Wie werden psychische Störungen erfasst?
Klinische Interviews (z.B. SCID)
Klinische Tests
Projektive Tests, Persönlichkeitsfragebögen, spezifische Selbstbeurteilungsfragebögen, Psychophysiologische Tests, Neurologische und neuropsychologische Tests, Intelligenztests
Klinische Beobachtungsverfahren
natürliche und strukturierte Beobachtungen, Selbstbeobachtung
In der Praxis i.d.R.: Fachurteil des Klinikers
Für die Evaluation von psychischen Hauptdiagnosen und psychischen komorbiden Störungen empfiehlt sich das SCID (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-5)
Diagnosen sind Konstrukte!
Menschen HABEN nicht eine psychische Störung, sondern bei einem Menschen sind die Kriterien einer psychischen Störung erfüllt!
Welche Faktoren sollten im Rahmen der Diagnostik erfasst werden?
Prädispondierende Faktoren
Auslösende Faktoren
Aufrechterhaltende Faktoren
Was sind prädisponierende Faktoren?
Definition:
Faktoren die eine erhöhte Vulnerabilität (Empfindlichkeit, Faktoren die es wahrscheinliche machen eine Störung zu entwickeln) für eine psychische Erkrankung bedingen
Beispiele:
Genetische Disposition, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen, Frühentwicklungsstörungen, Traumatische Ereignisse, Alkohol- oder Drogen- konsum
Was sind auslösende Faktoren?
Faktoren die bei einer erhöhten Vulnerabilität die psychische Erkrankung auslösen
Bei hoher Vulnerabilität häufig normale Lebensereignisse, sonst z.B. akute Lebens- belastung, Tod eines Angehörigen, Mobbing durch Kollegen etc.
Was sind aufrechterhaltende Faktoren?
Faktoren, die nach Auslösung der Erkrankung zu deren Aufrechterhaltung beitragen
Fortgesetzter Alkohol- oder Drogenkonsum, medikamentöse Non-Adhärenz, Gesamt- behandlungsabbruch
Was versteht man unter der Ätiologie psychischer Störungen?
Begriffe:
Ätiologie = Ursache für das Entstehen
Pathogenese = Wie entsteht ein Leiden / eine Krankheit
Salutogenese = Welche Faktoren führen zur Aufrechterhaltung von Gesundheit
Kausalkonzepte:
Multikausalität
Entstehung psychischer Störungen als Veränderungs- und Entwicklungsprozess
abhängig von prädisponierenden, auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen
Was für Modelle gibt es zur Ätiologie psychischer Störungen?
Lerntheorien und kognitive Ansätze
Somatische Ansätze
Soziale Faktoren
Genetische Ansätze
Vulnerabilitäts-Stress-Modelle
Was beinhalten die Lerntheorien?
Klassische Konditionierung:
Reize werden aversiv durch Kopplung mit negativem Ereignis (Trauma)
Operante Konditionierung:
Vermeidungsverhalten wird durch Angstreduktion (negative Verstärkung) aufrechterhalten
Varianz psychischer Störungen v.a. durch Lernvorgänge erklärbar
Lernmechanismen:
klassische Konditionierung
operante Konditionierung
Modellernen
Lernen von (sozialen) Regeln (Instruktionslernen)
Positive Punkte:
generelle Überprübarkeit
Annahme eines Kontinuums von normal zu abnorm
Entwicklung effektiver Therapieverfahren
Negative Punkte:
Intrapsychische Konflikte, Rolle von Gesellschaft/ Kultur vernachlässigt
Was beinhalten Kognitive Ansätze?
Wichtige Konzepte:
Wahrnehmung,Aufmerksamkeit,Gedächtnis,Bewertung, Attribution
Bekannte Beispiele:
kognitive Theorien der Depression (Beck,Seligman)
Wechselwirkung von Theorien und therapeutischen Ansätzen
Zunehmende Verschmelzung lerntheoretischer und kognitiver Ansätze
Denkfehler als Ursache psychischer Störungen:
Wunschdenken:
Es muss so kommen, weil ich es so wünsche
Personalisieren:
Das hat alles mit dir zu tun
Selektive:
Bestimmte Erfahrungen werden bevorzugt verallgemeinert
Dichotomes Denken:
Es gibt nur gut oder schlecht, schwarz oder weiss
Was beinhalten somatische Ansätze?
Bsp: Depression
Was sind die neurobiologische Korrelate psychischer Störungen?
Psychische Störungen gehen mit Veränderungen einher:
hormonell (z.B. HPA-System bei Depression)
neurobiologisch (z.B. Neurotransmitterhaushalt)
neurofunkOonal (z.B. Gedächtnis, Aufmerksamkeit)
neuroanatomisch (z.B. Volumenminderungen in Gehirnregionen)
Was beinhalten soziale Faktoren?
Schichteffekt
am stärksten bei Schizophrenien,
weniger bei Persönlichkeitsstörungen,
gar nicht bei affektiven Störungen
Art der Behandlung hängt von Personenmerkmalen ab (somatische vs. Psychotherapie, Psychopharmaka)
Kausalzusammenhang unklar: soziale Verursachung vs. soziale Selektion (Stress-and- Strain Hypothese, Social-Drift-Hypothese)
Veränderungen der Arbeitswelt (Arbeitsstruktur, Arbeitslosigkeit)
Auflösung traditioneller Familienstrukturen
Multikulturelle Gesellschaftsformen mit positiven Aspekten, aber auch Problemen wie Integrationsproblematik, psychischer Traumatisierung
Demographische Entwicklung: zunehmende Alterung der Bevölkerung
Was beinhalten genetische Ansätze?
