausübung untergegangen. Als Ersatz für den durch sie verunmöglichten bisherigen Quellwasserbezug wurde die Gemeinde Altdorf als Eigentümerin der neu erstellten Wasserversorgung durch Gerichtsurteil verpflichtet, dem Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin (und dem zweiten damaligen Kläger B.) unentgeltlich zehn Minutenliter Wasser von der Gesamtleitung zu liefern ("verabfolgen"). Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass diese Wasserlieferung unentgeltlich zu geschehen hatte. Die Pflicht der Gemeinde zur Wasserlieferung ist damit an die Stelle der durch sie beeinträchtigten ursprünglichen Quellwassernutzung getreten. Wie das Obergericht zu Recht feststellt, kann diese an die Stelle des alten Quellenrechts getretene Wasserlieferungspflicht seit dem Inkrafttreten des ZGB nur noch als Grundlast im Sinne von Art. 782 ZGB begründet werden. Belastet wäre in diesem Fall die Gemeinde Altdorf als Eigentümerin der Wasserversorgung bzw. der Wasserversorgungsanlagen, die gemäss Art. 676 Abs. 1 ZGB Zugehör des Werkes bilden, von dem sie ausgehen, und damit im Eigentum des Werkeigentümers stehen. Das Werk - hier die Wasserversorgung Altdorf - ist seinerseits, wovon vermutungsweise ausgegangen werden darf, mindestens einem bestimmten Grundstück der Gemeinde Altdorf zuzuordnen, welches somit das belastete Grundstück bildet. Mit dem Urteil des Obergerichts des Kantons Uri vom 12. Juni 1901 wurde somit als Schadenersatz ein Rechtsanspruch begründet, der inhaltlich einer Grundlast im Sinne von Art. 782 ZGB entsprach. Er ist deshalb als altrechtliche Grundlast zu betrachten (vgl. H. LEEMANN, Grundlasten aus alter und neuer Zeit, in: SJZ 25/1928-29 S. 35). Auch für diese gilt, dass sie, obschon im Grundbuch nicht eingetragen, auch nach dem Inkrafttreten des ZGB im Jahre 1912 als altrechtliche, durch (Gestaltungs-)Urteil und damit rechtmässig entstandene altrechtliche Grundlast (DAVID JENNY, Basler Kommentar, Basel/Frankfurt 1998, N. 3 zu Art. 783 ZGB) weiterhin ihre Gültigkeit behielt (vgl. Art. 17 Abs. 1 und Art. 44 Abs. 1 SchlT ZGB; vgl. auch Urteil 5C.166/1993 vomBGE 131 I 321 S. 32722. Dezember 1993, E. 3). Autoren aus jener Zeit weisen denn auch darauf hin, dass es vorkommen könne, dass das Gemeinwesen durch eine umfassende Wasserversorgung das ganze Quellgebiet eines Tales sich zu Nutze mache; dadurch versiegten aber die Brunnen der Talbewohner; da verlange es die Billigkeit, dass diese vom Gemeinwesen eine genügende Wasserzufuhr verlangen könnten, was allerdings aus den Bestimmungen von Art. 706 und 710 f. ZGB (Notbrunnen bzw. Pflicht zur Abtretung des Wassers im Interesse des allgemeinen Wohls) hergeleitet wurde (CHARLES von SURY-BÜSSY, Das Recht an der Wasserquelle, Diss. Bern, Solothurn 1909, S. 77, 106 ff.).

Der Auffassung des Obergerichts, es habe mangels Eintragung im Grundbuch keine gültige Grundlast entstehen können, kann deshalb nicht gefolgt werden; sie würde lediglich für nach Inkrafttreten des ZGB entstandene neurechtliche Grundlasten zutreffen.

5.3 Aufgrund des Urteils des Obergerichts des Kantons Uri vom 12. Juni 1901 entstand damals auch ohne Eintrag im Grundbuch zu Gunsten der Beschwerdeführerin eine altrechtliche Grundlast der Wasserversorgung Altdorf auf unentgeltliche Lieferung von zehn Minutenlitern Wasser. Diese geniesst als vermögenswertes Privatrecht den Schutz der Eigentumsgarantie (ULRICH HÄFELIN/ WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 2005, N. 597 S. 176).

Dasselbe würde gelten, wenn der streitige Anspruch auf unentgeltliche Wasserlieferung aufgrund der heutigen Anschauungen dem Bereich des öffentlichen Rechts zugeordnet würde. Auch Rechte, welche den Staat in seiner hoheitlichen Tätigkeit beschränken oder zu bestimmten Zugeständnissen verpflichten, können durch die Art ihrer Entstehung (Vertrag, historische Rechtstitel) wohlerworben sein, d.h. unter dem Schutz der Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) stehen oder durch das Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 5 Abs. 3 bzw. Art. 9 BV, was in casu allerdings nicht in Betracht fällt, da hier die sachenrechtliche Begründung im Vordergrund steht) besonders geschützt sein; geschützt ist dabei nur die Substanz des wohlerworbenen Rechts, nicht dessen Ausübung, die durch die jeweilige Rechtsordnung bestimmt wird (Urteil 2P.256/ 2002 vom 24. März 2003, E. 3; vgl. ULRICH HÄFELIN/GEORG MÜLLER, Allgemeines Verwaltungsrecht, 4. Aufl., Zürich 2002, Rz. 1008 und 2046 ff.; vgl. MAX IMBODEN/RENÉ A. RHINOW, SchweizerischeBGE 131 I 321 S. 328Verwaltungsrechtsprechung, Bd. II, Nr. 122 B.I.c; KLAUS A. VALLENDER, in: St. Galler Kommentar, N. 14 zu Art. 26 BV; ULRICH HÄFELIN/ WALTER HALLER, a.a.O., N. 597 f.); sie können, auch wenn sie ursprünglich (altrechtlich) unbefristet waren - gegen Entschädigung - nachträglich befristet und gekündigt bzw. abgelöst werden (BGE 127 II 69 E. 5a/b).

5.4 Steht ein Recht unter dem Schutz der Eigentumsgarantie, so kann es nur eingeschränkt oder entzogen werden, wenn der Eingriff auf gesetzlicher Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und bei formeller oder materieller Enteignung gegen volle Entschädigung erfolgt (Art. 26 BV in Verbindung mit Art. 36 BV). Der vorliegend streitige Eingriff erfüllt diese Voraussetzungen:

  • Die Möglichkeit des Entzuges des streitigen Rechts bzw. der Ablösung der Grundlast ist formellgesetzlich im ZGB vorgesehen, dessen Regelung auch für altrechtliche Grundlasten Geltung hat (Art. 788 ZGB in Verbindung mit Art. 2 SchlT ZGB) und vom Obergericht im Ergebnis zu Recht als (direkt oder analog) anwendbar betrachtet werden durfte. Das Obergericht hat denn auch - zwar nur in einer Eventualerwägung, nach dem Gesagten jedoch zu Recht - darauf hingewiesen, dass die Grundlast, wenn sie rechtsgültig entstanden wäre, gemäss Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB nach Ablauf von dreissig Jahren hätte gekündigt werden können.

  • Das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit sind, was die Ablösbarkeit von unbefristeten Grundlasten nach einer Dauer von dreissig Jahren anbelangt, aufgrund der vom Gesetz vorweggenommenen Abwägung ebenfalls gegeben (vgl. zur Unzulässigkeit unbefristeter Leistungspflichten auch für altrechtliche Verpflichtungen BGE 93 II 290 E. 7 S. 300 und BGE 100 II 105 E. 2).

  • Schliesslich sieht die massgebende Regelung auch die Pflicht zur Entschädigung des Grundlastberechtigten vor.

5.5 Das Obergericht ist im angefochtenen Entscheid zwar davon ausgegangen, dass mit dem Urteil im Jahre 1901 eine ausschliesslich obligatorische Pflicht der Gemeinde Altdorf zur Wasserlieferung an die Beschwerdeführerin bzw. ihre Rechtsvorgänger, von denen sie dieses Recht geerbt habe, begründet worden sei. Es hat jedoch auch für diesen Fall angenommen, diese Verpflichtung seiBGE 131 I 321 S. 329analog zur Grundlast kündbar. Denn im Gegensatz zu dinglichen Rechten seien obligatorische Bindungen grundsätzlich zeitlich begrenzt. Wenn daher ein beschränktes dingliches Recht wie die Grundlast von Gesetzes wegen in zeitlicher Hinsicht begrenzt sei, so müsse dies (erst recht) für ein obligatorisches Recht gleichen Inhalts ebenfalls gelten: Ein solches könne deshalb nicht während einer Zeitspanne, die wesentlich mehr als dreissig Jahre betrage, aufrechterhalten werden.

Es ist heute in der Tat zivilrechtlich ausgeschlossen, obligatorische Verträge auf "ewige" Zeiten abzuschliessen und aufrechtzuerhalten; unzulässig ist dies selbst dann, wenn sie noch unter der Herrschaft des alten kantonalen Rechts abgeschlossen worden sind, was unter Hinweis auf Art. 2 SchlT ZGB damit begründet wird, dass es sich um einen Grundsatz handelt, der um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit Willen Geltung hat. Art. 2 SchlT ZGB wird sogar im öffentlichen Recht als massgeblich erachtet, indem es auch wohlerworbene Rechte auf dauerhafte Sondernutzung (insb. durch Konzessionen) nicht geben kann (BGE 127 II 69 E. 5b S. 77 mit Hinweisen).

Da im Urteil des Obergerichts des Kantons Uri vom 12. Juni 1901 keine zeitliche Beschränkung vorgesehen ist, müsste die Dauer der (unentgeltlichen) Wasserlieferungspflicht auch bei Annahme einer obligatorischen Bindung beschränkt und durch richterliche Lückenfüllung bestimmt werden (vgl. BGE 127 II 69 E. 5b S. 78).

Das Obergericht hat denn auch in diesem Sinne die entsprechenden Bestimmungen für die Grundlasten analog angewandt. Es hat sich dabei insbesondere auf Art. 788 Abs. 1 und 2 ZGB gestützt, wonach die Grundlast - selbst wenn eine längere Dauer oder sogar die Unablösbarkeit verabredet worden ist - nach dreissigjährigem Bestand abgelöst werden kann, wobei der Ablösung eine Kündigung auf Jahresfrist voranzugehen hat. Die in analoger Anwendung von Art. 788 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB getroffene Annahme, die (rein) obligatorische Verpflichtung, die inhaltlich einer Grundlast entspricht, könne nach spätestens dreissig Jahren nach Inkrafttreten des ZGB am 1. Januar 1912, d.h. per 1. Januar 1942, gekündigt werden, kann sich auf die einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung (BGE 93 II 290 E. 7 S. 300 f. mit Hinweisen; BGE 97 II 390 E. 7 f. S. 400 ff.) stützen, an der festzuhalten ist; was die Beschwerdeführerin vorbringt, ist nicht geeignet, diese Praxis in Frage zu stellen.BGE 131 I 321 S. 330

5.6 Nach dem Gesagten ergibt sich somit, unabhängig davon, ob die in Frage stehende Verpflichtung der Gemeinde bzw. der Wasserversorgung Altdorf zur unentgeltlichen Wasserlieferung im Umfang von zehn Minutenlitern an die Beschwerdeführerin als weiterbestehende altrechtliche Grundlast oder als rein obligatorische altrechtliche Wasserlieferungspflicht betrachtet wird, deren Kündbarkeit bzw. Ablösbarkeit nach einer Dauer von dreissig Jahren.

Soweit mit der staatsrechtlichen Beschwerde die Kündbarkeit/Ablösbarkeit des bestehenden Wasserlieferungsverhältnisses bzw. die grundsätzliche Zulässigkeit des entsprechenden Eingriffes in die Eigentumsgarantie bestritten wird, vermag sie daher nicht durchzudringen.

6.

6.1 Die Beschwerdeführerin rügt schliesslich, selbst wenn ihre Berechtigung nicht auf einem historischen oder vorbestandenen Recht, sondern nur auf einem obligatorischen Anspruch beruhen sollte, könnte ihr dieser als wohlerworbenes Recht nur gegen volle Entschädigung auf dem Wege der Enteignung entzogen werden. Die Nichtanwendung von Art. 789 ZGB unter gleichzeitiger analoger Anwendung von Art. 788 ZGB sei willkürlich und eigentumsverletzend.

6.2 Die Rüge ist begründet. Nach dem oben Ausgeführten handelt es sich bei der in Frage stehenden altrechtlichen unentgeltlichen Wasserlieferungspflicht nicht um einen rein obligatorischen Vertrag, sondern um eine an bestimmte Grundstücke bzw. Anlagen geknüpfte altrechtliche Grundlast bzw. eine grundlastähnliche und damit (auch) dingliche Verpflichtung (vgl. BGE 127 II 69 E. 5b S. 77). Wird diese - nach dem Gesagten zulässigerweise - in direkter oder analoger Anwendung der Bestimmungen über die Grundlasten (Art. 788 ZGB) als ablösbar bzw. kündbar erachtet, so muss - schon aufgrund der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie - auch die für einen solchen Fall gesetzlich vorgesehene Entschädigungsregelung (direkt oder analog) Anwendung finden.

Ablösung der Grundlast heisst deren Aufhebung gegen Entrichtung ihres Gesamtwertes gemäss Art. 789 ZGB an den Berechtigten (DAVID JENNY, a.a.O., N. 1 zu Art. 787 ZGB). Die Ablösung bzw. Kündigung der altrechtlichen Grundlast ist somit vergleichbar mit der formellen Enteignung, bei welcher ebenfalls in einemBGE 131 I 321 S. 331geregelten Verfahren ein privates Recht dem Enteigneten entzogen und auf den Enteigner übertragen wird; auch bei dieser findet mit der Übertragung des Eigentums und der Entrichtung der dafür geschuldeten Entschädigung ein (mit dem freihändigen Verkauf vergleichbarer) Leistungsaustausch statt: Die Entschädigung ist in diesem Fall Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs (vgl. BGE 93 I 130 E. 7a S. 142 f.) bzw. Rechtmässigkeitsvoraussetzung (KLAUS A. VALLENDER, St. Galler Kommentar, N. 50 und 52 zu Art. 26 BV). Die vorliegend grundsätzlich mögliche Kündigung der Wasserlieferungspflicht kann daher nur rechtswirksam werden, wenn auch der Ablösungsbetrag verbindlich bestimmt ist. Die Parteien können diesen vor oder bei der Ablösung beliebig festsetzen (DAVID JENNY, in: Basler Kommentar, N. 1 zu Art. 789 ZGB). Es kann jedenfalls nicht Sache des Schuldners der Grundlast sein, den Ablösungsbetrag einseitig nach eigenem Ermessen festzulegen. Im Streitfall obliegt die Festlegung dem Richter. Dieser hat auf Klage des Schuldners hin festzustellen, dass dessen Kündigung der (altrechtlichen) Grundlast rechtsgültig erfolgt und diese somit untergegangen ist (DAVID JENNY, a.a.O., N. 11 zu Art. 789 ZGB); zugleich hat er den Ablösungsbetrag festzusetzen.

Das Obergericht hat sich zur Frage der Entschädigung nicht geäussert. Soweit es damit zum Ausdruck bringen wollte, die Ablösung der Wasserlieferungspflicht könne entschädigungslos erfolgen, wäre dieser Standpunkt unhaltbar. Zwar ging das Bundesgericht davon aus, dass auf ewige Zeiten abgeschlossene rein obligatorische Verträge gekündigt werden könnten, ohne dass in Analogie zur Regelung für die Grundlasten eine Entschädigung geschuldet sei (BGE 113 II 209). Dieser Entscheid betraf indessen einen nach dem Inkrafttreten des ZGB geschlossenen Wasserlieferungsvertrag, dem mangels Eintrag im Grundbuch nur obligatorische Wirkung zukam (BGE 108 II 39). Von einem rein obligatorischen Vertrag kann indessen nach dem oben Ausgeführten bei der hier in Frage stehenden altrechtlichen Grundlast nicht die Rede sein.

Die Rechtswirksamkeit der Ablösung der in Frage stehenden altrechtlichen Grundlast setzt somit eine gültige - vertragliche oder richterliche - Festsetzung der Ablösungssumme voraus, wobei es die Parteien oder im Streitfall der Richter in der Hand haben, die Anwendbarkeit des Wassertarifes allenfalls rückwirkend auf den Zeitpunkt der Kündigung festzulegen. Wenn die Gemeinde ihre unentgeltliche Wasserlieferungspflicht nicht mehr erfüllen,BGE 131 I 321 S. 332sondern diese Last durch eine einmalige Leistung abgelten und die weiteren Wasserlieferungen nach Tarif in Rechnung stellen will, muss sie also entweder mit der anderen Partei eine Einigung über die Ablösungssumme oder aber einen diesbezüglichen Entscheid des Richters erwirken. Da die in Frage stehende Grundlast und damit auch ihr Gesamtwert nicht im Grundbuch eingetragen sind, ist nach Art. 789 in Verbindung mit Art. 783 Abs. 2 ZGB mangels anderer Abrede für die Ablösung grundsätzlich der zwanzigfache Betrag der Jahresleistung geschuldet, wobei der Nachweis eines geringeren Wertes vorbehalten bleibt. Da im vorliegenden Fall indessen besondere Verhältnisse vorliegen, können bei (direkter oder analoger) Anwendung der Entschädigungsregeln für die Grundlast neben dem Wert gemäss Wassertarif noch weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen, die bei der Festsetzung der Entschädigung zu berücksichtigen wären. Dabei ist etwa dem Umstand Rechnung zu tragen, wieweit der Berechtigte auf den unentgeltlichen Wasserbezug für einen bestimmten Zweck angewiesen ist und wie viel Wasser der öffentlichen Wasserversorgung tatsächlich zur Verfügung steht. Dem Richter steht somit bei der Festsetzung des Ablösungsbetrages ein weites Ermessen zu, das auch Billigkeitserwägungen zulässt; er darf jedoch für die Ablösung solcher Wasserrechte keine das Gemeinwesen übermässig belastende Entschädigungen festsetzen.

Sollte dem Entscheid des Obergerichts stillschweigend die Auffassung zu Grunde liegen, mit der von der Offenen Dorfgemeinde Altdorf in der Übergangsbestimmung zur Tarifordnung für die Ablösung von null bis zehn Minutenlitern festgelegten Pauschalsumme von Fr. 9'000.- sei die Entschädigung verbindlich festgesetzt, wäre dies unhaltbar.

Die Gemeinde Altdorf wird daher, sofern sie mit der Beschwerdeführerin keine Einigung über die Ablösung und Abgeltung des altrechtlichen Wasserlieferungsrechts zu erzielen vermag, ein entsprechendes Urteil des zuständigen Zivilrichters erwirken müssen, um das bisherige Recht der Beschwerdeführerin auf Wasserlieferung als untergegangen betrachten und die weitere Belieferung nach der geltenden Tarifordnung belasten zu können.

6.3 Indem das Obergericht die Regelung des ZGB über die Ablösung von Grundlasten nur für die Möglichkeit der Kündbarkeit heranzog und die Frage der Ablösungssumme überging, sei es, weilBGE 131 I 321 S. 333es eine solche bei - vermeintlich - bloss obligatorischen Rechtsverhältnissen gar nicht als geschuldet oder aber die im kommunalen Reglement vorgesehene pauschale Ablösungssumme von Fr. 9'000.- als verbindlich festgesetzte Abgeltung erachtete, verfiel es in Willkür und verletzte durch Missachtung der Entschädigungspflicht zugleich die Eigentumsgarantie.

Anforderungen an die gesicherte Forderung und an das belastete Grundstück

  • gesicherte Forderung: in ZGB 794 f.

    • Pfandrecht kann nur für eine bestimmte Forderung errichtet werden

      • bestimmter Schuldbetrag angegeben —> Kapialhypothek

      • genauer Forderngsbetrag steht nicht fest —> Errichtung eines Grundpfandrechts ist dennoch möglich —> Parteien müssen Höchstebtrag angeben, bis zu dem das Grundstück für alle Ansprüche des Gläuigers haftet (ZGB 794 II)

        • in einem solchen Fall liegt eine Maximalhypothek vor

      • Zinsen: innerhalb der Schranken können sie beliebig festgelegt werden (ZGB 795 I) -_> kant Recht kann aber Höchstzinsfuss bestimmten (ZGB 795 II)

        • Kaptialhypothek: ZGB 794 I —> Zinsen sind nach Massgabe von ZgB 818 I Ziff. 2 und 3 pfandgesichert

        • Maximalhypothek: Zinsen sind innerhlab der im Grundbuch eingetrangenen (Maximal-) Summe pfandgesichert —> Eintragung eines Zinses in das Grundbcuh ist in diesem Fall nicht zulässig

  • belastete Grundstück: ZGB 796 ff.

    • Grundpfandrecht kann nur auf einem Grundstück errichtet werden, welches in das Grundbuch aufgenommen ist (ZGB 796 I)

    • das Grundstück, das verpfändet wird, ist bei der Errichtung des Grudnpfandrechts bestimmt anzugeben (ZGB 797 I)

    • Verpändung mehrer Grundstücke (ZGB 798)

      • Grundpfandrecht: wird die verpfädnung mehrerer grundstücke in einem einnzigen Pfandrecht für ein und dieselbe Forderung verstanden, wobei jedes der Grundstücke die Gesamtsumme der Forderung sichert. Weder die Forderung noch die Pfandsicherung sind aufgeteilt

        • ZGB 798 I lässt Grundpfandrecht nur zu, wenn die belasteten Grundstücke demselben Eigentümer gehören oder im Eigentum solidarisch verpflichteter SChuldner stehen

      • Aufteilung der Pfandhaft (ZGB 798 II): ist es nicht anders vereinbrt, so muss die Belastung anch dem Wertverhältnis der Grundstücke vorgenommen werden (ZGB 798 III)

      • Besonderheiten bei Miteigenntum: so kommt als Pfandobjekt eienrseits das Grundstück selber und anderseits die einzelnen Anteile in Betracht

        • sein Anteil kann jeder Eigentümer selbstädnig verpfänden (ZGB 646 III und ZGB 800 I)

        • bestehen Grundpfandrechte (oder Grundlasten) an MIteigentumsanteilen eines Grundstücks, so können die Miteigentümer gemäss ZGB 648 III die Stammparzelle sleber nicht mehr mit solchen Rechten belasten -> gilt auch bei Stockwerkeigentum

        • sollen bei der Schaffung von Stockwerkeigentum Grundpfandrechte, welche auf der Stammparzelle alsten, auf die einzelnen Stockwerkeigentusmanteile verlegt werden, so ist das hierfür einzulschgende Vorgehen umstritten. Erforderlich ist jedenfalls die Zustimmung der Pfandgläubiger. Für die Verlegungsvereibarung zwischen Eigentümern und Pfandgläubiger fordert die kant. Praxis bisweilen öffentiche Beurkundung gemäss ZGB 799 II, währnd ein Teil der Lehre einfache Schriftform genügt


BGE 95 I 568

Miteigentum.

Verpfändung der Miteigentumsanteile (Art. 646 Abs. 3 ZGB) und der im Miteigentum stehenden Sache selbst (Art. 648 Abs. 2 und 3 ZGB).

Verhältnis zwischen den Pfandrechten an der Sache selbst einerseits und an Miteigentumsanteilen anderseits.

Tragweite der Vorschrift, wonach die Miteigentümer die Sache selbst nicht mehr mit Grundpfandrechten belasten dürfen, wenn solche an Miteigentumsanteilen bestehen (Art. 648 Abs. 3 ZGB).

Diese Vorschrift verbietet nach ihrem Sinn und Zweck nicht, an der Sache selbst ein Pfandrecht zu errichten, das den bereits bestehenden Pfandrechten an Miteigentumsanteilen vorgeht, wenn alle Beteiligten, insbesondere die Gläubiger der Pfandrechte an den Anteilen, damit einverstanden sind.

Für die Zustimmung dieser Gläubiger genügt eine schriftliche Erklärung.


1. Art. 648 ZGB, der nach seinem Randtitel die "Verfügung über die Sache" (d.h. die Verfügung über die im Miteigentum stehende Sache) regelt, lautete in seiner ursprünglichen, bis zum 31. Dezember 1964 geltenden Fassung:

"Jeder Miteigentümer ist befugt, die Sache insoweit zu vertreten, zu gebrauchen und zu nutzen, als es mit den Rechten der anderen verträglich ist.

Zur Verässerung oder Belastung der Sache, sowie zur Veränderung ihrer Zweckbestimmung bedarf es, insofern sie nicht einstimmig anders verfügt haben, der Übereinstimmung aller Miteigentümer."

Das am 1. Januar 1965 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Änderung des Vierten Teiles des ZGB (Miteigentum und Stockwerkeigentum) vom 19. Dezember 1963 (AS 1964 S. 993 ff.) ersetzte in Art. 648 Abs. 2 ZGB den eingeschobenen Nebensatz "insofern sie nicht einstimmig anders verfügt haben" durch den an den Schluss gestellten Nebensatz "soweit diese (die Miteigentümer) nicht einstimmig eine andere Ordnung vereinbart haben". Diese Änderung ist lediglich redaktioneller Natur (BBl 1962 II 1508; MEIER-HAYOZ, 4. Aufl. 1966, N. 20 zu Art. 688 ZGB).

Aus Art. 648 Abs. 2 ZGB alter und neuer Fassung geht unzweifelhaft hervor, dass es grundsätzlich möglich ist, eine im Miteigentum stehende Sache als solche zu verpfänden, wenn alle Miteigentümer dieser Verfügung zustimmen.

Die Befugnis, den Miteigentumsanteil zu verpfänden, die nach dem bei der Revision von 1963 nicht geänderten Art. 646 Abs. 3 ZGB jedem Miteigentümer zusteht, bleibt auch dann bestehen,BGE 95 I 568 S. 571wenn die im Miteigentum stehende Sache als solche verpfändet worden ist (Kreisschreiben des EJPD an die kantonalen Aufsichtsbehörden über das Grundbuch betr. die grundbuchliche Behandlung des Stockwerkeigentums und des gewöhnlichen Miteigentums vom 24. November 1964, BBl 1964 II 1198 f. Ziff. 4; MEIER-HAYOZ N. 45 zu Art. 646 ZGB). Das Pfandrecht an der Sache und das Pfandrecht am Anteil bestehen in einem solchen Falle nebeneinander. Da die beiden Pfandrechte rechtlich nicht den gleichen Gegenstand haben (vgl. Art. 655 ZGB, wonach sowohl die Liegenschaften als auch die Miteigentumsanteile an Grundstücken Grundstücke im Sinne des Gesetzes sind), kann zwischen ihnen nicht ein Rangverhältnis im Sinne von Art. 813 ff. ZGB bestehen, d.h. die Vorschriften über die Pfandstellen und über die Vereinbarung eines Nachrückungsrechts sind auf das Verhältnis zwischen diesen beiden Rechten nicht anwendbar, sondern die genannten Vorschriften regeln nur das Verhältnis zwischen mehreren Pfandrechten am Grundstück selbst und das Verhältnis zwischen mehreren Pfandrechten an einem Anteil. Auch wenn das Grundstück selbst verpfändet ist, kann also an jedem Anteil ein Pfandrecht im I. Rang errichtet werden (vgl. hiezu BBl 1962 II 1508, MEIER-HAYOZ N. 29 d zu Art. 648 ZGB, sowie Ziff. 4 und 5 des erwähnten Kreisschreibens). Es war deshalb falsch, dass dem zulasten des Miteigentumsanteils von Werner Hausmann errichteten Inhaberschuldbrief mit Rücksicht auf die bereits bestehende Pfandbelastung des ganzen Grundstücks der II. Rang beigelegt wurde.

Der Umstand, dass das Pfandrecht an der Sache selbst und dasjenige an einem Miteigentumsanteil rechtlich nicht den gleichen Gegenstand haben, ändert jedoch nichts daran, dass das Pfandrecht am Anteil letztlich wie das Pfandrecht an der ganzen Sache die Befriedigung des Gläubigers aus dem Wert der Sache bzw. aus einer bestimmten Quote dieses Wertes gewährleisten soll. Kommt es zur Verwertung der Sache selbst, was nicht nur infolge Betreibung durch den Gläubiger, dem die ganze Sache verpfändet ist, sondern wenigstens nach den bisher geltenden Vorschriften über die Zwangsverwertung von Grundstücken (Art. 73 lit. b und 102 VZG) auch infolge Betreibung durch den Gläubiger, dem ein Anteil verpfändet ist, geschehen kann, so muss entschieden werden, wieweit der Erlös dem einen und dem andern Pfandgläubiger zukommt. Über die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Pfandrechte zueinander stehen, muss aberBGE 95 I 568 S. 572auch dann Klarheit bestehen, wenn allenfalls nur der Anteil verwertet wird (was Art. 73 lit. a VZG freilich nur für den Fall zulässt, dass das Grundstück als solches nicht verpfändet ist) oder wenn versucht werden soll, eine Verständigung unter den Miteigentümern und den Pfandgläubigern über die Auflösung des Miteigentumsverhältnisses (Art. 73 lit. b VZG) herbeizuführen. Es handelt sich dabei um eine Frage der Reihenfolge oder des Ranges in einem weiteren Sinne. Sie ist dahin zu beantworten, dass das Pfandrecht an der Sache selbst dem erst nachher begründeten Pfandrecht an einem Miteigentumsanteil vorgeht (vgl. Art. 73 lit. b am Ende VZG; Ziffer 4 am Ende des Kreisschreibens des EJPD vom 24. November 1964; MEIER-HAYOZ N. 29 d Abs. 2 zu Art. 648 ZGB). Das folgt daraus, dass die Wertquote der Sache, die Gegenstand eines dinglichen Rechts des Gläubigers ist, dem das ganze Grundstück verpfändet wurde, mit Rücksicht auf dieses absolute Recht nicht nachträglich auch noch zur Sicherung anderer Gläubiger verwendet werden kann, soweit sie zur Deckung der Ansprüche des Gläubigers, dem die ganze Sache verpfändet wurde, erforderlich ist (vgl. LIVER, Einleitung zum 21. Titel des ZGB, N. 37, wo zu einer ähnlichen Frage eine analoge Erwägung angestellt wird).

2. Während nie bezweifelt wurde, dass die einzelnen Miteigentumsanteile auch nach Verpfändung der Sache selbst verpfändet werden können (Erw. 1 hievor), war unter der Herrschaft der ursprünglichen Fassung von Art. 648 ZGB umstritten, ob umgekehrt eine Verpfändung der Sache selbst auch dann noch zulässig sei, wenn einer oder mehrere der Miteigentümer ihren Anteil verpfändet haben. LEEMANN (2. Aufl. 1920, N. 29 zu Art. 648 ZGB) hielt dafür, das sei rechtlich möglich; das Pfandrecht an der Sache selbst trete dann "für die bereits verpfändeten Anteile in den nachgehenden Rang"; mit Rücksicht auf die grossen Schwierigkeiten, die dadurch für die Pfandverwertung entstehen, sollte indes "die Verpfändung der Sache, nachdem bereits einzelne Anteile verpfändet worden sind, vermieden" werden. Demgegenüber vertraten namentlich GUHL (ZBJV 1917 S. 52), HAAB (N. 24 zu Art. 646 ZGB), FRIEDRICH (ZSR 1956 II 227 a) und MEIER-HAYOZ (3. Aufl. 1959, N. 29 zu Art. 648 ZGB) die Auffassung, nach Verpfändung einzelner Anteile sei die Verpfändung der Sache selbst nicht bloss unerwünscht, sondern unzulässig. Diese Auffassung wurde namentlich mit den - auch von LEEMANN anerkannten - grossenBGE 95 I 568 S. 573praktischen Schwierigkeiten begründet, die sonst bei der Pfandverwertung einträten. HAAB betrachtete eine Verpfändung der Sache selbst nach Verpfändung von Anteilen auch deshalb als ausgeschlossen, weil der Miteigentümer, der seinen Anteil belaste, insoweit über die ihm zustehende Quote des Grundstückswertes verfüge und fortan über diese Quote nicht mehr in der Weise verfügen könne, dass er zusammen mit den anderen Miteigentümern das Grundstück als solches verpfändet (a.a.O.).

Der vorherrschenden Lehre folgend, fügte das Bundesgesetz vom 19. Dezember 1963 dem Art. 648 ZGB einen dritten Absatz bei, der lautet:

"Bestehen Grundpfandrechte oder Grundlasten an Miteigentumsanteilen, so können die Miteigentümer die Sache selbst nicht mehr mit solchen Rechten belasten."

Zu dieser Bestimmung, die in ihrem wesentlichen Inhalt auf die Vorentwürfe vom Mai 1957 und April 1958 zurückgeht, führt die Botschaft des Bundesrates vom 7. Dezember 1962 (BBl 1962 II 1461 ff.), die das Ergebnis der Beratungen der Studienkommission für das Stockwerkeigentum über die von ihr geprüften Vorentwürfe, Berichte und Vernehmlassungen zusammenfasst und der die nachfolgenden parlamentarischen Beratungen in diesem Punkte keine neuen Überlegungen beifügten, im wesentlichen aus, das in Art. 648 Abs. 3 ZGB ausgesprochene Verbot solle nicht nur die praktischen Schwierigkeiten der Zwangsverwertung vermeiden, sondern beruhe "auf einer grundsätzlichen theoretischen und praktischen Notwendigkeit"; zwischen den Pfandrechten an der Sache selbst und jenen an den Anteilen könne wegen Verschiedenheit der Pfandgegenstände kein Rangverhältnis bestehen; die Pfandrechte am einen und die am andern Gegenstand hätten aber das gleiche Verwertungssubstrat; bei Versteigerung der Sache auf Betreiben der Gläubiger, denen sie verpfändet ist, erwerbe der Ersteigerer an ihr Alleineigentum; da das Miteigentum untergehe, verlören die Gläubiger, denen Anteile verpfändet waren, ihre Pfandgegenstände; ob die Verwertung einen Überschuss ergebe, aus dem ihnen etwas zukäme, sei ganz unsicher; die Verpfändung der Sache, die bereits zum Verwertungssubstrat für Pfandrechte an Miteigentumsanteilen gemacht worden sei, müsse aber, wie HAAB in N. 24 zu Art. 646 ZGB ausführe, auch deswegen (gemeint: im Hinblick auf die Verfügung, die mit dieser VerpfändungBGE 95 I 568 S. 574über die betreffende Quote des Grundstückswertes getroffen wurde) ausgeschlossen werden.

3. Art. 648 Abs. 3 ZGB sagt ganz allgemein, dass die Miteigentümer, wenn Grundpfandrechte (oder Grundlasten) an Miteigentumsanteilen bestehen, die Sache selbst nicht mehr mit solchen Rechten belasten können. Es fragt sich indessen, ob diese Bestimmung nach ihrem wahren Sinn so allgemein gelte, wie sie lautet, oder ob die gesetzgeberischen Erwägungen, die ihr zugrunde liegen, die Tragweite des darin ausgesprochenen Verbots einschränken und der vertraglichen Gestaltung der in Frage stehenden Pfandrechtsverhältnisse einen gewissen Spielraum lassen (zur Frage, wieweit im Sachenrecht Vertragsfreiheit bestehe, vgl. MEIER-HAYOZ, 4. Aufl., Systemat. Teil, N. 41 und 39, 39 a).

a) Eine nach der Verpfändung von Miteigentumsanteilen erfolgende Verpfändung der Sache selbst schafft bei der Zwangsverwertung dann erhebliche Schwierigkeiten, wenn das damit begründete Pfandrecht an der Sache selbst den Pfandrechten an den Miteigentumsanteilen nachgeht, d.h. wenn der Gläubiger, dem die Sache verpfändet ist, erst nach Befriedigung der Gläubiger, denen Anteile verpfändet sind, auf den Erlös der Sache Anspruch erheben kann. Es ist sehr schwierig, wenn überhaupt möglich, in einem solchen Fall einerseits die Rechte des Gläubigers, dem die Sache selbst verpfändet ist, zu wahren, anderseits aber zu vermeiden, dass die Miteigentümer, welche ihre Anteile nicht verpfändet haben, gegenüber den anderen in ungerechtfertigter Weise benachteiligt werden. Die Probleme, die sich bei der Zwangsverwertung stellen, wenn die Pfandrechte an der Sache selbst denen an Miteigentumsanteilen vorgehen, sind dagegen sehr wohl lösbar (vgl. Art. 73 lit. b VZG undBGE 69 III 12ff.). Soweit das Verbot der Belastung der Sache selbst nach Belastung von Miteigentumsanteilen das Entstehen erheblicher Schwierigkeiten bei der Zwangsverwertung verhindern soll, kann es sich also seinem Zwecke nach nur gegen die - von LEEMANN (a.a.O.) ins Auge gefasste und für rechtlich möglich gehaltene - Errichtung von solchen Pfandrechten an der Sache selbst richten, welche den Pfandrechten an den Miteigentumsanteilen nachgehen.

Da im vorliegenden Falle die Miteigentümer selbst ein dem Pfandrecht am verpfändeten Anteil vorgehendes Pfandrecht am Grundstück errichten wollen, braucht heute nicht entschiedenBGE 95 I 568 S. 575zu werden, ob sich Art. 648 Abs. 3 ZGB, wie MEIER-HAYOZ (N. 29 c zu Art. 648 ZGB) in Übereinstimmung mit der bundesrätlichen Botschaft (BBl 1962 II 1509) annimmt, nicht nur auf die rechtsgeschäftliche Errichtung von Grundpfandrechten durch die Miteigentümer, sondern auch auf die Eintragung von gesetzlichen Pfandrechten, namentlich Bauhandwerkerpfandrechten auf Verlangen der Gläubiger beziehe, obwohl die endgültige Fassung dieser Bestimmung nur sagt, dass "die Miteigentümer" die Sache selbst nach Verpfändung von Anteilen nicht mehr mit Grundpfandrechten belasten können. (Im bundesrätlichen Entwurf lautete Art. 648 Abs. 3 ZGB: "Bestehen Grundpfandrechte oder Grundlasten an Miteigentumsanteilen, so kann die Sache selbst nicht mehr mit solchen Rechten belastet werden." In dieser Fassung wurde Art. 648 Abs. 3 ZGB von den gesetzgebenden Räten angenommen: Sten.Bull. 1963 NR S. 217, StR 213/214. Der neue Absatz 2 von Art. 47 GBV lehnt sich an diese Fassung an, indem er sagt: "Bestehen Grundpfandrechte oder Grundlasten an Miteigentumsanteilen, so können solche Rechte nicht mehr zu Lasten des im Miteigentum stehenden Grundstückes eingetragen werden." Die in der Sammlung der eidgenössischen Gesetze enthaltene, in Erw. 2 hievor wiedergegebene Fassung von Art. 648 Abs. 3 ZGB erscheint erstmals in der Referendumsvorlage: BBl 1963 II 1448 ff. Die erfolgte Änderung wurde also offenbar als rein redaktionell betrachtet.)

b) Gleich wie der Gläubiger, dem die Sache selbst verpfändet ist, kraft seines Pfandrechts gegenüber den Gläubigern, denen nachher Miteigentumsanteile verpfändet werden, ein Vorrecht auf die von seinem Pfandrecht erfasste Quote des Grundstückswertes besitzt (Erw. 1 hievor, am Ende), hat ein Gläubiger, dem vor Verpfändung der Sache selbst ein Miteigentumsanteil verpfändet wurde, bis zur Höhe der Pfandsumme ein Vorrecht auf den Bruchteil des Grundstückswertes, der dem quotenmässigen Umfang des verpfändeten Miteigentumsanteils entspricht (vgl. die in Erw. 2 hievor zusammengefassten Ausführungen im Kommentar HAAB und in der Botschaft vom 7. Dezember 1962). Ein solcher Gläubiger braucht sich daher nicht gefallen zulassen, dass die Miteigentümer ein seinem Pfandrecht vorgehendes Pfandrecht an der Sache selbst errichten, es wäre denn, dass vor Verpfändung des Miteigentumsanteils zulasten des im Miteigentum stehenden Grundstücks eine leere Pfandstelle geschaffenBGE 95 I 568 S. 576wurde (vgl. hiezu MEIER-HAYOZ N. 29 a zu Art. 648 ZGB). Das ist aber kein zureichender Grund dafür, den Miteigentümern die Errichtung eines solchen Pfandrechts beim Fehlen einer leeren Pfandstelle schlechthin zu verbieten. Die Rücksicht auf die Rechte des Anteilspfandgläubigers verlangt vielmehr nur, dass den Miteigentümern verboten wird, ein dem Pfandrecht am Anteil vorgehendes Pfandrecht an der Sache selbst gegen den Willen des Anteilspfandgläubigers zu begründen, sofern sie sich das nicht durch Schaffung einer leeren Pfandstelle vorbehalten haben. Stimmt der Anteilspfandgläubiger, der über seine Rechte frei verfügen kann, der Errichtung eines seinem Pfandrecht vorgehenden Pfandrechts an der Sache selbst zu, so entfällt der gesetzgeberische Grund für die Anwendung von Art. 648 Abs. 3 ZGB, soweit er im Schutz der Anteilspfandgläubiger vor einer Beeinträchtigung ihrer Rechte durch die Miteigentümer liegt.

c) Das Bestehen von Grundpfandrechten an der Sache selbst bedeutet, wie die zutreffenden Ausführungen der bundesrätlichen Botschaft über die möglichen Folgen einer von Gläubigern solcher Pfandrechte veranlassten Verwertung der Sache zeigen, ganz allgemein eine Gefahr für den Fortbestand des Miteigentums und damit auch einen erheblichen Nachteil für die Inhaber von Miteigentumsanteilen. Abgesehen davon, dass die Miteigentümer riskieren, ihre Anteile infolge Untergangs des Miteigentums zu verlieren, kann das Bestehen von Pfandrechten an der Sache selbst auch die Belehnung der Anteile erschweren. Der Gesetzgeber hat aber hieraus nicht die Folgerung gezogen, die Begründung von Miteigentum zu verbieten, solange Pfandrechte an der Sache selbst bestehen, und die Verpfändung einer Sache nach der Begründung von Miteigentum daran allgemein zu untersagen. Er lässt vielmehr die Pfandrechte an der Sache selbst, wenn daran Miteigentum begründet wird, einfach fortbestehen (vgl. BBl 1962 II 1501 Abs. 2) und erlaubt den Miteigentümern sogar die Neubegründung solcher Pfandrechte; das wenigstens solange, als keine Pfandrechte an Anteilen bestehen (Art. 648 Abs. 2 und 3 ZGB). Unter dem Gesichtspunkte der Gefährdung des Miteigentums macht es aber keinen Unterschied aus, ob die Pfandrechte an der Sache selbst vor oder nach der Verpfändung von Anteilen begründet werden; die Gefährdung ist vielmehr in beiden Fällen die gleiche. Da der Gesetzgeber es nicht für nötig hielt, allgemein zu verhindern, dass an einer im Miteigentum stehenden Sache diese selbst erfassende PfandrechteBGE 95 I 568 S. 577bestehen, kann folglich auch nicht angenommen werden, das in Art. 648 Abs. 3 ZGB ausgesprochene Verbot der Verpfändung der Sache selbst nach Belastung von Anteilen müsse im Interesse der Erhaltung des Miteigentums auch dann gelten, wenn die Miteigentümer bereit sind, die Gefahren in Kauf zu nehmen, denen eine solche Verpfändung sie aussetzt, und wenn die Anteilspfandgläubiger ihrerseits damit einverstanden sind, dass das neu zu errichtende Pfandrecht an der Sache selbst ihren Pfandrechten vorgeht. Das lässt sich um so weniger annehmen, als die Beteiligten in einem solchen Falle rechtlich nicht gehindert wären, das von ihnen angestrebte Ziel dadurch zu erreichen, dass sie die Pfandrechte an den Anteilen löschen, das Pfandrecht an der Sache selbst eintragen und hierauf die Pfandrechte an den Anteilen wieder eintragen lassen (vgl. MEIER-HAYOZ N. 29 a zu Art. 648 ZGB, der die Verpfändung der Sache nach Ablösung der Anteilspfandrechte als zulässig erklärt). In einem solchen Vorgehen läge keine unzulässige Gesetzesumgehung, da das Gesetz nicht nur die dabei angewandten Mittel, sondern auch das damit erstrebte Ergebnis zulässt. Ein solches Vorgehen wäre aber umständlich und kostspielig, und die von Art. 648 Abs. 3 ZGB verfolgten Zwecke verlangen nicht, dass die Beteiligten diesen Umweg beschreiten, statt die von ihnen gewünschte Rechtsänderung unmittelbar herbeizuführen.

d) Art. 648 Abs. 3 ZGB verbietet also den Miteigentümern eines Grundstücks schlechthin, dieses nach der Verpfändung von Miteigentumsanteilen mit Pfandrechten zu belasten, die den Anteilspfandrechten nachgehen würden, weil dadurch bei der Zwangsverwertung grosse Schwierigkeiten entstünden. Ferner verbietet diese Vorschrift den Miteigentümern, nach der Verpfändung von Anteilen das Grundstück selbst gegen den Willen der Anteilspfandgläubiger mit einem den Pfandrechten an den Anteilen vorgehenden Pfandrecht zu belasten, weil das ein unzulässiger Eingriff in die Rechte der Anteilspfandgläubiger wäre. Sie schliesst dagegen nach ihrem Sinn und Zweck nicht aus, dass ein solches Pfandrecht mit Zustimmung der Gläubiger der Pfandrechte an den Anteilen errichtet wird. Diese Auffassung wurde denn auch, wie die Beschwerdeführer mit Recht bemerken, schon in den Beratungen der Studienkommission für das Stockwerkeigentum vertreten (Protokoll der Sitzungen vom 18. bis 20. und 23. September 1957, S. 17: Voten Cavin und Liver; abweichend das Votum Deschenaux). Warum der entsprechendeBGE 95 I 568 S. 578Zusatz zu Art. 648 Abs. 3 ZGB ("so kann ohne Zustimmung der Gläubiger dieser Rechte nicht auch noch die Sache mit solchen Rechten belastet werden"), der sich in dem von Prof. Liver auf Grund der Verarbeitung des Vernehmlassungsmaterials teilweise neu redigierten Gesetzestexte vom 31. März 1960 findet, später gestrichen wurde, geht aus den Materialien nicht klar hervor; noch in der Sitzung der Studienkommission vom 24. Juni 1960 führte Prof. Liver, ohne in diesem Punkt auf Widerspruch zu stossen, u.a. aus (Protokoll der Sitzungen vom 24. und 29. Juni und 6. Juli 1960, S. 2):

"... Wird die Sache verwertet und erzielt sie keinen Überschuss über die Forderungen der Gläubiger, denen sie als Pfand haftet, so gehen die Gläubiger, denen die Anteile als Pfand haften, leer aus, und die Anteile verschwinden; daher müssen denn auch die Gläubiger, denen die Anteile haften, in die nachträgliche Belastung der Sache einwilligen."

In der bundesrätlichen Botschaft und bei der parlamentarischen Beratung wurde die Frage, ob nach der Verpfändung von Miteigentumsanteilen auch das Grundstück selbst noch verpfändet werden könne, falls die Anteilspfandgläubiger zustimmen, nicht erörtert, und auch das Schrifttum behandelt diese Frage nicht. Wie zuzulassen ist, dass das Rangverhältnis zwischen beschränkten dinglichen Rechten am gleichen Gegenstand durch Vereinbarung aller Beteiligten abweichend von der gesetzlichen Ordnung geregelt wird (WIELAND N. 4, HOMBERGER N. 21 zu Art. 972 ZGB; LIVER, Einleitung zum 21. Titel, N. 42; Art. 812 Abs. 2 ZGB), darf grundsätzlich auch zugelassen werden, dass beim Bestehen von Pfandrechten, die rechtlich nicht den gleichen Gegenstand betreffen, aber das gleiche "Verwertungssubstrat" haben, die Beteiligten die Frage, in welcher Reihenfolge sie dieses Substrat für die Deckung ihrer Forderungen in Anspruch nehmen können, in allseitigem Einverständnis abweichend von der aus dem Gesetz sich ergebenden Ordnung regeln. Art. 648 Abs. 3 ZGB beschränkt diese Befugnis nach seinem wahren Sinn nur insofern, als er den Miteigentümern zur Vermeidung von grossen Schwierigkeiten bei der Zwangsverwertung schlechthin (auch für den Fall des Einverständnisses aller Beteiligten) verbietet, das Grundstück selbst nach Verpfändung von Anteilen mit einem Pfandrecht zu belasten, das den Anteilspfandrechten im angegebenen Sinne (hinsichtlich der Reihenfolge des Zugriffs auf das gemeinsame Verwertungssubstrat) nachgehen würde.

