Was ist der diagnostische Prozess?
Definition:
Der diagnostische Prozess umfasst das „wissenschaftliche als auch professionelle Vorgehen bei der Erhebung, Bewertung und Integration von Informationen über einen Probanden unter Verwendung möglichst verschiedener Informationsquellen; es folgt einem vorher festgelegten Plan, um Fragen eines Auftraggebers zu beantworten
Als diagnostischer Prozess wird die Abfolge von Maßnahmen zur Gewinnung diagnostisch relevanter Informationen und deren Integration zur Beantwortung einer Fragestellung bezeichnet.
Die Qualität des diagnostisch-methodischen Vorgehens determiniert die Qualität der diagnostischen Entscheidungen
Ablauf:
DP als Serie unvermeidbarer Entscheidungen
Ziel:
Objektive, reliable u. valide Urteile/ Entscheidungen
Was sind die wesentlichen Schritte des diagnostischen Prozesses?
1. Fragestellung des Auftraggebers
Diagnostischer Prozess beginnt mit dem ersten Kontakt
2. Ist die Fragestellung verständlich & beantwortbar?
Vom angefragten Diagnostiker ist zu prüfen, ob...
er der zuständige Experte ist, genügend Wissen zur Bearbeitung vorliegt?
die Bearbeitung der Fragestellung rechtlich erlaubt ist?
die Bearbeitung der Fragestellung ethisch verantwortbar ist?
die Fragestellung eindeutig formuliert ist?
Diagnostiker muss ggf. Fragestellung präzisieren, modifizieren oder auch ablehnen
3. Formulierung psychologischer Fragen/Hypothesen
Wozu Hypothesen/Fragen?
Fragen, Hypothesen strukturieren (auch im Hinblick auf Gutachten)
Erhöhen die Transparenz und Prüfbarkeit
nicht alles ist umsetzbar, Fokus auf relevante Faktoren (aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse, möglicherweise auf Erfahrung gründend)
Orientierung am biopsychosozialem Modell bzw. der Verhaltensgleichung
Entscheidung: für psychologische Fragen und Hypothesen anhand wissenschaftlichen Erkenntnis
4. Auswahl geeigneter Verfahren, Untersuchungsdesign
Auswahl nach:
Hauptgütekriterien Validität, Reliabilität, Objektivität
Nebengütekriterien z. B. Fairness, aktuelle Normen, Zeitaufwand, Kosten, Zumutbarkeit
Je nach Fragestellung:
Paper-Pencil vs. Computertest,
Interview vs. Leistungstest vs. Persönlichkeitsfragebogen...
Gruppen- vs. Einzeltestung
Entscheidung:
Sind hochwertige Verfahren verfügbar?
Welches Verfahren eignet sich für den gegeben Zweck am meisten?
5. Diagnostische Untersuchung
Vorbereitungen
geschultes Personal
Aufklärung der Person
Gute Arbeitsbedingungen
Aufwärmphase
Standardisierung der Untersuchungsbedingung
Auswertung und Interpretation
Darstellung der Ergebnisse anhand der Referenznormen
Angabe von Gütekriterien, Konfidenzintervallen...
6. Diagnostisches Urteil
Integration der erhobenen Daten zu einem Urteil
oft geführte Debatte: Klinisches vs. statistisches Urteil
Kann Fragestellung durch Integration der untersuchten Hypothesen beantwortet werden?
7. Rückmeldung an Auftraggeber
Rückmeldung über Beantwortung der Fragestellung an Auftraggeber (mdl. oder schriftl.)
Diagnostischer Prozess am Beispiel MPU-Diagnostik:
Was meint die Aussage, der diagnostische Prozess sei keine Einbahnstraße?
Wenn wir nach der diagnostischen Untersuchung feststellen, das wir noch nicht in der Lage sind die Fragestellung zu beantworten.
Heißt es nicht das wir schlecht gearbeitet haben sondern noch nicht die richtige Hypothese gefunden haben.
-> Also fangen wir noch einmal von vorne an
Welches sind die drei diagnostischen Bestandteile im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung?
Leistungsdiagnostik
TestbatteriemitLeistungstests,dieReaktionsfähigkeit und Wahrnehmung testet
ggf. reale Fahrprobe, wenn Leistungstests nicht bestanden wurden
Medizinische Untersuchung
Urinkontrolle, Blutkontrolle, Haaranalyse, Medikamentenanalyse, neurolog. Tests etc.
Psychologische Untersuchung (Herzstück)
halbstrukturiertes Interview & Verhaltensbeobachtung
Glaubwürdigkeitsprüfung
Welche Maßnahmen existieren zur Qualitätssteigerung?
Multi-Informanten-Vorgehen
Multi-Methoden-Vorgehen
Wiederholte Erhebungen
Fremdanamnestische Daten
Was versteht man unter der Maßnahme Multi-Informanten-Vorgehen?
Vergleich der Übereinstimmung verschiedener Informationsquellen
Nur umsetzbar, wenn ausreichend Quellen vorhanden sind
Qualität der Daten steigt mit Eignung der Informanten für sachgerechte Informationen
Üblich z.B. in der familienrechtlichen Begutachtung (Stellungnahmen von Ärzten, Kindergarten/Schulen, Jugendamt)
Was versteht man unter der Maßnahme Multi-Methoden-Vorgehen?
Mehrere unterschiedliche Verfahren, z.B. Interviews, Verhaltensbeobachtungen, Tests etc. werden angewendet
Sichert vor allem gegen Verzerrungen ab, benötigt aber reichlich Zeitaufwand
stellt Urteil auf sehr breite professionelle Datenbasis = verlässliche Ergebnisse
Üblich z.B. im klinischen Bereich: standardisierte Testbatterie, Interview, Beobachtung
Was versteht man unter der Maßnahme Wiederholte Erhebungen?
Ein Verfahren wird mehrfach angewendet; Abbildung der durchschnittlichen Merkmalsausprägung
Nicht anwendbar auf komplexe Lebenssachverhalte
erfordert gleiche und standardisierte Testbedingungen, um sachgerechte Vergleiche ziehen zu können
Setzt Vorhandensein von Paralleltests voraus
Üblich in der Pädagogischen Psychologie und der Bildungsforschung (individuelle Leistungsvergleiche, Schulvergleiche, Klassenvergleiche, Ländervergleiche, PISA)
Was versteht man unter der Maßnahme Fremdanamnetische Daten?
Hinzuziehung weiterer durch Dritte gewonnene Daten/Eindrücke
Brauchbarkeit variiert in Abhängigkeit der Beurteilungsfähigkeit Dritter
Nachteil: häufig Suggestivurteil in Akten / Stellungnahmen von Behörden und Ämtern über zu begutachtende Person
Vorteil: Widersprüche in den Akten ermöglichen gezielte Nachfrage / Aufklärung
Angehörige in der Demenzdiagnostik häufig sehr wichtige Hinweisgeber
Elterntagebücher in der Kinderpsychologie unerlässlich
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