Was beinhaltet das multifaktorielles Übertragungsmodell?
Was beinhalten Vulnerabilitäts-Stress-Modelle?
Unspezifische Belastungen führen in Abhängigkeit von spezifischen Vulnerabilitäten (i.S.v. Anfälligkeit o. DisposiOon, unter Belastung psychopathologische Symptome zu entwickeln) bei verschiedenen Personen zu verschiedenen psychischen Störungen
Was sind Risiko- und Schutzfaktoren?
Kindheitsbelastungsfaktoren: Langzeiteffekte
emotional schlechte Beziehung zu Eltern
chronische familiäre Disharmonie / mit Gewalt
Altersabstand zu Geschwistern < 18 Monate
häufig geschlagen / misshandelt
schwerer sexueller Missbrauch
finanz. Situation kärglich / instabil
Scheidung / Trennung der Eltern
Elterliches Erziehungs- und Bindungsverhalten:
Negative Bindungserfahrungen gelten als Risiko-, stabile Beziehungen als Schutzfaktor
Einfluss von Gleichaltrigen (Peers):
Nachhaltiger Einfluss auf gesundheitsrelevante Einstellungen u. Verhaltensweisen
Alter/ Geschlecht/ Familienstand:
Soziodemographische Faktoren spielen bei verschiedenen Störungen eine unterschiedliche Rolle
Temperament/ Persönlichkeit:
Neurotizismus
Hohe (Trait)-Ängstlichkeit
Introversion
Sensation-/ Novelty Seeking
geringes Selbstwertgefühl
„Experiential avoidance“ (Tendenz aversive innere Erfahrungen zu vermeiden)
Komorbidität und vorangegangene Störungen:
Psychische Störung als Risikofaktor für Ausbildung weiterer psychischer Störungen
Aber: erfolgreich bewältigte Störung kann auch als Schutzfaktor fungieren, wenn Bewältigung zu Kompetenzerwerb und erhöhter Bewältigungszuversicht geführt hat
Sozioökonomischer Status:
Geringer SÖS als wichtiger Risikofaktor für Entwicklung psychischer Störungen
Erklärungsversuche: Stress-and-Strain Hypothese, Social-Drift- Hypothese, TransakOonsmodell
Was sind Auslöser?
Kritische Lebensereignisse
Daily Hassles
Interpersonale Verletzungen, Verluste und Konflikte
Inkongruenz
Was sind aufrechterhaltende Bedingungen?
Positive Rückkopplungsprozesse innerhalb der Störung („Teufelskreis“)
Operante Faktoren
Belastende Folgen der Störungen
Verfügbarkeit therapeutischer Angebote
Was sind Moderatoren?
Coping
Problemlösekompetenz
Soziale Kompetenzen und soziale Unterstützung
Motivationale Kompetenzen
Emotionale Kompetenz
Was versteht man unter Prävalenz?
Anzahl Krankheitsfälle in einer definierten Population
Was versteht man unter Punkteprävalenz?
Prävalenz zu einem bestimmten Zeitpunkt
Was versteht man unter 12-Monats-Prävalenz?
Anteil der Personen, die zu einem beliebigen Zeitpunkt in einem 12-monatigem Zeitraum die Krankheitskriterien erfüllten
Was versteht man unter Lebenszeitprävalenz?
Anteil an einem Stichtag lebender Personen, die in ihrem Leben zu einem beliebigen Zeitraum die Krankheitskriterien erfüllten
Was versteht man unter Erkrankungs-Risiko?
Wahrscheinlichkeit, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, eine Krankheit jemals gehabt zu haben
Was versteht man unter Inzidenz?
Zahl der Neuerkrankungen in einem bestimmten Zeitraum und einer bestimmten Population
Anm.: Krankheit muss am Ende der Untersuchung nicht mehr vorliegen; kann wie Prävalenz in absoluten und relativen Zahlen angegeben werden
Was versteht man unter Kumulativer Inzidenz(-rate)?
Inzidenzwahrscheinlichkeit eines 15-jährigen bestimmt sich als die Summe der Inzidenzwahrscheinlichkeit von 1-, 2-, etc. – jährigen.
Was versteht man unter Komorbidität?
Gleichzeitiges Vorliegen verschiedener Erkrankungen
Was versteht man unter Behandlungsprävalenz?
Anzahl der Fälle, die mit einer Behandlungseinrichtung in Kontakt stehen
Was versteht man unter gedeckter bzw. ungedeckter Versorgung?
Wieviele Personen mit Diagnose erhalten eine Behandlung bzw. keine?
Was versteht man unter “Überversorgung”?
Wieviele Personen ohne Diagnose erhalten eine Behandlung
Was versteht man unter Fehlversorgung?
Wieviele Patienten mit Diagnose erhalten eine falsche Behandlung (gemäss Behandlungsleitlinien)
Was sind Ursachen für den künftig zu erwartenden ANstieg der psychischen Gesamtmorbidität?
Veränderung der sozialen Rahmenbedingungen und Strukturen
multikulturelle Gesellschaftsformen mit Integrationsproblematik, psychische Traumatisierung
demografische Entwicklung
zunehmende Alterung der Bevölkerung
Medizinische Faktoren und Gesundheitsbewusstsein
verbesserte Diagnostik (u.a. Früherkennung) und Therapie
verbessertes Gesundheitsbewusstsein
stärkere Bedeutung der Prävention und Nachsorge
zunehmende Informiertheit, sinkende Stigmatisierung und steigender Anspruch an das Versorgungssystem führen zu einer höheren Inanspruchnahme psychiatrischer Institutionen
Zunahme der Leistungsanbieter im Bereich Klinische Psychologie, Psychiatrie, Psychotherapie
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