BGE 95 I 568 S. 579

4. Im vorliegenden Falle sind alle Beteiligten darüber einig, dass der Betrag der das Grundstück selbst belastenden Grundpfandverschreibung auf Fr. 85 000.-- erhöht werden und die Grundpfandverschreibung auch mit diesem erhöhten Betrag dem Pfandrecht am Miteigentumsanteil des Werner Hausmann im dargestellten Sinne vorgehen soll. Die Miteigentümer haben der Pfanderhöhung gemäss Art. 799 Abs. 2 ZGB in einer öffentlichen Urkunde zugestimmt. Die schriftliche Erklärung der aus dem Inhaberschuldbrief am Anteil Werner Hausmanns berechtigten Personen, wonach sie für dieses Anteilspfandrecht "den Rücktritt ... hinter einen Vorgang von nun Fr. 85 000.-- im I. Rang mit Zins bis 7%" erklären, lässt trotz ihrer nicht ganz sachgerechten Fassung deutlich erkennen, dass sie damit einverstanden sind, dass die auf Fr. 85 000.-- erhöhte Grundpfandverschreibung ihrem eigenen Pfandrecht vorgehen soll. Für diese Erklärung genügte die einfache Schriftform (vgl. LEEMANN N. 70, 71 zu Art. 813/814 ZGB). Die angemeldeten Rechtsänderungen sind daher im Grundbuch einzutragen.

BGE 97 III 49

Recht auf Vorausliquidation (Art. 41 SchKG).

Leitet der Gläubiger einer grundpfändlich gesicherten Forderung gleichzeitig für den Kapitalbetrag und die darauf verfallenen Zinsen ordentliche Betreibung ein und beruft sich der Schuldner auf sein Recht auf Vorausliquidation (Art. 41 Abs. 1 SchKG), so kann die Betreibung für die Zinsen gleichwohl auf dem ordentlichen Wege fortgesetzt werden (Art. 41 Abs. 2 SchKG).

Dispositive Natur von Art. 41 SchKG (Erw. 1).


1. Wer eine durch ein Pfand gesicherte Forderung in Betreibung setzen will, muss grundsätzlich eine auf Pfandverwertung gerichtete Betreibung einleiten (Art. 41 Abs. 1 SchKG), es sei denn, er habe mit dem Schuldner eine abweichende Vereinbarung getroffen oder er verzichte ausdrücklich und rechtzeitig auf das Pfandrecht (BGE 93 III 15 Erw. 1 mit Hinweisen). Beschreitet er trotzdem - auch beim Fehlen solcherBGE 97 III 49 S. 51besonderer Voraussetzungen - den ordentlichen Betreibungsweg, so ist die Betreibung nicht etwa von Amtes wegen als unzulässig aufzuheben. Da Art. 41 Abs. 1 SchKG dispositiver Natur ist, bleibt es dem Schuldner anheimgestellt, ob er seinen Anspruch auf Vorausliquidation des Pfandes (sog. beneficium excussionis realis) mit Beschwerde geltend machen will (vgl. auch Art. 85 Abs. 2 VZG); verzichtet er darauf, wird die gewöhnliche Betreibung rechtskräftig (BGE 58 III 59,BGE 63 III 129,BGE 73 III 15; JAEGER, Kommentar, Art. 41 N 2 und 151 N 2, JAEGER/DAENIKER, Praxis, Art. 41 N 5).

Hingegen hat der Gläubiger bezüglich grundpfandgesicherter Zinsen oder Annuitäten gemäss Art. 41 Abs. 2 SchKG freie Wahl, ob er Betreibung auf Pfandverwertung oder eine ordentliche Betreibung einleiten will; nur ist er an die einmal getroffene Wahl dann gebunden (BGE 61 III 70/71). Die unterschiedliche Behandlung pfandgesicherter Kapital- und grundpfandgesicherter Zinsforderungen ist rein vollstreckungsrechtlicher Natur. Aus dem materiellen Zivilrecht lässt sich daher zur Lösung des vorliegenden Rechtsstreits entgegen der Annahme der Vorinstanzen nichts herleiten (BGE 63 III 127/28).

2. Betreibungsrechtlich stand dem Vorgehen des Gläubigers, Kapital- und Zinsforderungen gleichzeitig in Betreibung zu setzen, nichts entgegen. Auch wurde durch die Geltendmachung der beiden Forderungen in einer einzigen Betreibung nicht eine Schicksalsgemeinschaft in dem Sinne geschaffen, dass die Unzulässigkeit der gewählten Betreibungsart für die eine Forderung auch die Unzulässigkeit der Fortsetzung der Betreibung für die andere bewirkte. Gleich wie der Schuldner nur hinsichtlich der einen Forderung hätte Recht vorschlagen können, hätte der Gläubiger die Möglichkeit gehabt, die Betreibung jederzeit auf eine der beiden Forderungen zu beschränken.

Es ist daher nicht einzusehen, warum die in Frage stehende Betreibung auch insoweit aufgehoben werden müsste, als sie sich auf die Zinsforderung von Fr. 1'350.-- (nebst 5% Zins seit 11. November 1970) bezieht. Von einer Einschränkung der Verteidigungsrechte des Betreibungsschuldners, der immerhin den nicht gerade auf der Hand liegenden Weg der Beschwerde erkannt und zu Recht eingeschlagen hat, kann keine Rede sein. Der Rekurs ist daher in Übereinstimmung mit der Minderheit der Vorinstanz gutzuheissen und die Fortsetzung der BetreibungBGE 97 III 49 S. 52- vorbehältlich eines allfällig erhobenen Rechtsvorschlags - für den Betrag von Fr. 1'350.-- nebst 5% Verzugszins zuzu lassen.

Dispositiv

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs und Konkurskammer:

In Gutheissung des Rekurses und entsprechender Aufhebung des angefochtenen Entscheides wird die verfügte Aufhebung der Betreibung auf den Forderungsbetrag von Fr. 30'000.-- beschränkt.

BGE 108 II 47

Grundpfandverschreibung.1. Ein Pfandrecht für einen unbegrenzten Kreis zukünftiger Forderungen verstösst gegen das Recht der Persönlichkeit und ist daher ungültig (E. 2).2. Eine Grundpfandverschreibung kann nicht durch blosse Zession der sichergestellten Forderung auf eine beim Zessionar bereits bestehende Forderung übertragen werden. Um eine solche Wirkung zu erreichen, bedarf es auf jeden Fall eines neuen öffentlich beurkundeten Pfanderrichtungsvertrages (E. 3).3. Dem Eintrag im Gläubigerregister kommt keine Grundbuchwirkung zu (E. 4).


1. Der Streit der Parteien dreht sich nur um die Frage, ob die Klägerin auch für die Forderung von Fr. 60'500.-- die ihr zufolgeBGE 108 II 47 S. 48des deliktischen Verhaltens des Gemeinschuldners B. gegenüber einer ihrer Kundinnen zusteht, das Grundpfandrecht beanspruchen kann, das mit Vertrag vom 3. Oktober 1977 und 28. Juni 1978 zugunsten der Schweizerischen Bankgesellschaft im Sinne einer Maximalhypothek im Betrag von Fr. 1'680'000.-- errichtet worden ist. Die Klägerin stützt ihren Anspruch darauf, dass das Grundpfand gemäss der öffentlich beurkundeten Pfandklausel "zur Sicherstellung aller Ansprüche irgendwelcher Art, die der Schweizerischen Bankgesellschaft, Davos, gegenüber B. zur Zeit schon zustehen oder in Zukunft je erwachsen werden", dienen soll. Mit der Abtretung der Forderung der Schweizerischen Bankgesellschaft gegen B. seien die damit verbundenen Vorzugs- und Nebenrechte, insbesondere das Grundpfandrecht, im vereinbarten Umfang von Fr. 1'680'000.-- auf die Klägerin übergegangen. Diese sei daher berechtigt, für alle Ansprüche irgendwelcher Art, die ihr gegenüber B. zustünden oder in Zukunft je erwachsen würden, grundpfandrechtliche Sicherheit bis zum Höchsthaftungsbetrag zu beanspruchen.

2. Mit der Zession konnte die Klägerin nicht mehr Rechte erwerben, als bereits der Zedentin zustanden. Es ist daher vorerst die Frage zu prüfen, in welchem Umfang die Grundpfandbestellung der Schweizerischen Bankgesellschaft als der ursprünglichen Pfandgläubigerin Sicherheit bot.

Nach Art. 824 Abs. 1 ZGB kann durch die Grundpfandverschreibung eine beliebige gegenwärtige oder zukünftige oder bloss mögliche Forderung pfandrechtlich sichergestellt werden. Aus Art. 825 Abs. 1 ZGB ergibt sich sodann, dass die Grundpfandverschreibung auch zur Sicherung einer Forderung mit unbestimmten oder wechselndem Betrag dienen kann. Aus diesen Bestimmungen folgt, dass die Grundpfandverschreibung nicht in allen Fällen vom Bestehen einer bestimmten Forderung abhängig ist. Wird im Rahmen eines dem Umfang nach wechselnden Kreditverhältnisses (Baukredit, Kontokorrentkredit) der Kredit abbezahlt, so geht das Pfandrecht daher nicht ohne weiteres unter. Vielmehr kann es im gleichen Rahmen zur Sicherstellung eines neuen Kredites verwendet werden, ohne dass eine Pfandrechtserneuerung erfolgen müsste (H. HUBER, Aktuelle Fragen aus dem Grundpfandrecht, ZBGR 39/1958, S. 348 ff., mit weiteren Hinweisen).

Die vorliegende Pfandklausel geht jedoch weit über die Sicherung eines Darlehensverhältnisses mit wechselndem Umfang hinaus und will nach ihrem Wortlaut alle nur denkbarenBGE 108 II 47 S. 49gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen der Bank gegen ihren Kunden einschliessen. In der Doktrin sind ernste Zweifel an der Zulässigkeit einer solchen Klausel geäussert worden. Es wurde darauf hingewiesen, dass ein Pfandrecht für einen unbegrenzten Kreis künftiger Forderungen dem Verpfänder hinsichtlich des Pfandobjekts eine unabsehbare, in alle Zukunft wirkende Belastung auferlegt, weil es praktisch nie mehr gelöscht werden könnte. Eine solche übermässige Bindung verletze das Recht der Persönlichkeit im Sinne von Art. 27 ZGB (OFTINGER/BÄR, N. 127a ff. zu Art. 884 ZGB, mit weiteren Hinweisen). Das Bundesgericht hat solche berechtigten Bedenken in BGE 51 II 273 ff. im Zusammenhang mit einer Faustpfandbestellung durch einen Schuldbrief Rechnung getragen. Es hat eine entsprechende Pfandklausel nur insoweit als gültig angesehen, als unter "noch erlaufenden Verbindlichkeiten" solche verstanden würden, an deren Begründung in der Zukunft die Kontrahenten bei Abschluss des Pfandvertrags vernünftigerweise hätten denken können und müssen, mit andern Worten solche Verbindlichkeiten, deren Eingehung in den Bereich der bereits bestehenden oder doch in Aussicht genommenen geschäftlichen Beziehungen zwischen den Kontrahenten falle. Von solchen Verbindlichkeiten wurde eine Wechselforderung ausgeschlossen, die der Pfandgläubiger von einem Dritten erworben hatte (BGE 51 II 282).

Es besteht kein Grund, weshalb diese einschränkende Auslegung einer solchen Pfandklausel nur für das Faustpfand, nicht aber im Zusammenhang mit einer Grundpfandverschreibung gelten sollte. Es ist daher zu prüfen, ob eine Forderung aus unerlaubter Handlung, wie sie von der Klägerin geltend gemacht wird, auch als pfandgesichert hätte angesehen werden können, wenn sie zugunsten der ursprünglichen Pfandgläubigerin entstanden wäre. Das ist nicht der Fall. Die unerlaubte Handlung des Gemeinschuldners, die bei der Klägerin zu einer Schadenersatzforderung im Betrag von Fr. 60'500.-- geführt hat, hat nichts mit dem Kreditverhältnis zu tun, das der Schuldner und die Schweizerische Bankgesellschaft im Zusammenhang mit der Überbauung eines Grundstücks in Davos begründet hatten. Zwar ist nicht auszuschliessen, dass auch im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses Forderungen aus unerlaubter Handlung entstehen könnten, die durch eine entsprechende Pfandklausel erfasst wären. Im vorliegenden Fall richtete sich das fragliche deliktische Verhalten jedoch in erster Linie gegen eine weitere Bankkundin, so dass dieBGE 108 II 47 S. 50Bank die Schadenersatzforderung gegen B. erst auf indirektem Weg geltend machen konnte. Damit bleibt aber diese Forderung ausserhalb des Bereichs bestehender oder doch in Aussicht genommener Geschäftsbeziehungen, die bei der Bestellung des Grundpfandes allein in die Pfandklausel einbezogen werden konnten, und es kann dafür keine Pfandsicherung beansprucht werden.

3. Abgesehen davon stellt die Schadenersatzforderung, für welche die Klägerin die Grundpfandsicherheit beansprucht, gar keine künftige Forderung im Rahmen der Geschäftsbeziehungen zwischen der neuen Pfandgläubigerin und dem bisherigen Pfandschuldner im Sinne des Pfandvertrags dar. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz sind die fraglichen Forderungen aus dem deliktischen Verhalten des B. gegenüber einer Kundin der Klägerin und damit auch die entsprechenden Forderungen der Klägerin gegen B. nämlich bereits am 9. November beziehungsweise am 12. und 14. Dezember 1979 entstanden. Die Zession der grundpfandgesicherten Forderung an die Klägerin erfolgte dagegen erst am 31. Januar 1980. Die Klägerin versucht somit, die als Nebenrecht der abgetretenen Forderung mit der Zession auf sie übergegangene Grundpfandverschreibung auf eine andere, bei ihr im Zeitpunkt der Zession bereits bestehende Forderung zu übertragen. Um eine solche Rechtswirkung zu erreichen bedarf es aber nach der feststehenden Rechtsprechung des Bundesgerichts auf jeden Fall eines neuen öffentlich beurkundeten Pfanderrichtungsvertrags, der im vorliegenden Fall nicht abgeschlossen worden ist (BGE 105 II 185 /186 E. 2, BGE 60 II 96 /97; Urteil vom 20. August 1979 i.S. B. & T. AG c. X.-Bank, veröffentlicht in ZBGR 61/1980 S. 58/59 E. 2).

4. Die Berufung erweist sich somit schon unter diesen Gesichtspunkten zum vornherein als unbegründet, so dass auf die weiteren Ausführungen in der Berufungsschrift nicht eingegangen werden muss. Immerhin sei bemerkt, dass dem Eintrag im Gläubigerregister entgegen der Auffassung der Klägerin keinerlei Grundbuchwirkung zukommt (BGE 87 III 69, BGE 40 II 597).

BGE 85 I 32

Ein Kanton, der im Rahmen von Art. 836 ZGB für gewisse öffentlich-rechtliche Forderungen (hier: die zürch.

Grundstückgewinnsteuer) ein gesetzliches Grundpfandrecht mit Vorrang vor allen andern Grundpfandrechten einführt,verletzt keine wohlerworbenen Rechte der Inhaber der vom Eigentümer errichteten Grundpfandrechte.


3. Die Eigentumsgarantie nach Art. 4 zürch. KV gewährleistet dem Bürger den Schutz seiner wohlerworbenen Privatrechte. Eingriffe des Staates und der Gemeinden in solche Rechte sind mit der Eigentumsgarantie nur vereinbar, wenn sie auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und, sofern sie in der Wirkung einer Enteignung gleichkommen, gegen Entschädigung erfolgen (BGE 82 I 161 Erw. 2 mit Verweisungen, BGE 84 I 172 Erw. 3).

Das Obergericht hat angenommen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Falle erfüllt seien und der dem gesetzlichen Grundpfandrecht für die Grundstückgewinnsteuer in § 1941it. e in Verbindung mit § 196 EG eingeräumte Vorrang vor den übrigen Grundpfandrechten daher einen zulässigen Eingriff in diese Rechte darstelle. Die Beschwerdeführerinnen machen demgegenüber geltend, das Obergericht habe das Vorliegen einer der genannten Voraussetzungen, nämlich eines haltbaren öffentlichen Interesses für den Eingriff in ihre Rechte, zu Unrecht, ja willkürlich bejaht. Dabei gehen sie, wie schon das Obergericht, ohne weiteres davon aus, dass nicht nur ihre Schuldbriefforderungen und die diese sichernden Pfandrechte wohlerworbene Rechte seien, sondern auch der diesen Pfandrechten gemäss der Grundbucheintragung zukommende Rang. Das versteht sich indessen keineswegs von selbst, sondern ist zu prüfen, und zwar von Amtes wegen, da davon abhängt, ob sich die Beschwerdeführerinnen überhaupt auf die Eigentumsgarantie berufen können.

Die subjektiven Rechte, die sie geltend machen, gehören dem Privatrecht an; es handelt sich um Pfandrechte, d.h. beschränkte dingliche Rechte, deren Gehalt vor allem durch die Privatrechtsordnung bestimmt wird. Die Eigentumsgarantie schützt solche Rechte nur mit dem InhaltBGE 85 I 32 S. 37und Umfang, den sie nach der jeweiligen objektiven Rechtsordnung, auf der sie beruhen, haben (vgl. KIRCHHOFER, Eigentumsgarantie, ZSR 1939 S. 140; GYGI, Über die Eigentumsgarantie, MBVR 1959 S. 258 c). Dass der Rang der Grundpfandrechte ein wohlerworbenes Recht darstelle, wird im angefochtenen Entscheid aus Art. 813 ZGB abgeleitet. Der Grundsatz der festen Pfandstellen, den diese Bestimmung aufstellt, und das sich hieraus ergebende Rangverhältnis unter verschiedenen Grundpfandrechten am gleichen Grundstück gelten jedoch nur für die durch den Eigentümer begründeten vertraglichen, nicht dagegen für die gesetzlichen Grundpfandrechte. Das ZGB selber kennt solche gesetzlichen Pfandrechte und gibt ihnen den Vorrang vor allen andern im Grundbuch eingetragenen Grundpfändern und sonstigen Belastungen (Art. 808 Abs. 3, 810 Abs. 2, 820/21 ZGB). Ferner behält Art. 836 ZGB ausdrücklich die gesetzlichen Pfandrechte des kantonalen Rechtes aus öffentlich-rechtlichen Verhältnissen vor, und zwar in der Meinung, dass das kantonale Recht ihnen den Rang zuweise und damit auch den Vorrang vor andern Grundpfandrechten einräumen könne (LEEMANN N. 9 zu Art. 813 und N. 15 zu Art. 836 ZGB; HOMBERGER N. 24 zu Art. 972 ZGB). Der Rang, den ein Grundpfandrecht bei der Errichtung durch den Grundeigentümer erhält, wird ihm somit nach den Vorschriften des ZGB selber nicht unbedingt verliehen, sondern nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der gesetzlichen Pfandrechte, insbesondere auch derjenigen des kantonalen öffentlichen Rechts. Dieser Vorbehalt gilt nicht nur für die gesetzlichen Pfandrechte, die in einem im Zeitpunkt der Errichtung vertraglicher Pfandrechte schon in Kraft stehenden kantonalen Gesetz vorgesehen sind, sondern auch für solche, die das kantonale Recht erst später einführt. Das ZGB beschränkt die Befugnisse der Kantone in dieser Beziehung nicht. Art. 836 ZGB lässt lediglich für die gesetzlichen Pfandrechte des kantonalen Rechts nur die Form der Grundpfandverschreibung zu und fordert eine Beziehung derBGE 85 I 32 S. 38pfandgesicherten Forderung zum Grundstück, setzt aber, wie schon die II. Zivilabteilung in der vorliegenden Streitsache festgestellt hat, dem kantonalen Recht inbezug auf die Höhe der Pfandforderung oder den Rang des Pfandrechts und auch sonst keine Schranken (BGE 84 II 100 Erw. 2). Der kantonale Gesetzgeber kann daher für gewisse öffentlich-rechtliche Forderungen ein gesetzliches Grundpfandrecht mit Vorrang vor allen andern Pfandrechten einführen, ohne auf die in diesem Zeitpunkt bereits bestehenden vertraglichen Pfandrechte Rücksicht zu nehmen. Es gehört demnach zum Wesen der durch den Grundeigentümer gemäss ZGB begründeten Grundpfandrechte, dass sie nicht einen absolut festen, beständigen und unverrückbaren Rang einnehmen; ihr Rang steht vielmehr unter dem Vorbehalt der gesetzlichen Pfandrechte insbesondere auch des kantonalen öffentlichen Rechtes. Dass dies eine gewisse Rechtsunsicherheit zur Folge haben und den Wert der vertraglichen Pfandrechte unter Umständen beeinträchtigen kann, ist nicht zu verkennen und in der Rechtslehre nicht übersehen worden (vgl. E. HUBER, Erläuterungen zum Vorentwurf 1900, 2. Aufl. S. 187/88; ROSSEL et MENTHA, Manuel du droit civil suisse, 2e éd. III p. 168/69; TUOR, Das schweiz ZGB § 102 III b). Dieser Mangel liegt jedoch in der Rechtsnatur der vertraglichen Pfandrechte, wie sie das ZGB geschaffen hat. Wenn daher der zürcherische Gesetzgeber in dem von Art. 836 ZGB gezogenen Rahmen ein gesetzliches Pfandrecht für die Grundstückgewinnsteuer der Gemeinden eingeführt hat, das den ersten Rang einnimmt und den die Schuldbriefe der Beschwerdeführerinnen sichernden Pfandrechten vorgeht, so können dadurch keine wohlerworbenen Rechte der Beschwerdeführerinnen verletzt worden sein. Da ihre vertraglichen Pfandrechte nach Massgabe des ZGB unter Vorbehalt solcher gesetzlicher Pfandrechte begründet worden sind, können sie sich der Nachstellung ihrer Schuldbriefe hinter diese Pfandrechte nicht widersetzen. Es standen ihnen inbezug auf das Rangverhältnis ihrer Schuldbriefe zumBGE 85 I 32 S. 39gesetzlichen Pfandrecht nie subjektive wohlerworbene Rechte zu, die durch den Erlass von § 1941it. e EG (in der Fassung gemäss § 201 StG) hätten verletzt werden können, weshalb ihre Berufung auf die Eigentumsgarantie unbegründet ist.



BGE 51 II 284

als grundsätzlich begründet und ist das Urteil der Vorinstanz zubestätigen. Doch kann sich diese Bestätigung freilich, wie die Beklagtemit Recht bemerkt, nicht auch darauf beziehen, dass der Schuldbrief ausihrer Faustpfandverwertungsbetreibung ausfällt; vielmehr kann die Beklagtegestützt auf den rechtskräftigen Zahlungsbefehi auch jetzt noch aufdie Verwertung dringen, sofern sie ein Interesse daran zu haben glaubt,obwohl ihr vom Verwertungserlös nichts wird zugeteilt werden können. Ihrdies im Urteilsdispositiv ausdrücklich vorzubehalten scheint indessennicht notwendig le 88111.Demnach erkennt das Bundesgericht _:Die Berufung wird. abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des KantonsAargau vom 2. April 1925 bestätigt.47. Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. Juli 1925 i. S. Wartmann gegenLötscher und Babamcher & cle.Unzulässigkeit der A n s ch 1 us s b e r u fu n g des Beklagten gegen dasdie Klage als unbegründet abweisende Urteil mit dem Antrag auf Verneinungder Aktivlegitimation des Klägers (Erw. 1).Aktivlegitimation und Passivlegitimation für die Klage auf Feststellungdes Nichtbestehens einer durch Grundpfandverschreibung versichertenForderung und fü r die Klage auf Löschung der Grundpfandeintragung imGrundbuch nachAbtretung der Forderung und n a c h V e r ä u s s e'rung des Pfandgrundstüekes: kann der Verkäufer noch auf Löschung klagen? Art. 975

ZGB. Das gesetzliche Grundpfandreeht des V e r k ä u f e rs steht nur dem Verkäufer laut öffentlich beurkundetem Kaufvertrag undnur für den öffentlich beurkundeten Kaufpreis zu. Art. 837 Ziff. 1

ZGB(Erw. 4).A. Am 10. Juli 1916 kaufte Josef Bloch, für den sein Vater Salomon Blochals bevollmächtigter VertreterSachenrecht. N° 47 . , 285handelte, durch öffentlich beurkundeten Vertrag von Franz Müller dessenaus 4 Parzellen bestehende Liegenschaft in Hochdorf; als Kaufpreis wurdedabei die Summe des Verschriebenen samt Zins, berechnet auf den 15. Juli1916 , angegeben, die an Kapital 44,949 Fr. 16 Cts. betrug. Noch bevores zur Fertigung (Eigentumsübertragung) gekommen war, schloss SalomonBloch als Vertreter des Josef Bloch mit der Klägerin Frau Wartmann am31. Juli 1916 einen nur privatschriftlich aufgesetzten Vertrag ab, durchwelchen er ihr die von Franz Müller erworbene Liegenschaft in Hochdorfum 58,000 Fr. verkaufte unter folgenden Bedingungen :Diese Summe ist wie folgt abzahlbar: 1813 Fr.durch Bloch für betriebene Zinse an das Betreibungsamt Hochdorf bis12. August 1916, Übernahme des GesamtVerschriebenen inklusiv nichtbetriebene Zinsen und Marchzinsen und die Restanz von zirka 10,000Fr. bis 12000 Fr. gemäss sich ergebender Abrechnung tilgbar durchzwei zu errichtende Grundpfandverschreibungen von ungefähr gleicherGrösse. Dieselben kommen in direkt nachfolgender Pfandstelle auf vierJahre fest verzinslich à 4 1/2 % ...... Die Kündigung hat je halb . 'jährlich zu geschehen ...... Gleichen Tages wurde der Kaufvertragzwischen Müller und Bloch von den Kontrahenten annulliert und verkaufteMüller seine Liegenschaft im Einverständnis des Bloch durch öffentlichbeurkundeten Vertrag an die Klägerin Frau Wartmann, wobei als Kaufpreiswiederum die Summe des Verschriebenen samt Zins und Marchzins, berechnetauf den 15. Juii 1916 , im erwähnten Kapitalbetrage von 44,949 Fr. 16Cts. angegeben wurde, Während die Belastung mit Zinsen 48,617 Fr. 42Cts. betrug. Ebenfalls noch am gleichen Tage stellte die Klägerin folgendedrei Bescheinigungen aus:11 Die unterzeichnete Frau Wartmann ...... als Liegenschaftsnachfolgerindes Franz Müller-Zeller erklärt hie-AS 51 n 1925 , 19286 Sachenrecht. N° 47.mit die Anschreibung nachfolgender Grundpfandverschreibnng haftendauf ...... (folgt die Aufführung einzelner Parzellen), wie anlässlichdes Kaufes übernommen : (erste Bescheinigung) 5000 Er ang. 15. Juli1916, verzinslich à 4 1/2 %, lautend zu Gunsten Josef Bloch ......(zweite Bescheinigung) 3000 Fr. angeg. 16. Juli 1916, verzinslich zu 41/2 %, lauteud zu Gunsten Josef Bloch.-....(dritte Bescheinigung) 1400 Fr. ang. 17. Juli 1916, verzinslich zu 41/2 %, laut-end zu Gunsten Josef Bloch ......Dieser Titel kommt direkt in nachfolgende Pfandstelle auf vier Jahrefest, verzinslich à 4 % % ...... Die Kündigung hat halbjährlich zugeschehen ......Die Fertigung des Kaufvertrages zwisehen Müller und der Klägerin(Eigentumsübertragung) fand am 8. November 1916 statt, ohne dass dabei dieneu zu errichtenden Grundpfandverschreibungen erwähnt worden wären ; diesewurden erst am 22. April 1917 in das Hypothekarprotokoll eingetragen. Am29. Mai bezw. 13. Juli 1917 trat Bloch die Grundpfandversehreibungenvon 5000 Fr. und 1400 Fr. bezw. die bezüglichen Forderungen ersterean den Beklagten Lötscher, letztere an die Beklagte Habermacher &C3 ab (diejenige von 3000 Fr. ist für den vorliegenden Prozessbedeutungslos). schon damals war Bloch mit der Klägerin FrauWartmann in Differenzen geraten, weil er nach ihrer BehauptungVersprechungen nicht hielt, durch Welche die Klägerin zur Errichtungder Grundpfandverschreibungen zu seinen Gunsten bestimmt worden seinwill ; deswegen erstattete die Klägerin im Oktober 1917 Strafanzeige,Welche jedoch wegen Landesabwesenheit des Bloch bisher nicht erledigtwerden konnte. Am 2. Juni 1919 sodann verkaufte die Klägerin die vonMüller gekaufte Liegenschaft um 60,000 Fr. an eine Frau Lang weiter,wobei die Gmndpfandversehreibungen der Beklagten von 5000 und 1400Fr. bei der Feststellung der Summe des Verschriebenen (54,942 Fr. 71Cts.) mit--Sachenreeht. N° 47. _ 287gezählt wurden mit der Bemerkung : Ziff ....... sind von der VerkäuferinFrau Lina Wartmann Eckert bestritten-, Es weitet über diese Postengegenwärtig ein Prozess, welcher von der Verkäuferin durchgeführt werdenmuss ; die teils bei der Verschreibung, teils auf die Fertigung hin barzu bezahlende Kaufrestanz wurde auf 5057 Fr. 29 Cts. bestimmt.Mit der vorliegenden, im August 1923 gegen Lötscher und Habermacher &Cie angehobenen Klage verlangt Frau Wartmann Nichtigerklärung derGrundpfandverschreihungen der Beklagten im Betrage von 5000 bezw.1400 Fr., eventuell deren Löschung im Hypothekarprotokoll alsungerechtfertigt. Der Beklagte Lötscher verlangt mit eventuellerWiderklage Bezahlung von 5000 Fr. nebst Zinsen.B. Durch Urteil vom 22. Januar 1925 hat das Obergericht des KantonsLuzern die Klage abgewiesen.C. -Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgerichteingelegt mit dem Antrag auf Gutheissung der Klage. ,D. Beide Beklagte haben sich der Berufung angeschlossen mit den Anträgen,es sei auf die Klage mangels Aktivlegitimation der Klägerin nichteinzutreten bezw. die Beklagten seien mangels Aktivlegitimation derKlägerin nicht gehalten, sich auf die Klage einzulassen, eventuell seidas angefochtene Urteil zu bestätigen, der Beklagte Lötscher ausserdemmit dem subeventuellen Antrag auf Gutheissung seiner Widerklage.Das Bundesgericht zieht in Erwägung :1. Die Beklagten sind durch das angefochtene Urteil, welches zwar ihreEinrede der mangelnden Aktivlegitimation der Klägerin verworfen, jedochdie Klage als unbegründet abgewiesen hat, wodurch auch die eventuelleWiderklage des Beklagten Lötscher gegen-} standslos geworden ist, nichtbeschwert und können daher das Rechtsmittel der Berufung dagegen nichtergreifen,288 Sachenrecht. N° 47.auch nicht anschlussweise. Doch erheischt schon die Beurteilung der(Haupt-) Berufung der Klägerin die Prüfung jener Einrede, zumal für denFall, dass die Klage als begründet befunden werden sollte. Dabei sindzu unterscheiden das Begehren um Feststellung des Nichtbestehens derForderungen und das Begehren um Löschung der Grundpfandrechte. Dagegenist die von den Beklagten auch noch erhobene Einrede der mangeln-denPassivlegitimation einheitlich zu beurteilen. Diese Einrede erweistsich als unbegründet, weil nach Abtretung der grundpiandversichertenForderungen durch Bloch an die Beklagten nicht mehr der Zedent, sonderndie Zessionare als gegenwärtige Forderungsund Grundpfandberechtigte dierichtigen Beklagten für die Klage auf Feststellung des Nichtbestehensder Forderungen und auf Löschung der Grundpfandverschreibungen sind.2. Insoweit mit der Klage die persönliche Schuldpflicht bezüglich derdurch die Grundpfandverschreibungen gesicherten Forderungen angefochtenwird, kann die Aktivlegitimation der Klägerin nicht verneint werden. Zwarist die Schuldpflicht (für den Fall, dass sie überhaupt besteht) als vonder Käuferin Frau Lang übernommen anzusehen, da sich die Berechnung derbar zu bezahlenden Kaufrestanz im Kaufvertrag mit ihr nur so erklärenlässt, und nach den vorliegenden Quittungen war es auch Frau Lang,wel-che die Schulden, mindestens diejenige an den Beklagten Lötscher,in den letzten Jahrren verzinst hat. Dagegen ist nicht einmal behauptet,weder dass die Schuldübernahme den Beklagten gemäss Art. 834 ZGB angezeigtwerden sei, noch dass diese binnen Jahresfrist seit der Anzeige keineErklärung abgegeben haben, dass sie die Klägerin als Schuldnerinbeibehalten wollen ; infolgedessen ist letztere nach wie vor alsSchuldnerin anzusehen {Art. 832 ZGB); als solche ist sie aber zur Klageauf Feststellung des 'Nichtbestehens der Forderungen legitimiert- Dagegenerweist sich die Klage in diesem Punkt als unbegründet.. Wes-de Nos 47. ss289 Insoweit nämlich die Eingebung dieser Schulden die Vergütung dafürdarstellt, dass die Klägerin die in Rede stehende Liegenschaft erhalte,lässt sich nichts mehr dagegen einwenden, nachdem sie die Liegenschaftum den Betrag der damaligen Grundpfandbelastung hat erwerben können,sei es auch aus dritter Hand, worauf jedoch nichts ankommt. Die weitereEinwendung aber, dass darin auch eine Gegenleistung für besondereZusicherungen liege, welche Bloch in der Folge nicht erfüllt habe, istfür das Bundesgericht erledigt durch die Entscheidung der Vorinstanz,dass derartige Zusicherungen nicht nachgewiesen seien (Art. 81

OG).8. Die Aktivlegitimation zur Klage auf Löschung derGrundpfandverschreibungen im Grundbuch bezw. Hypothekarprotokoll hatdie Klägerin durch die Übertragung der belasteten Liegenschaft infolgeVerkaufs an Frau Lang verloren, da ihr seither keinerlei dinglichesRecht mehr an derselben zusteht und sie infolgedessen durch dieGrundpfandeinträge im Zeitpunkt der erst lange nach dem Verkauf erfolgtenKlageanhebung nicht mehr in ihren dinglichen Rechten verletzt sein konnte,während Art. 975 ZGB die Klagelegitimation von der Verletzung des Klägersin eigenen dinglichen Rechten abhängig macht. Doch Wäre auch denkbar,dass die Klägerin den Lösehungsanspruch der gegenwärtigen Eigentümeringeltend machen will, sei es direkt gestützt auf eine Vollmacht, sei es alsdurch Abtretung von ihr abgeleiteten. Allein die Klägerin hat die Klageim eigenen Namen und nicht etwa (auch) im Namen der Frau Lang erhoben,wozu eine blosse Vollmacht ihr nicht die Befugnis hätte verleihen können,und eine Abtretung hat sie selbst nicht behauptet. Indessen gestehtbei wesentlich gleicher gesetzlicher Regelung die Rechtsprechung desdeutschen Reichsgerichts in viel lachen Entscheidungen (vgl. z. B. Band78 S. 8? ff.) auch demjenigen, welcher durch die Eintragung einer nichtbestehenden Grundstücksbelastung nicht290 Sachenrecht. N° 47.in seinen dingliehen Rechten beeinträchtigt wird, aber sonstwie an derenLöschung interessiert ist, das Recht zu, im eigenen Namen auf Löschungzu klagen auf Grund einer blossen Ermächtigung des in seinen dinglichenRechten Verletzten; dabei wird diese Ermächtigung in Gegensatz zurAbtretung des Berichtigungsanspruches gestellt, durch welche der Verletzteden Berichtigungsanspruch übertragen, also selbst einbüssen Würde. DieseRechtsprechung erweckt Bedenken, sowohl aus theoretischen Gründen,weil der Rechtsordnung ein derartiges Mittelding zwischen Abtretung undVollmacht sonst nicht bekannt ist -die Vorinstanz nennt die Klägerinfiduziarische Vertreterin, was jedoch einen Widerspruch in sich selbstbedeutet; vgl. über den Gegensatz zwischen Vollmacht und iiduziarischerZuwendung VON TUHR I S. 181 , als besonders auch aus praktischen Gründen,weil sie dem mit der Löschung Bedrohten einen andern als den in Art. 975 ZGB vorgesehenen Prozessgegner aufzwingt, was ihm wegen des Parteieides,wo ein solcher vom kantonalen Prozessrecht zugelassen ist, und namentlichwegen der Prozesskosten nicht immer gleichgültig sein kann; die gleichenpraktischen Bedenken würden übrigens ebenfalls gegen die Zulassung derAbtretung des Berichtigungsanspruches geltend gemacht werden können,die sich auch theoretisch nicht leicht rechtfertigen lässt, wenn auchaus ganz anderen Gesichtspunkten. Anderseits muss zugegeben werden, dassdie Stellung des an der Löschung interessierten Dritten d. h. nichtin seinen dinglichen Rechten Verletzten eine äusserst prekäre ist,wenn er darauf angewiesen ist, den Prozess im Namen des Verletztenzu führen, der nicht gezwungen werden kann, ihm dazu Vollmacht zuerteilen. Indessen braucht vorliegend nicht Stellung genommen zu werdenzur Frage, ob die Abtretung des Löschungsanspruches oder die Ermächtigungzur gerichtlichen Geltendmachung eines fremden Löschungsanspruches ineigenem NamenSuchem'e'cht. N° 17. Jstbei dringendem praktischen Bedürfnis auch gegen den Widerspruch desBeklagten zuzulassen sei. Denn einmal kann die Bemerkung im Kaufvertrag,dass die Käuferin die im Streite liegenden Grundpfandverschreibungenbestreite und darüber gegenwärtig ein von der Verkäuferin durchzuführenderProZess schwebe, weder als Rückzession des Löschungsanspruches seitensder Käuferin und nunmehrigen Eigentümerin Frau Lang an die Klägerin, dieVerkäuferin und frühere Eigentümerin, noch als Ermächtigung zur Anhebungder vorliegenden, erst Jahre nach dem Verkauf eingereichten Klage in ihremNamen angesehen werden, zumal da Frau Lang geradezu ein Interesse daranhatte, eine solche Ermächtigung oder Abtretung nicht zu erteilen, weilsie sich im Falle der Löschung der Grundpfandverschreibangen nicht mehrauf den Ausschluss der Kündbarkeit während einiger Jahre und die langeKündigungsfrist hätte berufen können, sondern mit der sofortigen Bezahlungder von ihr übernommenen, nun nicht mehr pfandversicherten Schulden,sei es an deren Gläubiger oder im Falle gleichzeitiger Feststellungdes Nichtbestehens jener Schulden ... an die Verkäuferin (als nichtbezahlten Kaufpreisrest oder aus ungerechtfertigter Bereicherung) hätterechnen müssen (vgl. AS 40 II S. 600). sodann bestand für die Klägeringar keinerlei dringendes Bedürfnis, die Löschungsklage selbst anstellenzu können, sondern ihr Interesse konzentrierte sich auf die Feststellungdes Nichtbestehens der durch die Grundpfandverschreibungen versichertenForderungen : wurde diese abgelehnt, was nun geschehen ist, so vermochteihr die Löschung der Grundpfandverschreibungen doch keinen Vorteil zuversehaffen, ja gegenteils war auch sie der sofortigen Geltendmachungderselben nach Wegfall der Pfandsicherung ausgesetzt, solange sie nichtals Schuldnerin entlassen war; erreichte sie aber die Feststellung desNichtbestehens der Forderungen, so stand nichts mehr im Wege, dass sie den292 Sachenrecht. N° 47.entsprechenden Betrag von der Käuferin einfarderte, weil dann feststand,dass diese aus der Übernahme jener Schulden nicht belangt werden undnun ihrerseits mit Erfolg die Löschungsklage bezüglich der nur nochformal bestehenden Grundpfandeinträge erheben konnte. Somit ist dieLöschung'sklage schon wegen Fehlens der Aktivlegitimation der Klägerinabzuweisen; dadurch würde der subeventuelle Antrag der Anschlussberufungdes Beklagten Lötscher gegenstandslos, sofern er überhaupt zulässiggewesen Wäre.4. Dagegen hätte den Urteilsgründen, aus welchen die Vorinstanz dieLöschungsklage abgewiesen hat, freilich nicht heigestimmt werdenkönnen. Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass für die in Fragestehenden Forderungen ein besonderer Pfandakt im Sinne von Art. 799 ZGB nicht errichtet wurde , m. a. W. dass kein öffentlich beurkundeterVertrag auf Errichtung der Grundpfandverschreibungen vorliegt; siehat dies jedoch als für die Gültigkeit der Pfandbestellung belanglosbezeichnet, weil dem Bloch von Gesetzes wegen (Art. 837 Ziff. 1 ZGB)ein Anspruch auf Grundpfandversicherung der Kaufpreisrestanz zugestandenhabe. Hievon kann keine Rede sein. Ein solcher Anspruch steht nachder angeführten Vorschrift nur dem Verkäufer für seine Forderung,d. h. die Kaufpreisforderung zu. Verkäufer war aber vorliegend Müller,dem die Liegenschaft gehörte und mit dem allein die Klägerin einenöffentlich beurkundeten Kaufvertrag abschloss, Während der mit Bloch,dem ursprünglichen Gläubiger der Grundpfandverschreibungen, abgeschlosseneVertrag mangels öffentlicher Beurkundung als Kaufvertrag nicht in Betrachtfällt. Infolgedessen können die durch die 'Grundpfandverschreibungengesicherten Forderungen auch nicht den Kaufpreis (-rest) darstellen. DerUmstand, dass die Summe der Grundpfandverschreibungen, 9400 Fr., demBetrage entspricht, welchen Bloch im Falle, dass er die von Müllergekaufte Liegenschaft selbstSachenrecht. N° 47. , 293an die Klägerin weiter-verkauft hätte, über den im öffentlich heurkundetenKaufvertrage der Klägerin mit Müller aufgeführten Kaufpreis von 48,617Fr..42 Cts. hinaus. gefordert haben würde, wenn die Klägerin nicht unterAufhebung des Kaufvertrages zwischen Müller und Bloch die Liegenschaftdirekt von Müller gekauft hätte, ändert hieran nichts, sondern lässt dieGrundpfandverschreibungen als Vergütung für den Verzicht des Bloch aufdie Vorteile des ihm möglichen Weiterverkaufs um die Gesamtsumme vonrund 58,000 Fr. erscheinen. Sodann kann auch der Verkäufer selbst dasgesetzliche Grundpfandrecht nur für die durch öffentliche Beurkundunggültig hegründete und nicht für eine allfällig dissimulierte höhere(Restanz der) Kaufpreisforderung in Anspruch nehmen ; insbesondereergibt sich das Gegenteil nicht aus dem von der Vorinstanz angezogenenUrteil in AS 49 II S. 468 ff., welches sich nur über die Wirkungen derNichtaufführung des bereits vor der öffentlichen Beurkundung bezahltenTeiles des Kaufpreises im öffentlich beurkundeten Kaufvertrag aus-spricht,ganz abgesehen davon, dass es sich nach dem Ausgeführten vorliegendgar nicht um eine unrichtige öffentliche Beurkundung des a n d e 11V e r k a u f e r (Müller) zu bezahlenden Kaufpreises handelt. Dassdie Grundpfandverschreibungen zu Gunsten des Bloch trotz Fehlens einesöffentlich heurkundeten Pfandvertrages im Hypothekarprotokoll eingetragenworden sind, welches gemäss Art. 9 ZGB für die durch es bezeugten T a tsa c h e n vollen Beweis erbringt, solange nicht die Unrichtigkeit seinesInhaltes nachgewiesen ist, verschlägt nichts, nachdem gemäss eigenerFeststellung der Vorinstanz ein öffentlich beurkundeter Pfandvertrag nichtvorliegt, ohne den nach dem Ausgeführten die Grundpfandverschreibungenkeinen Bestand haben. Die Klage auf Löschung der Grundpfandverschreibungenwürde sich sonach als begründet erwiesen haben, es Wäre denn, dass sichdie Beklagten infolge Gleichstellung294 s SachenreCht. N° 48.der luzsiernischen Hypothekarprotokolle mit dem Grundbuch des ZGB auf dieGrundbuchwirkung zu Gunsten gutgläubiger Dritter hätten berufen können(ZGBVArt. 973, Schlusstitel Art. 48 Abs. 3), worüber auf Gutheis-sungder Berufung im Sinne der Rückweisung hin die Vorinstanz noch hätteentscheiden müssen.Demnach erkennt das Bundesgericht :Auf die Anschlussberufungen der Beklagten wird nicht eingetreten. DieHauptberufung der Klägerin wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichtsdes Kantons Luzern vom 22. Januar 1925 bestätigt.48. Urteil der n. zffilabtenung vom 14. Jali1925 i. S. Lüschsr gegenMattenberger und Genossen.Art. 650 ZGB. Aufhebungdes Miteigent u m s. In die Steigerungsbedingungenzur Aufhebung des Miteigentums darf ein M i n d e s t p r ei s zurBedingung des Zuseh'iages gemacht werden, wenn zugleich eine innertbestimmter Frist abzuhaltende z w e i t e Steigerung für den Fallvorgesehen wird, dass die erste ergebnislos sein sollte; für diesezweite Steigerung darf ein Mindestangebot nicht mehr zur Bedingunggemacht werden.A. Die Parteien, die Miteigentümer der Liegenschaft Nr. 1035 desGrundbuches Aarau (Interimregister Nr. 1737) sind, wollten ihrGrundstück öffentlich versteigem, nachdem ein freihändiger Verkaufan den Staat Aargau, der ihnen 10 Fr. für den Quadratmeter gebotenhatte, nicht zustande gekommen war. Sie konnten sich jedoch aufdie Steigerungsbedingungen nicht einigen. Die Kläger verlangten dieAufnahme der Bedingung, dass ein Zuschlag nur erfolgen dürfe, wenn dasHöchstangebot, ohne jede Kostenbelastung, wenigstens 10 Fr. für denQuadratmeter betrage, gleichgültig, ob das Grundstück gesamthaft oderin Teilstücken versteigert werde ;Sachenrecht. N° 48. 295für den Fall, dass der Staat Aargau bieten und ihm die Liegenschaftzugeschlagen werden sollte, erklärten sie sich damit einverstanden,dass er von jeder Verpflichtung zu Bürgschaft und Pfandbestellung,die andern Käufern zu überbinden sei, befreit werde, wenn er denPreis innert 14 Tagen bezahle. Der Beklagte jedoch erhob gegendie Festsetzung eines Mindestangehotes Einsprache, da dadurch derErfolg der Steigerung in Frage gestellt werde, und er wollte auch dieBürgschaftsund Pfand-bestellungsverpflichtung dem Staate Aargau gegenüberaufrechterhalten wissen.B. Auf erfolgte Klage hin hat das Obergericht des Kantons Aargau mitUrteil vom 28. April 1925 in Bestätigung des Urteils des BezirksgerichtsAarau die Steigerungsbedingnngen in der Weise festgesetzt, dass dasGrundstück zuerst in Teilstücken, dann gesamthaft ausgemfen ist;der Zuschlag darf jedoch nur erfolgen, wenn das Höchstangebot einenGesamtpreis von 10 Fr. für den Quadratmeter erreicht ; der Kaufpreisist durch zwei habhafte, solidarisch haftende Bürgen sicherzustellen,vom Steigerungstag an mit 5 1/2 % zu verzinsen und innert Monatsfrist barzu bezahlen ;v bis dahin ist dafür an erster Stelle ein Pfandrecht aufdas Grundstück zu legen ; falls jedoch der staat Aargau die Liegenschafterwirbt, ist er von der Sicherstellung durch Bürgschaft und Pfandrechtbefreit.C. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte die Berufung an das Bundesgerichterklärt. Er erneuert sein Begehren, dass ein Mindestangebot nicht zurSteigerungsbedingung gemacht werde und lehnt die Befreiung des StaatesAargau von Sicherheitsleistungen ab.Das Bundesgericht zieht in Erwägung :Mit Recht hat die Vorinstanz den Staat Aargau von der Verpflichtung zuBürgschaft und Pfandbestellung ausgenommen, falls er auf die Liegenschaftder Parteien bieten und sie ihm zugeschlagen werden sollte.

BGE 92 II 227

Bauhandwerkerpfandrecht. - Fahrnisbaute.

1. Rechtsnatur des Anspruchs auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes für die Forderungen der Bauhandwerker und -unternehmer (Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Der Anspruch richtet sich gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstückes, auf dem der Bau erstellt wurde, selbst wenn das nicht im Auftrag dieses Eigentümers, sondern eines Mieters geschehen ist (Erw. 1; Änderung der Rechtsprechung).

2. Einrede des beklagten Grundeigentümers, die Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes sei deshalb ausgeschlossen, weil der klagende Bauhandwerker oder -unternehmer nur Material und Arbeit für die Erstellung einer nicht Bestandteil des Grundstücks gewordenen, sondern im Eigentum des Mieters verbliebenen Fahrnisbaute (Art. 677 ZGB) geliefert habe. Objektive und subjektive Kriterien für die Unterscheidung von Fahrnis- und Dauerbauten. Fall eines Fabrikgebäudes (Erw. 2).


1. Das Bundesgericht hat in einer Reihe von Urteilen entschieden, dem Unternehmer stehe kein Anspruch auf Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechtes zu, wenn der zur Pfandbestellung verpflichtete Grundstückeigentümer in Konkurs gefallen ist oder wenn er das Grundstück an einen Dritten veräussert hat (BGE 40 II 452, BGE 73 I 278, BGE 81 II 279). Der Anspruch wurde auch dann verneint, wenn ein Mieter die betreffenden Arbeiten in Auftrag gegeben hatte, selbst wenn es mit Wissen des Grundstückeigentümers geschehen war (BGE 56 II 163). Das Bundesgericht liess sich dabei im wesentlichen von der Überlegung leiten, Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB gewähre dem Unternehmer kein ohne Eintragung im Grundbuch bestehendes Pfandrecht, sondern nur den Anspruch auf Errichtung eines solchen. Dabei handle es sich um einen rein obligatorischen Anspruch, der im Konkurs des Grundstückeigentümers oder gegen einen Dritterwerber des Grundstücks nicht durchgesetzt werden könne, ebensowenig gegen den Eigentümer des Grundstücks, der nicht Schuldner der Bauhandwerkerforderung sei. Diese Rechtsprechung war insofern zutreffend, als sie der Auffassung von Huber und Leemann entgegentrat, es handle sich um einen dinglichen, absoluten Anspruch (EUGEN HUBER, Zum schweiz. Sachenrecht, in Abhandlungen zum schweiz. Recht, Heft 58 S. 61 f.; LEEMANN in SJZ 9 S. 84 f.). Es kann in dieser Beziehung auf die eingehenden Ausführungen in BGE 40 II 459 f. verwiesen werden, die durch die Kritik LEEMANNS (Kommentar N. 25 zu Art. 837 ZGB) nicht widerlegt werden konnten; denn das Wesensmerkmal des dinglichen Rechts ist die unmittelbare Herrschaft über eine Sache.

Trotzdem lässt sich die erwähnte Rechtsprechung nicht aufrecht erhalten. Die Doktrin nimmt seither nämlich an, es handle sich bei allen unserer Gesetzgebung bekannten Schuldverhältnissen, wo der Schuldner - und oft auch der Gläubiger - durch die dingliche Berechtigung oder den Besitz an einer Sache bestimmt wird, um sog. Realobligationen (LIVER, Kommentar, Die beschränkten dinglichen Rechte, Einleitung N. 148 f., insbes. N. 157; MEIER-HAYOZ, Kommentar zum Sachenrecht, Systematischer Teil N. 150 f., insbes. N. 157 a; JOST, Die RealobligationBGE 92 II 227 S. 230als Rechtsinstitut, S. 81 f.; LIVER, Die Realobligation, ZBGR 43 (1962) S. 272 f., und derselbe, Die Begründung des Bauhandwerkerpfandrechtes, ZBJV 98 (1962) S. 209 f.; vgl. auch DESCHENAUX, Obligations propter rem, in Festschrift Max Gutzwiller, S. 725; ferner: BGE 92 II 147). Daraus ist mit Recht zu folgern, dass sich der Anspruch des Bauhandwerkers auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes (Art. 837 ZGB) gegen den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks richtet, auf dessen Boden Material und Arbeiten zu Bauten oder andern Werken geliefert worden sind. Der Vorinstanz ist somit darin beizustimmen, dass dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechtes gegen die Beklagte als Eigentümerin des Grundstücks Kat. Nr. 1093 zusteht, obschon sie nicht Schuldnerin der Unternehmerforderung ist, zu deren Sicherstellung die Eintragung des Pfandrechts verlangt wird.

2. Das Handelsgericht hat jedoch die Klage mit der Begründung abgewiesen, es handle sich um Arbeiten an Fahrnisbauten im Sinne von Art. 677 ZGB, die im Eigentum der Reblis Fertigbau AG verblieben und nicht Bestandteil des Grundstücks der Beklagten geworden seien; die Eintragung eines Grundpfandrechts zu Lasten von Fahrnisbauten sei nicht möglich. Dabei stellte die Vorinstanz entscheidend darauf ab, dass der Mietvertrag zwischen der Reblis Fertigbau AG und der Beklagten zeitlich befristet und die Baubewilligung nur provisorisch für längstens fünf Jahre erteilt worden waren. Sie schloss daraus, die Bauten seien ohne Absicht bleibender Verbindung auf dem Grundstück der Beklagten errichtet worden, und erblickte in diesem Umstand das massgebende Merkmal der Fahrnisbaute.

a) Art. 677 Abs. 1 ZGB lautet: "Hütten, Buden, Baracken und dergleichen behalten, wenn sie ohne Absicht bleibender Verbindung auf fremdem Boden aufgerichtet sind, ihren besondern Eigentümer." Die ersten Kommentatoren erklärten durchwegs, der Nachdruck dieser Bestimmung liege nicht auf den im Gesetzestext angeführten Beispielen, sondern auf dem Satz: "wenn sie ohne Absicht bleibender Verbindung... aufgerichtet sind". Die Festigkeit der Verbindung und die Art der Konstruktion spiele keine Rolle (so WIELAND, Kommentar N.1, und LEEMANN, Kommentar N. 2 und 3 zu Art. 677 ZGB). Auch HAAB (Kommentar N. 16 zu Art. 667 ZGB) folgte dieserBGE 92 II 227 S. 231Auffassung und erklärte: "Das Kriterium des Gegensatzes zwischen Fahrnis- und Dauerbauten bildet nicht... die Beschaffenheit des Baues." Massgebend sei vielmehr, ob die Absicht bleibender Verbindung obwalte. Bei dieser Auslegung des Art. 677 ZGB lehnten sich die genannten Autoren eng an die Bestimmung des § 95 BGB und die dazu bestehenden Lehrmeinungen an (insbesondere an BIERMANN, Superficies solo cedit, in Iherings Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Bd. 34 (1895) S. 169 f.).

Nun ist aber darauf zu verweisen, dass der schweizerische Gesetzgeber auch in diesem Bereich nicht einfach ausländische Lösungen übernommen hat. Er legte seiner Regelung weder das deutsche Recht, welches das subjektive Moment der Dauer der Verbindung betont, noch die französische Lösung, die dem objektiven Merkmal entscheidende Bedeutung einräumt, zugrunde. Für ihn bildete das geltende kantonale Recht, das deutlich auf das subjektive und zugleich das objektive Kriterium abstellte (vgl. z.B. § 48 (474) des Zürcher Privatgesetzbuches), den Ausgangspunkt für die Bestimmung von Art. 677 ZGB.

So verweist EUGEN HUBER in den Erläuterungen zum Vorentwurf eines schweizerischen Zivilgesetzbuches (2. Auflage, S. 90) auf die Darstellung der geltenden kantonalen Rechte in seinem Werk "System und Geschichte des Schweizerischen Privatrechts", keineswegs aber auf ausländische Vorbilder. Im Nationalrat führte er noch folgendes aus (Sten.Bull. der Bundesversammlung 1906 S. 536):

"Endlich haben wir noch einen 5. Fall anzuführen, die Fahrnisbauten. Da ist einfach darauf zu verweisen, dass schon nach dem geltenden Recht Hütten, Buden, Baracken, Schöpfe und dgl., die nur vorübergehend auf einem Grundstück errichtet werden, auch wenn sie eingemauert sind, ihren eigenen Eigentümer behalten können. Sie gelten als bewegliche Sachen..."

Aus Obigem ergibt sich, dass es nicht angängig ist, die im Gesetzestext ausdrücklich erwähnten Beispiele für Fahrnisbauten als unerheblich zu erklären und nur auf die "Absicht bleibender Verbindung" abzustellen.

b) Aber auch die systematischen Zusammenhänge des Gesetzes legen es nahe, für die Unterscheidung von Fahrnis- und Dauerbauten als beachtenswertes Indiz neben dem subjektiven Moment objektiv die äussere Verbindung zwischen Baute und Grundstück beizuziehen. Art. 677 ZGB grenzt den GeltungsbereichBGE 92 II 227 S. 232des Akzessionsprinzips im Grundstücksrecht ab, wonach das Grundeigentum die mit dem Grund und Boden oberirdisch oder unterirdisch verbundenen Bauten - als dessen Bestandteile - umfasst (MEIER-HAYOZ, Kommentar N. 1 zu Art. 667 ZGB). Die Bestimmung legt fest, unter welchen Voraussetzungen die in Art. 667 Abs. 2 ZGB umschriebene Akzession nicht eintritt. Für den Sonderfall der Verbindung einer Baute mit einem Grundstück muss hiebei gelten, was in Art. 642 ZGB als Zusammenhang zwischen Bestandteil und Hauptsache allgemein vorausgesetzt wird (MEIER-HAYOZ, N. 2 und 7 zu Art. 677 ZGB), nämlich: neben der innern die äussere Verbindung von Bau und Grundstück, d.h. ein Mindestmass äusserlicher Erkennbarkeit. Liegen objektive Merkmale vor, wie sie den in Art. 677 Abs. 1 ZGB - freilich nicht abschliessend - aufgezählten Beispielen (Hütten, Buden, Baracken und dergleichen) eigen sind, so kommt der Absicht der Parteien besondere Bedeutung zu. Steht dagegen eine Baute in intensiverer Verbindung mit dem Boden, so liegt im vornherein eine Dauerbaute vor, auch wenn die Beteiligten den Willen gehabt haben sollten, sie nur vorübergehend zu errichten. Eine andere Betrachtungsweise mit weitergehender Betonung des subjektiven Elements schüfe die Gefahr eines Einbruchs in das gesetzliche Akzessionsprinzip (MEIER-HAYOZ, Kommentar N. 13 am Schluss zu Art. 642 ZGB und N. 7 zu Art. 677 ZGB).

c) Betrachtet man den heutigen Fall unter diesem Gesichtswinkel, so ergibt sich, dass es sich vorliegend nicht um eine Fahrnisbaute handelt. Hiegegen sprechen schon die in den Akten liegenden Pläne zum Bau einer Fertigteilfabrik. Ein Fabrikgebäude kann, auch wenn es zum Teil aus vorfabrizierten Elementen besteht, nicht den vom Gesetz genannten Beispielen für Fahrnisbauten zugeordnet werden. Dass Fundamente betoniert wurden, ist nicht entscheidend. Das kommt auch bei ausgesprochenen Zeitbauten wie Ausstellungshallen etc. vor. Der Unterschied zu solchen Bauten liegt hier darin, dass die Anlagen, namentlich die vom Kläger erstellten Teile (Batteriegrube, Kranbahn, Fundamente für Stahltische), nicht nur nötig waren, um die Baute zu verankern, sondern Teil einer dauernd mit dem Boden verbundenen Fabrikanlage bilden und - wie die Vorinstanz feststellte - nicht demontiert, sondern nur durch Zerstörung beseitigt werden können. Dazu kommt, dass auch der zwischen dem grossen Hallenfundament liegende Boden auf eine Länge von ca. 80 m betoniert wurde.

BGE 92 II 227 S. 233

Die Vorinstanz legt Gewicht auf den Umstand, dass die Baubewilligung vom Gemeinderat von Hüntwangen nur für eine provisorische Baute erteilt worden sei, mit der Bestimmung, die Anlage, wenn es im öffentlichen Interesse liegende Gründe erheischten, sofort, spätestens aber bis Ende 1970 abzubrechen. Ein Anhaltspunkt für oder gegen die Annahme einer Fahrnisbaute lässt sich jedoch aus der baupolizeilichen Bewilligung nicht gewinnen. Der vom Gemeinderat beschrittene Weg wurde offenbar eingeschlagen, weil für das fragliche Gebiet noch kein Bebauungs- und Quartierplan vorlag. Dieser Umstand bildet nach den § 20 und § 129 des Zürcher Baugesetzes vom 23. April 1893 ein Hindernis für die Erteilung der Baubewilligung. Deshalb konnte nur die Bewilligung zur Erstellung einer provisorischen Baute gemäss § 98 des Baugesetzes erteilt werden. Dass es sich so verhält, ergibt sich u.a. aus dem Schreiben des Tiefbauamtes des Kantons Zürich vom 10. Dezember 1964 an den Gemeinderat Hüntwangen, wo ausgeführt wird:

"Auf Grund von § 129 des Baugesetzes könnte eine Erteilung der Baubewilligung zurückgestellt werden, bis nach Abklärung der neuen Verhältnisse die Baulinien neu festgelegt sind. Um aber einer Erteilung der Baubewilligung nicht allenfalls unnötige Hindernisse in den Weg zu legen, können wir derselben unter nachstehenden Bedingungen zustimmen."

Zweifellos wäre der Gemeinderat in Anbetracht der vorgesehenen Investitionen und des wirtschaftlichen Interesses der Gemeinde später - nach Erstellung eines Bebauungs- und Quartierplanes - bereit gewesen, das Provisorium in ein Definitivum umzuwandeln.

d) Schliesslich ist auch die Auffassung der Vorinstanz, es habe sich nach Meinung der Beklagten und der Reblis Fertigbau AG um die Fahrnisbaute gehandelt, anfechtbar. Freilich bildet die Absicht der Beteiligten eine sog. innere Tatsache, die von der kantonalen Instanz gemäss Art. 63 Abs. 2 OG in für das Bundesgericht verbindlicher Weise festgestellt wird (BGE 81 II 272, Erw. 4). Allein, eine solche tatbeständliche Feststellung muss auf einer Beweiswürdigung beruhen. Begnügt sich dagegen die kantonale Instanz damit, vorprozessuale Erklärungen der Parteien oder Dritter, z.B. wie im vorliegenden Fall Verträge, herbeizuziehen, ohne durch weitere Indizien (Zeugen, Parteiaussagen, Urkunden etc.) deren Inhalt zu bestimmen, so kann das Bundesgericht diese Parteierklärungen frei überprüfen; denn es handelt sich darum, ihre rechtliche Tragweite zu bestimmenBGE 92 II 227 S. 234(vgl. dazu BGE 61 II 40, BGE 66 II 267, BGE 87 II 237, BGE 88 II 504 und BGE 90 II 455 Erw. 3 mit Hinweisen; BIRCHMEIER, S. 102 zu Art. 43 OG; DESCHENAUX, La distinction du fait et du droit dans les procédures de recours au Tribunal fédéral, S. 65).

Aus den Vereinbarungen zwischen der Beklagten und der Reblis Fertigbau AG vom 16. Februar/3. März 1965 lässt sich nicht der Schluss ziehen, es sei eine bloss vorübergehende Verbindung der Baute mit dem Boden beabsichtigt gewesen. Freilich war der Mietvertrag nur bis zum erstmaligen Ablauf der baupolizeilichen Provisoriumsfrist, längstens aber bis 31. Dezember 1969 abgeschlossen worden. Zugleich wurde aber vereinbart, es solle der Reblis Fertigbau AG nach Erteilung der definitiven Bewilligung zur Erstellung des Elementbauwerkes als permanente Anlage ein bis zum 31. Dezember 1986 befristetes Baurecht eingeräumt werden. Für den Fall, dass nach dessen Ablauf keine Einigung über eine Verlängerung erzielt werden konnte, stand der Baurechtsberechtigten zudem ein Kaufsrecht an der Liegenschaft zu. Damit haben die Vertragsparteien deutlich zu erkennen gegeben, dass sie mit einer Dauerbaute rechneten. Ein Baurecht kann überhaupt nicht für Fahrnisbauten, sondern nur für Dauerbauten eingeräumt werden. Die Umwandlung einer Fahrnisbaute in eine Dauerbaute ist allerdings möglich (vgl. HAAB, N. 17 zu Art. 667), wenn der Bau ursprünglich zur Erfüllung vorübergehender Zwecke bestimmt war und später einem dauernden Zweck gewidmet wird. Davon kann vorliegend keine Rede sein.

BGE 112 II 214

Frist zur Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts im Falle von Stockwerkeigentum (Art. 839 Abs. 2 ZGB).

Für sämtliche Arbeiten und Materiallieferungen, die der Unternehmer zu Gunsten der einzelnen Stockwerkeinheiten erbracht hat, beginnt die Eintragungsfrist jedenfalls dann mit dem Abschluss der Leistungen in den jeweiligen Wohnungen zu laufen, wenn das Stockwerkeigentum schon vor deren Beginn begründet worden war.


1. Gemäss Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB besteht ein Anspruch auf Errichtung eines gesetzlichen Grundpfandes für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die zu Bauten oder andern Werken auf einem Grundstück Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben. Die Eintragung des Pfandrechts hat bis spätestens drei Monate nach Vollendung der Arbeit zu geschehen (Art. 839 Abs. 2 ZGB).

Die Vorinstanz legte den Beginn der Frist zur Eintragung der vorliegend strittigen Bauhandwerkerpfandrechte bezüglich aller Stockwerkeigentümer einheitlich auf denjenigen Zeitpunkt fest, da die A. Huber AG ihre Arbeiten in sämtlichen Wohnungen des Terrassenhauses abgeschlossen hatte. Nach den obergerichtlichen Feststellungen wurden noch am 19. November 1982 Abschlussarbeiten ausgeführt, so dass die am 16. Februar 1983 beantragte und am darauffolgenden Tag superprovisorisch verfügte Eintragung der Pfandrechte rechtzeitig gewesen sei. Die Berufungskläger halten demgegenüber dafür, dass die Eintragungsfrist für jede Stockwerkeinheit gesondert zu laufen begonnen habe, und zwar mit dem Abschluss der Arbeiten in den entsprechenden Wohnungen. Da die A. Huber AG nach dem 10. November 1982 in ihren Wohnungen keine in Betracht fallenden Arbeiten mehr ausgeführt habe, sei der Anspruch auf das Pfandrecht verwirkt.

2. Wie das Bundesgericht schon in BGE 111 II 35 E. 4 festhielt, hat der schweizerische Gesetzgeber das durch Bundesgesetz vom 19. Dezember 1963 eingeführte Stockwerkeigentum so ausgestaltet, dass jedem Stockwerkeigentümer ein Miteigentumsanteil am Grundstück insgesamt - d.h. an allen seinen Bestandteilen und somit auch an den sich darauf befindenden Gebäuden - zusteht. Hinzu kommt ein Sonderrecht, wonach der einzelne Miteigentümer bestimmte Teile eines Gebäudes ausschliesslich benutzen und innen ausbauen darf (vgl. Art. 712 a Abs. 1 ZGB). Gewisse Gebäudeteile, die der Gemeinschaft dienen, sind von Gesetzes wegen von der Zuteilung zu Sonderrecht ausgeschlossenBGE 112 II 214 S. 217bzw. können durch den Begründungsakt oder durch nachherige Vereinbarung der Stockwerkeigentümer davon ausgeschlossen werden (vgl. Art. 712 b Abs. 2 und 3 ZGB).

Aus der dargelegten gesetzlichen Ordnung hat das Bundesgericht geschlossen, dass ungeachtet der dem Grundeigentum angenäherten Ausgestaltung von Sonderrechten an einzelnen Gebäudeteilen grundsätzlich alle Bestandteile und Gebäude des in Stockwerkeigentum aufgeteilten Grundstücks zu einer Einheit verbunden würden, so dass Arbeitsleistungen und Materiallieferungen des Bauhandwerkers wertmässig unmittelbar der im Miteigentum der Stockwerkeigentümer stehenden Liegenschaft anwüchsen. Welchen unmittelbaren Nutzen durch Gebrauch die einzelnen Stockwerkeigentümer aus den Leistungen des Bauhandwerkers zögen, sei dabei unerheblich. Das Bauhandwerkerpfandrecht, das die Ansprüche derjenigen Gläubiger in besonderer Weise sichern solle, die mit den erbrachten Leistungen den Wert des überbauten Grundstücks vermehrt hätten, müsse deshalb grundsätzlich bei der im Miteigentum stehenden Sache bzw. bei den Miteigentumsanteilen insgesamt anknüpfen (vgl. BGE 111 II 35 f. E. a). Vorbehalten wurde dann allerdings der Fall, da die Leistungen des Bauhandwerkers ausschliesslich der Ausstattung von im Sonderrecht eines Stockwerkeigentümers stehenden Gebäudeteilen dienen. In Einklang mit der Lehre (vgl. SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2. A., S. 96, Rz. 379; ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, in: ZSR 101/1982 II S. 1 ff., insbesondere S. 127; DE HALLER, L'hypothèque légale de l'entrepreneur, in: ZSR 101/1982 II S. 189 ff., insbesondere S. 264) hat das Bundesgericht entschieden, dass die entsprechenden Forderungen durch ein Bauhandwerkerpfandrecht auf dem betreffenden Miteigentumsanteil gesichert werden könnten, sofern die bauliche Ausstattung der im Sonderrecht stehenden Räume ein wesentliches Element des dem gemeinschaftlichen Eigentum entgegenstehenden Sonderrechts ausmache (vgl. BGE 111 II 36 E. b).

3. a) Diese bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Baugläubigerpfand-Belastung bei Stockwerkeigentum trägt dem Umstand Rechnung, dass nicht jeder Mehrwert, den ein Bauhandwerker durch seine Arbeit oder durch geliefertes Material an einem der im Sonderrecht eines Stockwerkeigentümers stehenden Gebäudeteil schafft, auch in gleichem Masse eine Wertvermehrung für die Liegenschaft insgesamt bedeuten muss. Die Vorinstanz hat dies nicht übersehen. Sie schliesst eine selbständige Behandlung derBGE 112 II 214 S. 218einzelnen Stockwerkeinheiten hinsichtlich der dreimonatigen Eintragungsfrist für Fälle der vorliegenden Art denn auch nicht generell aus. Indessen hält sie dafür, dass eine gestaffelte Auslösung der erwähnten Frist nach Massgabe der Vollendung der Arbeiten in den einzelnen Wohnungen nur insoweit in Frage kommen könne, als der - über die Normausrüstung hinausgehende - Sonderausbau betroffen sei. Für Leistungen der Bauhandwerker, die auf einem einheitlichen Werkvertrag beruhten und zum Standardausbau der Stockwerkeinheiten gehörten, werde die Frist dagegen erst dann (einheitlich) ausgelöst, wenn die Arbeiten im ganzen Haus, d.h. in allen Wohnungen, abgeschlossen seien. Seine Ansicht begründet das Obergericht damit, dass dem Unternehmer gerade bei grossen Überbauungen nicht generell zugemutet werden könne, eine Kontrolle über den Abschluss der Arbeiten in den einzelnen Stockwerkeinheiten zu führen. Die Vorinstanz hält sodann fest, dass die den strittigen Pfandrechten zugrunde liegenden Arbeiten eindeutig zum Standardausbau gezählt hätten; es sei deshalb für alle Stockwerkeigentümer von einem einheitlichen Fristbeginn auszugehen.

b) Im Schrifttum wird die hier gestellte Frage unterschiedlich beantwortet. ZOBL (a.a.O. S. 149) hält dafür, dass bei Arbeiten an Bauteilen, die Gegenstand des Sonderrechts eines Stockwerkeigentümers bildeten, der Beginn der Frist auf den Zeitpunkt des Abschlusses dieser Arbeiten falle, zumal der Stockwerkeigentumsanteil das Pfandobjekt darstelle. SCHUMACHER (a.a.O. S. 195, Rz. 682 f.) räumt zwar ein, dass die Struktur des Stockwerkeigentums dafür sprechen würde, die einzelnen Stockwerkeinheiten auch bezüglich der Dreimonatefrist für die Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts möglichst selbständig zu behandeln. Unter Hinweis auf die - auch von der Vorinstanz erwähnten - Gründe der Praktikabilität und auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes vertritt dieser Autor aber dann gleichwohl die Ansicht, die Frist sei in einem Fall wie dem vorliegenden für alle Stockwerkeigentümer gleichzeitig mit der letzten Arbeit des Unternehmers im ganzen Haus beginnen zu lassen.

4. a) Die Befristung der Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts dient in erster Linie dem Schutz des Grundeigentümers, der möglichst grosse und rasche Rechtssicherheit geniessen soll (vgl. BGE 53 II 219; SCHUMACHER, a.a.O. S. 170, Rz. 603 mit weiteren Hinweisen; dazu auch BGE 102 Ia 85 E. aa). Zu schützen gilt es namentlich den Grundeigentümer, der selbst nicht BestellerBGE 112 II 214 S. 219der vom Unternehmer erbrachten Leistungen gewesen war und sich durch die Eintragung eines Baugläubigerpfandrechts erst hinterher in die mit nicht geringen Risiken verbundene Stellung eines Drittpfandschuldners versetzt sehen kann.

Der Bauhandwerker befindet sich demgegenüber in einer günstigeren Lage. So kann er dem Baufortschritt entsprechende Abschlagszahlungen verlangen. Vor allem aber ist er insofern wirksam geschützt, als er gemäss Art. 839 Abs. 1 ZGB das ihm zustehende Pfandrecht bereits von dem Zeitpunkt an eintragen lassen kann, da er sich zur Arbeitsleistung verpflichtet hat. Dass in der Praxis freilich oft Hemmungen bestehen dürften, sich in dieser Weise abzusichern, vermag an der grundsätzlichen Besserstellung des Unternehmers nichts zu ändern. Das Abschätzen des Risikos wird für diesen allerdings dann erschwert, wenn bei Überbauungen der vorliegenden Art das Stockwerkeigentum erst nach Beginn oder gar nach Abschluss der Arbeiten begründet wird. Wie es sich mit der Eintragungsfrist unter solchen Umständen verhalten würde, braucht indessen nicht entschieden zu werden, da hier das Stockwerkeigentum bereits bestanden hatte, als die A. Huber AG ihre Arbeiten aufnahm. Denkbar wäre allerdings, dass ein Bauherr das Bestehen von Stockwerkeigentum verschweigt, doch kann der Unternehmer durch Einsicht in das Grundbuch davon Kenntnis erlangen.

b) In Anbetracht der dargelegten Stellung des Bauhandwerkers und seiner Möglichkeiten, sich gegen eine allfällige Insolvenz des Werkbestellers rechtzeitig und wirksam abzusichern, erscheint es als ungerechtfertigt, den Beginn der Frist zur Eintragung eines Baugläubigerpfandrechts einheitlich auf denjenigen Zeitpunkt anzusetzen, da die Arbeiten in sämtlichen Wohnungen abgeschlossen sind. Es kann namentlich dem Erwerber einer fertiggestellten Stockwerkeinheit nicht zugemutet werden, dass noch drei Monate nach der - unter Umständen viel späteren - Vollendung der Arbeiten in einer andern Wohnung auf seinem Grundstück ein Bauhandwerkerpfandrecht eingetragen wird. Das Risiko einer Doppelleistung (Zahlung des Preises an den Verkäufer, der das Werk bestellt hatte, einerseits und an den Bauhandwerker andererseits) soll mindestens in zeitlicher Hinsicht überblickbar sein. Eine einheitliche Fristauslösung im obenerwähnten Sinn ist aber auch deshalb abzulehnen, weil sie eine Privilegierung des Bauhandwerkers zur Folge hätte, die über das Ziel des Gesetzes hinausginge: Der Unternehmer könnte für den durch seine Leistungen geschaffenenBGE 112 II 214 S. 220Mehrwert an einer bestimmten Stockwerkeinheit auch noch nach Ablauf der dreimonatigen Frist seit Arbeitsvollendung das gesetzliche Pfandrecht eintragen lassen. In Würdigung der auf beiden Seiten in Betracht zu ziehenden Interessen ist es dem Bauhandwerker entgegen der Ansicht der Vorinstanz schliesslich durchaus zuzumuten, dass er bei Überbauungen der vorliegenden Art über seine Arbeiten und Materiallieferungen generell eine nach Stockwerkeinheiten getrennte Kontrolle führe. Die individuelle Rechnungstellung an die einzelnen Stockwerkeigentümer verlangt ohnehin ein solches Vorgehen.

c) Aufgrund der vorstehenden Erwägungen geht es nicht an, die gestaffelte Fristauslösung nach Massgabe der Vollendung der Arbeiten an den einzelnen Stockwerkeinheiten mit dem Obergericht nur bezüglich derjenigen Leistungen gelten zu lassen, die der Unternehmer im Rahmen eines Sonderausbaus der Wohnungen, d.h. über die Normausrüstung hinaus, erbracht hat. Bei einer solchen Lösung würden übrigens in vielen Fällen erhebliche Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen Standard- und Sonderausbau auftreten.

d) Begann die Frist zur Eintragung der strittigen Bauhandwerkerpfandrechte somit in jedem Fall mit der jeweiligen Vollendung der Arbeiten der A. Huber AG in den Wohnungen der Berufungskläger zu laufen, ist unerheblich, ob jene zum Standard- oder zum Sonderausbau zu zählen seien. Die Rüge der Berufungskläger, die vorinstanzliche Annahme, wonach es sich um Leistungen im Rahmen des Standardausbaus gehandelt habe, verstosse gegen Art. 8 ZGB (da die Klägerin dies nie geltend gemacht habe), wird mithin gegenstandslos.

BGE 142 III 738

Art. 839 Abs. 3 ZGB; Bauhandwerkerpfandrecht; Leistung hinreichender Sicherheit.Die geleistete Sicherheit ist hinreichend, wenn sie die gleiche Deckung bietet wie das Bauhandwerkerpfandrecht. Nicht hinreichend ist deshalb die Bankgarantie, die zeitlich unbefristet geschuldete Verzugszinsen zeitlich nur befristet sichert und deren Gültigkeitsdauer derart bestimmt ist, dass dem Unternehmer keine angemessene Frist bleibt, um die geleistete Sicherheit rechtswirksam zu beanspruchen (E. 3-5).


3. Streitig ist, ob die von der Nebenintervenientin eingereichte Bankgarantie im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB hinreichend Sicherheit bietet. Die Bankgarantie hat folgenden Inhalt:

3.1 Laut Bankgarantie verpflichtet sich die E. SA unwiderruflich im Namen von C. GmbH (Garantieauftraggeberin) auf erste Aufforderung hin und unter Verzicht auf jegliche Einreden und Einwendungen, A. AG (Klägerin) den rechtskräftig zugesprochenen Betrag zu bezahlen, bis zu einer Höhe von Fr. 397'966.50 zuzüglich Zins zu 5 % auf Fr. 273'118.50 ab 13. Januar 2015 und bis maximal 31. August 2025 und zuzüglich Zins zu 5 % auf Fr. 124'848.- ab 17. Februar 2015 und bis maximal 31. August 2025.

3.2 Im Zeitpunkt der Beanspruchung der Bankgarantie hat die Klägerin ein rechtskräftiges Urteil oder einen gerichtlich genehmigten Vergleich des zuständigen Gerichts, das bzw. der die D. GmbH (Schuldnerin) zu einer Zahlung über einen darin bestimmten Betrag an die Klägerin im Zusammenhang mit dem Werkvertrag verpflichtet, zusammen mit einer Rechtskraftbescheinigung vorzulegen, sodann den Nachweis zu erbringen, dass die Schuldnerin diesen Betrag trotz Aufforderung der Klägerin nicht bezahlt hat, und eine schriftliche Abtretungserklärung für alle Forderungen der Klägerin gegen die Schuldnerin im Zusammenhang mit dem Werkvertrag zugunsten der Garantieauftraggeberin abzugeben.

3.3 Nach ihrem Wortlaut ist die Bankgarantie gültig bis zum 31. Dezember 2016 und verlängert sich automatisch für jeweils ein Jahr bis das Urteil bzw. der gerichtlich genehmigte Vergleich rechtskräftig ist. Sie erlischt 120 Kalendertage nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils bzw. des gerichtlich genehmigten Vergleichs.

4. Die Beschwerdeführerin beanstandet zunächst, die Beschränkung der Garantie des Zinses auf den 31. August 2025 (E. 3.1 oben).

4.1 Das Handelsgericht erwog, es gälten nicht bloss zeitlich unbefristete Sicherheiten für grundsätzlich unbefristet laufende Verzugszinsen als hinreichend im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB. Nach seiner eigenen Praxis gelte bezüglich der Verzugszinsen eineBGE 142 III 738 S. 741Sicherstellungspflicht für die Dauer von zehn Jahren als hinreichend. Mit Blick auf den Zweck der Garantie könne nicht erwartet werden, dass der Zinsenlauf unbeschränkt gesichert werde. Da im Normalfall ein Verfahrensabschluss innert zehn Jahren möglich sein dürfte, sei die Sicherstellung eines Jahreszinses von zehn Jahren genügend und die Begrenzung bis zum 31. August 2025 zulässig.

4.2 Die Beschwerdeführerin führt aus, grundsätzlich habe sie Anspruch auf Verzugszinsen bis zum Zeitpunkt der Bezahlung der Schuld und das Bauhandwerkerpfandrecht diene auch als Sicherheit für alle verfallenen Zinsen, nicht nur diejenigen, die bis am 31. August 2025 anfallen. Insofern könne die Bankgarantie nicht als hinreichende Sicherheit im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB gelten; die Praxis des Handelsgerichts sei bundesrechtswidrig.

4.3 Die Beschwerdegegnerin und die Nebenintervenientin bestreiten grundsätzlich, dass die Ersatzsicherheit auch die ohne zeitliche Beschränkung pfandberechtigten Verzugszinsen decken müsse. Nebst der Wiederholung der vom Handelsgericht angeführten Gründe tragen sie vor, der Gläubiger sei in der Zwangsvollstreckung stets dem Risiko ausgesetzt, dass das Pfand die Pfandsumme nicht oder nur teilweise decke.

4.4 Der Grundeigentümer kann die - provisorische oder definitive - Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts verhindern, indem er eine "hinreichende Sicherheit" ("sûretés suffisantes", "sufficiente garanzia") leistet (Art. 839 Abs. 3 ZGB).

4.4.1 Die am 1. Januar 2012 in Kraft getretene Fassung des Art. 839 ZGB (AS 2011 4637, 4645 und 4658) hat in Abs. 3 betreffend Sicherheitsleistung den gleichen Wortlaut wie der Abs. 3 der bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Version dieses Artikels. Folglich kann in dieser Hinsicht auf die unter dem alten Recht ergangene Rechtsprechung abgestellt werden.

4.4.2 Damit eine Ersatzsicherheit als "hinreichend" gelten kann, muss sie qualitativ und quantitativ die gleiche Sicherheit bieten wie das Bauhandwerkerpfandrecht (BGE 121 III 445 E. 5a S. 447; BGE 110 II 34 E. 1b; BGE 97 I 209 E. 2 S. 215). In quantitativer Hinsicht bietet das Bauhandwerkerpfandrecht dem Gläubiger Sicherheit für die Kapitalforderung (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 1 ZGB) und die Verzugszinsen (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB), allenfalls für die Vertragszinsen (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Die Verzugszinsen sind ihrerseits zeitlich nicht limitiert (Art. 104 OR). Dementsprechend muss auch dieBGE 142 III 738 S. 742Ersatzsicherheit hinsichtlich der Verzugszinsen eine zeitlich bzw. quantitativ nicht limitierte Sicherheit bieten (BGE 121 III 445 E. 5a S. 447).

4.4.3 Die Überlegung des Handelsgerichts, mit Blick auf den Zweck der Garantie könne nicht erwartet werden, dass der Zinsenlauf unbeschränkt gesichert werde, ist weder auf eine doktrinale Meinungsäusserung abgestützt noch nachvollziehbar. Sollte es sich an die von RAINER SCHUMACHER (Das Bauhandwerkerpfandrecht, 3. Aufl. 2008, Rz. 1257) gemachten Ausführungen anlehnen, wo der Autor auf mögliche Schwierigkeiten der Banken hinweist, Verzugszinsen auf unbestimmte Zeit zu garantieren, kommt jener zum Schluss, dass "gelegentlich deswegen eine Sicherheitsleistung, die Art. 839 Abs. 3 ZGB entspricht, nicht zustande" komme, es den Parteien jedoch freistehe, sich über den konkreten Inhalt der Sicherheitsleistung zu einigen. Hier steht nicht der Zweck der Garantie zur Debatte, sondern stellt sich die Frage, ob eine Ersatzsicherheit an die Stelle des gesetzlichen Pfandrechts zu treten vermag, was nur dann der Fall ist, wenn sie qualitativ und quantitativ die gleiche Deckung bietet wie das gesetzliche Pfandrecht. Eine Bankgarantie, die zwar den Kapitalbetrag, nicht aber die zeitlich unlimitiert geschuldeten Verzugszinsen abdeckt, erfüllt die Anforderungen an eine hinreichende Sicherheit nicht. Ob der Prozess in der Hauptsache "nach menschlichem Ermessen" (so die Beschwerdegegnerin) oder "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" (so die Nebenintervenientin) innert der garantierten Frist endgültig entschieden werden könnte, ändert an diesem rechtlichen Befund nichts (vgl. zur Praxis: CHRISTIAN PRAPLAN, L'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs: Mise en oeuvre judiciaire, JdT 158/2010 II S. 37, 57 Ziff. 8.2).

4.5 Mit ihrer zeitlichen Beschränkung für die Verzugszinsen auf den 31. August 2025 erfüllt die Bankgarantie die Anforderungen an eine "hinreichende Sicherheit" im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB nicht. Die weiteren Vorbringen der Beschwerdegegnerin und der Nebenintervenientin vermögen nichts daran zu ändern, dass sich die angefochtene Verfügung in diesem Punkt als bundesrechtswidrig und die Beschwerde entsprechend als begründet erweist.

5. Ferner beanstandet die Beschwerdeführerin die Vorgabe, wonach die Garantie jeweils nur bis am 31. Dezember jeden Jahres gültig sei und 120 Kalendertage nach Eintritt der Rechtskraft des die Schuldnerin verurteilenden Urteils bzw. des gerichtlich genehmigten Vergleichs erlösche.BGE 142 III 738 S. 743

5.1 Das Handelsgericht erwog, eine relative Befristung der Gültigkeitsdauer der Garantie sei zulässig, solange der Gläubiger nach Eintritt bestimmter Ereignisse innerhalb einer angemessenen Reaktionsfrist die Sicherheit wirksam beanspruchen kann. Ebenso zulässig seien Modalitäten, welche der Rechtssicherheit des Grundeigentümers bzw. des Sicherheitsgebers dienen, wenn diese zweck- und verhältnismässig seien. Vorliegendenfalls sei die Frist von 120 Tagen zur Geltendmachung der Garantie nicht zu beanstanden. Dies gelte auch in Kombination mit dem Umstand, dass die Garantie jeweils nur für ein Jahr gültig sei. Selbst wenn ein für die Beschwerdeführerin günstiger Entscheid erst am 17. Dezember eines laufenden Jahres gefällt werde, habe jene unter Berücksichtigung der Rechtsmittelfrist und der Gerichtsferien (Art. 46 Abs. 1 lit. c BGG) noch hinreichend Zeit, bei der garantierenden Bank vorstellig zu werden.

5.2 Die Beschwerdeführerin führt aus, das gesetzliche Pfandrecht sichere ihr letztlich ein Verwertungsrecht am belasteten Grundstück zu. Das Gesetz auferlege dem Gläubiger keine Frist, innert welcher jener die Grundpfandverwertung verlangen müsse. Demgegenüber sei die als Ersatzsicherheit angebotene Bankgarantie nach Datum und damit absolut befristet, weshalb sie keine hinreichende Sicherheit im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB darstelle. Zulässig sei allenfalls eine Befristung, welche von einem oder mehreren zukünftigen Ereignissen abhängig und kalendermässig unbestimmt sei (z.B. Gültigkeit der Bankgarantie bis maximal 120 Tage nach Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils); unzulässig sei demgegenüber eine kalendermässige Befristung. Daher dürfe die Gültigkeitsdauer nicht auf den 31. Dezember eines jeweiligen Jahres befristet werden. Wenn das Urteil gegen die Schuldnerin am 17. Dezember rechtskräftig würde, verblieben ihr (der Beschwerdeführerin) nur noch vierzehn anstelle von 120 Tagen, um die Bankgarantie in Anspruch zu nehmen und die weiteren Bedingungen, namentlich die Rechtskraftbescheinigung einzuholen und die schriftliche Abtretungserklärung abzugeben.

5.3 Die Beschwerdegegnerin und die Nebenintervenientin schliessen sich im Wesentlichen den Argumenten des Handelsgerichts an.

5.4 Die Beschwerdeführerin spricht einen Teilgehalt der qualitativen Gleichwertigkeit der Ersatzsicherheit an. Lehre und kantonale Rechtsprechung sind sich darin einig, dass eine absolut befristete Sicherheitsleistung (Beschränkung der Gültigkeit bis zu einem bestimmten Datum oder während einer bestimmten Zeit abBGE 142 III 738 S. 744Ausstellung) keine hinreichende Sicherheit im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB ist (SCHUMACHER, a.a.O., Rz. 1260 mit Hinweisen). Demgegenüber sei eine relative Befristung, d.h. eine solche, deren Ende von einem oder mehreren zukünftigen Ereignissen abhängt, zulässig, wenn das Ende der Gültigkeitsdauer kalendermässig unbestimmt ist und bis zum Eintritt des oder der Ereignisse unbestimmbar bleibt. Zudem müsse es dem Unternehmer möglich sein, nach Eintritt des bestimmten Ereignisses innerhalb einer angemessenen Reaktionsfrist die Sicherheit rechtswirksam für sich zu beanspruchen (SCHUMACHER, a.a.O., Rz. 1261; PRAPLAN, a.a.O., S. 57 Ziff. 8.2: "un délai de quelques mois courant dès l'entrée en force du jugement"). Einwendungen des Unternehmers gegen derartige und damit zulässige Befristungen, namentlich unter Berufung auf die unbefristete Eintragung von Baupfandrechten im Grundbuch, stehen unter dem Vorbehalt offenbaren Rechtsmissbrauchs (SCHUMACHER, a.a.O., Rz. 1262).

5.5

5.5.1 Die geleistete Bankgarantie sieht zwei Befristungen vor. Sie ist bis zum 31. Dezember 2016 gültig, verlängert sich aber automatisch um jeweils ein Jahr, solange das die Schuldnerin zur Bezahlung der Forderungssumme verpflichtende Urteil bzw. der gerichtlich genehmigte Vergleich nicht rechtskräftig ist. Ausserdem ist die Garantie innert 120 Kalendertagen nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils bzw. des gerichtlich genehmigten Vergleichs zu beanspruchen (E. 3.3 oben).

5.5.2 Um die Bankgarantie rechtswirksam für sich zu beanspruchen, muss die Beschwerdeführerin innert 120 Tagen ein rechtskräftiges Urteil oder einen gerichtlich genehmigten Vergleich des zuständigen Gerichts, das bzw. der die Schuldnerin zu einer Zahlung über einen darin bestimmten Betrag an die Klägerin im Zusammenhang mit dem Werkvertrag verpflichtet, und eine Rechtskraftbescheinigung vorlegen, den Nachweis erbringen, dass die Schuldnerin diesen Betrag trotz Aufforderung der Klägerin nicht bezahlt hat, und eine schriftliche Abtretungserklärung für alle Forderungen der Klägerin gegen die Schuldnerin im Zusammenhang mit dem Werkvertrag zugunsten der Garantieauftraggeberin abgeben (E. 3.2 oben).

5.5.3 Mit der Beschwerdeführerin ist festzuhalten, dass eine Frist von 120 Kalendertagen seit Eintritt der Rechtskraft des die Schuldnerin zur Zahlung verpflichtenden Urteils (bzw. des entsprechenden gerichtlich genehmigten Vergleichs) die Interessen derBGE 142 III 738 S. 745Beschwerdeführerin genügend wahren würde, so dass eine dergestalt formulierte Ersatzsicherheit hinreichend wäre. Gegen die jährliche - und damit absolute - Befristung verbunden mit einer laufenden Erneuerung der Garantie für ein Jahr, solange kein rechtskräftiges Urteil vorliegt, ist unter der Bedingung nichts einzuwenden, dass die 120-tägige Beanspruchungsfrist selbst dann gilt, wenn sie vor Jahresende zu laufen begonnen hat, aber erst im neuen Jahr endet (und sich die Gültigkeitsdauer insofern verlängert). Andernfalls würde der Beschwerdeführerin die ihr zustehende angemessene Reaktionsfrist bundesrechtswidrig verkürzt.

5.5.4 Die vorliegend entscheidende Frage, ob die Frist von 120 Tagen selbst dann gilt, wenn sie vor Jahresende zu laufen begonnen hat, aber erst im neuen Jahr endet, ist in der streitgegenständlichen Bankgarantie nicht ausdrücklich geregelt. Das Handelsgericht scheint die Frage - wie auch die Beschwerdegegnerin und die Nebenintervenientin - zu verneinen und erachtet die streitgegenständliche Bankgarantie trotzdem als qualitativ gleichwertig. Es übersieht indes, dass die Beschwerdeführerin für die Beanspruchung der Garantie nicht nur ein rechtskräftiges Urteil vorzulegen hat, sondern noch eine Rechtskraftbescheinigung beschaffen muss und insofern in zeitlicher Hinsicht fremdbestimmt ist. Ausserdem hat die Beschwerdeführerin der Schuldnerin Gelegenheit einzuräumen, gestützt auf das rechtskräftige Urteil zu bezahlen, muss sie doch auch den Nachweis erbringen, dass die Schuldnerin trotz Aufforderung nicht bezahlt hat, was ebenfalls eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Entgegen der Annahme des Handelsgerichts wird ein am 17. Dezember eröffnetes Urteil auch nicht erst nach Ablauf der um die Gerichtsferien verlängerten Rechtsmittelfrist für die Beschwerde an das Bundesgericht rechtskräftig. Das rechtskräftige Urteil, das die Beschwerdeführerin der Garantiegeberin vorzulegen hat, wird das Ergebnis eines Forderungsprozesses sein, weshalb es sich um ein Leistungsurteil handelt. Beschwerden an das Bundesgericht gegen Leistungsurteile haben von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung (Art. 103 Abs. 1 BGG), so dass das kantonale Urteil mit seiner Ausfällung in Rechtskraft erwächst und vollstreckbar ist. Freilich kann das Bundesgericht die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit eines kantonalen Leistungsurteils auf Gesuch hin aufschieben (Art. 103 Abs. 3 BGG). Solange dies nicht geschehen ist, bleibt das kantonale Urteil rechtskräftig und vollstreckbar.BGE 142 III 738 S. 746

5.5.5 Im schlechtesten Fall, von dem auch das Handelsgericht auszugehen scheint, ist die Bankgarantie so formuliert, dass der Beschwerdeführerin nach der Ausfällung des die Schuldnerin verpflichtenden Leistungsurteils nur wenige Tage verbleiben, um die Garantie in Anspruch nehmen zu können, oder dass die Beschwerdeführerin gar aus Gründen, die sie, weil Dritte mitwirken müssen, nicht zu verantworten hat, die kurze Frist nicht einhalten könnte. Von einer angemessenen Reaktionsfrist als Voraussetzung zulässiger relativer Befristung (E. 5.4 oben) kann somit nicht ausgegangen werden. Aus diesem Grund stellt die streitgegenständliche Bankgarantie auch in qualitativer Hinsicht keine hinreichende Sicherheit im Sinne von Art. 839 Abs. 3 ZGB dar. (...)

BGE 115 II 136

Bauhandwerkerpfandrecht; Art. 840 und 841 ZGB.

1. Nach Sinn und Zweck der Art. 840 und 841 ZGB besteht ein Vorrecht der Baupfandgläubiger gegenüber der vorrangig grundpfandgesicherten Baukreditbank auch insoweit, als diese den als Gegenwert des Bodens verfügbaren Baukredit ungleichmässig an die einzelnen Baugläubiger ausgerichtet hat, so dass auf den klagenden Baupfandgläubiger verhältnismässig weniger als auf andere entfallen ist; entsprechende Sorgfaltspflicht der Bank, namentlich bei unzureichendem Baukredit (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Grundsätze für die Berechnung des Ersatzes im Sinne von Art. 841 ZGB: Der anfechtende Baupfandgläubiger soll nicht mehr erhalten, als wenn der Baukredit ab Beginn an sämtliche Bauhandwerker verteilt worden wäre, und zwar im Verhältnis, in dem diese mit ihrer Arbeit zur Schaffung des Mehrwerts beigetragen haben (E. 7).


1. Gemäss Art. 837 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB besteht für die Forderungen der Handwerker oder Unternehmer, die zu Bauten oder andern Werken auf einem Grundstück Material und Arbeit oder Arbeit allein geliefert haben, an diesem Grundstück ein mittelbares gesetzliches Pfandrecht. Gelangen mehrere dieser Bauhandwerkerpfandrechte zur Eintragung, so haben sie, auch wenn sie von verschiedenem Datum sind, nach Art. 840 ZGB untereinander den gleichen Anspruch auf Befriedigung aus dem Pfand. Kommen die Forderungen der Handwerker und Unternehmer bei der Pfandverwertung zu Verlust, so ist ihnen der Ausfall im Sinne eines Vorrechts aus dem den Wert des Bodens übersteigenden Verwertungsanteil der vorgehenden Pfandgläubiger zu ersetzen, sofern das Grundstück durch ihre Pfandrechte in einer für sie erkennbaren Weise zum Nachteil der Handwerker und Unternehmer belastet worden ist (Art. 841 Abs. 1 ZGB).

Die Parteien sind sich einig darüber, dass der Klägerin nach Abzug der Konkursdividende eine ungedeckte Forderung im Betrag von Fr. 217'754.25 nebst Zins zusteht. Ausser Frage stehtBGE 115 II 136 S. 139sodann auch deren grundsätzliche Sicherung durch ein Bauhandwerkerpfandrecht. Umstritten ist hingegen nach wie vor, inwieweit der Verwertungserlös zur Deckung des von der Klägerin erlittenen Pfandausfalles verwendet werden kann.

2. Das Obergericht des Kantons Solothurn hat den Bodenwert des überbauten Grundstückes auf den Tag der Liegenschaftsversteigerung mit Fr. 2'332'541.15 bestimmt. Nach dieser Berechnung entfallen somit von Fr. 5'120'038.25 insgesamt Fr. 2'787'497.10 auf den durch Bauhandwerker und Unternehmer geschaffenen Mehrwert; darin ist auch ein Betrag von Fr. 439'293.70 für Zinsen enthalten. Das Obergericht hat sodann festgestellt, dass die Beklagte aus dem Baukredit ungefähr das Zweifache des Mehrwerts von Fr. 2'348'203.40 (= Fr. 2'787'497.10 - Fr. 439'293.70) an die Bauhandwerker und Unternehmer ausbezahlt habe. Nach Berücksichtigung der Verrichtungen von Architekt und Ingenieur, der reinen Materiallieferungen, der Anschlussgebühren und Ausstattungsgegenstände sowie Bauzinsen, die allesamt auch zur Wertvermehrung der Liegenschaft beigetragen hätten und daher als berechtigte Bauforderungen beachtlich seien, ergebe sich somit ein Gesamtbetrag wertvermehrender Baukosten von Fr. 8'741'166.80. Damit stehe zwar fest, dass der Baukredit nicht zweckentfremdet verwendet worden sei, doch vermöge der Anteil des Verwertungserlöses von Fr. 2'348'203.40, der dem eigentlichen Mehrwert vorbehalten bleibe, den Gesamtbetrag wertvermehrender Baukosten bloss im Umfang von 26,8637% zu decken. Infolgedessen sei der für die Bauhandwerkerpfandrechte zur Verfügung stehende Verwertungserlös gemäss diesem Quotenanteil von 26,8637% auf die einzelnen baupfandgesicherten Forderungen aufzuteilen, denn nur so lasse sich ein Ergebnis erzielen, welches in Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung stehe. Das Obergericht hat daher der Klägerin an ihre gesamte baupfandgesicherte Forderung von Fr. 221'427.35 (Wert 1. Juli 1981) noch einen Teilbetrag von Fr. 59'483.65 (= 26,8637%) zugewiesen.

3. a) Dem Obergericht wird vorgeworfen, dem Klagebegehren nur deshalb entsprochen zu haben, weil es bei der Verteilung des Verwertungserlöses unter die einzelnen Baugläubiger einem Gleichbehandlungsprinzip erlegen sei, welches weder in Art. 840 noch in Art. 841 ZGB eine Grundlage finde. Danach sei der durch die Bauhandwerker und Unternehmer geschaffene Mehrwert des Grundstückes den berechtigten Bauforderungen im VerhältnisBGE 115 II 136 S. 140ihres Umfanges zugeteilt worden; den Baupfandgläubigern sei damit ein Vorrecht gegenüber dem vorrangigen Grundpfandgläubiger insoweit eingeräumt worden, als letzterer den als Gegenwert des Grundpfandes verfügbaren Baukredit ungleichmässig an die einzelnen Baugläubiger entrichtet habe, so dass auf den klagenden Baugläubiger verhältnismässig weniger als auf andere entfallen sei. Die Annahme eines solchen Privilegs hätte zur Folge, dass eine Bank den grundpfandgesicherten Baukredit immer nur in dem Verhältnis ausschütten dürfte, welches demjenigen der einzelnen zu den gesamten Forderungen der Bauhandwerker und übrigen Baugläubiger entspricht; würde dieser Grundsatz verletzt, wäre der Ausfall gemäss Art. 841 ZGB zu ersetzen, soweit der betroffene Baupfandgläubiger relativ weniger erhalten hat.

b) Das Vorgehen der Vorinstanz bei der Verteilung des Verwertungserlöses deckt sich im Ergebnis mit der schon vor langer Zeit eingeleiteten Rechtsprechung des Bundesgerichts, was auch von der Beklagten nicht verkannt wird. Ihr Ziel ist es indessen, die Änderung dieser konstanten Praxis zu bewirken, da sich ein solcher Gleichbehandlungsanspruch weder dem Wortlaut der Art. 840 und 841 ZGB noch dem Zweck dieser Bestimmungen entnehmen lasse. Das Vorrecht der Bauhandwerker und Unternehmer - so glaubt die Beklagte - setze stets voraus, dass die Mittel des Baukredites zweckwidrig, mithin zur Bezahlung baufremder Leistungen, verwendet worden seien; entsprechend beschränke sich die Sorgfaltspflicht der pfandgesicherten Bank auf die Vermeidung bauzweckfremder Mittelverwendung, was sich auch aus BGE 112 II 493 ff. ergebe. Eine Aufgabe des von der Rechtsprechung - trotz Fehlens einer Gesetzeslücke - entwickelten Gleichbehandlungsgebotes dränge sich aber auch darum auf, weil sich dieses als unzweckmässig, unpraktikabel und lebensfremd erwiesen habe.

4. Über den Grundsatz von Art. 841 ZGB hinaus hat das Bundesgericht tatsächlich bereits früh festgehalten, dass der besondere Schutz, den das Gesetz den Bauforderungen gewährt, auf dem Gedanken beruhe, wonach der durch die Verwendungen der Handwerker geschaffene Mehrwert eines Grundstückes nicht aufgrund eines vorrangigen Pfandrechts zugunsten anderer Grundpfandgläubiger vorweggenommen werden dürfe, sondern den Handwerkern als gemeinsames Pfand vorbehalten bleibe. Sofern der Bauhandwerker von dem nach Abzug des Bauplatzwertes verbleibenden Verwertungserlös den Teil erhalte, der auf denBGE 115 II 136 S. 141durch seine Verwendungen geschaffenen Mehrwert entfalle, bleibe ihm die Anfechtung des zugunsten der Baukreditgeberin errichteten vorrangigen Grundpfandrechtes verwehrt. Nach Art. 841 ZGB könne auch nicht beanstandet werden, dass der Baukredit zur Bezahlung anderer Handwerker und Lieferanten verwendet und durch Pfandrechte entsprechend gesichert worden sei, zumal auch diese Gläubiger durch ihre Arbeiten und Materiallieferungen zur Schaffung des im Verwertungserlös steckenden Mehrwertes beigetragen hätten. Eine Benachteiligung der Bauhandwerker könne jedoch darin begründet sein, dass die Baukreditgeberin andere Forderungen als solche von mehrwertschaffenden Bauhandwerkern beglichen oder unter letzteren einzelne bevorzugt habe, während ihr die Gefahr, dass die Forderungen der übrigen Baugläubiger ihre Deckung verlören, erkennbar gewesen sei (BGE 43 II 611 f. E. 3).

b) Diese Rechtsprechung ist mehrfach bestätigt worden (BGE 51 II 122 ff., 53 II 467 ff., 480 E. 6 und BGE 67 II 106 ff.; auch BGE 96 III 126 ff.). Das Bundesgericht hat dabei hinsichtlich der Ausschüttung des grundpfandgesicherten Baukredites aus Art. 840 ZGB - allerdings stets in Verbindung mit Art. 841 ZGB - nicht bloss ein Zweckentfremdungsverbot, sondern eine eigentliche Gleichbehandlungspflicht zugunsten der einzelnen Bauhandwerker und Unternehmer abgeleitet. Auch mit BGE 51 II 122 ff. ist von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen worden; hier konnte von einer ausdehnenden Auslegung des Art. 840 ZGB - mit der die gleichmässige Befriedigung aller Bauhandwerkerforderungen am besten gesichert werde - abgesehen werden, weil sich der bevorzugte Baugläubiger durch ein vertragliches Pfandrecht privilegieren wollte und darum direkt aus Art. 841 ZGB haftbar gemacht werden konnte. Auch die in diesem Entscheid angedeutete Kritik an der extensiven Auslegung des Art. 840 ZGB gründete im übrigen ausschliesslich in der Besonderheit des Falles und war weder bestimmt noch geeignet, die in BGE 43 II 611 f. E. 3 begründete Praxis in Frage zu stellen.

5. a) Das Bundesgericht war sich stets bewusst, dass die mit der konstanten Rechtsprechung geübte Auslegung über den Wortlaut des Gesetzes hinausgreift und ihre Rechtfertigung im Schutzzweck der einschlägigen Bestimmungen finden muss (BGE 51 II 127 f.). Immerhin wird mit Art. 840 ZGB deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Gesetzgeber um eine Angleichung unter den beteiligten Bauhandwerkern bemüht war, indem er zumindest dieBGE 115 II 136 S. 142durch den Zeitpunkt der Eintragung geschaffene Rangfolge unter den Baupfandgläubigern nicht gelten liess. Mit dieser Gleichstellung sollte allfälligen Benachteiligungen der Bauhandwerker, die in der arbeitsteiligen, zeitlich gestaffelten Ausführung des Bauwerks gründeten, wirksam begegnet werden. In der Tat würde es jeglichem Gerechtigkeitsempfinden zuwiderlaufen, wenn der Schutz des Bauhandwerkers vom Zufall der zeitlichen Anspruchsbegründung abhängig gemacht würde, obwohl der den Bodenwert übersteigende Verwertungserlös von den Verrichtungen aller beeinflusst bleibt (dazu bereits Eugen HUBER als Berichterstatter im Nationalrat, Sten.Bull. 1906 NR, S. 647; LEEMANN, Kommentar, Bern 1925, N. 1 zu Art. 840 ZGB; SCHUMACHER, Das Bauhandwerkerpfandrecht, 2. A. 1982, Nrn. 334 ff., S. 84 f., sowie ZOBL, Das Bauhandwerkerpfandrecht de lege lata und de lege ferenda, in ZSR 101/1982 II, S. 164 f. je mit Hinweisen). Gilt aber der in der Zwangsverwertung realisierbare Mehrwert erfahrungsgemäss als ein Ergebnis gemeinsamen Schaffens, ist es folgerichtig, die betroffenen Baupfandgläubiger nicht nur hinsichtlich der zeitlichen Rangfolge, sondern auch bezüglich ihres Anteils am Verwertungserlös gleichzubehandeln. Dürften im Rahmen des Verwertungserlöses, der den berechtigten Baugläubigern zugedacht wäre, gewisse Leistungen vollumfänglich gedeckt werden, während andere Gläubiger völlig leer ausgingen wie dies offenbar der Meinung der Beklagten entspricht -, führte dies im Ergebnis gleichwohl zu einer zeitlichen Rangfolge, wie sie das Gesetz mit Art. 840 ZGB gerade verpönt haben wollte; dies, weil in der Regel zunächst jene Baugläubiger vorweg befriedigt werden, die ihre Verrichtungen zeitlich früher erbracht haben und nach dem konkreten Bauablauf auch früher erbringen mussten, derweil jene aber, die nach dem teils vom Zufall abhängigen Ablauf der einzelnen Arbeitsgänge erst später zum Einsatz gelangten, bezüglich des unzureichenden Verwertungserlöses ein grösseres Risiko zu tragen hätten. Eine derartige Ungleichbehandlung der verschiedenen Baugläubiger, die zwar rein tatsächlicher Art ist, ihren Grund aber gerade im arbeitsteiligen Ablauf des Bauvorganges findet, kann nicht dem Sinn des Gesetzes entsprechen, das jede zeitliche Priorität unter den verschiedenen Bauhandwerkerpfandrechten ausschliessen will.

b) Das Bundesgericht hat in allen Bereichen seiner Rechtsprechung seit jeher eine auf den Wortlaut beschränkte Gesetzesauslegung verworfen und stets auch nach dem Zweck des GesetzesBGE 115 II 136 S. 143gefragt (BGE 112 Ia 117, BGE 112 III 110 E. 4a, BGE 111 Ia 297, BGE 111 V 127 E. 3b, 108 Ib 401, BGE 105 II 138, BGE 103 Ia 117, BGE 91 IV 28 und BGE 80 II 316). Dieser Zweck aber besteht im Zusammenhang mit Art. 840 und 841 ZGB in erster Linie darin, mittels gesetzlichem Pfandrecht und besonderem Vorrecht den Urhebern des den Bodenwert übersteigenden Mehrwerts vorrangigen und gleichmässigen Schutz gegenüber anderen Pfandgläubigern zu verschaffen (vgl. bereits Eugen HUBER, a.a.O.; zur Entstehungsgeschichte auch ZR 79/1980 Nr. 12, S. 19 ff., sowie A. EGGER, Der privatrechtliche Schutz der Bauhandwerker, Diss. Zürich 1901, und P. HOFMANN, Die gesetzlichen Grundpfandrechte des Art. 837 ZGB, insbesondere das Bauhandwerkerpfandrecht, Diss. Zürich 1940, S. 19 ff.). Echter Schutz aller Mehrwertschöpfungen aber, der ohne Rücksicht auf zeitliche und technische Eigenheiten des Bauvorganges gewährleistet werden kann, verlangt nach einer eigentlichen materiellen Gleichbehandlung oder Chancengleichheit der Bauhandwerker, die nicht zusätzlich vom Belieben des grundpfandgesicherten Baukreditgebers abhängen soll. Darf sich mithin der vom Gesetz bezweckte Schutz der Baugläubiger sinnvollerweise nicht darin erschöpfen, diese vor zweckwidriger Verwendung des Baukredites zu bewahren, soll vielmehr dem Zusammenwirken der einzelnen Beteiligten im Hinblick auf ein gemeinsam geschaffenes Resultat auch bei der Aufteilung des Verwertungserlöses Rechnung getragen werden, muss sich die Berufung auf die Vertragsfreiheit des grundpfandgesicherten Baukreditgebers zum vornherein als unbehelflich erweisen.

Gleiches gilt sodann für den erhobenen Einwand, wonach die Bauhandwerker auch gegenüber der Auszahlung von Eigenmitteln durch den Bauherrn selbst nicht auf einer Gleichbehandlung beharren könnten, sondern Ungleichbehandlungen - vorbehältlich der Ausnahmen in Art. 285 ff. SchKG - ohne Möglichkeit einer Gegenwehr zu dulden hätten. Dieser Vergleich ist im übrigen schon insofern untauglich, als die Entschädigung wertvermehrender Leistungen aus Eigenmitteln des Bauherrn in aller Regel nicht zu Grundpfandrechten führt, die mit den Sicherungsrechten der Bauhandwerker und Unternehmer konkurrieren könnten, während allfällige vorbestehende, auf den Bodenwert begrenzte Hypotheken im Zusammenhang mit Art. 840 und 841 ZGB ohnehin nicht von Belang wären (BGE 86 II 151 f.).

Dass endlich auch das Fehlen einer vertraglichen Bindung zwischen Baukreditgebern und Baugläubigern nicht geeignet ist, einerBGE 115 II 136 S. 144materiellen Gleichbehandlung die Grundlage zu entziehen, liegt auf der Hand, zumal ausschliesslich Gehalt und Tragweite gesetzlicher Schutzbestimmungen in Frage stehen und für vertragliches Denken kein Raum besteht.

6. a) Die Beklagte beruft sich wiederholt auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichts, namentlich auf BGE 112 II 493 ff. Auch daraus lässt sich indessen nichts zu ihren Gunsten ableiten. Zu beurteilen war damals nicht die interne Aufteilung eines unzureichenden Verwertungserlöses, sondern vielmehr die Frage, welche mehrwertbegründenden Verrichtungen im Rahmen bestimmungsgemässer Verwendung des Baukredites überhaupt Berücksichtigung finden dürfen. Das Bundesgericht hat auch hier unter Bezugnahme auf den Zweck des Gesetzes festgehalten, dass Leistungen an Baugläubiger, die durch ihre Materiallieferungen oder Dienstleistungen zur Bildung von Mehrwert beigetragen haben, nicht zu einer Benachteiligung der pfandgesicherten Baugläubiger führen und daher nicht beanstandet werden dürfen. Wenn es somit in den bundesgerichtlichen Erwägungen heisst, die privilegierte Stellung des Grundpfandgläubigers müsse gewahrt werden, soweit der Baukredit des grundpfandgesicherten Kreditgebers nicht zweckentfremdet worden sei (vgl. BGE 112 II 495), ist dies im Zusammenhang mit der konkreten Fragestellung zu lesen; bezüglich gleichmässiger Behandlung der Bauhandwerker und Unternehmer ist damit jedenfalls nichts präjudiziert worden.

b) Einzuräumen ist hingegen, dass die anteilsmässige Gleichbehandlung der Baupfandgläubiger, wie sie der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zugrunde liegt, vom Baukreditgeber bei der Ausschüttung des Baukredites dann ein erhebliches Mass an Vorsicht verlangt, wenn dieser zum vornherein nicht alle wertvermehrenden Bauleistungen zu decken vermag. Diese Sachlage ist vergleichsweise häufig anzutreffen, zumal Art. 841 Abs. 1 ZGB keinen Anspruch auf ausreichenden Baukredit begründet und die Bevorschussung der gesamten Baukosten auch nicht den Gepflogenheiten der Branche entspricht (BGE 112 II 495 f. E. 8; EMCH/RENZ, Das Schweizerische Bankgeschäft, 3. A. 1984, S. 318 f.). Durchaus als branchenüblich gelten hingegen die Abschlagszahlungen nach Massgabe des Baufortschrittes (vgl. etwa SIA-Normenwerk, sia 118, geltende Ausgabe 1977, Druck 1987, Art. 144 f.); überhaupt sehen sich die Geldinstitute zur Vermeidung von Doppelzahlungen zu vielfältigen Vorsichtsmassnahmen gezwungen, die sich mittlerweile im Geschäftsalltag bewährt und eingelebt haben (vgl. BGE 95BGE 115 II 136 S. 145II 90 E. 4; ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 101, ZOBL, Der Baukreditvertrag, in BR 1987, S. 8; ferner C. HAEFLIGER, Le rang et le privilège de l'hypothèque légale des artisans et entrepreneurs, thèse, Lausanne 1957, S. 84, sowie bereits E. RAMSEYER, Baugläubigerpfandrecht, Baukredit und Treuhänder, Diss. Bern 1924, S. 106 ff.). Vor diesem Hintergrund erweist sich der mit der Berufung vorgetragene Vorwurf, das Gebot der anteilsmässigen Gleichbehandlung sei nicht nur aus Sicht des Gesetzeszwecks, sondern auch mit Blick auf seine Handhabung sachfremd, unzweckmässig, ja gar völlig unpraktikabel als unhaltbar. Jedenfalls ist nicht ersichtlich, inwiefern diese bereits seit Jahrzehnten geltende Rechtsprechung zu unüberwindbaren Schwierigkeiten in ihrer praktischen Anwendung geführt haben sollte. Im übrigen ähnelt die Klage aus Art. 841 ZGB im Grundgedanken, in den Voraussetzungen und in der Durchführung den Anfechtungsklagen des Schuldbetreibungsrechts (Art. 285 ff. SchKG), insbesondere derjenigen gemäss Art. 288 SchKG, auch wenn gewisse Unterschiede gegenüber den paulianischen Rechtsbehelfen nicht zu übersehen sind (vgl. hiezu BGE 96 III 137 ff. E. 8, 39 I 304, sowie O. LEHNER, Das Objekt des Bauhandwerkerpfandrechtes nach dem Schweizerischen Zivilgesetzbuch, in SJZ 57/1961, S. 133 ff., S. 136, je mit Hinweisen; vgl. auch die BOTSCHAFT des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, vom 28. Mai 1904, S. 81); insofern kann daher Art. 841 ZGB - auch in der bundesgerichtlichen Auslegung - nicht als völliges Neuland bezeichnet werden. Hinzu kommt schliesslich, was von den Gegnern des Gleichbehandlungsgrundsatzes mitunter übersehen oder doch zu wenig berücksichtigt wird, dass der grundpfandgesicherte Baukreditgeber den Vorrang der Bauhandwerker nur soweit gelten lassen muss, als anlässlich der Pfandbestellung oder bei der Auszahlung des Baukredites an die Baugläubiger die Benachteiligung einzelner unter ihnen erkennbar war (BGE 100 II 314 ff., 51 II 134, BGE 43 II 612; SCHUMACHER, a.a.O., Nrn. 985 ff., S. 284 f., sowie ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 177 f.). Durch dieses zusätzliche subjektive Erfordernis kann in hinreichendem und den konkreten Umständen des Einzelfalles angepasstem Masse auch dem Schutzbedürfnis des Baukreditgebers Rechnung getragen werden.

c) Auch im Schrifttum hat das der geschilderten Rechtsprechung zugrundeliegende Gleichbehandlungsgebot in überwiegendem Masse Zustimmung gefunden, und zwar nicht bloss anfänglich (WIELAND, Kommentar zum Sachenrecht, Zürich 1909, N. 3BGE 115 II 136 S. 146lit. bb zu Art. 841 ZGB, S. 372; H. SCHNEEBELI, Schutz der Baugläubiger im Schweizerischen Zivilgesetzbuch, Diss. Zürich 1914, S. 186 ff.; RAMSEYER, a.a.O., S. 95; LEEMANN, Kommentar, Bern 1925, N. 23 zu Art. 841 ZGB mit Hinweis auf BGE 43 II 606), sondern auch während Jahrzehnten seiner praktischen Bewährung (HOFMANN, a.a.O., S. 98 f.; HAEFLIGER, a.a.O., S. 85 ff.; R. RASCHEIN, Das Bauhandwerkerpfandrecht in der Zwangsverwertung von Grundstücken in BlSchK 36/1972, S. 39; ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 177 f.; SCHUMACHER, a.a.O., Nrn. 984, 993 ff., S. 284, 286; EMCH/RENZ, a.a.O., S. 319 f.; H.J. REBER, Rechtshandbuch für Bauunternehmer, Bauherr, Architekt und Bauingenieur, 4. A. 1983, S. 124, LEHNER, a.a.O., S. 134 f.). Auch diese herrschende Lehre stützt sich auf den Schutzzweck des Bauhandwerkerpfandrechts und die Einsicht, dass die ungleichmässige Ausschüttung des Baukredites die angestrebte Solidarität unter den betroffenen Baugläubigern vereiteln würde und darum als Anfechtungstatbestand im Sinne von Art. 841 ZGB gelten müsse.

7. a) Die Rechtsprechung des Bundesgerichts hat freilich auch Ablehnung hervorgerufen. Soweit dabei auf den Wortlaut der Art. 840 und 841 ZGB verwiesen wird (ZOBL, Baukreditvertrag, a.a.O., S. 7), besteht kein Grund, auf die schon gemachten Ausführungen zurückzukommen. Gleiches gilt für die materiellen Einwände GÖSCHKES, der - wie in der Berufung vorgebracht - eine Benachteiligung der Bauhandwerker und Unternehmer auch nur nach Massgabe des nicht für letztere verwendeten Teils des Baukredites anerkennen will (ZBJV 65/1929, S. 307). Anstoss zur Kritik gaben sodann auch die praktischen Schwierigkeiten der Berechnung, die aus der Durchsetzung des Gleichbehandlungsgebotes erwachsen können. Desgleichen wird schliesslich in der Berufung die Auffassung vertreten, selbst bei Anerkennung eines entsprechenden Anspruchs hätte die Berechnung des auf die Klägerin entfallenden Anteils anders an die Hand genommen werden müssen.

b) Die vom Bundesgericht verwendete Berechnungsmethode ist bestrebt, den einzelnen Bauhandwerker unter Inanspruchnahme seines Vorrechts keinesfalls besserzustellen, als er es wäre, wenn kein Anfechtungsgrund vorläge, mithin der Baukredit ab Beginn an sämtliche Bauhandwerker gleichmässig verteilt worden wäre, und zwar im Verhältnis, in welchem diese durch ihre Arbeit zur Schaffung des Mehrwerts beigetragen haben (BGE 86 II 153 E. 4, BGE 76 II 143, BGE 53 II 479 E. 5, BGE 43 II 611). Daran wird einerseits bemängelt,BGE 115 II 136 S. 147dass der ermittelte Anteil des einzelnen Bauhandwerkers an der Mehrwertschöpfung immer nur ein Annäherungswert bleiben müsse. Das Vorgehen des Bundesgerichts, welches den Anteil des einzelnen Bauhandwerkers an den gesamten wertvermehrenden Baukosten zu ermitteln suche und den errechneten Quotienten auf den bei der Verwertung tatsächlich erzielten Mehrwert übertrage, wobei sich letzterer aus dem gesamten Verwertungserlös abzüglich des Bodenwertes im Zeitpunkt der Liquidation ergebe, lasse ausser acht, dass der tatsächliche Erlös die einzelnen Leistungen der Bauhandwerker nicht gleichmässig berücksichtige, sondern auch Einflüssen ausgesetzt sei, welche diese Leistungen nicht berührten. Missbilligt wird überdies, dass den Bauhandwerkern und Unternehmern bei der Verteilung oder vielmehr Umverteilung des Baukredites ein Teil desselben vorenthalten bleibe; dies, weil sich die massgebliche Quote zwar aus dem Verhältnis ihrer Forderung zu den gesamten wertvermehrenden Leistungen oder Baukosten ergebe, von diesen jedoch nicht sämtliche auch zu einer Pfandberechtigung führten (zum Ganzen: GÖSCHKE, Die Klage des Bauhandwerkers gegen den vorgehenden Pfandgläubiger, in ZBJV 78/1942, S. 241 ff., insbesondere S. 245 ff.; neuerdings auch FÜLLEMANN, Durchsetzung und Vollstreckung des Bauhandwerkerpfandrechts unter besonderer Berücksichtigung der Dritteigentumsverhältnisse, Diss. Zürich 1984, S. 74 ff.).

Die Kritiker wollen diesen Schwierigkeiten dadurch begegnen, dass sie, ausgehend vom Wortlaut des Art. 841 ZGB, den Anteil am Verwertungserlös zu bestimmen suchen, der den Wert des unbebauten Grundstückes übersteigt; diese Schätzung - glaubt GÖSCHKE (a.a.O., S. 246) - sei praktisch möglich und einigermassen zuverlässig vornehmbar. Die Bauhandwerker, die einen Pfandausfall erlitten hätten, seien schliesslich "gleichmässig" darauf anzuweisen. Wie dies im einzelnen zu geschehen hat, wird freilich auch von den Kritikern nicht näher dargelegt. Soweit indessen nur jene Baugläubiger Berücksichtigung finden sollen, die ihren Ausfall geltend machen, und zwar nach Massgabe dieses Ausfalles, wird dem Grundsatz der Gleichbehandlung doch wieder Rechnung getragen. Allerdings ist diese im Schrifttum vorgezeichnete Berechnungsmethode insofern nicht frei von Zufälligkeiten, als sie auf die Zahl jener abstellen will, die ihren Ausfall tatsächlich anmelden. Solche Zufälligkeiten aber werden mit der bundesgerichtlichen Vorgehensweise vermieden, da sie darauf angelegt ist, die Gleichbehandlung im Hinblick auf eine bereits anfänglichBGE 115 II 136 S. 148gleichmässige Verteilung des Baukredites zu verwirklichen, und überdies in jedem Fall den Anteil des einzelnen Bauhandwerkers am Gesamtergebnis aller wertvermehrenden Leistungen als ausschlaggebend erachtet (BGE 86 II 153 mit Hinweis auf BGE 76 II 142). Soweit diesbezüglich auch die nicht pfandberechtigten Bauforderungen einzubeziehen sind, bewirkt dies keine Teilhabe derselben am Verwertungserlös, jedoch im Verhältnis zur Rechnungsstellung gegenüber dem Bauherrn tatsächlich eine wertmässige Minderung der auf die pfandgesicherten Gläubiger entfallenden Betreffnisse. Diese Konsequenz gründet letztlich aber in einem Wertungsentscheid, entsprechend dem zuletzt auch in BGE 112 II 493 ff. gefällten, und hat insofern mit der Undurchführbarkeit von konkreten Berechnungen wie sie gegen die Rechtsprechung ins Feld geführt wird - nichts gemein. Eindeutig zugunsten der vom Bundesgericht gewählten Methode, die in der Lehre durchaus auch auf Zustimmung gestossen ist, spricht indessen die grundsätzliche Gleichwertigkeit sämtlicher wertvermehrender Bauleistungen (ZOBL, ZSR, a.a.O., S. 182; mit verhaltener Kritik an der "theoretisch richtigen" Methode des Bundesgerichts SCHUMACHER, a.a.O., Nrn. 1011 ff., S. 291 ff.); ein Postulat, welches selbst von den Gegnern der Rechtsprechung als "an sich logisch und gerecht" gewürdigt worden ist (FÜLLEMANN, a.a.O., S. 74) und das sich letztlich auch bei der Verteilung eines im Verhältnis zu den gesamten wertvermehrenden Baukosten geringeren Verwertungserlöses insofern auswirken muss, als ein Teil des Mehrwertes den vorrangigen Pfandgläubigern anheimfällt.

c) Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung nicht geboten ist. Demnach bleibt auch für die von der Beklagten in ihrer Eventualbegründung vertretene Berechnungsmethode kein Raum, die unzutreffenderweise davon ausgeht, es stehe zur Deckung des Pfandausfalles lediglich jener Betrag des Verwertungserlöses zur Verfügung, der auch zur Abdeckung zweckentfremdeter Zahlungen des Baukreditgebers ausreiche. Lässt sich aber die Berechnungsweise der Vorinstanz im Lichte der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht beanstanden, erweist sich die Berufung als unbegründet.

BGE 123 III 97

Art. 799 Abs. 2 ZGB; Art. 12 OR. Änderung des Schuldbriefes.

Die Kündigungsbestimmungen gehören nicht zu den objektiv wesentlichen Punkten des Pfandvertrages; ihre Begründung und Modifikation bedarf deshalb nicht der öffentlichen Beurkundung (E. 2).


2. Der Vertrag auf Errichtung eines Grundpfandes bedarf zu seiner Verbindlichkeit der öffentlichen Beurkundung (Art. 799 Abs. 2 ZGB). Er muss den Verpfänder, den Berechtigten, dieBGE 123 III 97 S. 99Pfandforderung und das Pfandobjekt bezeichnen (LEEMANN, Berner Kommentar, N. 32 ff. zu Art. 799 ZGB). Vereinbarungen über Rückzahlung, Kündigung und Amortisation bilden demgegenüber keinen notwendigen Bestandteil des Pfandvertrags (LEEMANN, a.a.O., N. 47 zu Art. 799 ZGB). Auch Art. 40 Abs. 2 der Grundbuchverordnung (SR 211.432.1) sieht lediglich vor, dass, sofern die Parteien besondere Vereinbarungen über Rückzahlungen und Kündigungen oder über Amortisationen getroffen haben, auf diese in der Kolumne "Bemerkungen" hingewiesen werden soll. Solche Punkte - folgt daraus - sind keine notwendigen Bestandteile des Grundbucheintrags und des Schuldbriefs (Art. 793 ff. ZGB). Schliesslich kann nach Art. 844 Abs. 1 ZGB der Schuldbrief auf sechs Monate und auf die üblichen Zinstage gekündigt werden. Nach dieser dispositiven Gesetzesnorm brauchen die Parteien bezüglich der Kündigungsbestimmungen keine Abmachungen zu treffen.

Der sicherungshalber übereignete Schuldbrief sieht eine halbjährliche Kündigungsmöglichkeit vor. In der Sicherungsabrede haben die Parteien demgegenüber auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen, welche der Beklagten das Recht einräumen, bestehende Geschäftsverbindungen mit sofortiger Wirkung aufzuheben und die dadurch zur Rückzahlung fällig gewordenen Guthaben ohne weitere Kündigung einzufordern. Derartige separate Vereinbarungen sind zulässig (LEEMANN, a.a.O., N. 12 und 13 zu Art. 844 ZGB; ZOBL, Zur Sicherungsübereignung von Schuldbriefen, ZBGR 68/1987, S. 291; MARKUS VOLLENWEIDER, Die Sicherungsübereignung von Schuldbriefen als Sicherungsmittel der Bank, Diss. Freiburg 1994, S. 101 f.). Durch gesonderte Abmachung können auch (unter Vorbehalt des Schutzes eines gutgläubigen Erwerbers) die auf dem Titel aufgeführten Kündigungsfristen und -termine geändert werden (DANIEL STAEHELIN, Betreibung und Rechtsöffnung beim Schuldbrief, AJP 1994 S. 1265). Die Geltendmachung der Schuldbriefforderung richtet sich diesfalls nicht nach dem Schuldbrieftenor, sondern nach dem Innenverhältnis der Parteien (ZOBL, a.a.O.).

Der Kläger beruft sich demgegenüber auf Art. 12 OR und leitet daraus ab, dass vom Titel abweichende Abmachungen der öffentlichen Beurkundung bedürften. Gemäss dieser Bestimmung ist für die Abänderung eines Vertrags, für den die schriftliche Form vorgeschrieben ist, ebenfalls Schriftlichkeit erforderlich, mit Ausnahme von ergänzenden Nebenbestimmungen, die mit der Urkunde nicht im Widerspruch stehen. Art. 12 OR ist nach Lehre und RechtsprechungBGE 123 III 97 S. 100analog auch anzuwenden auf Rechtsgeschäfte, für die das Gesetz eine andere als die Schriftform, namentlich die öffentliche Beurkundung vorschreibt (BGE 95 II 419 E. 2b; SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 3 zu Art. 12 OR). Ist für das Zustandekommen eines Vertrages die öffentliche Beurkundung erforderlich, unterliegen die objektiv und subjektiv wesentlichen Vertragspunkte dem Formzwang (BGE 113 II 402 E. 2a mit Hinweisen). Die Kündigungsbestimmungen gehören, wie dargetan, nicht zu den objektiv wesentlichen Bestimmungen des Pfandvertrags und des Schuldbriefs. Es fragt sich aber, ob sie auch dann, wenn sie im Pfandtitel geregelt sind, formlos oder - wie hier - durch einfache Schriftlichkeit ausserhalb des Titels selber abgeändert werden dürfen. Während BECKER (Berner Kommentar, N. 1 zu Art. 12 OR) dafür hält, in einem formbedürftigen Vertrag geregelte Nebenpunkte dürften nur in der gleichen Form abgeändert werden, da eine Änderung der Urkunde widerspreche, ist eine neuere Lehrmeinung der Ansicht, dass objektiv unwesentliche Punkte, auch wenn sie bereits geregelt wurden, formlos abgeändert werden können (SCHMIDLIN, a.a.O., N. 17 zu Art. 12 OR; SCHWENZER, in: Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, N. 5 zu Art. 12 OR). Nebenbestimmungen, welche nicht vom Formzwang erfasst sind, bleiben stets formfrei (SCHMIDLIN, a.a.O., N. 3 zu Art. 12 OR; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher Kommentar, N. 11 und 17 zu Art. 12 OR) und können entsprechend modifiziert werden. Dieser neueren Lehrmeinung ist beizupflichten. Die Änderung der Modalitäten der Pfandforderung (so insbesondere die Kündigung) muss deshalb ebensowenig wie die Begründung öffentlich beurkundet werden (LEEMANN, a.a.O., N. 60 zu Art. 799 ZGB). Demnach durfte ohne öffentliche Beurkundung in der zwischen den Parteien abgeschlossenen Sicherungsvereinbarung vom 30. Mai 1988 unter Verweis auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen abgemacht werden, dass die Schuldbriefforderung jederzeit gekündigt werden darf; und das gleiche gilt auch hinsichtlich des Vertrags vom 24. April 1991.

BGE 130 III 681

Art. 827 und 873 ZGB; Herausgabe eines Schuldbriefs.

Der (heutige) Eigentümer einer mit einem Pfandrecht belasteten Liegenschaft hat keinen Anspruch auf Herausgabe des Schuldbriefs, wenn er im Zeitpunkt der Tilgung der Schuldbriefforderung weder Schuldbriefschuldner noch Drittpfandeigentümer gewesen ist (E. 2.3-2.7).


2.

2.3 Durch die Errichtung eines Schuldbriefs wird das Schuldverhältnis, das der Errichtung zu Grunde liegt, durch Neuerung getilgt. Eine andere Abrede wirkt nur unter den Vertragsparteien sowie gegenüber Dritten, die sich nicht in gutem Glauben befinden (Art. 855 ZGB). Es wird eine neue Forderung begründet und verbrieft, die streng akzessorisch zum Grundpfand ist. Forderung und Grundpfand bilden somit eine untrennbare Einheit, welche in einem Pfandtitel verkörpert wird, dem die Qualität eines Wertpapiers zukommt (Art. 842, 793 Abs. 1 und 866 ff. ZGB; SIDNEY KAMERZIN, Le contrat constitutif de cédule hypothécaire, Diss. Freiburg 2003, S. 6 ff.; DANIEL STAEHELIN, Basler Kommentar, N. 5 zu Art. 842 ZGB, mit zahlreichen Hinweisen; HANS MICHAEL RIEMER, Die beschränkten dinglichen Rechte, 2000, S. 133; PAUL-HENRI STEINAUER, Les droits réels, Bd. III, 2003, S. 341; BEAT KRÄHENMANN, Die Einreden des Schuldbriefschuldners und des Drittpfandeigentümers, ZSR 107/1988 S. 467; HENRI-ROBERT SCHÜPBACH, Gestation de la cédule hypothécaire et naissance du droit de gage, ZBGR 71/1990 S. 130 f.; THEO GUHL, Vom Schuldbrief, ZBJV 92/1956 S. 10). Die Begleichung der Schuldbriefforderung führt nicht zum Erlöschen der Schuld und berührt auch das Grundpfandrecht nicht in seinem Bestehen. Hingegen räumt die vollständige Zahlung dem Schuldner gegenüber dem Gläubiger das Recht ein, den Pfandtitel herauszuverlangen (Art. 873 ZGB). Ebenso kann der Drittpfandeigentümer das Pfandrecht unter den gleichen Voraussetzungen ablösen, unter denen der Schuldner zur Tilgung der Forderung befugt ist (Art. 827 ZGB i. V. m. Art. 845 ZGB). In diesem Zusammenhang indes von einem "forderungsentkleideten" Schuldbrief zu sprechen - wie dies die Vorinstanz und auch teilweise die Doktrin im Falle der Tilgung der Schuldbriefforderung tun - wird dem Charakter dieses Rechtsinstituts nicht gerecht. Beim Schuldbrief gibt es typischerweise kein Auseinanderfallen von Forderung und Pfandrecht (SIDNEY KAMERZIN, a.a.O., S. 60 Fn. 322).BGE 130 III 681 S. 684

2.4 Dem angefochtenen Urteil lässt sich entnehmen, dass der Verkäufer den Käufern beim Abschluss des Kaufvertrages vom 9. Oktober 1980 auch ein Darlehen über Fr. 8'000.- gewährt hatte, welches grundpfandlich gesichert werden sollte. Zu diesem Zweck wurde zu Lasten der übertragenen Liegenschaft im fünften Rang ein Schuldbrief in gleicher Höhe errichtet. Dadurch wurde das eben erst eingegangene Schuldverhältnis durch Neuerung sogleich wieder getilgt und durch die Schuldbriefforderung ersetzt. Als die belastete Liegenschaft am 23. August 1983 weiterveräussert wurde, war die Schuldbriefforderung gemäss Feststellung der Vorinstanz bereits beglichen worden. Nun gehen aber typischerweise beim Schuldbrief Forderung und Pfandrecht nicht unter, wenn der verbrieften Verpflichtung nachgekommen wird, sondern diese gehen auf den zahlenden Schuldner oder auf den zahlenden Eigentümer des belasteten Grundstücks über (statt vieler: THEO GUHL, a.a.O., S. 10 f.). Wie es sich mit der Rückzahlung der seinerzeitigen Schuldbriefforderung im Einzelnen verhalten hat, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Immerhin hat die Vorinstanz festgehalten, dass die Verkäufer (des Vertrages vom 23. August 1983) die Schuldbriefforderung getilgt haben. Damit ist zugleich und unabhängig vom zeitlichen Ablauf gesagt, dass es nicht der Kläger gewesen ist, der dieser Verpflichtung nachgekommen ist. Ebenso ist unbestritten, dass der Kläger damals weder Schuldner noch Drittpfandeigentümer gewesen ist, womit er weder aus der Rechtsstellung des einen noch des andern etwas ableiten kann. Der schuldrechtliche Herausgabeanspruch als Folge der vollständigen Zahlung nach Art. 873 ZGB steht einzig dem Schuldner zu (DANIEL STAEHELIN, a.a.O., N. 1 zu Art. 873 ZGB, mit Hinweisen). Nur ein allfälliger Drittpfandeigentümer hätte ohne weiteres das (Eigentümer-) Pfandrecht erworben (BERNHARD TRAUFFER, Basler Kommentar, N. 16 zu Art. 827 ZGB, mit Hinweisen). Vorliegend wurde indes der Schuldbrief - so das angefochtene Urteil weiter - am 23. August 1983 abmachungsgemäss vom seinerzeitigen Gläubiger an die Erwerberin, die heutige Beklagte, indossiert. Damit ist bei ihr ein unechtes Eigentümergrundpfand entstanden (URS PETER MÖCKLI, Das Eigentümergrundpfandrecht, Diss. Bern 2001, S. 82). Am 27. Februar 1987 ist eine weitere Veräusserung der Liegenschaft erfolgt. Der im genannten Kaufvertrag wiedergegebene Grundbuchauszug führt neben weiteren Belastungen auch den strittigen Eigentümerschuldbrief über Fr. 8'000.- im fünften Rang auf. DessenBGE 130 III 681 S. 685ungeachtet ist bei der Regelung der Zahlungsmodalitäten dieser Pfandtitel nicht einbezogen worden. Es ist weder eine Schuldübernahme unter Anrechnung auf den Kaufpreis noch die Übertragung an die neuen Eigentümer vereinbart worden, und auch der weitere Vertragsinhalt hat nicht darauf Bezug genommen, was die Vertragsfreiheit zulässt (Art. 19 OR). Infolgedessen ist der Schuldbrief bei der Verkäuferin (Beklagten) verblieben und ein Drittpfand entstanden.

2.5 Dass der Kläger, welcher die mit dem Schuldbrief belastete Liegenschaft im Jahr 2001 von seinen Eltern geschenkt erhalten hat, den Pfandtitel nunmehr von der Beklagten herausverlangt, ist zwar nachvollziehbar, befürchtet er doch, die Beklagte könnte den Titel als Sicherheit für eine eigene Schuld einem gutgläubigen Dritten aushändigen. Dieses Bedürfnis allein verschafft ihm indes noch keinen Rechtsanspruch. Da er - wie gesagt - im Zeitpunkt der Zahlung nicht Schuldbriefschuldner und auch nicht Drittpfandeigentümer gewesen ist, kann er sich heute weder auf Art. 873 ZGB noch auf Art. 827 ZGB berufen. Als aktueller Drittpfandeigentümer kann er den Pfandtitel einzig gestützt auf Art. 827 ZGB erwerben, soweit er wie ein Schuldner zur Tilgung der Forderung befugt ist, wie die Vorinstanz zu Recht festgehalten hat. Eine Tilgung durch den Kläger ist vorliegend gerade nicht erfolgt. Indem er in diesem Zusammenhang das aktuelle Rechtsschutzinteresse betont, lassen seine Ausführungen die genannte Voraussetzung für eine Berufung auf Art. 827 ZGB völlig ausser Acht.

2.6 Es bleibt die Frage, ob der Kläger nicht als Rechtsnachfolger seiner Eltern sich auf den Umstand berufen könnte, dass die Schuld längstens getilgt sei, und ob er infolgedessen gestützt auf Art. 873 ZGB die Herausgabe des Schuldbriefes von der Beklagten verlangen könnte. Da diese immer noch die Berechtigte am Pfandtitel ist, steht immerhin der Schutz des gutgläubigen Dritten nicht zur Diskussion (Art. 874 Abs. 3 ZGB; EVA LAREIDA, Der Schuldbrief aus wertpapierrechtlicher Sicht, Diss. Zürich 1986, S. 91 ff.; HENRI Deschenaux, Das Grundbuch, in: Schweizerisches Privatrecht, Bd. V/3 II, 1989, S. 774 f.). Der Herausgabe steht aber entgegen, dass auch seine Eltern letztlich nur die Möglichkeit hatten, beim Abschluss des Kaufvertrages mit der Beklagten die Übertragung des Pfandtitels auszubedingen, und sie sich anschliessend ebenfalls nicht auf Art. 873 ZGB berufen konnten.

2.7 Damit bleibt dem Kläger bloss die Möglichkeit, bei Inanspruchnahme durch die Beklagte (oder einen bösgläubigen Dritterwerber)BGE 130 III 681 S. 686die dem Drittpfandeigentümer zustehenden persönlichen Einreden zu erheben, wozu auch die ganz oder teilweise Rückzahlung der Schuldbriefschuld gehört (Art. 845 Abs. 2 ZGB; BEAT KRÄHENMANN, a.a.O., S. 473 u. 494; DANIEL STAEHELIN, a.a.O., N. 6 zu Art. 872 ZGB u. N. 12 zu Art. 874 ZGB).

Nicht zu befinden hat das Bundesgericht im jetzigen Zeitpunkt über die Frage, inwieweit die von der Vorinstanz angeführten Abwehrbehelfe der Aberkennungs- bzw. der Feststellungsklage nach Art. 85 SchKG dem Kläger gegenüber der Beklagten oder gegenüber einem (gutgläubigen) Dritten allenfalls nützen könnten. Selbst wenn dem Kläger damit nicht geholfen sein sollte, würde sich dadurch an der aktuellen Rechtslage nichts ändern.

BGE 89 II 387

Schuldbrief und Gült; Einrede der Handlungsunfähigkeit des Schuldners; Schutz des gutgläubigen Dritterwerbers (Art. 872, 865/866 ZGB).

Wer einen von einem Handlungsunfähigen errichteten Pfandtitel von diesem selber erwirbt, muss sich auch im Falle seiner Gutgläubigkeit die Einrede gefallen lassen, das Erwerbsgeschäft sei wegen der Handlungsunfähigkeit des Schuldners ungültig und vermöge ihm deshalb die im Titel verbrieften Rechte nicht zu verschaffen.

Dagegen ist die Einrede, der Schuldner sei zur Zeit der Errichtung des Titels handlungsunfähig gewesen, gegenüber einem gutgläubigen spätern Erwerber (Dritterwerber) nicht zulässig.


1. Die Beklagten bestreiten vor Bundesgericht wie schon vor dem Appellationsgericht nicht mehr, dass dem Kläger die für die Errichtung (und Begebung) des streitigen Schuldbriefs erforderliche Urteilsfähigkeit fehlte. Es kann denn auch keine Rede davon sein, dass die Vorinstanz Bundesrecht (Art. 16 ZGB) verletzt habe, indem sie den Kläger auf Grund des Gutachtens von Prof. Dukor im Hinblick auf das erwähnte Geschäft als urteilsunfähig betrachtete.

Wer nicht urteilsfähig ist, vermag nach Art. 18 ZGB unter Vorbehalt der gesetzlichen Ausnahmen durch seine Handlungen keine rechtliche Wirkung herbeizuführen. Von einem Urteilsunfähigen vorgenommene Rechtsgeschäfte sind also unter dem erwähnten Vorbehalte nichtig. Es besteht keine Gesetzesbestimmung, aus der sich ableiten liesse, dass der streitige Inhaberschuldbrief trotz der Urteilsunfähigkeit des Klägers, der ihn errichten liess und als Schuldner unterzeichnete, auf Grund des Errichtungsaktes gültig zustande gekommen sei. Dieser Titel war deshalb im Zeitpunkte seiner Errichtung ungültig, der bezügliche Eintrag im Grundbuch ungerechtfertigt.

Mit dieser Feststellung ist jedoch der vorliegende Prozess noch nicht entschieden. Vielmehr bleibt zu prüfen, ob die Beklagten, die beim Erwerb des Schuldbriefs unstreitig gutgläubig waren, in ihrem guten Glauben zu schützen seien und daher die nach dem Wortlaut des Schuldbriefs dem Inhaber zustehenden Rechte geltend machen können, obwohl der Schuldbrief wegen Wirkungslosigkeit des Errichtungsaktes zunächst ungültig war.

2. Abgesehen von gewissen Sonderfällen (vgl. insbesondere Art. 375 Abs. 3 und Art. 411 Abs. 2 ZGB), von denen hier keiner gegeben ist, schützt das Gesetz den guten Glauben in die Handlungsfähigkeit des GeschäftspartnersBGE 89 II 387 S. 390nicht. Vielmehr hat derjenige, der mit einem Handlungsunfähigen ein Geschäft abschliesst, auch im Falle seiner Gutgläubigkeit die gewöhnlichen Folgen des Fehlens der Handlungsfähigkeit einer Vertragspartei zu tragen (EGGER, 2. Aufl., N. 3 zu Art. 18 ZGB; v. TUHR/SIEGWART, § 23 II S. 172 und § 27 V S. 202; JÄGGI N. 69 zu Art. 3 ZGB). Dies gilt nicht nur für schuld-, sondern auch für sachenrechtliche Geschäfte (EGGER a.a.O.; V. TUHR/SIEGWART § 27 V; WIELAND N. 3 a zu Art. 656 und N. 3 c dd zu Art. 714 ZGB; LEEMANN, 2. Aufl., N. 37 zu Art. 656 und N. 43 zu Art. 714 ZGB; OFTINGER N. 341 zu Art. 884 ZGB; OSTERTAG, 2. Aufl., und HOMBERGER, je N. 13 zu Art. 973 ZGB). Die Beklagten haben den streitigen Schuldbrief folglich nicht gültig erworben, wenn die Personen, durch deren Vermittlung er vom Kläger an sie überging, nur Boten oder Vertreter des einen oder andern Teils und sie (die Beklagten) selber demgemäss die "ersten Nehmer" des Titels waren, wie der Kläger dies behauptet. Trifft diese Behauptung zu, so können also die Beklagten aus dem Erwerb des Schuldbriefs keine Rechte gegen den Kläger ableiten. Vielmehr kann sich in diesem Falle der Kläger ihnen gegenüber auf seine Handlungsunfähigkeit berufen. Sind die Beklagten seine Geschäftspartner, so bildet die Einrede, das Erwerbsgeschäft sei wegen seiner Urteilsunfähigkeit nichtig, eine ihm gegen die Gläubiger persönlich zustehende Einrede im Sinne von Art. 872 ZGB.

Die Beklagten bestreiten jedoch, dass sie die ersten Erwerber des Schuldbriefs seien. Sie machen geltend, Ersterwerber sei Wilhelm Ketterer als Vormann Stöcklins; sie seien Dritterwerber. Wie es sich damit verhalte, lässt sich auf Grund der tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, die diese Frage offen gelassen hat, nicht entscheiden. Der Prozess ist also nur spruchreif, falls die Auffassung der Vorinstanz zutrifft, dass der Kläger den Beklagten seine Handlungsunfähigkeit selbst dann entgegenhalten könne, wenn sie als Dritterwerber des TitelsBGE 89 II 387 S. 391betrachtet werden. Andernfalls ist die Sache zur Vervollständigung des Tatbestandes an die Vorinstanz zurückzuweisen.

3. Nach Art. 872 ZGB kann der Schuldbrief- oder Gültschuldner neben den Einreden, die ihm persönlich gegen den ihn belangenden Gläubiger zustehen, (nur) solche Einreden geltend machen, "die sich entweder auf den Eintrag oder auf die Urkunde beziehen" (dérivant de l'inscription ou du titre; le quali si riferiscono all'iscrizione od al titolo). Unter den Wortlaut dieser Bestimmung lässt sich auch die Einrede ziehen, der Eintrag sei ungerechtfertigt und der Titel ungültig, weil der Schuldner, der den Schuldbrief oder die Gült errichten liess, handlungsunfähig gewesen sei (BGE 58 II 114 /115). Das Wertpapierrecht des OR lässt denn auch, wie die Vorinstanz zutreffend festgestellt hat, die Einrede der Handlungsunfähigkeit des Ausstellers allgemein zu (JÄGGI N. 69 zu Art. 3 ZGB, N. 28 zu Art. 979 und N. 14 zu Art. 1146 OR).

Bei Beurteilung der Tragweite von Art. 872 ZGB ist indessen zu berücksichtigen, dass Schuldbrief und Gült Wertpapiere eigener Art sind, für die besondere Vorschriften gelten, die im Wertpapierrecht des OR kein Gegenstück haben. Für den Inhaberschuldbrief behält Art. 989 OR diese Vorschriften ausdrücklich vor. Die Besonderheiten der für Schuldbrief und Gült massgebenden Regelung ergeben sich daraus, dass sie gemäss Art. 856 ff. ZGB durch den Grundbuchverwalter ausgestellt und im Grundbuch eingetragen werden (JÄGGI, Bem. zu Art. 989 OR). Diese Besonderheiten bestehen darin, dass Schuldbrief und Gült nach Massgabe von Art. 865 ff. in Verbindung mit Art. 973 ZGB öffentlichen Glauben geniessen.

Nach Art. 865 ZGB besteht die Forderung aus Schuldbrief oder Gült dem Eintrage gemäss für jedermann zu Recht, der sich in gutem Glauben auf das Grundbuch verlassen hat (La teneur de l'inscription fait règle, pour la cédule hypothécaire ou la lettre de rente, à l'égardBGE 89 II 387 S. 392de toute personne qui s'en est rapportée de bonne foi aux énonciations du registre; Il credito derivante da una cartella ipotecaria o da una rendita fondiaria esiste a norma dell'inscrizione per chiunque in buona fede siasi riferito al registro fondiario). Nach Art. 866 ZGB besteht der formrichtig erstellte Pfandtitel seinem Wortlaute gemäss für jedermann zu Recht, der sich in gutem Glauben auf die Urkunde verlassen hat. Diese Bestimmungen erweitern den Schutz, den die gutgläubigen Dritten nach Art. 973 ZGB geniessen (vgl. BGE 56 II 176). Art. 973 ZGB gilt nur für den im Vertrauen auf das Grundbuch erfolgten Erwerb des Eigentums oder anderer dinglicher Rechte an Grundstücken. Art. 865 ZGB gewährleistet demjenigen, der sich beim Erwerb eines Schuldbriefs oder einer Gült (sei es zu Eigentum, zu Faustpfand oder zur Nutzniessung, vgl. BGE 64 III 69, BGE 71 III 156) gutgläubig auf das Grundbuch verlassen hat und für den daher nach Art. 973 ZGB das Grundpfandrecht gemäss dem Eintrag zu Recht besteht, in gleicher Weise auch den Bestand der aus dem Grundbuch ersichtlichen Grundpfandforderung (die sich bei Schuldbrief und Gült mit der im Grundbuch angegebenen Pfandsumme deckt). Dies kommt im deutschen und italienischen Text von Art. 865 ZGB klar zum Ausdruck, lässt sich aber auch dem französischen Text entnehmen, da der hienach massgebende Wortlaut des Eintrags (teneur de l'inscription) nicht nur über das Pfandrecht, sondern auch über die Forderung des Schuldbrief- oder Gültgläubigers Auskunft gibt. (Dass der Grundbucheintrag, wie in BGE 68 II 88 f. dargetan, für die Person des - im Grundbuch nicht anzugebenden - Titelschuldners keine Gewähr bietet, spielt im vorliegenden Falle keine Rolle.) Art. 866 ZGB dehnt den öffentlichen Glauben, der nach Art. 973 ZGB dem Grundbuch zukommt, auf den formrichtig als Schuldbrief oder Gült errichteten Pfandtitel aus. Dieser umschreibt die Forderung und das Pfandrecht. Für den Dritterwerber eines Schuldbriefs oder einer Gült, der sich in gutem Glauben auf den PfandtitelBGE 89 II 387 S. 393verlassen hat, besteht also die Forderung wie das Pfandrecht gemäss den Angaben dieser Urkunde zu Recht. (Vorbehalten bleibt für den hier nicht gegebenen Fall der Abweichung des Titels vom Eintrag die Vorschrift von Art. 867 ZGB).

Aus welchem Grunde das Grundbuch die Rechtslage nicht richtig darstellt, ist unter dem Gesichtspunkte von Art. 973 ZGB grundsätzlich unerheblich. Der gutgläubige Dritte, der im Vertrauen auf das Grundbuch ein darin eingetragenes Grundpfandrecht erwirbt, ist also (die Gültigkeit des Erwerbsgeschäfts und im Fall einer Grundpfandverschreibung der Bestand der Forderung vorausgesetzt; vgl. BGE 88 II 425) in seinem Erwerb auch dann zu schützen, wenn die Eintragung des Grundpfandrechts wegen Handlungsunfähigkeit des Verpfänders ungerechtfertigt war. Da die Art. 865/866 ZGB den Schutz des gutgläubigen Dritten auf die Forderung aus Schuldbrief oder Gült ausdehnen und den formrichtigen Pfandtitel hinsichtlich des öffentlichen Glaubens dem Grundbuch gleichstellen, ist der gutgläubige Dritterwerber eines Schuldbriefes oder einer Gült unabhängig davon, ob der Pfandtitel wegen Handlungsunfähigkeit des Schuldners oder aus andern materiellen Gründen nicht gültig zustande gekommen sei, auch bezüglich der Forderung in seinem Erwerbe zu schützen. Der Gesetzeswortlaut enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Schutz des gutgläubigen Dritterwerbers eines solchen Titels wegfalle, wenn der Schuldner zur Zeit der Errichtung des Titels nicht handlungsfähig war, und es bestehen entgegen der Ansicht von WIELAND (N. 2 zu Art. 865/866 und N. 2 zu Art. 872 ZGB) und LEEMANN (N. 8 zu Art. 872 ZGB), welche die Einrede der Handlungsunfähigkeit des Schuldners bei Errichtung des Titels unter allen Umständen zulassen wollen, auch keine sachlichen Gründe, die eine einschränkende Auslegung der Art. 865/866 ZGB im erwähnten Sinne fordern würden. Der Hinweis auf die im Wertpapierrecht des OR geltenden Grundsätze schlägtBGE 89 II 387 S. 394nicht durch, weil Schuldbrief und Gült eben Wertpapiere eigener Art sind, die am öffentlichen Glauben des Grundbuchs teilnehmen. Die Überlegung, dass der Schutz des gutgläubigen Dritterwerbs dinglicher Rechte den wahren Berechtigten höchstens das Eigentum verlieren, also einen "begrenzten" Verlust erleiden lasse, wogegen die persönliche Haftung für eine wegen Handlungsunfähigkeit des Schuldners nicht gültig entstandene Forderung den Schuldner der Gefahr "schrankenloser" Verluste aussetzen würde, kann sich in ihrem zweiten Teil von vornherein nur auf den Schuldbrief, nicht auch auf die (keine persönliche Haftung begründende) Gült beziehen und bildet ebenfalls keinen genügenden Grund dafür, gegenüber dem gutgläubigen Dritterwerber eines Pfandtitels entgegen dem Wortlaut von Art. 865/866 ZGB, der einen umfassenden Gutglaubensschutz vorsieht, die Einrede der Handlungsunfähigkeit des Schuldners zuzulassen. Dass ein Handlungsunfähiger einen Schuldbrief errichtet, wie es hier geschehen ist, darf als seltene Ausnahme angesehen werden, weil der Grundbuchverwalter die Handlungsfähigkeit des Antragstellers im Rahmen seiner Möglichkeiten mindestens insoweit zu prüfen hat, als die für die Pfandbestellung beigezogene Urkundsperson dies nicht bereits getan hat (WIELAND N. 3 e cc, OSTERTAG N. 9/10 und HOMBERGER N. 41 zu Art. 965 ZGB). Für diesen und ähnliche Ausnahmefälle (z.B. für den Fall der Fälschung oder versehentlichen Erstellung von Eintrag und Pfandtitel durch den Grundbuchverwalter) die klare Regel von Art. 865/866 ZGB zu durchbrechen und damit die Vertrauenswürdigkeit der Pfandtitel zu erschüttern, rechtfertigt sich nicht (vgl. EUGEN HUBER, Zum schweiz. Sachenrecht, 1914, S. 120 ff., wo u.a. auf die grosse volkswirtschaftliche Bedeutung des Schutzes gutgläubiger Erwerber von Pfandtiteln hingewiesen wird). Vielmehr ist anzunehmen, dass das ZGB im Widerstreit zwischen den Interessen des Schuldners eines nicht gültig errichteten Pfandtitels einerseits und des gutgläubigen DritterwerbersBGE 89 II 387 S. 395sowie des Grundpfandkredites anderseits auch in Fällen der eben erwähnten Art diesen letztern den Vorzug geben will. Ob das ZGB den Schutz des öffentlichen Glaubens im Sachenrecht zu weit getrieben habe, wie LIVER dies behauptet (N. 86 und 111 der Allg. Einleitung im Berner Kommentar zu Art. 1-10 ZGB), hat der an das Gesetz gebundene Richter nicht zu prüfen. Die Gefahr, welcher der als Titelschuldner Belangte im Falle einer dem Wortlaut entsprechenden Anwendung von Art. 865/866 ZGB ausgesetzt ist, wird im übrigen durch die Vorschriften über die - ein Verschulden des Grundbuchverwalters nicht voraussetzende - Haftung der Kantone für den aus der Grundbuchführung entstehenden Schaden gemildert (vgl. hiezu HOMBERGER N. 5 zu Art. 955 ZGB).

Gegenüber dem gutgläubigen Dritterwerber eines Pfandtitels wird demnach die Einrede der Handlungsunfähigkeit des Schuldners zur Zeit der Errichtung des Titels durch die Sondervorschriften von Art. 865/866 ZGB ausgeschlossen. Die Sache ist daher gemäss Erwägung 2 hievor zur Prüfung der Frage, ob die Beklagten erste Nehmer oder Dritterwerber des streitigen Inhaberschuldbriefs seien, an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Die Berufung wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.

BGE 134 III 71

Art. 82 Abs. 1 SchKG; Schuldbrief als provisorischer Rechtsöffnungstitel.In der Betreibung auf Grundpfandverwertung ist der Schuldbrief Rechtsöffnungstitel für das Grundpfandrecht und auch für die Grundpfandforderung, soweit der betriebene Schuldner im Titel aufgeführt ist (E. 3).


2. Das Obergericht hat erwogen, die Bank habe Betreibung auf Grundpfandverwertung eingeleitet und als Rechtsöffnungstitel den sicherungsübereigneten Namenschuldbrief im 1. Rang angerufen. Der dort aufgeführte Schuldner stimme nicht mit den Betriebenen überein und es liege auch keine schriftliche Schuldübernahmeerklärung für die Schuldbriefforderung vor, weshalb richtigerweise auch für die Grundpfandforderung keine Rechtsöffnung hätte gewährt werden dürfen. Diesbezüglich hätten indes Y. und Z. Beschwerde führen müssen. Weil sich das Grundpfandrecht aber auf die Grundpfandforderung und nicht auf die Grundforderung beziehe bzw. zwischen Grundpfandforderung und Grundpfandrecht eine strenge Einheit bestehe, sei jedoch die Rechtsöffnung für das Grundpfandrecht zu Recht verweigert worden und könne sie auch in appellatorio nicht erteilt werden.

Die Bank sieht in diesen Erwägungen Bundesrecht verletzt. Sie macht geltend, indem die Gegenpartei auf ein Rechtsmittel verzichtet habe, sei die Rechtsöffnung für die Forderung in RechtskraftBGE 134 III 71 S. 73erwachsen. Da Rechtsöffnung immer in einer bestimmten Betreibung erteilt werde, sei diese rechtskräftig nicht für die Grund-, sondern für die Grundpfandforderung erteilt worden. Ob die rechtliche Begründung hierfür zutreffend sei, könne nicht massgeblich sein; vielmehr hätte das Obergericht als Folge der Rechtskraft des erstinstanzlichen Entscheides bezüglich der Grundpfandforderung die Frage, was für eine Art von Rechtsöffnungstitel hierfür erforderlich sei, gar nicht mehr aufwerfen dürfen, sondern zwingend auch für das Grundpfandrecht die Rechtsöffnung erteilen müssen.

3. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft mit anderen Worten, ob der angefochtene Entscheid angesichts der vorgetragenen Beanstandungen (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG) vor Bundesrecht standhält, und es ist dabei insbesondere nicht an die materiellen Erwägungen im angefochtenen Entscheid gebunden.

Wird als Sicherheit für eine - beispielsweise im Rahmen eines Darlehens bestehende - Grundforderung ein Schuldbrief übereignet, so wird der Empfänger Gläubiger der Grundpfandforderung und des Grundpfandrechts sowie Eigentümer des Grundpfandtitels (STAEHELIN, Basler Kommentar, N. 15 zu Art. 855 ZGB); dabei wird das Grundverhältnis nicht noviert, weil die Sicherungsabrede einen Novationsausschluss gemäss Art. 855 Abs. 2 ZGB beinhaltet (STAEHELIN, a.a.O., N. 11 zu Art. 855 ZGB; STÜCHELI, Die Rechtsöffnung, Diss. Zürich 2000, S. 378). Der Fiduziar ist dann gleichzeitig Gläubiger der parallel bestehenden Forderung aus dem Grundverhältnis und der Grundpfandforderung (BGE 119 III 105 E. 2a S. 107; LEEMANN, Berner Kommentar, N. 12 zu Art. 855 ZGB; STAEHELIN, a.a.O., N. 11 zu Art. 855 ZGB), und er hat - unter Vorbehalt des beneficium excussionis realis (BGE 106 III 6; STAEHELIN, a.a.O., N. 23 zu Art. 855 ZGB; STÜCHELI, a.a.O., S. 379) - die Wahl, für die Grundforderung die Betreibung auf Pfändung einzuleiten und als Rechtsöffnungstitel den gegengezeichneten Darlehensvertrag vorzulegen oder für die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht die Betreibung auf Grundpfandverwertung anzuheben. Im letzteren Fall kann er als Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht den Schuldbrief einreichen; wurde dieser nicht durch den Schuldner selbst unterzeichnet, ist er doch eine öffentliche Urkunde (FRITZSCHE/WALDER, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, Zürich 1984, § 20, Rz. 2), weshalb er gegenüber dem in der Skriptur bezeichnetenBGE 134 III 71 S. 74Schuldner - soweit dieser aufgeführt ist, was nur bei den bis 31. Dezember 1996 errichteten Schuldbriefen durchwegs der Fall ist - als Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG gilt (STAEHELIN, a.a.O., N. 6 zu Art. 856 ZGB; STÜCHELI, a.a.O., S. 380 f.; VOLLENWEIDER, Die Sicherungsübereignung von Schuldbriefen als Sicherungsmittel der Bank, Diss. Freiburg 1994, S. 144). Stimmt der im Schuldbrief bezeichnete Schuldner nicht mit dem Rechtsöffnungsgegner überein, weil ein späterer Schuldnerwechsel im Papier nicht nachgetragen worden ist, so gebricht es an der notwendigen Identität zwischen dem Betriebenen mit dem Verpflichteten und der Schuldbrief allein ist als Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderung ungenügend. Diesfalls gilt er aber im Sinn einer zusammengesetzten Urkunde gemeinsam mit der gegengezeichneten Sicherungsvereinbarung als Rechtsöffnungstitel, sofern darin die persönliche Schuldpflicht aus dem sicherungsübereigneten Schuldbrief anerkannt worden ist (STÜCHELI, a.a.O., S. 381; VOLLENWEIDER, a.a.O., S. 149). Gleiches gilt für Schuldbriefe, die nach dem 1. Januar 1997 errichtet worden sind und den Schuldner nicht aufführen; hat kein Schuldnerwechsel stattgefunden, kann der Gläubiger als Alternative beim Grundbuchamt eine beglaubigte Kopie des Errichtungsaktes besorgen, in dem das Schuldbekenntnis enthalten ist (STAEHELIN, a.a.O., N. 7 zu Art. 858 ZGB).

Wie die Bank selbst festhält, hat sie vorliegend die Grundpfandforderung geltend gemacht; etwas anderes könnte im Verfahren auf Grundpfandverwertung auch gar nicht in Betreibung gesetzt werden. Sodann anerkennt sie, jedenfalls sinngemäss, dass hierfür der Darlehensvertrag nicht als Rechtsöffnungstitel in Frage kommt, sondern zufolge der Verkörperung der Grundpfandforderung im Schuldbrief einzig dieser selbst, allenfalls in Verbindung mit einer - nach expliziter Sachverhaltsfeststellung nicht vorliegenden - schriftlichen Schuldübernahmeerklärung für die Grundpfandforderung in einem anderen Dokument. Die Bank macht geltend, dies alles sei aber insofern belanglos, als ihr mangels Anfechtung des erstinstanzlichen Entscheides durch die Gegenpartei für die im Schuldbrief inkorporierte Grundpfandforderung rechtskräftig Rechtsöffnung erteilt worden sei und ihr als notwendige Folge davon in zweiter Instanz auch für das Grundpfandrecht Rechtsöffnung erteilt werden müsse. Dieser Standpunkt ist mit materiellem Bundesrecht unvereinbar:BGE 134 III 71 S. 75

Beim Schuldbrief bilden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht eine strikte Einheit; sie werden durch den Grundbucheintrag und die Verbriefung in einem Wertpapier in identischem Betrag erzeugt und sind fortan untrennbar verbunden; keines der beiden Elemente kann ohne das andere oder in ungleicher Höhe bestehen; vielmehr bilden sie eine notwendige Schicksalsgemeinschaft (vgl. BGE 64 II 284 E. 2a S. 286; Urteil 5C.36/2006 vom 1. Juni 2006, E. 3.3; STAEHELIN, a.a.O., N. 5 zu Art. 842 ZGB; GUHL, Vom Schuldbrief, in: ZBJV 92/1956 S. 10 ff.). Zufolge dieser materiell-bundesrechtlichen Ausgestaltung des Schuldbriefes und des Umstandes, dass der Schuldbrief notwendiger und hinreichender Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht bildet, ist von vornherein ausgeschlossen, dass die Rechtsöffnung für das eine Element vorab in Rechtskraft erwachsen könnte und gestützt hierauf für das andere Element in zweiter Instanz aus rein prozessualen Gründen die Rechtsöffnung erteilt werden müsste. Es wäre daher wohl angezeigt gewesen, dass das Obergericht aus seinen zutreffenden Erwägungen die Konsequenzen gezogen und den erstinstanzlichen Entscheid von Amtes wegen kassiert hätte. Jedenfalls hat es aber nach dem Gesagten und vor dem Hintergrund, dass das Vorliegen eines gültigen Rechtsöffnungstitels von Amtes wegen zu prüfen ist, kein Bundesrecht verletzt, wenn es die Rechtsöffnung für das Grundpfandrecht verweigert hat, nachdem für die Grundpfandforderung unbestrittenermassen nie ein tauglicher Rechtsöffnungstitel vorgelegt worden war.

BGE 140 III 36

Art. 82 Abs. 1 SchKG; Rechtsöffnungstitel beim Schuldbrief im Drittpfandverhältnis.

Der Papier-Schuldbrief bildet auch mit Bezug auf einen Drittpfandgeber den Rechtsöffnungstitel für das Grundpfandrecht. Für die Grundpfandforderung muss eine Anerkennung durch den Schuldner vorliegen (E. 4).


2. Das Bezirksgericht ging davon aus, dass die Papier-Schuldbriefe als öffentliche Urkunden einen provisorischen Rechtsöffnungstitel für das Pfandrecht darstellten und die Schuldnerin in den gegengezeichneten Sicherungsvereinbarungen die persönliche Schuldpflicht für die Grundpfandforderungen anerkannt habe; im Sinne einer zusammengesetzten Urkunde liege somit ein Rechtsöffnungstitel sowohl für die Forderung als auch für das Pfandrecht vor.

Demgegenüber hielt das Obergericht dafür, dass der Rechtsvorschlag nur dann beseitigt werden könne, wenn eine Schuldanerkennung auch des Drittpfandgebers vorliege, was nicht der Fall sei.BGE 140 III 36 S. 38Insbesondere finde sich im Kaufvertrag vom 26. November 2010 keine Abrede, wonach er die persönliche Schuldpflicht aus den Schuldbriefen in Anrechnung an den Kaufpreis übernommen hätte. Ebenso wenig sei im Sinn einer externen Schuldübernahme ein Sicherungsübereignungsvertrag zwischen der Gläubigerin und ihm als Erwerber der Grundstücke abgeschlossen worden. Mithin fehle es an einem Rechtsöffnungstitel für die Grundpfandforderungen. Vor diesem Hintergrund wäre der vorinstanzliche Entscheid grundsätzlich aufzuheben und die provisorische Rechtsöffnung vollständig zu verweigern. Indes anerkenne der Drittpfandgeber das Rechtsöffnungsgesuch im Umfang von total Fr. 375'331.25 ohne Zinsen, weshalb entsprechend seinem Antrag das Rechtsöffnungsbegehren in diesem Umfang geschützt werden könne.

Die Gläubigerin macht in ihrer Beschwerde geltend, dass es bei der Drittpfandsituation ausreiche, wenn vom Drittpfandgeber eine Pfandanerkennung vorliege. Eine Anerkennung der Schuld durch den Drittpfandgeber brauche es hingegen nicht, weil dieser anders als der Bürge nicht selbst zu zahlen verspreche. Soweit eine von der Schuldnerin unterzeichnete Anerkennung für die Forderung vorliege, müsse der Drittpfandgeber diese gegen sich geltend lassen. Wenn das Obergericht fordere, dass auch eine vom Drittpfandgeber unterzeichnete Schuldanerkennung vorliege, wäre die Rechtsöffnung bei Drittpfandverhältnissen (zumindest faktisch) immer ausgeschlossen; die provisorische Rechtsöffnung gegen den Drittpfandeigentümer müsse aber nach dem Willen des Gesetzgebers zulässig und möglich sein.

3. Bei Drittpfandverhältnissen richtet sich die Betreibung gegen den Schuldner, wobei dem Drittpfandgeber ebenfalls ein Zahlungsbefehl zuzustellen ist (Art. 153 Abs. 2 lit. a SchKG) und dieser wie der Schuldner Rechtsvorschlag erheben kann (Art. 153 Abs. 2 SchKG). Der Rechtsvorschlag des Drittpfandgebers hat die gleichen Wirkungen wie derjenige des Schuldners (vgl. BERNHEIM/KÄNZIG, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 4 und 7 zu Art. 153a SchKG). Insbesondere gilt die Vermutung, wonach der nicht weiter begründete Rechtsvorschlag sich auf die Forderung wie das Pfandrecht bezieht (Art. 85 der Verordnung des Bundesgerichts vom 23. April 1920 über die Zwangsverwertung von Grundstücken [VZG; SR 281.42]), auch für den Drittpfandgeber. Sämtliche Rechtsvorschläge sind mit Rechtsöffnung oder Klage zu beseitigen; das bedeutet, dass sowohl gegen den Schuldner als auch gegen den Drittpfandgeber ein VerfahrenBGE 140 III 36 S. 39anzustrengen ist, wenn beide Rechtsvorschlag erhoben haben (STAEHELIN, in: Basler Kommentar, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, Bd. I, 2. Aufl. 2010, N. 171 zu Art. 82 SchKG).

Mit der Konkurseröffnung sind alle gegen den Schuldner hängigen Betreibungen aufgehoben mit Ausnahme derjenigen auf Verwertung von Pfändern, die von Dritten bestellt worden sind (Art. 206 Abs. 1 SchKG). Hier wird die Betreibung auf Pfandverwertung gegen den Gemeinschuldner auch während des Konkurses weitergeführt (Art. 89 Abs. 1 VZG). Ist der Konkurs bereits eröffnet oder die in der Form einer juristischen Person konstituierte Schuldnerin bereits untergegangen, richtet sich die Betreibung ausschliesslich gegen den Drittpfandgeber (Art. 89 Abs. 2 VZG). So wurde auch vorliegend verfahren, wobei im Zahlungsbefehl nebst der Gläubigerin in korrekter Weise die Schuldnerin und der Drittpfandgeber aufgeführt sind. Der Drittpfandgeber hat Rechtsvorschlag erhoben, welcher sich unbestrittenermassen auf die Forderung wie auch auf das Pfandrecht bezieht. Zu prüfen ist im Folgenden, was für Rechtsöffnungstitel zu dessen Beseitigung notwendig sind.

4. Beim Schuldbrief bilden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht eine strikte Einheit; sie werden durch den Grundbucheintrag in identischem Betrag erzeugt und sind fortan untrennbar verbunden; keines der beiden Elemente kann ohne das andere oder in ungleicher Höhe bestehen, d.h. sie bilden eine notwendige Schicksalsgemeinschaft (BGE 134 III 71 E. 3 S. 75). Soweit es sich nicht um einen Register-Schuldbrief, sondern - wie vorliegend - um einen Papier-Schuldbrief handelt, werden die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht zusätzlich in einem Pfandtitel verbrieft (Art. 860 Abs. 1 ZGB), wobei dieser Titel als Wertpapier ausgestaltet ist und eine "fliegende Kopie des Pfandaktes" (HUBER, Schweizerisches Civilgesetzbuch, Erläuterungen zum Vorentwurf des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes, 1902, S. 629) bzw. eine "Reproduktion des Grundbucheintrages" (HUBER, a.a.O., S. 729) darstellt.

Bei der Betreibung auf Grundpfandverwertung ist der Papier-Schuldbrief als öffentliche Urkunde im Sinn von Art. 9 ZGB stets ein Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG für das Grundpfandrecht, denn die dingliche Haftung trifft zwangsläufig den jeweiligen Grundeigentümer, welcher im Pfandtitel als "Reproduktion des Grundbuches" - unter Vorbehalt der ausserbuchlichen Eigentumsübertragung am Grundstück - notwendigerweise ausgewiesen ist. Überdies ist der Papier-Schuldbrief als öffentliche UrkundeBGE 140 III 36 S. 40auch ein Rechtsöffnungstitel im Sinn von Art. 82 Abs. 1 SchKG für die Grundpfandforderung, wenn der Schuldner in der Skriptur erscheint; soweit dieser im Schuldbrief nicht oder dort (noch) ein anderer als der betriebene Schuldner aufgeführt ist, bedarf es einer anderweitigen Schuldanerkennung, z.B. der gegengezeichneten Sicherungsvereinbarung, in welcher die persönliche Schuldpflicht aus dem sicherungsübereigneten Papier-Schuldbrief anerkannt worden ist (vgl. im Einzelnen BGE 134 III 71 E. 3 S. 73 f.).

Vorliegend haben beide kantonalen Instanzen die von der Schuldnerin gegengezeichneten Sicherungsvereinbarungen vom 19. März 2008 erwähnt, mit welchen diese die persönliche Schuldpflicht für die Grundpfandforderungen unterschriftlich anerkannt hat. Während das Bezirksgericht dies als Rechtsöffnungstitel genügen liess, hielt das Obergericht dafür, dass eine Anerkennung der persönlichen Schuldpflicht auch seitens des Drittpfandgebers erforderlich sei. Die vom Obergericht im Entscheid und in der Vernehmlassung sinngemäss angerufene Literatur und Rechtsprechung bezieht sich jedoch auf den Fall, dass die persönliche Schuldpflicht für die Grundpfandforderungen durch den Käufer des Grundstücks übernommen worden ist und sich die Betreibung gegen diesen als neuen Schuldner richtet. Vorliegend hingegen ist die Übernahme der persönlichen Schuldpflicht bislang nicht zustande gekommen, weshalb ein Drittpfandverhältnis vorliegt. Es ist im Folgenden zu prüfen, welche Rechtsöffnungstitel in dieser Drittpfand-Konstellation vorliegen müssen.

Beim Drittpfandverhältnis sind der Schuldner der Grundpfandforderung und der Eigentümer des verpfändeten Grundstückes nicht identisch. Eine Anerkennung für die Schuld kann hier begriffsnotwendig nur vom Schuldner abgegeben worden sein; mit der Anerkennung der persönlichen Schuldpflicht auch durch den Drittpfandgeber hätte sich dieser zum (Mit-)Schuldner, d.h. zum persönlichen (Mit-)Verpflichteten für die im Papier-Schuldbrief inkorporierte Forderung gemacht, womit er kein Drittpfandgeber mehr wäre. Mit Bezug auf die Grundpfandforderung, für welche die Schuldnerin in der Pflicht steht, besteht folglich mit den Sicherungsübereignungsverträgen, in welchen sie die persönliche Schuldpflicht aus den Schuldbriefen anerkannt hat, ein hinlänglicher Rechtsöffnungstitel.

Mit Bezug auf das Grundpfandrecht, für welches der jeweilige Eigentümer des belasteten Grundstückes in der Pflicht steht, bestehtBGE 140 III 36 S. 41mit dem Papier-Schuldbrief, welcher als fliegende Kopie des Grundbuches zwangsläufig den Eigentümer des Grundstückes als Pfandgeber ausweist, ein hinlänglicher Rechtsöffnungstitel. Es würde nicht angehen, dass der Grundpfandgläubiger durch den Verkauf des haftenden Grundstückes, auf welchen er keinen Einfluss hat, schlechter gestellt würde, indem er den neuen Eigentümer, der nicht sein Vertragspartner ist, um eine zusätzliche Pfandanerkennung angehen müsste, obwohl diese bereits in der Grundpfanderrichtung - d.h. im Versprechen, als Eigentümer mit dem Grundstück bis zu der im Grundbuch eingetragenen Höhe für die nicht befriedigte Grundpfandforderung dinglich zu haften - enthalten ist und dieser Akt durch den Papier-Schuldbrief dokumentiert wird. Nicht zu verwechseln ist dies im Übrigen mit der (vorliegend nicht interessierenden) Faustverpfändung eines Papier-Schuldbriefes, bei der nicht das Grundstück, sondern der Pfandtitel das Pfandobjekt bildet; hier ist der Verpfändungsakt selbstredend nicht im Titel verbrieft, mithin anderweitig nachzuweisen.

BGE 119 II 344

Verpfändung von kotierten Aktien; Selbsteintritt des Pfandgläubigers.

Zulässigkeit des Selbsteintritts sowohl aufgrund einer Auslegung der vertraglichen Abmachungen (E. 2a) wie auch unter dem Gesichtspunkt des gesetzlichen Verbotes des Verfallsvertrages (E. 2b) bejaht.


2. Unbestritten ist, dass die Parteien verbindlich vereinbart haben, die Beklagte sei ermächtigt, die verpfändeten Aktien börsenmässigBGE 119 II 344 S. 345oder freihändig zu verwerten (Ziff. 6 "Pfandverschreibung" und Ziff. 8 der AGB der Beklagten). Das Handelsgericht hat aus den Abmachungen abgeleitet, die Beklagte sei auch zum Selbsteintritt berechtigt gewesen, da dieser in der Befugnis zur freihändigen Verwertung mitenthalten sei. Mit der Berufung wird dagegen eingewendet, dieser Schluss beruhe auf einer unhaltbaren Vertragsauslegung. Nach Auffassung der Klägerin wäre der Selbsteintritt nur dann zulässig gewesen, wenn das wörtlich in den Vertragstexten festgehalten worden wäre.

a) Der Wortlaut der Vereinbarungen, auf den bei der Auslegung in erster Linie abzustellen ist, lässt den Schluss der Vorinstanz ohne weiteres zu. Zum einen fällt unter den Begriff "verwerten" jede Handlung, die es dem Pfandgläubiger erlaubt, sich den Wert des Pfandgegenstandes anzueignen. Dazu gehört offensichtlich auch der Selbsteintritt. Zum andern ergibt sich aus dem Textzusammenhang, dass der Begriff "freihändig" als Abgrenzung gegenüber der Verwertung an der Börse (Ziff. 6 "Pfandverschreibung") oder im Betreibungsverfahren (Ziff. 8 AGB) zu verstehen ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist somit die Auslegung der Vorinstanz nicht zu beanstanden.

Dazu kommt, dass die Klägerin nach verbindlicher Feststellung des Handelsgerichts mit den Gebräuchen der Bankenbranche vertraut war. In dieser Branche ist indessen die Ansicht verbreitet, die Befugnis zur freihändigen Verwertung von Pfändern umfasse auch den Selbsteintritt (ZOBL, Berner Kommentar, N. 413 zu Art. 884 ZGB; ALBISETTI und andere, Handbuch des Geld-, Bank- und Börsenwesens der Schweiz, 4. Aufl., S. 696, Stichwort: Wertpapierverpfändung; EMCH/RENZ/BÖSCH, Das schweizerische Bankgeschäft, 4. Aufl., S. 288). Dieser Umstand, der im Rahmen der Vertragsauslegung nach dem Vertrauensgrundsatz berücksichtigt werden kann (vgl. BGE 117 II 273 E. 5a S. 278 mit Hinweisen), spricht ebenfalls für die Richtigkeit der vorinstanzlichen Auslegung. Die Möglichkeit des Selbsteintritts brauchte somit entgegen der Auffassung der Klägerin nicht ausdrücklich in den Vertragstexten erwähnt zu werden.

b) Unbegründet ist im weitern der Einwand der Klägerin, die erwähnten Vereinbarungen verletzten das Verbot des Verfallsvertrages und seien deshalb gemäss Art. 894 ZGB ungültig. Hauptzweck dieser Bestimmung ist es, eine wucherähnliche Ausbeutung des Verpfänders zu verhindern (OFTINGER/BÄR, Zürcher Kommentar, N. 4 zu Art. 894 ZGB). Wenn eine solche Übervorteilung aber durch die Bedingungen des Selbsteintrittes, mit denen im konkreten Fall auchBGE 119 II 344 S. 346die Interessen des Verpfänders angemessen berücksichtigt werden, ausgeschlossen wird, so bestehen unter dem Gesichtspunkt von Art. 894 ZGB keine Bedenken gegen die Gültigkeit der Vereinbarung. In der Literatur wird denn auch die grundsätzliche Zulässigkeit des Selbsteintritts einhellig bejaht (OFTINGER/BÄR, N. 62 zu Art. 891 ZGB; ZOBL, Probleme bei der Verpfändung von Eigentümerschuldbriefen, ZBGR 59/1978, S. 212; RUDOLPH J. KADERLI, Die Sicherung des Bankkredites, Diss. Bern 1938, S. 39 f.; MAX HAFFTER, Das Fahrnispfandrecht und andere sachenrechtliche Sicherungsgeschäfte, Diss. Bern 1928, S. 88; BÖCKLI, Das Recht des Pfandgläubigers zum Selbsteintritt bei der Pfandverwertung, SJZ 20/1924, S. 301 ff.; ebenso BGE 119 II 326 E. 2c S. 328). Zur Begründung dieser Auffassung wird zu Recht auf die gesetzliche Regelung beim Kommissionsvertrag hingewiesen (Art. 436 OR), da die dort sich gegenüberstehenden Interessen von Kommittent und Kommissionär ähnlich gelagert sind wie jene von Pfandgläubiger und Schuldner im Fall des Selbsteintritts. Eine allzu enge Anlehnung an die in Art. 436 OR aufgezählten Voraussetzungen drängt sich jedoch nicht auf. So wird die Zulässigkeit des Selbsteintrittes zwar regelmässig zu bejahen sein, wenn es um Pfänder geht, die einen Markt- oder Börsenpreis haben. Gleiches gilt aber auch für den - hier vorliegenden - Fall, wo dieser Preis nur als Anhaltspunkt dient und aus anderen Gründen eine objektive Bewertung der Pfandgegenstände im Zeitpunkt des Selbsteintrittes möglich ist, denn auch dann kann in der Regel eine Übervorteilung des Schuldners ausgeschlossen werden. Zutreffend wird schliesslich in der Lehre darauf hingewiesen, der Gläubiger sei dazu verpflichtet, zuhanden des Schuldners eine Abrechnung zu erstellen, den Preis von seiner Forderung abzuziehen und einen allfälligen Überschuss herauszugeben.

Nach den verbindlichen Feststellungen des Handelsgerichts waren die soeben erwähnten Voraussetzungen, die eine Übervorteilung der Klägerin ausschlossen, im vorliegenden Fall erfüllt. Das Handelsgericht durfte somit die von der Klägerin im kantonalen Verfahren erhobenen Hauptbegehren, welchen die Auffassung zugrunde lag, der Selbsteintritt zum damals geltenden Börsenkurs sei ungültig, abweisen, ohne damit Bundesrecht zu verletzen.

BGE 89 II 314

Ausübung des Pfandbesitzes durch einen Dritten als Treuhänder. Art. 884 Abs. 3 ZGB.

Kann ein Angestellter des Verpfänders diese Aufgabe übernehmen? Jedenfalls dann nicht, wenn er die als Pfand bezeichneten, in Räumen des Verpfänders eingelagerten Waren ausserdem für diesen zu verwalten und nach den laufenden Bedürfnissen des Betriebes über die freizugebenden Mengen zu verfügen hat, worauf der Pfandgläubiger jeweilen periodisch über die eingetretenen Bestandesveränderungen benachrichtigt wird.


Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Es ist nur noch streitig, ob die im Berufungsantrage genannten drei Warenlager zivilrechtlich gültig verpfändet worden sind. Die paulianische Anfechtung der Pfandbestellungen hat die Klägerin fallen gelassen, ebenso die Bestreitung der Forderung der Beklagten.

Während das Pfandlager Bucher/Brun durch aussenstehende, von der Verpfänderin unabhängige Dritte als Treuhänder verwaltet wurde und ihm jeweilen nur mit vorausgehender Bewilligung des Pfandgläubigerin Waren entnommen wurden (weshalb die Klägerin diese Pfandbestellung nunmehr gelten lässt), waren Treuhänder für die streitig gebliebenen Pfandlager Angestellte der Verpfänderin (Schuldnerin), und zwar solche, die die betreffenden Lager nach wie vor auch für ihre Dienstherrin verwalteten (der eine, Portmann, erst von der Pfandbestellung an) und jeweilen die Ein- und Auslagerungen nach den Bedürfnissen des Fabrikations- und Handelsbetriebes anordneten. Der vom Treuhänder mitunterzeichnete Pfandvertrag sah bei allen diesen Lagern vor, es dürfe ohne Zustimmung des Treuhänders dem Lager keine Ware entnommen werden. Deshalb traf denn auch jeweilen der Treuhänder, zugleich Inhaber des Schlüssels, die entsprechende Verfügung. Die Bank (Pfandgläubigerin) wurde nicht zum voraus um eine Bewilligung angegangen. Sie erhielt lediglich wöchentliche Berichte über die Lagerbestände und über die in der Zwischenzeit eingetretenen Bestandesänderungen.

Der Ansicht des Obergerichts, durch diese Treuhandverhältnisse sei ein den Anforderungen des Art. 884 ZGB genügender Pfandbesitz der Bank geschaffen worden, kann sich das Bundesgericht nicht anschliessen. Sie lässt sich jedenfalls nicht aus den Erwägungen von BGE 43 II 15 ff. und BGE 58 III 121 ff. rechtfertigen. Jene erste Entscheidung geht zwar (mit Hinweis auf Entscheide des deutschen Reichsgerichts) davon aus, es könne auch der Angestellte des Pfandschuldners als Stellvertreter des PfandgläubigersBGE 89 II 314 S. 317für diesen den Besitz an der Pfandsache ausüben. Als Voraussetzung für den Besitzerwerb wird dann aber eine äusserlich erkennbare Veränderung des Besitzstandes bezeichnet (woran es im damals beurteilten Fall fehlte), und es müsse vermieden werden, dass der Angestellte den Besitz sowohl für den Pfandgläubiger wie auch für seinen Dienstherrn ausübe. Eine solche Doppelstellung schliesse wirksamen Pfandbesitz aus. Zwar möge der als Stellvertreter des Pfandgläubigers bezeichnete Angestellte des Verpfänders den Willen haben, den Besitz für den einen wie auch für den andern auszuüben; "die tatsächliche Gewalt aber, die unteilbar ist, konnte er nur für den einen der beiden Besitzesherren innehaben." (a.a.O. 23/24). Auch die zweite der angeführten Entscheidungen hebt hervor, es fehle an einer gültigen Pfandbestellung, wenn der Vertreter des Pfandgläubigers "den Besitz nicht in einer den Verpfänder von der Gewalt über die Pfandsache ausschliessenden Weise erwirbt". An einer solch selbständigen Besitzerstellung gebricht es auch im vorliegenden Falle. Wohl übernahmen die betreffenden drei Angestellten der Verpfänderin die treuhänderische Verwaltung der in Frage stehenden Pfandlager; doch waren es wiederum sie, die kraft der ihnen im Betriebe der Verpfänderin obliegenden dienstlichen Aufgaben über die Ein- und Auslagerungen verfügten, sei es aus eigenem, durch die Bedürfnisse der Fabrikationsbetriebes bestimmtem Willensentschluss, sei es auf Weisung der Geschäftsleitung der Verpfänderin. Mochten sie bei diesen Anordnungen, namentlich bei der Freigabe von Waren aus dem Lager, auch das Sicherheitsbedürfnis der Pfandgläubigerin im Auge behalten und sich verpflichtet fühlen, eine grosse Verminderung des Lagerbestandes zu vermeiden, so befanden sie sich doch in der unter dem Gesichtspunkt des Art. 884 Abs. 3 ZGB gemäss BGE 43 II 15 ff. zu verpönenden Doppelstellung.

Eine neue Prüfung der Rechtslage führt zum gleichen Ergebnis. Man kann sich fragen, ob bei Belassung eines als Pfand bezeichneten Warenlagers in Räumen des VerpfändersBGE 89 II 314 S. 318ein Angestellter desselben überhaupt in gültiger Weise als Stellvertreter des Pfandgläubigers (Treuhänder) den Pfandbesitz erwerben und ausüben könne. In verneinendem Sinn äussert sich OBSTFELDER (Zur Besitzausübung durch Treuhänder beim Warenlombardverkehr, Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht, Bd. 56/1905, S. 126 ff.). Er führt aus, der Angestellte übe gar keinen eigenen, sondern nur den Besitz des Dienstherrn (als Besitzdiener) aus und sei daher auch nicht imstande. einen Besitz für den Pfandgläubiger zu vermitteln (a.a.O. S. 135-138). Demgegenüber hält RUD. SCHMIDT (Der Pfandbesitz, Archiv für die civilistische Praxis, Bd. 14 (134)/1941 S. 1 ff. und 129 ff.) eine Pfandbestellung für gültig. die durch Übergabe der Schlüssel an einen Angestellten des Verpfänders bewirkt wird: Dabei verzichte der Prinzipal auf seine Befehlsgewalt nach der einen Richtung und setze sich dadurch ausserstande, über die Pfandsachen ohne Mitwirkung eines Organs des Gläubigers zu disponieren; es werde also nach einer Richtung hin die Eigenschaft des Angestellten als Besitzdiener des Prinzipals aufgehoben (a.a.O. S. 51/52). Im übrigen sei es zur Gültigkeit des Pfandrechts nicht erforderlich, dass jeder Dritte, der in den Betrieb hineinkommt, ohne weiteres erkenne, dass der Gläubiger die Herrschaft über die Sachen ausübt; dies ebensowenig, wie wenn der Gläubiger selbst den Schlüssel hätte (a.a.O. S. 55). Den Einwand, ein solcher Treuhänder sei wegen seiner Abhängigkeit vom Prinzipal gar nicht in der Lage, diesem gegenüber den Willen des Pfandgläubigers durchzusetzen, lässt dieser Autor grundsätzlich nicht gelten. Übrigens hindere nichts, das Pfandrecht erlöschen zu lassen, wenn der Treuhänder seine Pflichten gegenüber dem Pfandgläubiger verletze und dem Schuldner freien Zutritt zu den Sachen gewähre (a.a.O. S. 52). Unter Hinweis auf Lehre und Rechtsprechung, namentlich des deutschen Reichsgerichts (Entsch. in Zivilsachen 66, 258; 67, 421; 77, 201; Seufferts Archiv NF 7 (62) Nr. 57) hält PLANCKS Kommentar (5. Auflage 1938, Bem. 1, b zu § 1 205 desBGE 89 II 314 S. 319deutschen BGB) die Beauftragung eines Angestellten, auch eines Prokuristen des Verpfänders, als Treuhänder und Besitzdiener des Pfandgläubigers für zulässig, "sofern das Herrschaftsverhältnis durch Einrichtungen, die in den Geschäftsbetrieb des Pfandschuldners eingreifen, sichtbar kundgemacht wird"; so auch STAUDINGER (11. Auflage 1963, N. 3 S. 1909 zu § 1205 BGB).

Für das schweizerische Recht ist von Art. 884 Abs. 3 ZGB auszugehen. Danach ist das Pfandrecht nicht begründet, solange der Verpfänder die ausschliessliche Gewalt über die Sache behält. Das bedeutet, dass der Verpfänder nicht selbständig, mit Ausschluss des Pfandgläubigers, über die Pfandsache darf körperlich verfügen können (vgl. BGE 55 II 300, BGE 57 II 516, BGE 80 II 236 Erw. 1; LEEMANN, N. 64, und OFTINGER, N. 188 und 247/48 zu Art. 884 ZGB). Soll der Pfandbesitz durch Einräumung eines sog. Raumgewahrsams begründet werden, so muss der Pfandgläubiger den einzigen oder die sämtlichen Schlüssel oder aber von mehreren Schlüsseln einen erhalten, ohne den sich der Raum (das Behältnis) nicht öffnen lässt (vgl. OFTINGER, N. 234 und 238 zu Art. 884 ZGB; HOMBERGER und MARTI, Faustpfand, Schweiz. jur. Kartothek 672 Ziff. III 2). Auch wenn ein Dritter den Pfandbesitz für den Pfandgläubiger erwerben und ausüben soll, kommt es für die Gültigkeit des Pfandrechts darauf an, dass die Sache der selbständigen körperlichen Verfügung durch den Verpfänder entzogen ist. Gleiches gilt bei Bezeichnung eines Treuhänders (Pfandhalters), der den Besitz für den Verpfänder und Pfandgläubiger zugleich auszuüben hat (vgl. BGE 89 II 198 ff; OFTINGER, N. 216 zu Art. 884 ZGB; M. HAFFTER, Das Fahrnispfandrecht und andere sachenrechtliche Sicherungsgeschäfte, Diss. 1928, S. 39/40). Es liegt auf der Hand, dass sich die tatsächliche Möglichkeit körperlicher Verfügung durch den Verpfänder nicht leicht ausschliessen lässt, wenn die Sachen in dessen Räumen verwahrt werden sollen (zumal ein fluktuierendes Warenlager als Sachgesamtheit; vgl. M. HAFFTER, a.a.O.BGE 89 II 314 S. 32052/53) und als Treuhänder ein Angestellter des Verpfänders amten soll. Jedenfalls darf nicht ohne weiteres angenommen werden, ein Angestellter sei willens und in der Lage, vom Dienstherrn etwa beabsichtigte Eingriffe abzuwehren und sich allfälligen Weisungen desselben zu widersetzen. Wegen der sich daraus für den gültigen Fortbestand des Pfandrechts ergebenden Gefahren rät OFTINGER (N. 220 zu Art. 884 ZGB) den Gläubigern von dieser Verpfändungsweise ab, obwohl er im Anschluss an die erwähnten Gerichtsentscheidungen von deren grundsätzlicher Zulässigkeit ausgeht. Es mag dahingestellt bleiben, ob ein Angestellter des Verpfänders nicht überhaupt wegen der dem Dienstverhältnis innewohnenden Abhängigkeit vom Prinzipal als zur Übernahme eines solchen Treuhandsauftrages untauglich zu erachten sei. Jedenfalls liegt hier kein gültiger Pfandbesitz vor, da die in Frage stehenden Angestellten der Schuldnerin (Verpfänderin) die ihnen unterstellten Warenlager nicht bloss kraft der ausserhalb der Anstellungsverhältnisse liegenden besondern Aufgabe neutraler Treuhänder (Mittelsmänner), sondern zugleich im Rahmen ihrer Anstellungen selbst in Obhut hatten. Es gehörte zu ihren dienstlichen Verrichtungen, über die Ein- und Auslagerungen gemäss den Bedürfnissen des Fabrikationsbetriebes zu verfügen, sei es nach eigenem Entschluss oder auf Weisung oder Bedarfsmeldung anderer Dienstzweige oder der Geschäftsleitung der Verpfänderin, und zwar ohne vorausgehende Einwilligung der jeweilen erst nachträglich über die eingetretene Bestandesänderung orientierten Pfandgläubigerin. Somit waren diese Angestellten Besitzdiener der Verpfänderin und übten für diese eine tatsächliche Gewalt aus, mit der sich aus den bereits in BGE 43 II 15 ff. dargelegten Gründen die Innehabung eines Pfandbesitzes für die Bank nicht vertrug.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern vom 10. Oktober 1962 dahin abgeändert, dass die Pfandansprachen der Berufungsbeklagten an folgenden zur Liquidationsmasse der Firma Kreft AG in Liquidation gehörenden Waren abgewiesen werden:

a) ...

b) ...

c) ...

BGer 4A_141/2007

Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 

1. 

Der angefochtene Entscheid ist am 20. März 2007 gefällt worden und damit nach Inkrafttreten des BGG am 1. Januar 2007. Das neue Recht ist gemäss Art. 132 BGG auf das vorliegende Verfahren anwendbar. 

2. 

Mit der Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG) gerügt werden. In der Begründung der Rechtsschrift ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Genügt die Rechtsschrift dieser Anforderung, wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft allerdings die Verletzung von Grundrechten nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung des Willkürverbots geltend macht, erfüllen seine Ausführungen diese Voraussetzungen nicht. Es ist darauf nicht einzutreten. 

3. 

Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt zu haben, indem sie sich mit der Argumentation der Berufungsschrift nicht auseinander gesetzt habe. 

3.1 Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV folgt grundsätzlich die Pflicht des Gerichts, seinen Entscheid zu begründen. Die Begründung muss kurz die Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die sich sein Entscheid stützt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass sich der Entscheid mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinander setzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Es genügt, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann (BGE 129 I 232 E. 3.2 S. 236; 126 I 97 E. 2b S. 102 f., je mit Hinweisen). 

3.2 Das Obergericht hat in seinem Entscheid ausführlich begründet, weshalb es mit dem Kantonsgericht zum Schluss kam, der Beschwerdeführer habe keinen Anspruch auf Herausgabe des Schuldbriefs. Es war nicht verpflichtet, jedes einzelne Argument, das der Beschwerdeführer dagegen vorbrachte, ausdrücklich zu widerlegen. Soweit die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs überhaupt die Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG erfüllt, ist sie unbegründet. 

4. 

Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, das Obergericht habe Bundesrecht verletzt, als es zum Schluss kam, ein Pfandvertrag könne nur gekündigt werden, wenn die Parteien dies vereinbart hätten. Er stellt sich auf den Standpunkt, der Pfandvertrag sei ein Dauerschuldverhältnis und als solches gestützt auf Art. 27 Abs. 2 ZGB bzw. Art. 2 ZGB in jedem Fall kündbar. Hätten die Parteien keine Kündigungsfrist vorgesehen, müsse diese vom Gericht normativ festgesetzt werden. 

4.1 Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung können Verträge nicht auf ewige Zeit abgeschlossen werden (BGE 127 II 69 E. 5b S. 77; 125 III 363 E. 2d S. 364; 114 II 159 E. 2a S. 161, je mit Verweisen). Sieht ein Dauervertrag keine Kündigungsmöglichkeit vor, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, wann der Zeitpunkt gekommen ist, in dem das Vertragsverhältnis gekündigt werden kann (BGE 114 II 159 E. 2a S. 161 f.). Ein Dauerschuldverhältnis liegt vor, wenn sich die typische Hauptleistungspflicht des Vertrags als Dauerschuld qualifiziert (BGE 128 III 428 E. 3b S. 430). Das ist der Fall, wenn die Pflicht ein fortdauerndes oder wiederholtes Leistungsverhalten verlangt, mit dem der Schuldner so lange fortzufahren hat, als die Schuld besteht (Gauch, System der Beendigung von Dauerverträgen, Diss. Freiburg 1968, S. 5 ff.; Gauch/Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, Band I, 8. Aufl. 2003, Nr. 94 und 263). 

4.2 Mit dem Faustpfandvertrag verpflichtet sich der Verpfänder gegenüber dem Pfandgläubiger, ein Pfandrecht an einer beweglichen Sache zu errichten, um eine Pfandforderung sicherzustellen (Zobl, Berner Kommentar, N. 326 zu Art. 884 ZGB; Oftinger/Bär, Zürcher Kommentar, N. 88 zu Art. 884 ZGB; Bénédict Foëx, Le contrat de gage mobilier, Nr. 62). Der Verpfänder erfüllt diese Pflicht gemäss Art. 884 Abs. 1 ZGB, indem er den Besitz am Pfandobjekt auf den Pfandgläubiger überträgt. Verpfänder kann auch ein Dritter sein, der auf diese Weise eine fremde Schuld sichert. 

4.3 In der Lehre ist umstritten, ob sich die typische Hauptleistungspflicht des Pfandvertrags in der Pflicht des Verpfänders zur Pfanderrichtung und damit in einer einfachen Schuld erschöpft (Foëx, a.a.O., Nr. 115 und 125) oder ob dazu auch die Pflicht gehört, dem Pfandgläubiger den Faustpfandbesitz während der Dauer des Pfandrechts zu belassen (Zobl, a.a.O., N. 399 zu Art. 884 ZGB; Oftinger/Bär, a.a.O., N. 407 zu Art. 884 ZGB), was für ein Dauerschuldverhältnis sprechen würde (vgl. auch BGE 128 III 428 E. 3b S. 430). Auf eine entsprechende Qualifikation des Pfandvertrags kann jedoch verzichtet werden. Eine übermässige Bindung im Sinn von Art. 27 Abs. 2 ZGB wäre zu bejahen, wenn es dem Verpfänder nie mehr möglich wäre, das Pfand zurückzuerlangen (BGE 51 II 273 E. 4 S. 281 f.). Da generelle Pfandklauseln aber nur in einem begrenzten Rahmen zulässig sind (BGE 120 II 35 E. 3a S. 38; 108 II 47 E. 2 S. 49), das Rechtsverhältnis, das der Pfandforderung zugrunde liegt, nicht auf ewige Zeit abgeschlossen werden kann und das Pfandrecht mit dem Untergang der Pfandforderung erlischt, findet der Verpfänder unter dem Blickwinkel von Art. 27 Abs. 2 ZGB ausreichend Schutz. Das gilt grundsätzlich auch bei einem Drittpfand. Der Drittverpfänder ist zwar nicht Partei des Rechtsverhältnisses, das der Pfandforderung zugrunde liegt; ihm kommt mit Bezug auf die Pfandforderung kein selbständiges Kündigungsrecht zu. Sein Interesse, die Verwertung zu verhindern und das Faustpfand wiederzuerlangen, wird aber dadurch geschützt, dass er - soweit auch dem Schuldner die Tilgung der Schuld gestattet wäre - den Gläubiger befriedigen kann (Zobl, a.a.O., N. 964 zu Art. 884 ZGB). In diesem Fall geht die Pfandforderung samt Nebenrechten gemäss Art. 110 Ziff. 1 OR von Gesetzes wegen auf ihn über und das Pfandrecht erlischt durch Konsolidation, sofern keine Nachpfandrechte bestehen (Foëx, a.a.O., Nr. 404; Paul-Henri Steinauer, Les droits réels, Band III, 3. Aufl. 2003, Nr. 3110b). Gestützt auf Art. 889 Abs. 1 ZGB kann er dann die Herausgabe der Pfandsache verlangen. 

Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, wäre ein Kündigungsrecht, das dem Verpfänder die einseitige Aufhebung des Pfandrechts erlauben würde, ohne dass die Parteien dies abgemacht hätten, mit dem Sicherungszweck des Pfandrechts nicht vereinbar. Das Sachenrecht kennt denn auch die Möglichkeit des Widerrufs eines Pfandrechts nicht (Foëx, a.a.O., Nr. 410). Ein Kündigungsrecht lässt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers auch nicht aus Art. 512 OR ableiten. Es ist nicht ersichtlich, wieso aus dieser Norm, die im Rahmen des Bürgschaftsrechts für den Spezialfall der Amts- und Dienstbürgschaft ein Kündigungsrecht vorsieht, die allgemeine Regel folgen soll, dass Sicherstellungsverhältnisse immer dann kündbar sein müssen, wenn das zu sichernde Grundverhältnis seinerseits kündbar ist. Eine analoge Anwendung der Bestimmung auf den Pfandvertrag kommt von vorneherein nicht in Betracht. 

4.4 Der Beschwerdeführer hat den Inhaberschuldbrief zum Zweck der Sicherstellung sämtlicher Ansprüche der Beschwerdegegnerin gegen die damalige A.________ AG aus bereits abgeschlossenen oder aus den bestehenden Geschäftsbeziehungen künftig abzuschliessenden Verträgen am 16. November 2000 verpfändet und den Pfandvertrag am 30. März 2004 gekündigt. Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass der Pfandvertrag kein Kündigungsrecht vorsieht. Aus Art. 27 Abs. 2 ZGB lässt sich ein solches nach dem Gesagten ebenso wenig ableiten. Ein Teil der Lehre vertritt zwar die Meinung, eine Pfandklausel über die Sicherung künftiger Forderungen aus bestehenden Geschäftsbeziehungen sei unter dem Blickwinkel von Art. 27 Abs. 2 ZGB strenger zu beurteilen, wenn wie hier ein Drittpfandverhältnis vorliege. Zur Begründung wird namentlich ausgeführt, die Konstellation des Drittpfands sei insofern speziell, als sich der Drittverpfänder, der nicht Partei des der Pfandforderung zugrunde liegenden Vertrags sei, dem Risiko einer andauernden und für ihn unkontrollierbaren Erneuerung der sichergestellten Forderungen ausgesetzt sehe, weshalb eine derartige Pfandklausel grundsätzlich zeitlich beschränkt werden müsse (Foëx, a.a.O., Nr. 657; vgl. auch Pascal Simonius, Probleme des Drittpfandes, ZSR 1979 I 359/362; ablehnend Zobl, a.a.O., N. 952 zu Art. 884 ZGB). Wie es sich damit verhält, kann hier jedoch offen bleiben, da die Verpfändungsdauer bis zur Kündigung nicht einmal 3½ Jahre betrug und der Beschwerdeführer den Schuldbrief hätte einlösen können. Die Vorinstanz hat nicht gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB verstossen, als sie ein Kündigungsrecht des Beschwerdeführers verneinte. 

4.5 Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann auch keine Rede davon sein, dass sich die Beschwerdegegnerin rechtsmissbräuchlich verhalten hat, indem sie die Kündigung des Beschwerdeführers nicht akzeptierte und die Herausgabe des Schuldbriefs nur gegen Bezahlung der darin verbrieften Kapitalforderung sowie der verfallenen und laufenden Jahreszinsen anbot. Es liegt auf der Hand, dass die Beschwerdegegnerin ein schützenswertes Interesse daran hat, für die erteilten Kredite auch weiterhin durch das Pfandrecht sichergestellt zu werden. Ein Kündigungsrecht des Beschwerdeführers ergibt sich damit auch nicht aus Art. 2 ZGB. 

5. 

Aus den genannten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und 68 Abs. 2 BGG). 

BGE 105 II 188

2. Art. 895 ZGB bestimmt in Absatz 1, dass bewegliche Sachen und Wertpapiere, die sich mit Willen des Schuldners im Besitze des Gläubigers befinden, von diesem bis zu seiner Befriedigung zurückbehalten werden können, wenn die Forderung fällig ist und ihrer Natur nach mit dem Gegenstand der Retention in Zusammenhang steht. Nach Absatz 2 des gleichen Artikels besteht unter Kaufleuten dieser Zusammenhang bereits dann, wenn sowohl der Besitz als auch die Forderung aus ihrem geschäftlichen Verkehr herrühren.

3. Es ist unbestritten, dass folgende sich aus den erwähnten Bestimmungen ergebenden Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind:

a) Bei den Namenaktien der Luftseilbahn Wiler/Lötschental AG handelt es sich um Wertpapiere, an denen ein Retentionsrecht erworben werden kann. Unter Wertpapieren gemäss Art. 895 Abs. 1 ZGB sind solche im Sinne von Art. 965 OR zu verstehen (JÄGGI, N. 320 zu Art. 965 OR, S. 164; OFTINGER, N. 29 und 33 zu Art. 895 ZGB). Dazu gehören zweifellos auch die in Frage stehenden Namenaktien, ohne dass hier auf deren Einordnung unter die verschiedenen Arten von Wertpapieren näher eingegangen werden müsste (vgl. dazu JÄGGI, N. 25 zu Art. 974 OR; OFTINGER, N. 23 zu Art. 901 ZGB).

b) Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil waren die Aktien aufgrund eines zwischen der Klägerin und der Arben AG zustandegekommenen Hinterlegungsvertrages seit dem 16. April 1975 bei der Klägerin deponiert. Sie befanden sich demnach mit dem Einverständnis der Gemeinschuldnerin bis zum Konkursausbruch im Besitze der Klägerin. Im Umstand, dass diese die Aktien in der Folge an die Konkursmasse herausgab, kann selbstverständlich keine Besitzesaufgabe erblickt werden, die das Erlöschen eines allfälligen Retentionsrechtes hätte bewirken können. Gemäss Art. 232 Abs. 2 Ziff. 4 SchKG war die Klägerin zur Herausgabe der in ihrem Besitz befindlichen Aktien verpflichtet. Die Erfüllung dieser Pflicht konnte ihr wie aus der zitierten Bestimmung selber hervorgeht, nicht schaden (so auch BGE 43 II 766 E. a).

BGE 105 II 188 S. 193

c) Schliesslich ist auch das Erfordernis der Fälligkeit der Forderung erfüllt. Spätestens mit der Konkurseröffnung über die Arben AG sind sämtliche Einzelforderungen der Klägerin dieser gegenüber fällig geworden (Art. 208 Abs. 1 SchKG).

4. Streitig ist demgegenüber, ob der vom Gesetz verlangte Zusammenhang zwischen der klägerischen Forderung und dem Retentionsgegenstand, den Aktien der Luftseilbahn Wiler/Lötschental AG, gegeben sei.

Unter Kaufleuten besteht der notwendige Zusammenhang zwischen der Forderung und dem Retentionsgegenstand schon dann, wenn sowohl der Besitz an diesem Gegenstand als auch die Forderung aus ihrem geschäftlichen Verkehr herrühren. Im angefochtenen Urteil wird hiezu ausgeführt, bei den Beziehungen zwischen der Klägerin und der Arben AG habe es sich nicht um einen eigentlichen geschäftlichen Verkehr gehandelt, der beidseitig mit der Eigenart des Geschäftsbetriebes zusammengehangen habe. Schon aus der Umschreibung der von den beiden Gesellschaften gemäss den Handelsregistereinträgen verfolgten Zwecke ergebe sich, dass hier nicht von Kaufleuten bzw. von einem geschäftlichen Verkehr unter solchen gesprochen werden könne.

In der Berufung wird gerügt, dass die Vorinstanz die Kaufmannseigenschaft der Klägerin und der Arben AG nicht eindeutig bejaht und das Bestehen eines geschäftlichen Verkehrs zwischen den beiden verneint habe.

a) Das angefochtene Urteil äussert sich in der Tat nicht klar zur Frage, ob die Klägerin und die Arben AG als Kaufleute zu betrachten seien. Es enthält indessen alle tatbeständlichen Elemente, die es dem Bundesgericht ermöglichen, diese Frage, soweit sie rechtlicher Natur ist, selber zu beurteilen.

Als Kaufmann im Sinne von Art. 895 Abs. 2 ZGB ist nach Lehre und Rechtsprechung zu betrachten, wer nach den gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet ist, seine Firma im Handelsregister einzutragen, und wer auch tatsächlich ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreibt (OFTINGER, N. 116, und LEEMANN, N. 51/52 zu Art. 895 ZGB; BGE 78 II 142 E. 1). Die Klägerin ist eine im Handelsregister eingetragene Kommanditgesellschaft, deren Zweck wie folgt umschrieben ist: "Tätigung aller Treuhandgeschäfte, insbesondere Rechts- und Steuerberatung". Gemäss Art. 53 lit. A Ziff. 4 in Verbindung mit Art. 54 der Verordnung über das Handelsregister war sieBGE 105 II 188 S. 194als Treuhandgesellschaft unabhängig von der Höhe ihrer Roheinnahmen zur Eintragung im Handelsregister verpflichtet. Auch die Arben AG war sowohl im Handelsregister eingetragen als auch hiezu verpflichtet, andernfalls sie die Rechtspersönlichkeit als Aktiengesellschaft gar nicht erlangt hätte (Art. 643 Abs. 1 OR). Aus dem angefochtenen Urteil und den Akten ergibt sich sodann mit ausreichender Deutlichkeit, dass beide Gesellschaften auch tatsächlich ein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betrieben haben. Die erste Voraussetzung des kaufmännischen Retentionsrechtes, die Kaufmannseigenschaft der beiden Vertragsparteien, ist demnach als erfüllt zu betrachten.

b) Der Bestand des streitigen Retentionsrechts hängt somit nur noch davon ab, ob der Besitz der Klägerin an den fraglichen Aktien und ihre Honorarforderung gegenüber der Arben AG aus dem gegenseitigen geschäftlichen Verkehr herrühren (französischer Text von Art. 895 Abs. 2 ZGB: "...résultent de leurs relations d'affaires"; der italienische Text stimmt mit dem französischen überein). Dabei handelt es sich um eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsfrage.

Der Besitz am Gegenstand der Retention und die Forderung müssen, wie auch die Klägerin anerkennt, beidseitig mit der Eigenart des Geschäftsbetriebes zusammenhängen, das heisst, aus Geschäften herrühren, die bei beiden Teilen zum Betrieb des Gewerbes gehören (OFTINGER, N. 117, und LEEMANN, N. 53 zu Art. 895 ZGB). Was den Besitz der Klägerin an den bei ihr hinterlegten Aktien betrifft, so ist diese Voraussetzung ohne weiteres erfüllt. Zum Geschäftsbetrieb der Klägerin als Treuhänderin gehört es, von Kunden Wertschriften zur Aufbewahrung entgegenzunehmen. Das geht denn auch ausdrücklich aus dem Vollmachtsformular hervor, das die Arben AG am 5. Februar 1975 unterzeichnet hatte. Aber auch bei der Arben AG hing die Hinterlegung der in ihrem Eigentum stehenden Aktien der Luftseilbahn Wiler/Lötschental AG bei einer Treuhandgesellschaft mit der Eigenart ihres Geschäftsbetriebes als Immobiliengesellschaft zusammen. Zu ihrem Gesellschaftszweck gehörte nicht nur der Erwerb und Verkauf von Grundstücken und deren Erschliessung, sondern auch die Beteiligung an andern Immobiliengesellschaften. Soweit sie bei der Ausübung dieser Geschäftstätigkeit in den Besitz von Aktien anderer Gesellschaften gelangte, lag es nahe, dass sie diese nicht selberBGE 105 II 188 S. 195aufbewahrte, sondern an einem hiefür geeigneten Ort hinterlegte. Selbst wenn bei der Wahl des Hinterlegungsortes eine Rolle gespielt haben sollte, dass Dr. Studer vorübergehend als Sekretär des Verwaltungsrates der Arben AG tätig war, worauf die Beklagte starkes Gewicht legt, wird dadurch der geschäftsbedingte Zusammenhang mit der Hinterlegung der Aktien bei der Klägerin nicht aufgehoben. Die Aktien blieben übrigens auch dann bei der Klägerin deponiert, als Dr. Studer seine Tätigkeit als Sekretär des Verwaltungsrates der Arben AG aufgab. Zudem ist zu beachten, dass der Hinterlegungsvertrag nicht mit Dr. Studer persönlich, sondern mit der klägerischen Gesellschaft als solcher abgeschlossen wurde.

Ob auch die streitige Forderung aus Rechtsgeschäften herrührt, die mit der Eigenart des Geschäftsbetriebes zusammenhingen, ist hinsichtlich der Klägerin ohne weiteres zu bejahen. In den Geschäftsbereich einer Treuhandgesellschaft gehört auch die Ausführung von Aufträgen zur Sanierung von Unternehmen und zur Anstrebung von Nachlassverträgen. Stellt man bei der Beurteilung der gleichen Frage auf seiten der Arben AG - wie die Vorinstanz - nur auf den im Handelsregister eingetragenen Gesellschaftszweck ab, so könnte in der Tat die Auffassung vertreten werden, der geschäftliche Charakter des der Klägerin erteilten Auftrages sei zu verneinen. Diese Betrachtungsweise wird indessen den gegebenen Verhältnissen und dem Sinn des Gesetzes nicht gerecht, hätte sie doch zur Folge, dass für Honorarforderungen im Zusammenhang mit Sanierungsbemühungen überhaupt nie ein kaufmännisches Retentionsrecht beansprucht werden könnte. Forderungen, die aus Bemühungen zur Sanierung einer in Schwierigkeiten geratenen Gesellschaft oder zur Erlangung einer Nachlassstundung herrühren, weisen jedoch einen derart engen Zusammenhang mit dem gesamten Geschäftsbetrieb dieser Gesellschaft auf, dass ihre geschäftliche Natur vernünftigerweise nicht verneint werden kann (für eine extensive Auslegung des Konnexitätsbegriffs beim kaufmännischen Retentionsrecht spricht sich auch BRANDER, Das Retentionsrecht nach schweizerischem Zivilrecht, Zürcher Diss. 1933, S. 31, aus).

5. Steht der Klägerin nach dem Gesagten ein kaufmännisches Retentionsrecht zu, braucht nicht geprüft zu werden, Ob auch die Voraussetzungen eines gewöhnlichen Retentionsrechtes im Sinne von Art. 895 Abs. 1 ZGB erfüllt wären.

BGE 105 II 188 S. 196

Dispositif

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Die Berufung wird gutgeheissen, das Urteil des Kantonsgerichtes Wallis (Zivil-Gerichtshof) vom 23. März 1979 aufgehoben und die im Kollokationsplan im Konkurs der Arben AG, Wiler, in der 5. Klasse aufgeführte Forderung der Klägerin von Fr. 65'387.05 im vollen Betrag nebst 5% Zins ab Datum der Konkurseröffnung unter den faustpfandversicherten Forderungen kolloziert.

BGE 85 II 580

Eine neben der Berufung eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wegen willkürlicher Beweiswürdigung ist grundsätzlich zuerst zu beurteilen. Erheben sich aber Zweifel darüber, ob die mit der Beschwerde angefochtene tatsächliche Feststellung wesentlichsei, so kann darüber vorweg im Berufungsverfahren entschieden werden. Art. 57 Abs. 5 OG (Erw. 2 und 5).

Unter welchen Voraussetzungen wird der Garagist, der den Wagen im Vertrauen auf betrügerische Angaben dem Kunden ohne Bezahlung seiner Reparaturrechnung herausgab, wieder retentionsberechtigt, wenn der Kunde ihm den Wagen zurückbringt? Art. 895 ff. ZGB (Erw. 3).

Gehen die Rechte des Dritten, der den Wagen dem Kunden unter Eigentumsvorbehalt verkauft hatte, dem Retentionsrecht des Garagisten vor, wenn dieser beim Empfang des Wagens den Eigentumsvorbehalt kannte? Art. 895 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 714 und 933 ff. ZGB (Erw. 4).


2. Das kantonsgerichtliche Urteil beruht unter anderem auf der tatbeständlichen Annahme, der Beklagte habe beim Rückempfang des Wagens am 11. Februar 1957 den zu Gunsten der Klägerin bestehenden Eigentumsvorbehalt noch nicht gekannt. Gegen diese Festellung richtet sich die staatsrechtliche Beschwerde mit der Rüge einer willkürlichen Beweiswürdigung. Grundsätzlich wäre die staatsrechtliche Beschwerde zuerst zu beurteilen. Bei ihrer Prüfung erhob sich jedoch vorweg die Frage, ob jene Feststellung für die Entscheidung des Rechtsstreites von wesentlicher Bedeutung sei, oder ob nicht selbst bei gegenteiliger Feststellung ein dem Eigentumsvorbehalt der Klägerin vorgehendes Retentionsrecht des Beklagten anerkannt werden müsse. Da das angefochtene Urteil der Berufung unterliegt und dieses Rechtsmittel denn auch in gültiger Weise eingelegt worden ist, erschien es als angezeigt, die soeben formulierte, vom materiellen Recht beherrschte Frage vorweg im Berufungsverfahren abzuklären. Sollte sie dahin zu beantworten sein, dass es auf dieBGE 85 II 580 S. 586Kenntnis des Eigentumsvorbehalts beim Rückempfang des Wagens entscheidend ankomme, so wäre dem staatsrechtlichen Verfahren wiederum der Vortritt einzuräumen. Sollte sich dagegen als unerheblich erweisen, ob der Beklagte, als Schütz ihm den Wagen zurückbrachte, um den zu Gunsten der Klägerin bestehenden Eigentumsvorbehalt wusste, so würde die staatsrechtliche Beschwerde des rechtlichen Interesses ermangeln und wäre aus diesem Grund ohne weiteres abzuweisen, gleichgültig ob die mit ihr erhobenen Rügen an und für sich begründet gewesen wären; damit würde der Weg zur abschliessenden materiellen Beurteilung der Berufung frei.

3. Mit der Herausgabe des Wagens an Schütz verlor der Beklagte das ihm nach Art. 895 ff. zugestandene Retentionsrecht. Dieses ist eben an den Besitz gebunden und geht daher mit dem Verlust des Besitzes unter. So verhält es sich nach überwiegender Lehrmeinung selbst bei unfreiwilligem Besitzesvelust, allerdings mit Vorbehalt der Besitzesschutzklage auf Wiedereinräumung des Besitzes. Zu dieser Frage (worüber vgl. OFTINGER, N. 177 zu Art. 895 ZGB) ist hier nicht Stellung zu nehmen. Hat doch der Beklagte den Wagen freiwillig, wenn auch verleitet durch betrügerische Angaben, an Schütz herausgegeben, womit der Verlust des Retentionsrechtes unvermeidlich verbunden war. Dem Kantonsgericht ist aber darin beizustimmen, dass dieses Recht durch Wiedereinräumung des Gewahrsams neu begründet werden konnte (vgl. LEEMANN, N. 6 und 7, und OFTINGER, N. 176 ff., zu Art. 895 ZGB; O. BRANDER, Das Retentionsrecht nach schweizerischen Zivilrecht, S. 8 und 49/50). Hiefür war allerdings notwendig, dass die Voraussetzungen von Art. 895 ZGB noch oder neuerdings erfüllt waren (vgl. OFTINGER, a.a.O. N. 179). Ferner durfte nicht etwa nunmehr ein Ausschlussgrund nach Art. 896 ZGB vorliegen, wie es der Fall gewesen wäre, wenn der Beklagte den Wagen am 11. Februar 1957 zu einem die Retention für die alte Verbindlichkeit nicht zulassenden besondernBGE 85 II 580 S. 587Zweck erhalten hätte. Indessen übergab ihm Schütz damals den Wagen gerade, um ihm den Retentionsbesitz für die Forderung aus der Instandstellung des Wagens wieder zu verschaffen, was sein Anwalt auch der Klägerin kundgetan hatte. Der Beklagte kann es nicht anders verstanden haben, obwohl er dem Überbringer Schütz den Empfang des Wagens "an Zahlungsstatt" bescheinigte. Gemeint war: zur Sicherstellung der ausstehenden Zahlung. Demgemäss hat der Beklagte ja dann auf Grund des Retentionsrechtes Betreibung auf Pfandverwertung angehoben und niemals das Eigentum am Wagen für sich beansprucht. Fraglich ist unter diesen Umständen nur noch, welche Bedeutung dem zu Gunsten der Klägerin bestehenden Eigentumsvorbehalt zukomme: ob dieses Drittmannsrecht, das pfandrechtsähnliche Sicherheit gibt, dem Retentionsrecht des Beklagten vorgehe, oder ob das Retentionsrecht gemäss Art. 895 Abs. 3 ZGB ungeachtet des Eigentumsvorbehaltes, also den Rechten der Klägerin vorgehend, zur Geltung zu kommen habe.

4. Dem Retentionsrecht des Beklagten gebührt jedenfalls dann ohne Zweifel der Vorrang, wenn er, als der Wagen am 11. Februar 1957 wieder in seinen Gewahrsam gelangte, Schütz immer noch, und zwar in guten Treuen (Art. 3 ZGB), für den Eigentümer hielt, wie es das Kantonsgericht annimmt, eine Feststellung, die jedoch, wie erwähnt, mit staatsrechtlicher Beschwerde als auf willkürlicher Beweiswürdigung beruhend angefochten ist. Eben deshalb ist noch die weitere Frage zu prüfen, ob Schütz nicht überhaupt, trotz dem von der Klägerin vorbehaltenen Eigentum, befugt gewesen war, den Wagen dem Beklagten zur Instandstellung zu übergeben, und ob er nicht ebenfalls befugterweise den durch Betrug gebrochenen Gewahrsam ungeachtet des Eigentumsvorbehaltes wiederherstellen durfte; eventuell, falls dies zu verneinen wäre, ob nicht der Beklagte dennoch selbst bei Kenntnis des Eigentumsvorbehaltes der Klägerin den Überbringer Schütz am 11. Februar 1957 als zur WiederherstellungBGE 85 II 580 S. 588des Gewahrsams befugt ansehen durfte und somit kraft guten Glaubens gemäss Art. 895 Abs. 3 ZGB das Retentionsrecht auf alle Fälle wieder erwarb.

a) Die Sache, an der sich der Veräusserer das Eigentum vorbehalten hat, ist dem Erwerber einstweilen (solange der Vorbehalt zu Recht besteht) nur anvertraut. Es ist ihm nicht erlaubt, wie ein Eigentümer darüber zu verfügen, insbesondere sie zu veräussern oder für eine beliebige Forderung zu verpfänden. Durch unerlaubte Verfügung über die Sache macht er sich der (nach Art. 140 StGB strafbaren) Veruntreuung schuldig (vgl. BGE 75 IV 105, BGE 82 IV 182; SIMONIUS/SCHERRER, N. 93 zu Art. 715/16 ZGB). Dagegen stehen ihm Gebrauch und Nutzung der Sache zu, und da Nutzen und Gefahr wie bei einem ohne Eigentumsvorbehalt abgeschlossenen Kauf ordentlicherweise gemäss Art. 185 Abs. 1 OR mit dem Vertragsabschluss auf ihn übergehen (vgl. LEEMANN, N. 56 zu Art. 715 ZGB), hat er auch für den Unterhalt der Sache zu sorgen und sie bei Beschädigung wieder instand zu stellen oder auf eigene Kosten instand stellen zu lassen. Davon geht auch die Klägerin aus, die dem Käufer Fr. 500.-- zum Abschluss einer Kaskoversicherung übergab (was er unterliess) und die Bezahlung der Rechnung der vom Beklagten mit einem Teil der Instandstellungsarbeiten betrauten Métalléger SA ablehnte, weil diese Verpflichtung sie nicht berühre, sondern den Käufer allein angehe. Sie erklärte dabei sogar, der Wagen gehöre ihr nicht mehr; Schütz, der ihn gekauft habe, sei nun der Eigentümer (oben lit. C der Tatsachen). Darin lag freilich kein Verzicht auf den Eigentumsvorbehalt. Es ist aber für die eigene Auffassung der Klägerin bezeichnend, dass sie gar nicht daran dachte, gegenüber den mit der Reparatur befassten Firmen etwas aus dem Eigentumsvorbehalt herzuleiten, diesen vielmehr verschwieg und die dem Käufer (gleichwie beim Fehlen eines Eigentumsvorbehalts) zukommende selbständige Stellung hinsichtlich der ordentlichen Bewirtschaftung des Wagens unterstrich. Im übrigen ist auchBGE 85 II 580 S. 589nicht etwa die Rede davon, die in Frage stehende Instandstellung habe sich nicht gelohnt und wäre besser unterblieben. Nach alldem war Schütz befugt, wenn nicht sogar im Interesse der Klägerin verpflichtet, den Wagen, wie es geschehen ist, instand stellen zu lassen und zu diesem Zwecke dem Beklagten zu übergeben.

War die Klägerin zwar nicht mitverpflichtet, und erwuchs dem Beklagten daher gegen sie keine Forderung, so erhielt er doch das mit dem Gewahrsam verbundene Retentionsrecht. Schütz war eben auch zu Massnahmen befugt, die ein gesetzliches Retentionsrecht seines Gläubigers am Wagen enstehen liessen. Indem er diesen dem Beklagten zur Reparatur übergab, hat er ihn keineswegs veruntreut.

b) Ebenso lag es im Rahmen seiner Befugnisse, den durch Betrug gebrochenen Gewahrsam des Beklagten wiederherzustellen. Die Abwicklung des Schuldverhältnisses zwischen ihm und dem Beklagten blieb seine Sache. Dazu gehörte auch die Wiederherstellung des Retentionsbesitzes, den der Beklagte verleitet durch seine betrügerischen Angaben aufgegeben hatte. Er war am 11. Februar 1957 in der Lage, den Wagen dem Beklagten zurückzubringen, da die Klägerin ihn ihm belassen und den Kauf nicht etwa im Sinne von Art. 716 ZGB rückgängig gemacht hatte. Der Klägerin stand nicht zu, dieser Wiederherstellung des Besitzstandes - einer rechtmässigen Handlung des Schuldners, wozu er gegenüber dem Beklagten mindestens moralisch verpflichtet war - zu widersprechen, um den durch die Instandstellung des Wagens geschaffenen Mehrwert ohne Rücksicht auf das normalerweise dem mit der Reparatur betrauten Gläubiger zustehende Vorzugsrecht für sich in Anspruch zu nehmen. Sie hinderte denn auch die vom Käufer getroffene Wiederherstellungsmassnahme nicht, sondern verneint nur deren Rechtswirksamkeit; wie dargetan, zu Unrecht. Allerdings unterliegt dem Eigentumsvorbehalt nicht, wie die Vorinstanz annimmt, nur das "Wrack" des Wagens in dessenBGE 85 II 580 S. 590Zustand nach dem Verkehrsunfall. Der Eigentumsvorbehalt ergreift den Wagen samt seinen Bestandteilen, wie er heute nach der Instandstellung vorhanden ist. Allein das Retentionsrecht des Beklagten geht, da die gesetzlichen Voraussetzungen nach Art. 895 ff. ZGB auch am 11. Februar 1957 vorlagen und der Schuldner zur Rückverbringung des Wagens in die Garage des Beklagten berechtigt war, den Rechten der Klägerin vor.

c) Bei dieser Sachlage braucht sich der Beklagte nicht auf gutgläubige Annahme einer in Wirklichkeit nicht bestehenden Berechtigung des Schuldners zur Übergabe des Wagens zu berufen. Falls es an einer solchen Berechtigung gefehlt hätte, wäre aber der gute Glaube des Beklagten in der Tat zu bejahen, auch wenn ihm der zu Gunsten der Klägerin bestehende Eigentumsvorbehalt beim Wiederempfang des Wagens am 11. Februar 1957 bekannt gewesen sein sollte. Der Wortlaut von Art. 895 Abs. 3 ZGB könnte zwar, für sich allein betrachtet, zur Annahme verleiten, der gute Glaube habe sich auf das Eigentumsrecht des Schuldners zu beziehen; er sei also nicht gegeben, wenn dem Gläubiger das Eigentum eines Dritten bekannt ist. Indessen spricht Art. 895 Abs. 3 ZGB einfach von gutgläubigem Empfang der Sache. Diese Vorschrift ist nach zutreffender und denn auch allgemein anerkannter Auffassung im Zusammenhang mit den Art. 714 und 933 ff. ZGB dahin zu verstehen, der Gläubiger müsse beim Empfang der einem Dritten gehörenden Sache den Schuldner in gutem Glauben als berechtigt betrachtet haben, sie ihm zu dem vereinbarten Zweck auszuhändigen. Das kann nun, wie sich gerade aus dem oben (Erw. 4, a und b) Ausgeführten ergibt, mitunter auch dann zutreffen, wenn der Schuldner nicht Eigentümer der Sache ist. Was insbesondere Sachen betrifft, die der Eigentümer einem andern anvertraut hatte, so ist nach Art. 933 ZGB derjenige, der eine solche Sache vom Besitzer "in gutem Glauben" zu Eigentum oder zu einem beschränkten dinglichen Recht übertragen erhält,BGE 85 II 580 S. 591in seinem Erwerb auch dann zu schützen, wenn sie dem Veräusserer "ohne jede Ermächtigung zur Übertragung" anvertraut worden waren. Daraus folgt, dass als gutgläubig auch ein Erwerber zu gelten hat, der den veräussernden Besitzer zwar nicht als Eigentümer, aber als aus andern Gründen zur Verfügung berechtigt ansieht und ansehen darf (vgl. HAAB/SIMONIUS, N. 55 zu Art. 714 ZGB; so denn auch die ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler BGE 65 II 64). Auch der Besitz unter Eigentumsvorbehalt ist anvertrauter Besitz im Sinne von Art. 933 ZGB (vgl. OSTERTAG, N. 6 zu Art. 933 ZGB; J. O. RAUCH, Der Eigentumsvorbehalt, S. 98). Für die Entstehung des Retentionsrechtes nach Art. 895 ZGB wird gleichwie für die Begründung dinglicher Rechte kraft Rechtsgeschäftes zutreffenderweise angenommen, Kenntnis vom Eigentumsrecht eines Dritten schliesse den guten Glauben des die Sache empfangenden Gläubigers nicht aus. "Bösgläubig ist er erst, wenn er weiss oder wissen muss, dass ihm der Schuldner die Sache nicht hätte übergeben dürfen" (vgl. HOMBERGER/MARTI, Schweiz. jur. Kartothek Nr. 673, III, 2; so denn auch BGE 38 II 202 Erw. 4 betreffend Art. 227 aoR, jedoch bereits mit Hinweis auf Art. 895 Abs. 3 ZGB, vgl. ferner ein Urteil des bernischen Appellationshofes in ZbJV 70 S. 433 ff.; WIELAND, N. 5, c, LEEMANN, N. 14, und OFTINGER, N. 134 und 134 a zu Art. 895 ZGB; F. A. STAEHELIN, Probleme aus dem Gebiete des Eigentumsvorbehalts, S. 85 und 90, mit Fussnoten 5 und 17). In der Übergabe eines Wagens zur Instandstellung liegt keine eigentliche Verfügung über die Sache. Es handelt sich um eine Massnahme der Vermögensverwaltung, die freilich ein gesetzliches Retentionsrecht des mit der Instandstellung betrauten Gläubigers nach sich zieht. Zu einer solchen Massnahme darf ein Garagist den Wagenbesitzer für berechtigt halten, jedenfalls wenn dieser den Wagen gekauft und nicht etwa bloss für eine einzelne Fahrt entlehnt hat, ganz gleichgültig ob der Kaufpreis völlig oder nur zum TeilBGE 85 II 580 S. 592bezahlt ist und ob noch ein Eigentumsvorbehalt des Verkäufers besteht, wie es bei einer grossen Anzahl der im Verkehr befindlichen Motorfahrzeuge zutrifft.

5. Ist somit das Retentionsrecht des Beklagten zu schützen, auch wenn ihm beim Rückempfang des Wagens das von der Klägerin beim Verkauf an Schütz vorbehaltene Eigentum bekannt gewesen sein sollte, so fällt die staatsrechtliche Beschwerde - die bei diesem Ergebnis der materiellrechtlichen Prüfung mangels Interesses ohne weiteres abzuweisen ist, gemäss Erw. 2 - nicht weiter in Betracht. Die Berufung ist auch ihrerseits abzuweisen. Die Höhe der nach dem vorinstanzlichen Urteil durch das Retentionsrecht gesicherten Forderungen des Beklagten und Widerklägers ist vor Bundesgericht nicht beanstandet worden.

Dispositiv

Demnach erkennt das Bundesgericht:

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis vom 20. Februar 1959 bestätigt.

BGE 80 II 109

1. Nach den unbestrittenen Feststellungen des Handelsgerichtes hat der Zedent Bertrand am 11. September 1948, als er das streitige Material aus Frankreich erhielt, daran für seine Forderungen an Voisine ein Retentionsrecht erworben. Die Voraussetzungen dieses Rechtes waren schon vor Handelsgericht unbestritten mit Ausnahme der Gutgläubigkeit Bertrands. Diese ist jedoch im angefochtenen Urteil wenigstens für diejenigen Forderungen bejaht, die Bertrand beim Besitzerwerb, also am 11. September 1948, gegen Voisine bereits zustanden, laut Rechnungen vom 31. August 1948. Die Klägerin lässt dies nunmehr auch gelten. Über die Abtretung der soeben erwähnten und späterer Forderungen samt dem Retentionsrecht liegt eine schriftliche Zessionserklärung vom 28. Dezember 1948 vor. Umstritten ist aber, ob das Retentionsrecht auf den Beklagten gültig übergegangen sei, von Gesetzes wegen oder kraft der dahingehenden Erklärung des Zedenten.

2. Die Klägerin hält den Übergang eines Retentionsrechtes auf einen Zessionar der Forderung schon begrifflich für ausgeschlossen. Denn dieses Recht hange vom Besitz ab und könne daher nicht durch blosse Verpflichtung verändert werden. Erhalte aber ein neuer Gläubiger den Besitz, so erwerbe er nicht das Retentionsrecht, wie es dem Vorbesitzer zustand, sondern nur allenfalls ein neues Retentionsrecht. Beim Beklagten sei dies jedoch wegen seines bösen Glaubens nicht möglich gewesen. Übrigens sei ihm der Motor erst einige Tage nach der Zession, undBGE 80 II 109 S. 114zwar nicht unmittelbar, sondern durch einen Spediteur, geliefert worden und daher ein Übergang des Retentionsrechtes Bertrands auf ihn vollends ausgeschlossen.

Indessen lässt sich ebenso wie beim Faustpfandrecht auch beim Retentionsrecht die gesetzliche Fiktion des Überganges (cessio legis) anwenden. Danach geht das Recht mit der Forderung von Gesetzes wegen über. Den Besitz übt der Zedent (oder ein für ihn besitzender Dritter) vom Zeitpunkt der Zession an für den Zessionar aus, der alsdann auf Grund des bereits erworbenen Rechtes grundsätzlich die tatsächliche Besitzübergabe verlangen kann (vgl. OFTINGER, N. 162 zu Art. 884 ZGB für das Faustpfandrecht und N. 168 zu Art. 895 ZGB für das Retentionsrecht; ebenso LEEMANN, N. 69 zu Art. 895 ZGB). So muss es sich auch bei ausdrücklicher Mitabtretung verhalten. Ob sie wirksam sei, hängt nur davon ab, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen des Überganges erfüllt sind.

3. Nach Art. 170 Abs. 1 OR gehen die Nebenrechte ohne weiteres auf den Zessionar über, mit Ausnahme derer, die untrennbar mit der Person des Abtretenden verknüpft sind. Darüber, wie es sich in dieser Hinsicht mit dem Retentionsrecht gemäss Art. 895 ff. ZGB verhält, sind die Lehrmeinungen geteilt. Zwar ist es herrschende Ansicht geworden, dass das besondere Retentionsrecht des Vermieters und Verpächters (Art. 272 ff. und 286 Abs. 3 OR) mit der Miet- oder Pachtzinsforderung auf einen Zessionar übergehe (vgl. GUHL, Schweizerisches Obligationenrecht, 4. Auflage, 194; v. TUHR, Allg. Teil des schweizerischen OR § 95 I 1, a). Dagegen bejaht nur ein Teil der Autoren den Übergang auch für das allgemeine Retentionsrecht nach ZGB (das sog. bürgerliche nach Art. 895 Abs. 1 und das sog. kaufmännische nach Abs. 2 daselbst), so OFTINGER (N. 167 zu Art. 895 ZGB) und LEEMANN (N. 69 dazu). Andere lassen zwar das bürgerliche, nicht aber das kaufmännische Retentionsrecht übergehen, oder sie begnügen sich damit, den Übergang des kaufmännischen Retentionsrechtes zu verneinen, ohne zum Schicksal des bürgerlichenBGE 80 II 109 S. 115Retentionsrechtes bei Abtretung der Forderung Stellung zu nehmen (so BECKER, N. 2 und 5 zu Art. 170 OR). Daneben gibt es Gegner jeglichen Überganges des Retentionsrechtes, ausser demjenigen von Vermietern und Verpächtern (so v. TUHR, a.a.O.; OSER-SCHÖNENBERGER, N. 4 und 8 zu Art. 170 OR; WIELAND, N. 2, c zu Art. 895 ZGB; GEIGER, Begriff und Arten der Konnexität im Retentionsrecht 57 ff.; RENE DES GOUTTES, Abtretung von Forderungen, Schweizerische Juristische Karthothek 704 IV 17, b'bb).

Im vorliegenden Falle braucht nur das bürgerliche Retentionsrecht des Art. 895 Abs. 1 ZGB ins Auge gefasst zu werden. Denn ein solches stand dem Zedenten Bertrand zu. Allerdings konnten sich die Arbeiten, für die er dem Voisine am 31. August 1948 Rechnung stellte, nicht auf das streitige Material beziehen, das erst am 11. September 1948 in die Werkstätte Bertrands gelangte. Allein der Einbau dieses Materials gehörte zu den gesamten von Bertrand im Auftrag Voisines an den zwei Prototypen auszuführenden Konstruktionsarbeiten. Diese sind allesamt mit den dafür bestehenden Forderungen und dem diese sichernden Retentionsrecht als Einheit zu betrachten (vgl. BGE 71 II 86).

Nun mochten zwar ausserdem die Voraussetzungen eines kaufmännischen Retentionsrechtes gegeben sein. Daraus könnte allenfalls ein Einwand gegenüber dem Beklagten hergeleitet werden, wenn Bertrand dieses Retentionsrecht noch für andere als die ihm abgetretenen Forderungen in Anspruch nähme. Allein er hat ihm ja seine Retentionsrechte für das gesamte Material abgetreten und damit eindeutig auf irgendwelche ihm selbst allenfalls verbliebene Retentionsrechte an diesen Sachen verzichtet.

4. Es besteht kein zureichender Grund, das nichtkaufmännische Retentionsrecht, wie es zugunsten jedermanns entstehen kann, als "mit der Person des Abtretenden untrennbar verknüpft" zu betrachten. Mit Unrecht berufen sich einige Gegner der Abtretbarkeit solcher RechteBGE 80 II 109 S. 116aufBGE 27 II 64ff. Diese Entscheidung betraf ein Garantieversprechen, das der Zedent von seinem Rechtsvorgänger erhalten hatte. Die ihm daraus erwachsene Forderung war - im Unterschied zu Pfand- und Retentionsrechten - kein Nebenrecht im Sinne von Art. 170 Abs. 1 OR. Es bedurfte daher einer besondern Abtretung dieser neben der garantierten Forderung ihrerseits. Die ausdrückliche Abtretung in diesem Sinne wurde aber als gültig anerkannt. Daraus könnte eher der Beklagte als die Klägerin etwas für sich herleiten. Indessen ist die Frage nach dem Übergang eines Retentionsrechtes, sei es von Gesetzes wegen nach Art. 170 Abs. 1 OR, sei es kraft ausdrücklicher Abtretungserklärung, wie sie hier auch vorliegt, nach der besondern Rechtsnatur des gesetzlichen Retentionsrechtes zu beurteilen.

Mit dessen Zweck, die Forderung ähnlich einem Pfandrechte zu sichern, verträgt sich nun der Übergang auf einen Zessionar der Forderung durchaus. Jedenfalls steht solchem Übergang nicht entgegen, dass die Sache "mit Willen des Schuldners" in den Besitz des Gläubigers gelangt sein muss. Einmal entstanden, ist das Retentionsrecht nicht mehr vom Willen des Schuldners abhängig. Hat dieser es aber zu dulden, dass die Sache vom Gläubiger zurückbehalten und gegebenenfalls wie ein Faustpfand verwertet werde (Art. 898 ZGB), so würde ihm ein unverdienter Vorteil erwachsen, wenn bei einer Abtretung der Forderung das Retentionsrecht dahinfallen müsste. Geht es auf den Zessionar über, so wird dadurch die Rechtsstellung des Schuldners nicht verschlechtert. Er ist einfach, wie zuvor gegenüber dem Zedenten, zur Erfüllung seiner Schuld verpflichtet und kann im übrigen die Verwertung der zurückbehaltenen Sache durch Leistung einer andern genügenden Sicherheit abwenden (vgl. die soeben erwähnte Bestimmung). Anderseits würde dem Zessionar, wenn er das Retentionsrecht nicht erwerben könnte, ein unter Umständen wichtiges Nebenrecht entgehen, und der Zedent wäre gehindert, über die Forderung mit vollemBGE 80 II 109 S. 117Nutzen durch Zession zu verfügen, wenn sie eben ohne das sichernde Nebenrecht nicht vollwertig wäre. Selbst Autoren, die sich gegen die Abtretbarkeit des Retentionsrechts aussprechen, geben zu, dass das Erfordernis eines mit Willen des Schuldners erlangten Besitzes des Zedenten dem Übergang dieses Nebenrechtes auf einen Zessionar nicht entgegenstehe (so WIELAND, a.a.O.). Derselbe Autor hält dann allerdings dafür, das Retentionsrecht solle im wesentlichen als Druckmittel gegen den Schuldner dienen, könne aber diesen Zweck nur in der Hand desjenigen erfüllen, "der zur Rückgabe verpflichtet ist", also des ursprünglichen Gläubigers. Das trifft jedoch nicht zu, denn das Retentionsrecht kann einem Zessionar in gleicher Weise dienlich sein (wie JACOB, Le droit de rétention, S. 133, zutreffend ausführt). Grundsätzlich geht somit das nichtkaufmännische Retentionsrecht auf einen Zessionar der Forderung über.

5. Besondere Verhältnisse, die eine Ausnahme zu begründen vermöchten, liegen nicht vor. Von einem Verzicht auf das Retentionsrecht, sei es durch den Zedenten vor der Zession, sei es durch den Zessionar, kann nicht die Rede sein. Ist dieses Recht dem Beklagten doch ausdrücklich mitabgetreten und damit jedem Zweifel in dieser Hinsicht vorgebeugt worden. Sodann war Bertrand nicht etwa kraft Vereinbarung mit seinem Schuldner Voisine oder nach der Natur des mit diesem eingegangenen Rechtsverhältnisses verpflichtet, die Sachen auf alle Fälle in eigener Obhut zu behalten und keinesfalls einem Dritten, und wäre es auch ein Zessionar seiner Forderungen, in Gewahrsam zu geben. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob ein derartiger dauernder Ausschluss Dritter vom unmittelbaren Besitz (bis zur allfälligen Verwertung der Sachen) auch einem Übergang des Retentionsrechtes selbst entgegenstünde (wie dies v. TUHR, a.a.O., Fussnote 17, für Auftragsverhältnisse annimmt, ohne jedoch die oben in Erw. 2 dargelegte Möglichkeit des Rechtsüberganges ohne Gewahrsamsänderung in Betracht zu ziehen).

BGE 122 IV 322

Art. 181 StGB; Art. 895 f. ZGB; Art. 82 und 400 Abs. 1 OR: Nötigung, Androhung ernstlicher Nachteile; Retentionsrecht.

Wer die sofortige Herausgabe von Akten an den Auftraggeber von einer Akontozahlung für offene Honorarforderungen abhängig macht, obwohl Prozessfristen laufen und die Akten zur Weiterführung hängiger Gerichtsverfahren dringend benötigt werden, droht einen ernstlichen Nachteil an (E. 1).

Die Möglichkeit, dem angedrohten Nachteil auf dem Rechtsweg zu begegnen, lässt dessen Ernsthaftigkeit nicht ohne weiteres entfallen (E. 1a; Bestätigung der Rechtsprechung).

An nicht verwertbaren Akten kann kein dingliches Retentionsrecht ausgeübt werden (E. 3a).

Ist die Pflicht zur Herausgabe der Akten nicht auf die Hauptpflichten der Parteien ausgerichtet, kann sich der Beauftragte bei der Aktenherausgabe nicht auf das Leistungsverweigerungsrecht im Sinne von Art. 82 OR berufen (E. 3b).

Umfang der auftragsrechtlichen Aktenherausgabepflicht. Ein obligatorisches Retentionsrecht an nicht verwertbaren Akten ist, vorbehältlich anderslautender vertraglicher Vereinbarungen, grundsätzlich ausgeschlossen (E. 3c).

Aus den Standesregeln für Anwälte kann kein Retentionsrecht an nicht verwertbaren Akten abgeleitet werden (E. 3d).


1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe gestützt auf Art. 400 OR ein obligatorisches Zurückbehaltungsrecht an den Urkunden gehabt. Dieses Recht sei ein legales Mittel indirekten Zwanges und erstrecke sich auch auf Urkunden, die nicht verwertbar seien. Die Vorinstanz habe deshalb insoweit Bundesrecht verletzt, als sie die rechtswidrige Androhung eines ernstlichen Nachteils bejahte.

a) Gemäss Art. 181 StGB macht sich u.a. strafbar, wer einen anderen durch Androhung ernstlicher Nachteile nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden.

Bei der Androhung ernstlicher Nachteile stellt der Täter dem Opfer die Zufügung eines Übels in Aussicht, dessen Eintritt er als von seinem Willen abhängig erscheinen lässt (BGE 120 IV 17 E. 2a mit Hinweisen). Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Täter die Drohung wirklich wahrmachen will, sofern sie nur als ernstgemeint erscheinen soll (BGE 105 IV 120 E. 2a). Nach der Rechtsprechung ist auch unerheblich, ob eine Handlung oder eine Unterlassung angedroht wird (BGE 115 IV 207 E. 2a mit Hinweisen, vgl. auch BGE 107 IV 35 E. 3a). Demgegenüber nimmt die Literatur zu dieser Frage teilweise eine differenziertere Haltung ein (vgl. MARTINO IMPERATORI, Das Unrecht der Nötigung, Diss. Zürich 1987, S. 81 ff.; PETER NOLL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Besonderer Teil I, 1983, S. 71; JÖRG REHBERG, Strafrecht III, 6. Aufl. 1994, S. 329 f.; MARTIN SCHUBARTH, Kommentar zum Schweizerischen Strafrecht, BesondererBGE 122 IV 322 S. 325Teil, Bern 1984, N. 23 ff. zu Art. 181 StGB; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT I, 5. Aufl., Bern 1995, § 5 N. 8; STEFAN TRECHSEL, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, N. 6 zu Art. 181). Diese Frage braucht hier nicht näher erörtert zu werden, weil der Beschwerdeführer, sofern man ihm kein Retentionsrecht zubilligt, zur Aktenrückgabe und damit zu einem Handeln verpflichtet war. Beruft er sich jedoch zu Recht auf ein Retentionsrecht, entfiele jedenfalls die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens (BGE 115 IV 207 E. 2a).

Ernstlich sind die Nachteile, wenn ihre Androhung nach einem objektiven Massstab geeignet ist, auch eine besonnene Person in der Lage des Betroffenen gefügig zu machen und so seine freie Willensbildung und -betätigung zu beschränken (BGE 120 IV 17 E. 2a/aa mit Hinweisen). Die Möglichkeit, dem angedrohten Nachteil auf dem Rechtsweg zu begegnen, lässt dessen Ernstlichkeit nicht ohne weiteres entfallen (BGE 115 IV 207 E. 2a; einschränkender noch 107 IV E. 3a; vgl. dazu auch MARTIN SCHUBARTH, a.a.O., N. 33, 37 zu Art. 181 StGB; GÜNTER STRATENWERTH, a.a.O., § 5 N. 9, je mit weiteren Hinweisen).

b) Die Vorinstanz hielt verbindlich fest (Art. 277bis BStP), dass der Beschwerdeführer sich weigerte, die Akten herauszugeben und Auskunft über die getroffenen Vorkehren zu geben, um den Auftraggeber zur teilweisen Begleichung offener Honorarforderungen zu veranlassen. Damit drohte der Beschwerdeführer mit einer Unterlassung - der Nichtherausgabe von Akten - während laufender Prozessfristen und obwohl der Bedrohte die Unterlagen dringend benötigte, um die hängigen Gerichtsverfahren weiterzuführen. Dieser war somit vor die Wahl gestellt, entweder den geforderten Betrag umgehend zu bezahlen oder bis auf weiteres auf die Akten zu verzichten. Wohl stand ihm die Möglichkeit offen, die Akten gerichtlich herauszuverlangen, doch riskierte er dabei, mangels Kenntnis des genauen Standes der Verfahren Fristen zu versäumen. Im übrigen haben Gerichtsverfahren oft einen ungewissen Ausgang und sind für die beteiligten Parteien häufig mit einem erheblichen Aufwand verbunden. Aus diesen Gründen verletzte die Vorinstanz kein Bundesrecht, wenn sie hier das Tatbestandsmerkmal der Androhung eines erheblichen Nachteils gemäss Art. 181 StGB als erfüllt ansah. Die Handlungsalternative, vor die der Bedrohte durch den Beschwerdeführer gestellt wurde, war ohne weiteres geeignet, eine besonnene Person in seiner Lage unabhängig von seinen finanziellen Möglichkeiten gefügig zu machen. Deshalb kommt es hier aufBGE 122 IV 322 S. 326die konkreten Vermögensverhältnisse des Opfers für die Prüfung der Ernstlichkeit der Drohung nicht an.

2. Zu prüfen ist, ob das Verhalten des Beschwerdeführers rechtswidrig war.

a) Unrechtmässig ist eine Nötigung, wenn das Mittel oder der Zweck unerlaubt ist oder wenn das Mittel zum erstrebten Zweck nicht im richtigen Verhältnis steht oder wenn die Verknüpfung zwischen einem an sich zulässigen Mittel und einem erlaubten Zweck rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig ist (BGE 120 IV 17 E. 2a/bb mit Hinweisen). Der Täter bedient sich eines unzulässigen Mittels insbesondere bei der Nichterfüllung eines Anspruchs, einem Delikt, beim Boykott oder bei der Androhung einer völlig unbegründeten Strafanzeige (vgl. BGE 101 IV 298 E. 4; BGE 107 IV 35 E. 2; BGE 115 IV 207 E. 2b/cc; BGE 120 IV 17 E. 2b).

b) Die Vorinstanz erblickte die Rechtswidrigkeit der Nötigung im angewendeten Mittel. Sie verneinte ein obligatorisches Retentionsrecht des Beschwerdeführers mit der Begründung, der Beauftragte müsse dem Auftraggeber gemäss Art. 400 OR auf Verlangen alles herausgeben, was ihm aus dem Auftragsverhältnis zugekommen sei. Ein dingliches oder obligatorisches Retentionsrecht zur Sicherung der Honoraransprüche bestehe nur an vermögenswerten Gegenständen, nicht aber an Urkunden, insbesondere nicht an Akten.

3. Will der Beauftragte die Herausgabe des in Ausführung des Mandats Erlangten zurückbehalten, bis der Auftraggeber das geschuldete Honorar beglichen hat, stehen ihm hierzu grundsätzlich das dingliche Retentionsrecht (Art. 895 ZGB), das Leistungsverweigerungsrecht (Art. 82 OR) und das von der Rechtsprechung und Lehre herausgebildete obligatorische Retentionsrecht zur Verfügung. Nachfolgend ist zu prüfen, ob sich der Beschwerdeführer auf eines dieser Zurückbehaltungsrechte berufen konnte.

a) Die Art. 895 ff. ZGB umschreiben das sogenannt dingliche Retentionsrecht. Nach Art. 895 Abs. 1 ZGB kann der Gläubiger bewegliche Sachen und Wertpapiere, die sich mit Willen des Schuldners in seinem Besitze befinden, bis zur Befriedigung für seine Forderung zurückbehalten, wenn die Forderung fällig ist und ihrer Natur nach mit dem Gegenstande der Retention in Zusammenhang steht. An Sachen, deren Natur eine Verwertung nicht zulässt, kann das Retentionsrecht jedoch nicht ausgeübt werden (Art. 896 Abs. 1). Ebenso ist die Retention ausgeschlossen, wenn ihr eine vom Gläubiger übernommene Verpflichtung, oder eine vom Schuldner vor oder bei der Übergabe der Sache erteilte Vorschrift oder dieBGE 122 IV 322 S. 327öffentliche Ordnung entgegensteht (Art. 896 Abs. 2 ZGB). Voraussetzung ist überdies, dass der herauszugebende Gegenstand fremd ist (BGE 48 II 167 E. 2).

Es wird vorliegend nicht geltend gemacht, die zurückbehaltenen Akten seien verwertbar im Sinne der genannten Bestimmung gewesen. Irgendwelche Anhaltspunkte, welche für die Verwertbarkeit sprächen, sind auch keine ersichtlich. Deshalb konnte sich der Beschwerdeführer nicht auf ein dingliches Retentionsrecht an den Akten nach Art. 895 Abs. 1 ZGB berufen.

b) Das sogenannte Leistungsverweigerungsrecht bei zweiseitigen Verträgen ist in Art. 82 OR festgelegt. Diese Bestimmung lautet wie folgt:

"Wer bei einem zweiseitigen Vertrage den andern zur Erfüllung anhalten will, muss entweder bereits erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem Inhalte oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen hat."

Beim entgeltlichen Auftrag steht der Anspruch des Beauftragten auf Ersatz der Auslagen und Verwendungen und Befreiung von eingegangenen Verbindlichkeiten nicht ohne weiteres in einem Austauschverhältnis zu den Gegenständen, die er nach Art. 400 Abs. 1 dem Auftraggeber abzuliefern hat (vgl. BGE 94 II 267). Gleiches hat zu gelten für das Verhältnis zwischen dem geschuldeten Honorar und der auftragsrechtlichen Herausgabepflicht, sofern diese nur eine Nebenleistungspflicht ist. In solchen Fällen kann nicht von einem zweiseitigen Vertrag im Sinne von Art. 82 OR gesprochen werden. Da die Pflicht zur Herausgabe der Akten hier nicht auf die Hauptpflichten der Parteien ausgerichtet war, fällt die Bestimmung des Art. 82 OR ausser Betracht (BGE 107 II 413, vgl. sinngemäss bereits BGE 89 II 235).

c) Zu prüfen bleibt, ob sich der Beschwerdeführer zu Recht auf ein obligatorisches Retentionsrecht beruft.

aa) Art. 400 Abs. 1 OR verpflichtet den Beauftragten, auf Verlangen jederzeit über seine Geschäftsführung Rechenschaft abzulegen und alles, was ihm infolge derselben aus irgend einem Grunde zugekommen ist, zu erstatten. Art. 401 Abs. 3 OR verweist auf das Retentionsrecht des Beauftragten: Danach kann der Auftraggeber im Konkurse des Beauftragten, unter Vorbehalt der Retentionsrechte desselben, die beweglichen Sachen herausverlangen, die dieser in eigenem Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers zu Eigentum erworben hat.BGE 122 IV 322 S. 328

Die Herausgabepflicht des Beauftragten umfasst nach der Rechtsprechung alles, was ihm in Ausführung des Mandats vom Auftraggeber ausgehändigt worden oder von Dritten zugekommen ist (BGE 91 II 442, S. 451; BGE 78 II 376, S. 378). Wie weit sie reicht, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Rechtsprechung hat festgelegt, dass sie alle Dokumente umfasst, die sich auf die im Interesse des Auftraggebers besorgten Geschäfte beziehen, wobei rein interne Dokumente wie vorbereitende Studien, Notizen, Entwürfe, Materialsammlungen, eigene Buchhaltungen ausgenommen sind (Urteil des Bundesgerichts vom 17. Juni 1980, publiziert in ZR 80 Nr. 24 S. 73 ff.; ebenso WALTER FELLMANN, Berner Kommentar, 1992, N. 136 zu Art. 400 OR; JOSEF HOFSTETTER, Schweizerisches Privatrecht, S. 92 f.; JÖRG SCHMID, Die Geschäftsführung ohne Auftrag, Freiburg 1992, S. 147 ff.; PIERRE TERCIER, Les contrats spéciaux, Zürich 1995, N. 4056; ROLF H. WEBER, Basler Kommentar, N. 12 zu Art. 400 OR; ohne Einschränkung FRANZ WERRO, Le mandat et ses effets, Fribourg 1993, S. 178).

bb) Die Rechtsprechung hat im Anschluss an VON THUR ein obligatorisches Retentionsrecht dort anerkannt, wo weder das dingliche Retentionsrecht nach Art. 895 ZGB noch das Leistungsverweigerungsrecht gemäss Art. 82 OR greift. Sie begründete dies damit, dass es rechtsmissbräuchlich und unbillig wäre, wenn eine Partei vertragliche Ansprüche durchsetzen könnte, ohne ihre eigenen Pflichten zu erfüllen. Deshalb müsse dem Beauftragten in den genannten Fällen ein im Gesetz nicht geregeltes obligatorisches Retentionsrecht eingeräumt werden, das ihm erlaube, seine Leistung zu verweigern, bis die ihm aus dem gleichen Verhältnis geschuldete Leistung gewährt werde (BGE 78 II 376; 94 II 267, je mit Hinweisen; vgl. aber BGE 86 II 355 E. 4, wo das Retentionsrecht des Beauftragten nur unter dem Gesichtspunkt des dinglichen Retentionsrechts gemäss Art. 895 ZGB geprüft wurde; FELLMANN, a.a.O., N. 186 ff. zu Art. 400 OR mit Hinweisen; VON THUR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, Zürich 1974, § 64 VIII [S. 68]).

Fraglich ist, ob sich das obligatorische Retentionsrecht beim Auftrag auch auf Gegenstände erstreckt, deren Natur mangels Vermögenswert eine Verwertung nicht zulässt. Das Bundesgericht hat in einem älteren Entscheid ein obligatorisches Retentionsrecht an Urkunden, die keine Wertpapiere sind, verneint (BGE 78 II 376, S. 378 f.). Bei diesem Entscheid ging es darum, dass ein Buchhalter von einer Aktiengesellschaft mit der Besorgung ihrer Buchhaltung beauftragt worden war. Nach Beendigung des AuftragsverhältnissesBGE 122 IV 322 S. 329weigerte er sich, die ihm überlassenen Unterlagen ohne vorherige Prüfung der Buchführung und Décharge-Erteilung zu erstatten. Das Bundesgericht verneinte hier ein Retentionsrecht an den nicht verwertbaren Urkunden, weil der gesetzlich begründete Anspruch auf Décharge-Erteilung nicht Vertragsinhalt war. Angesichts des auf diesen besonderen Fall zugeschnittenen Urteils erscheint ungewiss, ob die Verneinung eines obligatorischen Retentionsrechts an nicht verwertbaren Urkunden im Rahmen eines Auftrags verallgemeinerbar ist.

Die überwiegende Lehre geht gestützt auf Art. 896 Abs. 1 ZGB generell davon aus, ein obligatorisches Zurückbehaltungsrecht an nicht verwertbaren Urkunden sei nicht zulässig (vgl. EUGEN BUCHER, Obligationenrecht Besonderer Teil, 3. Aufl., Zürich 1988, S. 231; GEORG GAUTSCHI, Berner Kommentar, N. 18 a und b zu Art. 400 OR; HEINRICH HONSELL, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 3. Aufl., Bern 1995, S. 278; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, 2. Aufl. 1936, N. 16 zu Art. 401 OR; TERCIER, a.a.O., N. 4128; ROLF H. WEBER, Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel 1991, N. 19 zu Art. 400 OR; anders FELLMANN, a.a.O., N 188 f. zu Art. 400 OR; OFTINGER/BÄR, Zürcher Kommentar, 3. Aufl. 1981, N. 7 zu Art. 896, N. 202 zu Art. 895 ZGB). FELLMANN kritisiert diese Auffassung und spricht sich dagegen aus, Art. 896 Abs. 1 ZGB auf das obligatorische Retentionsrecht anzuwenden. Während das dingliche Retentionsrecht auf die Möglichkeit und das Recht der Verwertung des retinierten Gegenstandes hinziele, verschaffe das obligatorische Zurückbehaltungsrecht dem Schuldner lediglich ein Druckmittel, um den Gläubiger seinerseits zur Erbringung der versprochenen Leistung zu zwingen. Als Mittel indirekten Zwangs setze es keine Verwertbarkeit des Zurückbehaltenen voraus (FELLMANN, a.a.O., ebd.).

cc) Im hier zu beurteilenden Fall macht der Beschwerdeführer nicht geltend und es ist im übrigen auch nicht ersichtlich, dass die zurückbehaltenen Akten rein interner Natur gewesen seien, was - wie aufgezeigt - von der Herausgabepflicht nicht erfasst würde (vorne E. c/aa am Ende). Die Frage, ob dem Beschwerdeführer ein obligatorisches Retentionsrecht an den ihm überlassenen und von ihm geschaffenen Prozessakten zustand oder nicht, ist in Bestätigung der Rechtsprechung von BGE 78 II 376 und der insoweit übereinstimmenden Lehrmeinungen zu verneinen. Das obligatorische Retentionsrecht dient gleichermassen wie das dingliche Retentionsrecht als Druck- und Sicherungsmittel, um den Schuldner zurBGE 122 IV 322 S. 330Leistungserbringung zu zwingen (BGE 78 II 376, S. 378; FELLMANN, a.a.O., N. 194 zu Art. 400 OR; SCHRANER, Zürcher Kommentar, N. 8 zu Art. 82 OR; WEBER, a.a.O., N. 9 zu Art. 82 OR). Entgegen der Auffassung von FELLMANN gebietet die beim obligatorischen Retentionsrecht gegenüber dem dinglichen fehlende Möglichkeit der Verwertung des retinierten Gegenstandes wie ein Faustpfand (Art. 898 ZGB) nicht, das Retentionsrecht auch auf nicht verwertbare Gegenstände auszudehnen (FELLMANN, a.a.O., N. 188 f. zu Art. 400 OR). Eine solche Lösung würde der Interessenlage beim Auftrag nicht gerecht. Hat der Beauftragte seine Arbeit auf Kredit gewährt, soll er nur vermögenswerte Gegenstände retinieren dürfen. Dafür spricht unter anderem, dass der Beauftragte nur soviel zurückbehalten darf, als zur Deckung bzw. angemessenen Sicherung seiner Forderung gegenüber dem Auftraggeber erforderlich ist. Massstab bildet der mutmassliche Verwertungserlös. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass der Beauftragte das Retentionsrecht zu Unrecht oder unangemessen ausgeübt hat, weil die bestrittene Forderung nicht im behaupteten Umfang bestand und/oder das Retentionsrecht übermässig beansprucht wurde, so haftet er wegen nicht rechtzeitiger Erfüllung der Ablieferungsobligation für den Schaden gemäss Art. 97 OR (vgl. BGE 46 II 381 E. 3; BGE 78 II 140 E. 4; FELLMANN, a.a.O., N. 207 f. zu Art. 400 OR; GAUTSCHI, a.a.O., N. 18b zu Art. 400 OR; VON THUR/ESCHER, a.a.O., § 64 IV [S. 64]). Eine derartige quantitative Beschränkung des obligatorischen Retentionsrechts macht nur Sinn, wenn dieses sich lediglich auf vermögenswerte Sachen oder Wertpapiere erstreckt. Im übrigen räumt auch FELLMANN ein, dass es unter anderem dem Treuhänder nicht gestattet sei, dem Auftraggeber Akten und Beweismittel vorzuenthalten, wenn dieser dank ihnen seine Ansprüche gegen einen Dritten durchsetzen könnte und eine Situation zeitlicher Dringlichkeit vorliegt (FELLMANN, a.a.O., N. 202 zu Art. 400 OR; vgl. auch WEBER, a.a.O., N. 193 ff. zu Art. 82 OR). Endlich ist darauf hinzuweisen, dass der Beauftragte unter anderem die Möglichkeit hat, retinierte Vermögenswerte auf dem Betreibungsweg verwerten zu lassen. Auch wenn er den Erlös unter Umständen mit anderen Gläubigern teilen muss, rückt das obligatorische Retentionsrecht in solchen Fällen jedenfalls im Ergebnis in die Nähe des dinglichen Retentionsrechts.

Aus diesen Gründen wäre es nicht sachgerecht, im Rahmen eines Auftrags ein obligatorisches Retentionsrecht an nicht verwertbaren Gegenständen zuzulassen. Die Vorinstanz hat deshalb insoweit zu Recht ein Retentionsrecht des Beschwerdeführers an den fraglichenBGE 122 IV 322 S. 331Akten verneint und die Rechtswidrigkeit der Nötigung bejaht. Dass ein Retentionsrecht an Akten vereinbart gewesen sei, macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist im übrigen auch nicht ersichtlich.

d) Der Beschwerdeführer bringt (sinngemäss) vor, die Standesregel des aargauischen Anwaltsverbandes, wonach der Anwalt ohne Einverständnis seines Vorgängers kein Mandat übernehmen dürfe, wenn der früher beauftragte Anwalt nicht bezahlt sei, räume dem Anwalt ein Recht zur Ausübung indirekten Zwanges gegenüber seinem ehemaligen Klienten ein. Um auch dem Treuhänder ein Druckmittel zur Eintreibung offener Honorarforderungen nach Beendigung eines Mandats in die Hand zu geben, sei ihm in Analogie zur Standesregel ein Aktenretentionsrecht einzuräumen.

Der Einwand ist offensichtlich unbehelflich. Die Ausübung des Anwaltsberufes untersteht der staatlichen Bewilligung und Aufsicht (§ 2 des Aargauischen Anwaltsgesetzes, nachfolgend AnwG). Gemäss § 17 Abs. 3 AnwG gibt der Anwalt seinem Auftraggeber auf Verlangen die Akten heraus, ohne Rücksicht darauf, ob seine Honoraransprüche gedeckt sind oder nicht. § 20 der Standesregeln des Aargauischen Anwaltsverbandes bestimmt, dass der Anwalt ohne Einverständnis seines Vorgängers kein Mandat übernimmt, wenn der früher beauftragte Anwalt nicht bezahlt ist (Abs. 1). Ist die Honorarforderung des früher beauftragten Anwaltes streitig, darf der Anwalt das Mandat nur übernehmen, wenn der geforderte Betrag deponiert oder sichergestellt ist. In dringlichen Fällen, wie Wahrung laufender Fristen, darf von dieser Regel abgewichen werden, jedoch nur so lange, als die Dringlichkeit besteht (Abs. 2). Diese Standesregel richtet sich nur an Anwälte, die Mitglied des Aargauischen Anwaltsverbandes sind. Da der Beschwerdeführer als Nicht-Anwalt weder den Bestimmungen des AnwG noch den Standesregeln unterstand, vermag er aus letzteren kein den Anwälten verschlossenes Aktenretentionsrecht für sich abzuleiten. Überdies lag hier aufgrund laufender Fristen ein dringlicher Fall im Sinne von § 20 Abs. 2 der Standesregeln vor, weshalb selbst ein Anwalt die Mandatsübernahme durch einen neuen Anwalt zur Fristenwahrung nicht hätte verhindern können.

LGVE 2005 I Nr. 14

Art. 895 ZGB; Art. 82 OR; § 226 ZPO. Ist das Eigentum an einem Fahrzeug auf den Käufer übergegangen und gelangt der Verkäufer wieder in dessen Besitz, steht ihm für die Kaufpreisrestanz weder ein Retentionsrecht noch ein Anspruch aus Art. 82 OR zu. Ein Retentionsrecht für Reparaturkosten setzt im Befehlsverfahren auf Herausgabe des Fahrzeuges voraus, dass ein Anspruch auf Erstattung dieser Kosten glaubhaft gemacht wird.


6.1. Ob eine Kaufpreisrestanz besteht oder nicht, kann auch vor Obergericht offen bleiben. Aus der vom Beklagten für seinen Standpunkt angerufenen Literaturstelle (Zobl, Berner Komm., N 229 zu Art. 895 ZGB) ergibt sich nämlich, dass ihm in Bezug auf die behauptete Kaufpreisrestanz ursprünglich gar kein Retentionsrecht zustand. Gemäss Zobl ist ein Retentionsrecht an Eigentum ausgeschlossen, somit auch ein Retentionsrecht des Verkäufers als Eigentümer der Kaufsache für die Kaufpreisrestanz. Nach diesem Autor geht die Fragestellung daher nicht dahin, ob ein untergegangenes Retentionsrecht wieder aufleben, sondern, ob ein Retentionsrecht nachträglich auf eine bereits verfallene, aber im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht retentionsberechtigte Forderung ausgedehnt werden könne (a.a.O., N 229 zu Art. 895 ZGB). Zobl beantwortet diese Frage nicht explizit, und führt auch nicht aus, das Bundesgericht hätte Konnexität annehmen müssen. Der Umstand, dass er den fraglichen Sachverhalt systematisch bei jenen Fällen einordnet, in welchen die Konnexität verneint wird (a.a.O., N 227 ff. zu Art. 895 ZGB), lässt darauf schliessen, dass seine Kritik an BGE 115 IV 207 ff. dessen Ergebnis nicht in Frage stellt. Tatsächlich ist nicht einzusehen, wieso ein Verkäufer, dem für seine Kaufpreisforderung kein Retentionsrecht zusteht, ein solches plötzlich erhalten sollte, nur weil er nach der Übergabe der Kaufsache wieder in deren Besitz gelangt. Die Einräumung eines Retentionsrechts würde ihn gegenüber anderen Gläubigern ungerechtfertigt privilegieren (vgl. BGE 115 IV 213 f.; Oftinger/Bär, Zürcher Komm., N 104a a.E. zu Art. 895 ZGB). Inwiefern das Herausgabebegehren gegen Art. 82 OR verstossen soll, ist weder näher dargetan noch ersichtlich. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (Art. 82 OR) und das Retentionsrecht (Art. 895 ZGB) sind verschiedene Rechtsinstitute. Das letztere betrifft die Zurückbehaltung fremder Sachen und verschafft dem Gläubiger ein dingliches Recht sowie die Befugnis zur Verwertung der Sachen, während es sich bei Art. 82 OR um eine obligatorische Einrede für die eigenen Sachen des Zurückbehaltenden handelt, z.B. des Verkäufers, der den Kaufgegenstand so lange nicht übertragen will, bis er den Preis Zug um Zug erhält (Oftinger/Bär, a.a.O., N 23 zu Art. 895 ZGB). Der Beklagte ist aber unbestritten nicht mehr Eigentümer des Rolls-Royce, weshalb er sich auch nicht auf Art. 82 OR berufen kann. Zusammenfassend ist ein Retentionsrecht des Beklagten für die behauptete Kaufpreisrestanz zu verneinen. Der Rekurs erweist sich in diesem Punkt demnach als unbegründet.6.2. Es bleibt somit noch zu prüfen, ob dem Beklagten für Reparaturkosten am Fahrzeug ein Retentionsrecht zusteht, was vom Beklagten, der dies einwendet, glaubhaft zu machen ist.(¿)6.2.2.1.Voraussetzung des behaupteten Retentionsrechts ist der Bestand einer Forderung des Beklagten gegenüber dem Kläger. Da das Retentionsrecht akzessorisch ist, kann es nur zur Sicherung noch bestehender, gültiger Forderungen taugen (Oftinger/Bär, a.a.O., N 74 und 76 zu Art. 895 ZGB; Zobl., a.a.O, N 166 zu Art. 895 ZGB). Davon geht auch der Beklagte aus, wenn er ausführt, dass weder die Garage F. noch das Zylinderschleifwerk S. mit dem Kläger eine vertragliche Vereinbarung abgeschlossen hätten, weshalb diesen gegenüber dem Kläger auch kein Retentionsrecht zustehe. Damit ist aber gleichzeitig auch gesagt, dass der Beklagte selber eine entsprechende vertragliche Vereinbarung mit dem Kläger glaubhaft machen muss, aus der er ein Retentionsrecht am Fahrzeug ableiten kann.6.2.2.2. Streitig ist, wer für den Schaden am Zylinderkopf verantwortlich ist. Dies kann offen bleiben, weil daraus nicht auf die Erteilung des vom Beklagten behaupteten Reparaturauftrages geschlossen werden könnte, zumal im Zeitpunkt der Rücknahme des Fahrzeugs die Verantwortlichkeit noch kein Thema war und diese Frage bis heute noch nicht geklärt ist. Hinzu kommt, dass es sich um kein alltägliches Kaufgeschäft handelte (Art des Kaufgegenstandes, Höhe des Kaufpreises), weshalb auch denkbar ist, dass die Rücknahme des Fahrzeugs und die Reparaturbemühungen aus reiner Kulanz erfolgten. Es ist jedenfalls mit keinen konkreten Anhaltspunkten glaubhaft gemacht, dass die Reparatur auf Kosten des Klägers erfolgen soll, der Kläger sich mithin verpflichtete, für die Reparaturkosten aufzukommen. Der Beklagte hat somit einen auf der Rücknahme des Fahrzeugs basierenden Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten gegenüber dem Kläger nicht glaubhaft gemacht. Demzufolge fehlt es an der Glaubhaftmachung einer Retentionsforderung des Beklagten für Reparaturkosten gegenüber dem Kläger. Das führt zur Abweisung des Rekurses auch in diesem Punkt.

Pfandrechtsähnliche Sicherungsgeschäfte

  • Eigentumsvorbehalt:: ZGB 715 f.; Gesetzgeber hat vorgesehen, dass das Eigentum an einer veräusserten sache nicht mit der Besitzübertragung, sondern erst mit der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises auf den Erwerber übergeht —> Schutz Interessen allfälliger Dritter

    • Begründung: nur in engen Grenzen von ZGB 715 möglich

    • unzlässig:

      • Abrede, wonach durch den Eigentumsvorbehalt eine andere Forderung als die Gegenforderung aus dem Veräusserugnsgeschäft abgesichert werde nsoll

      • nnachträgliche Vereinbarung des Eignetumsvorbehalts nach Übergange der Sache an den Erwerber

      • Abrede, wonach der Schuldner eine in seinem Besitz befindliche Sache an seinen Gläubiger verkauft uns sie unter Errichtung eines Eigentumvorbehalts zu Gusnten dieses Gläubigers unmittelbar wieder zurückkauft

      • abrede eins verlängerten Eigentumsvorbehalts durch der Lieferant und der Erwerber vereinabren, der Vborhealt beziehe sich auf die durch den Verarbeiter neu hergestellte Sache

  • Leasingvertrag

  • irreguläres Pfandrecht: Schuldner überträgt Dritten zur Sicherung einer foderung bestimmte vertretbare Sachen zu Eigentum mit der Absprache, dass der Gläubiger ihm bei Erlöschen der Forderung entsprechende SAchen und in gleicher Menge und Qualität zurückzugeben hat

  • Sicherungsübereignung vlg. ZF

  • Sicherungszession vgl. ZF

  • Sicherungshinterlegung: Schuldner oder Dritter übergibt zwecks Dicherung einer Forderung dem Aufbewahrer einen Gegenstand zur Aufbewahrugn mit der weisung, diesen im Falle der Nchterfüllung der gesicherten Forderung dem Gläubiger heruaszugeben oder in Hinblick auf eine Zwangsverwertung zur Verfügung zu halten


BGE 118 II 150

1. Finanzierungsleasingvertrag. Begriff (E. 4a und b).

2. Leasingverträge über Fahrzeuge müssen bald zum Finanzierungs-, bald zum Konsumgüterleasing gezählt werden. Entscheidend für die je entsprechende Zuweisung ist, ob es sich um Nutzfahrzeuge, die gewerblichen Zwecken dienen, oder um Personenwagen handelt (E. 4a und 5a).

3. Unterstellung eines Finanzierungsleasingvertrages unter das Abzahlungsrecht? Frage offengelassen (E. 5a-c).

4. Ein Finanzierungsleasingvertrag verschafft in der Regel dem Leasingnehmer wirtschaftlich die Stellung eines Eigentümers, belässt jedoch der Leasinggesellschaft das rechtliche Eigentum am Leasingobjekt zur Sicherung ihrer Forderung. Das trifft auf den vorliegenden Fall zu, namentlich wegen fehlender Veräusserungsabsicht auf seiten der Leasinggesellschaft (E. 6c).


2. a) Im angefochtenen Urteil hat der Appellationshof befunden, ein Übergang des Eigentums an den beiden Fahrzeugen würde dann vorliegen, wenn die Verträge als Abzahlungskaufverträge zu qualifizieren wären, i. e. wenn die Parteien unbesehen von der gewählten Rechtsform die gleichen wirtschaftlichen Zwecke verfolgten wie bei einem Abzahlungskauf (Art. 226m Abs. 1 OR). Im vorliegenden Fall seien die zwei Fahrzeuge nicht als Konsum-, sondern als Investitionsgüter zu betrachten. In solchen Fällen sei die Absicht der Parteien gewöhnlich nicht auf einen Übergang des Eigentums gerichtet, sondern es stehe die Nutzung des Gegenstandes im Vordergrund. Es liege schon deshalb kein Abzahlungsgeschäft vor, weil keine Veräusserungsabsicht der Leasinggesellschaft festzustellen sei; die Bestimmungen des Abzahlungskaufs seien auch deswegen nicht anzuwenden, weil ein Unternehmen als LeasingnehmerBGE 118 II 150 S. 152nicht des darin statuierten Sozialschutzes bedürfe. Das Eigentum an den beiden Fahrzeugen sei somit nicht auf die W. AG übergegangen, was zur Folge habe, dass die beiden Fahrzeuge aus der Konkursmasse auszuscheiden seien.

b) Dagegen ist die Berufungsklägerin der Ansicht, die W. AG sei mit der Entgegennahme der Fahrzeuge deren Eigentümerin geworden. Es handle sich bei richtiger Betrachtungsweise um Abzahlungskaufverträge nach Art. 226a bis 226m OR: dies ergebe sich aus der Unkündbarkeit des Vertrages für eine Dauer von vier Jahren und aus der Tatsache, dass die Fahrzeuge bei Ablauf der Vertragsdauer praktisch abbezahlt seien. Die Leasingnehmerin trage wie eine Eigentümerin Kosten und Gefahr der Ablieferung, habe die Fahrzeuge auf Mängel zu prüfen, habe sämtliche Kosten für die Inbetriebnahme und den Unterhalt sowie die Gefahr für den Untergang der Sache während der Vertragsdauer zu tragen. Am Ende der Vertragsdauer überlasse die A. AG die Leasinggegenstände den Leasingnehmern zu 1% der Anschaffungskosten. Sie selber verfüge über keine Absatzorganisation. Daraus müsse geschlossen werden, dass der Wille der Parteien von Anfang an auf einen Kauf der Fahrzeuge gerichtet gewesen sei und nicht auf eine blosse Nutzung.

c) Die Berufungsbeklagte begründet ihrerseits ihren Aussonderungsanspruch damit, dass sie nach wie vor Eigentümerin der beiden Fahrzeuge sei. Nach dem Willen der Parteien seien diese Fahrzeuge der Berufungsklägerin im Rahmen zweier Finanzierungsleasingverträge nicht zu Eigentum übertragen worden. Dies ergebe sich übrigens aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen.

4. a) Unter Finanzierungsleasing (französisch: crédit-bail) versteht die Lehre (siehe dazu MARIO GIOVANOLI, SJK Nr. 363, S. 3-4; MARIO GIOVANOLI, Le contrat de leasing et le droit suisse, in: JdT 1981 I, S. 39-44; MARCUS STÖCKLIN, Der Leasingvertrag als Mittel der Umgehung zwingenden Rechts, Diss. Basel 1985, S. 4; PAUL LÜSSI, Das Leasing-Geschäft, Diss. Zürich 1966, S. 7; HANS GIGER, Der Leasingvertrag. Systematische Darstellung unter besonderer Berücksichtigung des Finanzierungsleasing, Bern 1977, S. 21) ein Finanzierungsgeschäft, das vor allem auf bewegliche Investitionsgüter zur Anwendung kommt (zur Funktion des Finanzierungsleasings vgl. HANS HANISCH, Finanzierungs-Leasing und Konkurs (insbesondere des Leasingnehmers), in: Probleme der Kreditsicherung, Berner Tage für die juristische Praxis 1981, Bern 1982, S. 180). Unter Investitionsgütern versteht man regelmässig solche Güter, welche im und für den Geschäftsgebrauch eines Unternehmens eingesetzt werdenBGE 118 II 150 S. 153und die ausschliesslich gewerblichen Zwecken dienen (zum gewerblichen Charakter eines Gegenstandes siehe BGE 103 II 118 : entscheidend ist, ob mit ihm Geld verdient werden kann und soll; THOMAS RINDERKNECHT, Leasing von Mobilien, Diss. Zürich 1984, S. 13 Ziff. 2 und S. 15; GIGER, a.a.O., S. 39). Das Auto-Leasing muss bald zum Investitions-, bald zum Konsumgüter-Leasing gezählt werden, je nachdem es sich um Nutzfahrzeuge (Liefer- und Lastwagen) oder um Personenwagen handelt (vgl. AUGUST SCHUBIGER, Der Leasing-Vertrag nach Schweizerischem Privatrecht, Diss. Freiburg 1970, S. 16; derselben Meinung GIOVANOLI, JdT 1981 I, S. 46 Fussnote 39 in fine). Ein Konsumgut ist somit nicht Gegenstand eines Investitionsleasingvertrages.

Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz - für das Bundesgericht verbindlich - festgestellt, dass die beiden Fahrzeuge im Betrieb der W. AG als Lieferwagen dienen sollten. Sie hat sie somit zu Recht als Investitionsgüter betrachtet.

b) Der Finanzierungsleasingvertrag lässt sich keinem herkömmlichen Vertragstypus des schweizerischen Rechts zuordnen. Es handelt sich um einen Innominatvertrag (vgl. MARTIN WIDMER, Les normes impératives applicables au contrat de leasing, in: SJZ 74 (1978), S. 106; GIOVANOLI, JdT 1981 I, S. 47 Nr. 13; GIOVANOLI, La jurisprudence suisse en matière de leasing, in: Le leasing industriel, commercial et immobilier, Travaux de la Journée d'étude de la Faculté de droit de l'Université de Lausanne du 8 mars 1985, Publication CEDIDAC Nr. 2, S. 41), der meistens unter Beifügung von allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossen wird (vgl. Giovanoli, SJK Nr. 363, S. 12 N 4.2). Hauptmerkmal des Finanzierungsleasings ist das Vorliegen einer Drittbeteiligung (vgl. Urteil des Handelsgerichts Zürich, ZR 76 (1977), Nr. 50 E. 4.1): die Leasinggesellschaft (Leasinggeber, crédit-bailleur) erwirbt auf eigene Kosten gemäss den Anweisungen ihres Kunden (Leasingnehmer) das zu finanzierende Objekt beim Lieferanten. Dieser ist am Leasingvertrag nicht direkt als Vertragspartei beteiligt. Der Leasinggeber überlässt den Gegenstand dem Leasingnehmer während einer unkündbaren längeren Vertragsdauer (meistens von drei bis fünf Jahren, vgl. GIOVANOLI, JdT 1981 I, S. 39 Ziff. 1), die annähernd der voraussichtlichen wirtschaftlichen Lebensdauer des Gegenstandes entspricht. Der Leasingnehmer übernimmt seinerseits sämtliche mit dem Gegenstand verbundenen Risiken und Lasten und entrichtet dem Leasinggeber (meistens monatliche) Raten, deren Gesamtbetrag den vom Leasinggeber ausgelegten Wert inkl. Zinsen, Nebenkosten undBGE 118 II 150 S. 154Gewinnmarge deckt. Am Ende der unkündbaren Vertragsdauer kann der Leasingnehmer zwischen mehreren Lösungen wählen (Rückgabe des Gegenstandes; Verlängerung des Vertrages; Abschliessen eines neuen Vertrages, u.U. Kauf des Gegenstandes zu einem noch zu vereinbarenden Preis).

5. Die Berufungsklägerin verweigert die Aussonderung der zwei Fahrzeuge bzw. von deren Kauferlös unter Berufung auf Art. 226m Abs. 1 OR.

a) Gemäss Art. 226m Abs. 1 OR gelten die Bestimmungen über den Kauf auf Abzahlung für alle Rechtsgeschäfte und Verbindungen von solchen, insbesondere für Miet-Kauf-Verträge, soweit die Parteien damit die gleichen wirtschaftlichen Zwecke wie bei einem Kauf auf Abzahlung verfolgen, gleichgültig, welcher Rechtsform sie sich dabei bedienen. Welches die dem Abzahlungskauf eigenen wirtschaftlichen Zwecke sind, sagt das Gesetz nicht. Aus der Botschaft zum Gesetz über den Abzahlungsvertrag (BBl 112 (1960) I, S. 568) ergibt sich, dass "überall, wo eine bewegliche Sache nach der Zwecksetzung der Parteien dem Käufer zu ungestörtem und dauerndem Gebrauch bis zur völligen Entwertung überlassen wird und das Entgelt dabei in Teizahlungen zu entrichten ist, ein Abzahlungsvertrag angenommen werden muss". Indem die Berufungsklägerin behauptet, die Gerichte hätten bis jetzt regelmässig die Anwendbarkeit der Vorschriften über das Abzahlungsrecht bei Leasingverträgen bejaht, übersieht sie, dass sowohl die Lehre wie die Rechtsprechung zwischen dem Konsum- und Finanzierungsleasing wichtige Unterschiede sehen (vgl. GIOVANOLI, JdT 1981 I, S. 49 und Fussnote 39; STÖCKLIN, a.a.O., S. 158). Die Berufungsklägerin bezieht sich auf Fälle, die wohl Fahrzeuge betreffen, die aber, anders als hier, ausschliesslich als Konsumgüter zu betrachten waren und somit keine Finanzierungsleasingverträge zum Gegenstand hatten.

In BGE 113 II 168 ff. zum Beispiel unterstellte das Bundesgericht den Mietvertrag über einen Personenwagen dem Abzahlungsrecht, was die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge hatte. In BGE 110 II 244 ff. handelte es sich um einen Leasingvertrag eines Privaten über einen Personenwagen, wobei die Anwendbarkeit des Abzahlungsrechts offen gelassen wurde. In einem nicht veröffentlichten strafrechtlichen Urteil vom 31. August 1987 in Sachen P. gegen Ministère public du canton de X (Leasing eines Rolls-Royce Corniche; Leasingnehmerin war eine Aktiengesellschaft) hat das Bundesgericht angesichts der unkündbaren Vertragsdauer von fünf Jahren undBGE 118 II 150 S. 155des Betrages der Leasingraten die Anwendbarkeit des Abzahlungsrechts grundsätzlich bejaht (E. 2b).

b) Die Lehre und kantonale Rechtsprechung haben die Unterstellung des Finanzierungsleasingvertrages unter das Abzahlungsrecht bis jetzt eher verneint (vgl. SCHLUEP, Innominatverträge, Schweizerisches Privatrecht II/2, S. 827; GUHL/MERZ/KOLLER, Das Schweizerische Obligationenrecht, 8. A., Zürich 1991, S. 333; GIGER, a.a.O., S. 37 ff.; contra offenbar STOFER, Kommentar zum schweizerischen Bundesgesetz über den Abzahlungs- und Vorauszahlungsvertrag, 2. A., Basel 1972, S. 155; GIOVANOLI, JdT 1981 I, S. 57) oder offengelassen (Handelsgericht Zürich, Urteil vom 1. Juni 1977, ZR 76 (1977), Nr. 50 E. 9.2).

c) Ob im vorliegenden Fall die Vorschriften über den Abzahlungskauf Anwendung finden, kann indessen dahingestellt bleiben. Denn selbst die Anwendung dieser Bestimmungen hätte weder die Nichtigkeit der Verträge noch das Eigentum der Konkursmasse an den beiden Fahrzeugen - jedenfalls nicht ipso facto - zur Folge. Zum einen ist - entgegen der Ansicht der Vorinstanz, die verkennt, dass ein Vertrag dieselben wirtschaftlichen Zwecke wie ein Abzahlungskauf verfolgen kann, ohne dabei dieselben rechtlichen Folgen, insbesondere den Eigentumsübergang zu bewirken - für die Anwendung der Bestimmungen über den Abzahlungsvertrag das Vorhandensein einer Veräusserungsabsicht nicht erforderlich (vgl. nicht veröffentlichtes Urteil vom 13. Februar 1984 in Sachen S. g. Staatsanwaltschaft des Kantons X, E. 2d; GIOVANOLI, JdT 1981 I, S. 48; GIGER, a.a.O., S. 35). Zum anderen schränkt Art. 226m Abs. 4 OR die Anwendbarkeit des Abzahlungsrechtes in gewissen Fällen ein: ist der Käufer im Handelsregister als Firma oder als Zeichnungsberechtigter einer Einzelfirma oder einer Handelsgesellschaft eingetragen oder bezieht sich der Kauf auf Gegenstände, die nach ihrer Beschaffenheit vorwiegend für einen Gewerbebetrieb oder vorwiegend für berufliche Zwecke bestimmt sind, oder betragen der Gesamtkaufpreis höchstens 200 Franken und die Vertragsdauer höchstens sechs Monate oder ist der Gesamtkaufpreis in weniger als vier Teilzahlungen, die Anzahlung inbegriffen, zu begleichen, so finden nur die Artikel 226h Abs. 2, 226i Abs. 1 und 226k Anwendung. Im vorliegenden Fall ist die Leasingnehmerin eine im Handelsregister eingetragene Aktiengesellschaft; sodann waren die zwei Fahrzeuge, wie oben bemerkt, für berufliche, und nicht private, Zwecke bestimmt. Es ist somit nicht einzusehen, was die Berufungsklägerin mit Bezug auf das Eigentum an den zwei Fahrzeugen aus den obenBGE 118 II 150 S. 156erwähnten, ausschliesslich den Verzug des Käufers betreffenden Schutznormen über den Abzahlungsvertrag zu ihren Gunsten ableiten will.

6. a) In der Lehre werden bezüglich der Qualifikation des Finanzierungsleasings verschiedene Auffassungen vertreten.

Während GIGER (a.a.O., S. 53), GUHL/MERZ/KUMMER (Das schweizerische Obligationenrecht, 7. Aufl., 1980, S. 293-295 und 322), RINDERKNECHT (a.a.O., S. 89-90), SCHLUEP (a.a.O., S. 826) und SCHUBIGER (a.a.O., S. 131) das Finanzierungsleasing im wesentlichen als Gebrauchsüberlassungsvertrag eigener Art verstehen, sind HAUSHEER (Finanzierungs-Leasing beweglicher Investitionsgüter, in: ZbJV 106 (1970), S. 224 und 227-230), STAUDER (Le contrat de "finance-équipement-leasing". Dixième journée juridique, MPFDG Nr. 10, Genf 1970, S. 30-36) und STOFER (a.a.O., S. 156 lit. a) der Ansicht, es handle sich um einen Veräusserungsvertrag eigener Art auf Abzahlung, der den Vorschriften über den Abzahlungskauf sowie jenen über den Eigentumsvorbehalt untersteht.

b) In der kantonalen Rechtsprechung wurden in den letzten Jahren mehrere Entscheide gefällt, die sich der ersten Meinung anschliessen. Das Handelsgericht sowie das Obergericht Zürich sind in zwei Urteilen vom 1. Juni 1977 (ZR 76 (1977), Nr. 50 E. 4.2 in fine) bzw. 13. November 1981 (ZR 82 (1983), Nr. 19 E. III 2c) zum Schluss gekommen, der Finanzierungsleasingvertrag sei als Gebrauchsüberlassungsvertrag sui generis zu qualifizieren, was zur Folge hatte, dass das rechtliche Eigentum am Leasingobjekt regelmässig der Leasinggesellschaft zukam. Diese Ansicht wurde auch in anderen kantonalen Entscheiden vertreten. Diese Lösung wird in der Lehre nicht kritisiert (vgl. GIOVANOLI, Publication CEDIDAC Nr. 2, S. 40 Fussnote 24 und S. 41).

c) Im angefochtenen Urteil hat die Vorinstanz die konkreten Verhältnisse der Vertragsparteien untersucht. Mit Recht hat sie die Meinung vertreten, entscheidend sei, ob gemäss den von den Parteien geschlossenen Verträgen das Eigentum an den beiden Fahrzeugen auf die W. AG übergehen sollte oder nicht. Sie hat dies auf Grund der Besonderheit des Finanzierungsleasings, das dem Leasingnehmer wirtschaftlich die Stellung eines Eigentümers des Leasingobjektes einräumt, jedoch der Leasinggesellschaft das rechtliche Eigentum am Leasingobjekt zur Sicherung ihrer Forderung belässt, aber vor allem auf Grund der fehlenden Veräusserungsabsicht auf seiten der Leasinggesellschaft im konkreten Fall verneint. Im oben erwähnten, nicht publizierten bundesgerichtlichen EntscheidBGE 118 II 150 S. 157vom 31. August 1987 (trotz der grundsätzlichen Anwendbarkeit der Bestimmungen über den Abzahlungskauf auf den Leasingvertrag über ein Konsumgut) wie auch in jenem vom 13. Februar 1984 (E. 2d in fine) hat das Bundesgericht befunden, die Feststellung der kantonalen Instanz, wonach die Parteien beim Vertragsabschluss keine Veräusserungsabsicht hatten, sei für das Bundesgericht bindend. Dasselbe gilt im vorliegenden Fall. Aus diesem sowie aus den oben erwähnten rechtlichen Überlegungen bleibt es somit dabei, dass das Eigentum nicht auf die W. AG übergegangen ist, und dass die beiden Fahrzeuge, bzw. deren Verkaufserlös, aus der Konkursmasse auszuscheiden sind. Die Berufung muss somit als unbegründet abgewiesen werden.

BGE 115 II 349

Anfechtung eines Kollokationsplans. Umfang der Sicherung für verfallene Zinsen beim Schuldbrief (Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB). Einreden des Schuldners (Art. 872 ZGB).

1. Es ist zulässig, Schuldbriefe sicherheitshalber zu Eigentum zu übertragen und zu vereinbaren, dass diese bis zum Betrag des Schuldbriefkapitals sowie des laufenden und dreier verfallener Jahreszinsen beliebige Forderungen sicherstellen sollen. Sofern eine Schuld in der entsprechenden Höhe besteht, dienen die Schuldbriefe diesfalls der Sicherung dieses gesamten Betrages, selbst wenn die verfallenen Zinsen aus dieser Schuld bezahlt sind (E. 3 und 4a-c).

2. Der Bundesbeschluss vom 6. Oktober 1989 über eine Pfandbelastungsgrenze für nichtlandwirtschaftliche Grundstücke hat keinen Einfluss auf die Gültigkeit einer Sicherungsvereinbarung, welche vor seinem Inkrafttreten geschlossen wurde (E. 4d).


2. Es ist unbestritten, dass aufgrund der Vereinbarung zwischen der Klägerin und M. Karpf vom 29. November 1984 das Eigentum an den dort aufgeführten vier Inhaberschuldbriefen im Gesamtbetrag von 1,6 Millionen Franken sicherungshalber auf dieBGE 115 II 349 S. 353Klägerin übergegangen und dass diese damit Gläubigerin der Schuldbriefforderungen geworden ist. Die Sicherungsübereignung der vier Schuldbriefe sollte nach der erwähnten Vereinbarung der Sicherung von Forderungen irgendwelcher Art gegenüber M. Karpf aus bereits abgeschlossenen oder im Rahmen der Geschäftsbeziehungen künftig abzuschliessenden Verträgen dienen. Die Klägerin machte im Konkurs über den Nachlass ihres Schuldners die ihr aus der Sicherungsübereignung der Schuldbriefe zustehenden Rechte hinsichtlich der beiden, M. Karpf gewährten Darlehen von Fr. 1'200'000.-- und Fr. 800'000.-- geltend, die in der Kreditbestätigung der Klägerin an M. Karpf vom 10. Dezember 1984 als I. und II. Hypothek auf der Liegenschaft Rossacher 8 in Zumikon bezeichnet wurden. Unbestritten ist ebenfalls, dass die Forderung, die der Klägerin aus der Gewährung dieser beiden Darlehen zusteht, gesamthaft höher ist als jene, die sie aufgrund der ihr sicherungshalber übereigneten vier Schuldbriefe angemeldet hat. Es geht im vorliegenden Fall somit nicht darum, dass die Klägerin aus dem Sicherungsverhältnis rein betragsmässig mehr fordern wollte, als ihr aus dem Grundverhältnis, d.h. der Darlehensgewährung, zusteht. Umstritten ist hingegen, ob die Klägerin ausser den Schuldbriefforderungen im Gesamtbetrag von 1,6 Millionen Franken auch die von M. Karpf in der Sicherungsvereinbarung zusätzlich anerkannten drei verfallenen Jahreszinsen und den laufenden Zins von je 7% pro Jahr auf dem Schuldbriefkapital geltend machen kann, obwohl der im Grundverhältnis noch offene Darlehenszins erheblich geringer ist; M. Karpf hatte die Darlehenszinsen bis auf den letzten Halbjahreszins und den laufenden Zins bezahlt. Es fragt sich mit andern Worten, ob der sich aus den sicherungshalber übertragenen Schuldbriefen ergebende Zins auch zur Deckung einer Kapitalforderung aus dem Grundverhältnis beansprucht werden kann. Die Beklagte ist im Unterschied zur Klägerin und zu den kantonalen Instanzen der Auffassung, dass die Geltendmachung der sicherungshalber anerkannten Zinsen aus den Schuldbriefen gegen obligationenrechtliche und sachenrechtliche Regeln verstosse, soweit die Schuldbriefzinsen die effektiven Zinsschulden aus dem Grundverhältnis überstiegen.

3. Es trifft zu, dass die auf den Schuldbriefforderungen geschuldeten Zinsen, wie in der Berufung ausgeführt wird, nicht in den Titeln selber verbrieft sind. In den Schuldbriefen sind nur die Zinspflicht als solche entsprechend "den mit dem GläubigerBGE 115 II 349 S. 354vereinbarten Bestimmungen" und der Maximalzinsfuss, der 8% beträgt, geregelt. Zinscoupons fehlen. Damit sind die Schuldbriefzinsen im Unterschied zum Schuldbriefkapital nicht wertpapierrechtlich verurkundet. Sie beruhen vielmehr auf einer separaten Parteiabrede, nämlich der Sicherungsvereinbarung vom 29. November 1984 zwischen der Klägerin und M. Karpf, wo dieser eine Zinsschuld im Umfang von drei verfallenen Jahreszinsen und dem laufenden Zins zu je 7% anerkannt hat. In der Berufung wird daraus abgeleitet, die Forderung auf Schuldbriefzinsen sei anders als die in den Titeln verbriefte Kapitalforderung nicht materiell abstrakt, sondern von einem Grundverhältnis abhängig. Die Zinsen dürften deshalb nicht gleich behandelt werden wie diese Kapitalforderung.

In der Berufungsantwort wird mit Recht darauf hingewiesen, dass auch die Schuldbriefforderungen als solche nicht in dem Sinne abstrakter Natur sind, dass sie von einem sie begründenden Schuldverhältnis völlig unabhängig wären. Die Beklagte geht in Übereinstimmung mit der Vorinstanz selber zutreffend davon aus, die Klägerin sei bezüglich der von ihr sicherungshalber erworbenen Titel als erste Nehmerin zu betrachten, weshalb die dem Schuldner persönlich gegenüber der Gläubigerin zustehenden Einreden gemäss Art. 872 ZGB im Kollokationsverfahren erhoben werden könnten. Auch im Zusammenhang mit den Schuldbriefforderungen kann daher unbestrittenermassen auf die Sicherungsvereinbarung zwischen der Klägerin und M. Karpf zurückgegriffen und es können alle Einreden aus diesem Grundverhältnis erhoben werden. Ein Unterschied zu den Schuldbriefzinsen besteht nur insofern, als sich die Schuldpflicht für das Schuldbriefkapital direkt aus den Schuldbriefen ergibt, währenddem die Schuldbriefzinsen zur Hauptsache auf der Sicherungsvereinbarung zwischen der Klägerin und M. Karpf beruhen, wo der Zinssatz auf 7% festgelegt und die Verzinsung in zeitlicher Hinsicht näher umschrieben wird.

In der Berufung wird nun die Auffassung vertreten, dass M. Karpf sich in der Sicherungsvereinbarung nicht etwa zur Verzinsung der Schuldbriefforderungen verpflichtet, sondern lediglich eine persönliche Schuldpflicht im Umfange dreier verfallener Jahreszinsen und des laufenden Zinses, berechnet zu 7% auf einem Kapital von 1,6 Millionen Franken, als Kapitalschuld anerkannt habe. Hiefür spreche neben dem Wortlaut der Vereinbarung der Umstand, dass im Zeitpunkt des Abschlusses der Sicherungsvereinbarung keine Zinsen aus den auf die Klägerin übertragenenBGE 115 II 349 S. 355Schuldbriefen offen gewesen seien (was von der Klägerin allerdings bestritten wird); einer der Schuldbriefe sei im übrigen damals erst etwas mehr als ein Jahr alt gewesen, weshalb noch gar nicht drei Jahreszinsen hätten verfallen sein können. In der von M. Karpf hinsichtlich der Schuldbriefzinsen anerkannten Schuld sei somit ein Schuldbekenntnis ohne Angabe des Verpflichtungsgrundes im Sinne von Art. 17 OR zu erblicken; die Worte "Jahreszinsen" bzw. "laufender Zins" hätten nicht die Bedeutung der Angabe des Verpflichtungsgrundes, sondern sie dienten vielmehr nur der umfangmässigen Festlegung des Schuldbetrages.

Es bereitet in der Tat Mühe, in der Anerkennung der Schuldbriefzinsen durch M. Karpf eine eigentliche Verpflichtung zur Bezahlung von Zinsen zu erblicken. Unter Zins wird gemeinhin die Vergütung verstanden, "welche ein Gläubiger zu fordern hat für die Entbehrung einer ihm geschuldeten Geldsumme, sofern diese Vergütung sich nach der Höhe der geschuldeten Summe und der Dauer der Schuld bestimmt" (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweiz. OR, Zürich 1974, S. 68; BGE 52 II 233 E. 3). Eine Zinsschuld liegt somit nur vor, wenn nicht nur eine Geldschuld vorhanden ist, sondern auch die Zeitdauer feststeht, während welcher der Gläubiger das Kapital entbehrt und entsprechend der sich die Vergütung berechnet. Nach dem Wortlaut der Sicherungsvereinbarung kann die Klägerin drei verfallene Jahreszinsen auf den Schuldbriefforderungen und den laufenden Zins auch für Forderungen geltend machen, die ihren Grund nicht in der Vorenthaltung von Kapital haben und die nicht in der entsprechenden Zeitspanne entstanden sind. Im Sinne des Sicherungszwecks der betreffenden Vereinbarung geht es vielmehr darum, den in den Schuldbriefen verurkundeten Kapitalbetrag, der anstelle irgendwelcher Forderungen gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden kann, um den Betrag dreier verfallener Jahreszinsen zu 7% sowie des laufenden Zinses zu erhöhen. Die Bezeichnung "Zins" dient damit im Grunde genommen, wie die Beklagte zutreffend geltend macht, nur der umfangmässigen Bestimmung des zum Zwecke der Sicherung insgesamt einsetzbaren Kapitalbetrages.

Daraus ergibt sich jedoch nicht zwingend die in der Berufung aus der Verneinung des Zinscharakters gezogene Konsequenz, nämlich dass die in der Sicherungsvereinbarung anerkannte Schuld hinsichtlich der Schuldbriefzinsen nur in dem Umfange Bestand haben könne, als im Grundverhältnis tatsächlich eine Zinsschuld bestehe. Nach Art. 18 Abs. 1 OR ist bei der Beurteilung eines VertragesBGE 115 II 349 S. 356vielmehr der übereinstimmende wirkliche Wille zu beachten und nicht die unrichtige Bezeichnung oder Ausdrucksweise. Die unzutreffende Verwendung der Bezeichnung "Zins" in der Sicherungsvereinbarung schadet der Klägerin daher nicht, sofern der Wille der Parteien nicht darauf gerichtet war, eine eigentliche Zinsabrede zu treffen, sondern nur den Umfang des als Sicherheit dienenden Gesamtbetrages festzulegen. Davon kann aufgrund des Sicherungszweckes, der mit der betreffenden Vereinbarung verfolgt wurde, ausgegangen werden. Die zur Sicherung der Forderungen aus dem Grundverhältnis dienenden Schuldbriefforderungen sollten offensichtlich um die im Rahmen von Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB pfandberechtigten Zinsforderungen erhöht werden. Es besteht kein Grund zur Annahme, dass M. Karpf diese Ausdehnung des Umfanges der Sicherung durch die an die Klägerin übergebenen Schuldbriefe nicht hätte erkennen können.

Eine andere Frage ist hingegen, ob eine solche Ausdehnung des Sicherungsumfanges auch mit den Bestimmungen des Sachenrechts vereinbar ist und zu einer entsprechenden Erweiterung des Umfanges der Pfandsicherung führen kann.

4. In der Berufung wird geltend gemacht, die in Art. 818 Abs. 1 ZGB vorgesehene Ausdehnung der Pfandsicherung über die Kapitalforderung hinaus habe insofern zwingenden Charakter, als sie nicht durch Parteivereinbarung auf andere Sachverhalte erstreckt werden könne. Eine solche über das Gesetz hinausgehende Erweiterung der Pfandsicherung lasse sich aber nur vermeiden, wenn das gesetzliche Pfandrecht einzig für solche Forderungen vorbehalten bleibe, die den in Art. 818 Abs. 1 ZGB erwähnten Anspruchstypen von ihrer Entstehung her entsprächen. Das in Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB vorgesehene Zinsenpfandrecht könne daher nur für tatsächlich als Zinsen entstandene Forderungen in Anspruch genommen werden. Bloss sicherungshalber begründete Forderungen wie die hier in Betracht fallenden Schuldbriefforderungen seien nicht zinstragend, da ihnen keine vom Schuldner abzugeltende Kapitalüberlassung zugrunde liege. Zinstragend seien allein die aufgrund der Sicherungsvereinbarung gesicherten Forderungen - hier also die als Hypotheken bezeichneten Darlehen -, für die M. Karpf aber die Zinsen bis auf den letzten Halbjahreszins und den laufenden Zins bezahlt habe. Nur im Umfang der aus dem Grundverhältnis noch offenen Zinsschuld könne daher das gesetzliche Pfandprivileg des Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB in Anspruch genommen werden.BGE 115 II 349 S. 357

Es ist der Beklagten zuzugestehen, dass es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Schuldbriefzinsen aus den bereits dargelegten Gründen materiell nicht um echte Zinsforderungen handelt, sondern dass diese lediglich in abstrakter Weise wie Zinsen berechnet werden. Echte Zinsen können nur im Grundverhältnis zwischen den Beteiligten entstehen. Es fragt sich, ob dieser Umstand dazu führen muss, dass solche "Zinsen" der Pfandsicherung gemäss Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB nicht teilhaftig werden können.

a) Die Vorinstanz und die Klägerin haben mit Recht darauf hingewiesen, dass das Bundesgericht bei der Verpfändung von Eigentümergrundpfandtiteln eine Erstreckung der Pfandsicherung auf Zinsen, denen keine echte Zinsschuld zugrunde lag, stets zugelassen hat. Es ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf BGE 44 II 252 ff. zu verweisen, wo diese Praxis näher begründet wurde. In BGE 51 II 152 ff. ist der zitierte Entscheid nicht nur vollumfänglich bestätigt, sondern es ist darin ausdrücklich als zulässig bezeichnet worden, dass Schuldbriefzinsen nicht nur zur Sicherung einer Darlehenszinsforderung, sondern auch zur Befriedigung für eine Kapitalforderung aus Darlehen dienen können (a.a.O., S. 154). Auf diese alte Rechtsprechung ist auch in neueren Entscheiden ohne Vorbehalt immer wieder verwiesen worden (BGE 104 III 35 f., BGE 102 III 93 E. 3a). Entgegen den Ausführungen in der Berufung kann die Vergleichbarkeit dieser Tatbestände mit dem hier zu beurteilenden Fall nicht verneint werden. In beiden Fällen geht es um die Frage, ob bei der Behandlung von Schuldbriefzinsen in der Zwangsvollstreckung etwas darauf ankommen kann, dass den geltend gemachten Zinsen keine echten Zinsforderungen zugrunde liegen. Die Unterschiede zwischen der Faustpfandverwertung von Schuldbriefen und der Grundpfandverwertung rechtfertigen eine unterschiedliche Beurteilung dieser Frage entgegen der Auffassung der Beklagten nicht.

In der Berufung wird an der zitierten Rechtsprechung betreffend die Behandlung der Zinsen bei der Verpfändung von Eigentümerschuldbriefen beanstandet, sie habe nur den Gesichtspunkt des Schutzes der nachfolgenden Grundpfandgläubiger berücksichtigt. Weder das Bundesgericht noch einer der ihm seither kritiklos folgenden Autoren habe sich aber je die Frage gestellt, ob diese Praxis auch mit dem Prinzip der öffentlichen Beurkundung von Pfandbestellungsverträgen und dem Eintragungsprinzip vereinbar sei. Ein öffentlich beurkundeter Pfandvertrag gemäss Art. 799BGE 115 II 349 S. 358Abs. 2 ZGB ist indessen für die Errichtung eines Schuldbriefes nicht immer erforderlich. Der Grundeigentümer kann einen Eigentümer- oder Inhaberschuldbrief durch einfache schriftliche Anmeldung beim Grundbuchamt zur Entstehung bringen (Art. 20 Grundbuchverordnung; BGE 71 II 265 E. 2). Im übrigen ist nicht einzusehen, weshalb die hier zu beurteilende Frage massgebend vom Prinzip der öffentlichen Beurkundung und vom Eintragungsprinzip beherrscht werden soll. Die in Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB geregelte Pfandsicherung für Zinsen stellt, wovon auch die Beklagte ausgeht, ein gesetzliches Pfandrecht dar. Entscheidend ist nun, wie dieses Zinsenpfandrecht zu verstehen und auszulegen ist. Wenn es sich mit dem Sinn des Gesetzes vereinbaren lässt, dass auch Schuldbriefzinsen darunter fallen, denen materiell keine Zinsforderung im üblichen Sinne zugrunde liegt, kann einer solchen Auffassung das Beurkundungs- und Eintragungsprinzip nicht entgegengehalten werden.

b) In der Berufung wird ferner vorgebracht, die Auffassung der Vorinstanz lasse sich mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 818 Abs. 2 ZGB nicht in Einklang bringen. In BGE 101 III 75 habe das Bundesgericht eine auf einer gültigen Vereinbarung zwischen Gläubiger und Schuldner beruhende echte Zinsforderung von 5,5% nicht in vollem Umfang zur Grundpfanddeckung zugelassen, obwohl der dergestalt berechnete Zinsbetrag absolut kleiner gewesen sei als das maximal zulässige Zinsenpfandrecht von 5% berechnet für drei verfallene Jahreszinsen und den laufenden Zins. Damit habe das Bundesgericht dem Art. 818 ZGB eine über den blossen Schutz der nachfolgenden Grundpfandgläubiger hinausgehende Tragweite zugemessen; es habe die Zinsberechnung zu einem höheren Zinssatz als dem eingetragenen Maximalzinsfuss deshalb nicht zugelassen, weil es an der Pfandsicherung fehle.

Eine derart weitreichende Bedeutung kann indessen dem von der Beklagten angeführten Bundesgerichtsentscheid nicht beigemessen werden. Aus dessen - übrigens äusserst knappen - Begründung geht nicht hervor, dass die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer bei ihrem Urteil einem andern Gesichtspunkt als jenem des Schutzes nachgehender Grundpfandgläubiger Rechnung tragen wollte. Nur diesem Schutz dient denn auch, wie sich aus dem Gesetzeswortlaut klar ergibt, die Regelung in Art. 818 Abs. 2 ZGB. In BGE 101 III 75 wurde von zwei theoretisch an sich denkbaren Berechnungsarten der pfandgesicherten drei verfallenen Jahreszinsen jener der Vorzug gegeben, die für die nachstehendenBGE 115 II 349 S. 359Grundpfandgläubiger günstiger war. Aus der Begründung ergibt sich, dass das Bundesgericht den im Gesetz vorgesehenen Zinssatz von 5% als eine Schranke betrachtete, die ohne Zustimmung der nachfolgenden Grundpfandgläubiger keinesfalls überschritten werden darf, sofern nicht von Anfang an ein höherer Zins vereinbart worden ist. Eine darüber hinausgehende Folgerung kann aus diesem Entscheid nicht abgeleitet werden.

c) Schliesslich macht die Beklagte noch geltend, dass die Auffassung der Vorinstanz darauf hinausliefe, eine beim Schuldbrief nicht mögliche Maximalhypothek einzuführen, welche für einen wesentlichen Teil des grundpfandgesicherten Betrages weder der öffentlichen Beurkundung noch der Eintragung im Grundbuch bedürfte; durch einfache Abrede könnte nämlich die Pfandhaft des Grundstücks um maximal den vierfachen Betrag des Jahreszinses, berechnet zum Maximalzinsfuss, erweitert werden, und zwar unabhängig von dem für die Kapitalüberlassung effektiv vereinbarten Darlehenszins.

Unter einer Maximalhypothek wird ein Pfandrecht verstanden, bei dem im Sinne von Art. 794 Abs. 2 ZGB ein Höchstbetrag angegeben wird, bis zu dem das Grundstück für alle Ansprüche des Gläubigers haftet; eine Erstreckung der Pfandhaft auf Zinsen im Sinne von Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB ist damit ausgeschlossen (BGE 75 I 339 f.). Wenn es bei der Sicherungsübereignung von Schuldbriefen zulässig ist, im Rahmen von Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB Schuldbriefzinsen geltend zu machen, denen keine echte Zinsforderung zugrunde liegt, nähert sich das Schuldbriefpfandrecht in der Tat der Rechtsfigur der Maximalhypothek in dem Sinne an, dass die Schuldbriefzinsen im Grunde genommen der Erhöhung des pfandversicherten Kapitalbetrages dienen. Es liegt nahe, in einem solchen Fall von einer Maximalhypothek im Kleide einer Kapitalhypothek zu sprechen. Ein Nachteil für die andern Grundpfandgläubiger ergibt sich jedoch daraus nicht, da diese ohnehin davon ausgehen müssen, dass Art. 818 Abs. 1 ZGB in solchen Fällen zur Anwendung gelangt. Dass es sich bei den Schuldbriefzinsen nicht um Zinsen im üblichen Sinne handelt, betrifft allein das Verhältnis zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger, nicht aber die übrigen Gläubiger. Der Schuldner hat diese Form der Zinsberechnung, die einer Erhöhung des Schuldbriefkapitals gleichkommt, in der Sicherungsvereinbarung jedoch selber akzeptiert. Ob im übrigen der Grundsatz der Beurkundungspflicht und der Grundbucheintragung verletzt sei, wie in derBGE 115 II 349 S. 360Berufung vorgebracht wird, hängt davon ab, wie Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB auszulegen ist. Da unter Zinsen im Sinne dieser Bestimmung - wie dargelegt - auch solche verstanden werden dürfen, die es nur rechnungsmässig, nicht aber materiell sind, kann von einer Verletzung der Beurkundungs- und Eintragungspflicht nicht gesprochen werden. Das gleiche gilt in bezug auf die Frage, ob die Zuerkennung der Pfandsicherung für solche Zinsen gegen den Grundsatz des numerus clausus verstosse, der die sachenrechtlichen Einrichtungen beherrscht.

d) Im Parteivortrag hat die Beklagte schliesslich noch darauf hingewiesen, dass die Auffassung der Vorinstanz dem Bundesbeschluss vom 6. Oktober 1989 über eine Pfandbelastungsgrenze für nichtlandwirtschaftliche Grundstücke (AS 1989, S. 1978 ff.) zuwiderlaufe. Dieser dringliche Bundesbeschluss sieht vor, dass nichtlandwirtschaftliche Grundstücke während der ersten fünf Jahre seit dem letzten Eigentumserwerb nicht über vier Fünftel des Verkehrswertes mit Pfandrechten dinglich belastet werden dürfen. Die Beklagte macht geltend, dass die Haftung des Grundstückes nach Art. 818 Abs. 1 Ziff. 3 ZGB auch für eine Kapitalschuld beansprucht werden könne, führe bei einem Zinssatz von gegen 7% dazu, dass auch während der ersten fünf Jahre der ganze Verkehrswert grundpfandrechtlich in Anspruch genommen werden könne. Es ist nicht zu verkennen, dass das diesem Fall zugrunde liegende Sicherungskonzept zu gewissen Schwierigkeiten bei der Durchführung des genannten Bundesbeschlusses Anlass geben kann. Das kann aber nicht dazu führen, die Zulässigkeit dieses Sicherungskonzepts als solchen zu verneinen. Die im vorliegenden Rechtsstreit zu beurteilenden Schuldbriefe wurden im übrigen vor dem Inkrafttreten des genannten Bundesbeschlusses errichtet. Dieser bestimmt in Art. 1 Abs. 1 ausdrücklich, dass bereits eingetragene Pfandrechte in ihrem Bestand nicht berührt werden.

BGE 112 II 433

Art. 27 Abs. 2 ZGB, 20 Abs. 2 OR. Nichtige Globalzession.

1. Tragweite des Bestimmtheitserfordernisses als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Globalzession künftiger Forderungen. Frage offengelassen (E. 2).

2. Eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte Sicherungsabtretung im Rahmen einer Automiete verstösst gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB und ist nichtig (E. 3).

3. Die aus der umfassenden Abtretung aller denkbaren Forderungen folgende Nichtigkeit schliesst eine auf bestimmte Forderungen beschränkte Teilnichtigkeit aus (E. 4).

1. Für das Obergericht ist entscheidend, ob die eingeklagte Forderung seinerzeit rechtswirksam von S. an die P. AG abgetreten worden sei. Es geht im Grundsatz davon aus, dass auch künftige Forderungen abgetreten werden können. Mit der Abtretung aller künftigen Forderungen auf unbestimmte Zeit werde aber die wirtschaftliche Freiheit über Gebühr beschränkt und damit die Persönlichkeit verletzt. Auch mit der Berufung auf blosse Teilnichtigkeit könne die Klägerin unter den gegebenen Umständen nicht durchdringen. Schliesslich sei die Zession mit der Konkurseröffnung über S. dahingefallen; die Miete habe nur etwa anderthalb Monate über diesen Zeitpunkt hinaus gedauert. Daraus folgt für die Vorinstanz die Abweisung der Klage wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin.

Mit der Berufung wird geltend gemacht, dass Lehre und Rechtsprechung eine derartige Abtretung künftiger Forderungen durchaus zuliessen, dass allenfalls eine blosse Teilnichtigkeit anzunehmen wäre und dass die Zession auch die Konkurseröffnung überdauert habe.

2. Das Obergericht legt unter einlässlicher Prüfung von Lehre und Rechtsprechung dar, dass die Abtretung einer Forderung, dieBGE 112 II 433 S. 435erst in der Zukunft entsteht, zulässig ist, wenn sie hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar ist und überdies der Zedent durch die Abtretung nicht übermässig in seiner wirtschaftlichen Freiheit und damit in seiner Persönlichkeit eingeschränkt wird (Art. 27 Abs. 2 ZGB; BGE 112 II 243 E. 2a; 84 II 366 E. 3 mit Hinweisen). Streitig ist in der Lehre insbesondere die Tragweite des Bestimmtheitserfordernisses, namentlich bei einer Globalzession künftiger Forderungen. Überwiegend wird dabei als ausreichend betrachtet, dass die erforderliche Bestimmtheit im Zeitpunkt der Entstehung oder Geltendmachung der abgetretenen Forderung gegeben ist (für ersteres VON BÜREN, Allgemeiner Teil OR, S. 325, THOMAS F. KLEYLING, Zession... und Forderungsverpfändung als Mittel zur Sicherung von Krediten, Schweizer Schriften zum Handels- und Wirtschaftsrecht, Bd. 48, Zürich 1980, S. 76, ZOBL, Berner Kommentar zum Fahrnispfandrecht, Systematischer Teil, N. 1570; zum letzteren VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil OR, S. 350 Anmerkung 75a, GUHL/MERZ/KUMMER, OR, 7. Auflage, S. 234); es kann offenbleiben, wie weit dies auch der Rechtsprechung entspricht (BUCHER, Kreditsicherung durch Zession, in Probleme der Kreditsicherung, Bern 1982, S. 23, verneint dies für BGE 84 II 366 E. 3; vgl. jedoch BGE 82 II 51 E. 1). Diese Betrachtungsweise führt vereinzelt zum Schluss, die Abtretung sämtlicher gegenwärtigen oder künftigen Forderungen sei ausreichend bestimmt, weil sie jede mögliche Forderung erfasse (ZOBL, a.a.O. N. 1665, H.U. WALDER, Lohnabtretung und Zwangsvollstreckung, in Zürcher Schriften zum Verfahrensrecht, Heft 10, Zürich 1975, S. 19).

In der neueren Lehre werden demgegenüber die Anforderungen an diese Bestimmtheit teils verschärft, indem die Globalzession nur als Verpflichtungsgeschäft anerkannt, für die Verfügung über die Forderung dagegen eine Spezifikation nach sachenrechtlichen Grundsätzen verlangt wird (BUCHER, Allgemeiner Teil OR, S. 490 ff., BUCHER., Kreditsicherung durch Zession, S. 19 ff., WIEGAND, Kreditsicherung und Rechtsdogmatik, in Berner Festgabe zum Schweizerischen Juristentag 1979, S. 285 ff.; ablehnend demgegenüber ZOBL, a.a.O. N. 1672 ff.). Das Obergericht anerkennt, dass diese Auffassung dogmatisch konsequent sei, den übermächtigen praktischen Bedürfnissen des Geschäftsverkehrs und insbesondere der Bankpraxis gegenüber aber kaum durchsetzbar wäre, lässt jedoch die Frage letztlich offen. Nach Ansicht des Beklagten drängt sich eine Stellungnahme des Bundesgerichts zugunsten dieser neueren Auffassung auf.

BGE 112 II 433 S. 436

3. Wie schon für das Obergericht erübrigt es sich auch für das Bundesgericht, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen, wenn sich die Zession schon aufgrund der Art. 27 Abs. 2 ZGB und 20 Abs. 1 OR als ungültig erweist. Es herrscht denn auch in Lehre und Rechtsprechung weitgehend Übereinstimmung darin, dass eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte Zession aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen gemäss diesen Bestimmungen sittenwidrig und deshalb nichtig ist (BGE 84 II 366 E. 3; VON TUHR/ESCHER, a.a.O. S. 350, VON BÜREN, a.a.O. S. 324 Anmerkung 53, GUHL/MERZ/KUMMER, a.a.O. S. 235, GAUCH/SCHLUEP/JÄGGI, Allgemeiner Teil OR, N. 2200, ZOBL, a.a.O. Nr. 1665, AMONN in BlSchK 43/1979 S. 133).

Dieser Grundsatz, der unstreitig auch für die blosse Sicherungsabtretung gilt, wird auch von der Klägerin anerkannt; sie macht aber geltend, er bedürfe der Interessenabwägung im Einzelfall (BGE 106 II 378 f.). Sie schliesst daraus jedoch lediglich, dass auch eine blosse Teilnichtigkeit möglich sein müsse, worauf später zurückzukommen ist. Inwiefern die besondere Interessenlage unter den gegebenen Umständen eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte Totalzession gerechtfertigt habe, wird nicht darzutun versucht. Namentlich ging es vorliegend nicht darum, einem bedrängten Schuldner mit Hilfe eines umfassenden Zessionskredits eine Sanierung zu ermöglichen (HANS BERGMAIER, Die Sicherungszession im Schweizerischen Recht, Diss. Zürich 1945, S. 105; zur Interessenlage auch BUCHER, Kreditsicherung durch Zession, S. 10, und dort anschliessend GSELL, S. 24; KLEYLING, a.a.O. S. 70), sondern um einen Kredit für Automiete und damit um einen grundsätzlich laufend zu finanzierenden Konsum.

Die vorliegend streitige Abtretung ist eine zeitlich und gegenständlich unbeschränkte Totalzession; mit den leicht abweichenden Formulierungen der aufeinanderfolgenden Abtretungserklärungen wurden alle gegenwärtigen und künftigen Guthaben und Forderungen erfasst und namentlich Lohn, Erwerb, Provisionen, Spesen, Zinsen, Renten, Bankguthaben usw. aufgeführt. Die Klägerin sieht zwar im Vorbehalt des betreibungsrechtlichen Notbedarfs, der vorerst in der Zession enthalten war und später offenbar wegen Art. 325 OR unterblieb, eine Einschränkung; der Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit des Zedenten wird aber nicht dadurch geheilt, dass ihm wenigstens das Existenzminimum gewahrt bleibt.

BGE 112 II 433 S. 437

Angewandt auf den vorliegenden Fall ergibt sich daher die Nichtigkeit der streitigen Abtretungserklärung wegen Verstosses gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB. Das steht durchaus im Einklang mit den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens, vermeidet doch gerade die Bankpraxis derartige umfassende Zessionen durch Beschränkungen auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb oder Kundenkreis (EMCH/RENZ, Das Schweizerische Bankgeschäft, 3. Auflage, S. 284 f., ALBISETTI et al., Handbuch des Geld-, Bank- und Börsenwesens der Schweiz, S. 294, GSELL bei Bucher, Kreditsicherung durch Zession, S. 24 f., ZOBL, a.a.O. N. 1666 ff.).

4. Für die Klägerin steht denn auch das Argument im Vordergrund, dass der Verstoss gegen Art. 27 Abs. 2 ZGB lediglich zu einer Teilnichtigkeit führe, welche die streitige Forderung nicht erfasse. Nach dem angefochtenen Urteil hat sie jedoch nicht näher dargetan, welches der zulässige Rahmen wäre und inwiefern die streitige Forderung darunter falle. Ihr Einwand könne allenfalls so verstanden werden, dass die Generalabtretung mindestens als Lohnabtretung Bestand haben müsse, doch gehe es vorliegend nicht um eine arbeitsvertragliche Lohnforderung von S.; dieser habe vielmehr mit dem Beklagten selbständige, auftragsrechtliche Geschäftsbeziehungen mit gegenseitigen Druckaufträgen und Kundenvermittlung unterhalten, was nicht unter eine (zulässige) Lohnzession falle. Zudem sei dem Beklagten ausdrücklich eine Lohnzession notifiziert worden, die er nicht auf die streitige Forderung habe beziehen müssen.

Die Vorinstanz geht zutreffend, wenn auch stillschweigend davon aus, dass die Verletzung von Art. 27 Abs. 2 ZGB auch zu einer blossen Teilnichtigkeit und Beschränkung der Abtretung auf das zulässige Mass führen kann (BGE 106 II 379 E. 4 mit Hinweisen; ZOBL, a.a.O. N. 1685). Der Beklagte schliesst aus dem angefochtenen Urteil, dass die Klägerin vor Bundesgericht unzulässige neue Behauptungen aufstelle. Dem ist entgegenzuhalten, dass das Obergericht immerhin eventuell auf entsprechendes Vorbringen der Klägerin eintritt und dazu Stellung nimmt. Das muss auch für das Bundesgericht gelten, wobei offenbleiben kann, wie weit einzelne der tatsächlichen Ausführungen in der Berufung als solche gegen das Novenverbot verstossen (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG).

Die Klägerin will aufgrund von Art. 20 Abs. 2 OR die Gültigkeit der Abtretung unter Hinweis auf BGE 85 I 30 E. 13h insoweit anerkannt wissen, als diese sich auf Forderungen aus selbständiger oder unselbständiger Arbeitsleistung (Lohn, Provisionen, HonorareBGE 112 II 433 S. 438usw.) beziehe (zum Umfang der Lohnabtretung auch STAEHELIN, N. 10 zu Art. 325 OR). Sie rügt sodann als aktenwidrig, dass sie sich dem Beklagten gegenüber nur auf eine Lohnabtretung berufen habe; vielmehr habe sie nach erfolgter Aufklärung in einem weiteren Schreiben vom 16. März 1983 ausdrücklich auf die umfassende Zession hingewiesen. Schliesslich wird dargelegt, dass die Mietverträge auch bei Kenntnis der Teilnichtigkeit geschlossen worden wären.

Das alles scheint unbestritten zu sein, ist aber unerheblich. Würde nämlich eine solche Teilnichtigkeit der Zession zugelassen, so würde dies im Zeitpunkt der Entstehung oder Geltendmachung der abgetretenen Forderung zu einer Unsicherheit führen, welche auch mit gemilderten Anforderungen an die Bestimmbarkeit im Sinne der genannten Autoren nicht mehr vereinbar wäre. Da die Nichtigkeit aus der totalen Abtretung aller denkbaren Forderungen folgt, wäre für den in Anspruch genommenen Drittschuldner nicht ersichtlich, ob die ihm gegenüber geltend gemachte Forderung davon erfasst oder aufgrund blosser Teilnichtigkeit davon ausgenommen wäre. Wie die Klägerin vorliegend aus Art. 20 Abs. 2 OR die Gültigkeit der Abtretung wenigstens für Erwerbseinkommen ableiten will, könnte sie ebensogut, wenn sie auf Zins- oder Rentenansprüche greifen wollte, zumindest diese als gültig ausgeben; im konkreten Streitfall wäre daher die grundsätzliche Nichtigkeit der Totalabtretung stets unwirksam. Es versteht sich von selbst, dass das unerträglich wäre, könnte doch auf diese Weise das Verbot der Totalzession gänzlich illusorisch gemacht werden. Das muss zur Abweisung der Klage und zur Bestätigung des angefochtenen Urteils führen.

5. Bei diesem Ausgang kann offenbleiben, ob die Klage auch deshalb abzuweisen wäre, weil die Klägerin ihre Ansprüche aus der Zession erst etwa drei Jahre nach Ablauf der Mietverträge und nach dem Konkurs von S. geltend gemacht hat.

Author

Licia Huber H.

Information

Last changed