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by Licia Huber H.

BGE 143 III 640

  • Nottestament


Regeste

Art. 506, 507 und 520a ZGB; Errichtung einer mündlichen letztwilligen Verfügung, Gültigkeit, Angabe von Ort und Datum.Dass einer der Zeugen dem Erblasser einen Vorschlag für eine letztwillige Verfügung vorliest, stellt keinen Mangel bei der Errichtung der mündlichen letztwilligen Verfügung dar, sofern dem Erblasser die Möglichkeit und die Fähigkeit verbleiben, sich dem Vorgang der Ausarbeitung der Verfügung zu widersetzen (animus testandi) und den Vorschlag auch seinem Inhalt nach abzulehnen.Die Zeugen müssen in der schriftlichen Urkunde, in die sie den letzten Willen übertragen, Ort, Jahr, Monat und Tag der Äusserung desselben angeben. Art. 520a ZGB, der die Voraussetzungen regelt, unter denen eine eigenhändige letztwillige Verfügung trotz fehlender Angaben über Ort und Zeit gültig ist, gilt sinngemäss für die Beurkundung der mündlichen Verfügung (E. 4.2).


4. (...)

4.2 Das mündliche Testament ist eine außergewöhnliche Form des Rechtsgeschäfts von Todes wegen, die nur zulässig ist, wenn der Erblasser daran gehindert ist, in einer anderen Form zu verfügen, und wenn dieses Hindernis auf außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist. Diese beiden Voraussetzungen sind kumulativ. Das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände wird restriktiv zugelassen (BGE 77 II 216). Die in Art. 506 Abs. 1 ZGB genannten Umstände (drohende Todesgefahr, abgehörte Kommunikation, Epidemie und Krieg), stellen hingegen eine beispielhafte Aufzählung dar (BREITSCHMID/EITEL/FANKHAUSER/GEISER/JUNGO, Erbrecht, 3. Aufl. 2016, N. 79 S. 105). Neben der Erfüllung dieser beiden Voraussetzungen setzt die Gültigkeit des mündlichen Testaments voraus, dass es auch die gesetzlichen Formen einhält (Urteile 5A_247/2009 vom 29. Mai 2009 E. 3; 2C_148/2008 vom 29. Juli 2008 E. 2.2.1).

Der Prozess der Errichtung eines mündlichen Testaments beginnt mit der Mitteilung des letzten Willens des Erblassers an zwei gleichzeitig anwesende Zeugen (Art. 506 Abs. 2 ZGB; BGE 104 II 68 Erw. 2e). Mindestens einer der Zeugen muss dann sofort den aufgenommenen letzten Willen schriftlich festhalten, datieren, den Ort angeben, das Dokument unterschreiben und vom zweiten Zeugen unterschreiben lassen. Die Verlesung eines Testamentsvorschlags durch einen der Zeugen an den Erblasser verstößt nicht gegen den Wortlaut von Art. 506 ZGB - der nicht von einer "mündlichen" Willensäußerung spricht -, solange der Erblasser die Möglichkeit und die geistige und körperliche Fähigkeit behält, sich sowohl dem Prozess der Errichtung eines mündlichen Testaments - d. h. er verfügt über den animus testandi - als auch dem Vorschlag zum Inhalt zu widersetzen. Das Gesetz schreibt nicht vor, dass der Erblasser den Prozess initiieren muss, solange er dem Verfahren zugestimmt hat und sein Wille nicht beschädigt ist (WEIMAR, Berner Kommentar, Bd. 1, S. 1). 3 Nr. 6 zu Art. 506-508 ZGB; ESCHER, Zürcher Kommentar, Nr. 2 zu Art. 507 ZGB).

Um die Errichtung des mündlichen Testaments abzuschliessen, müssen die Zeugen die Niederschrift des letzten Willens oder den vom Erblasser genehmigten Testamentsentwurf persönlich (BGE 45 II 367) und unverzüglich einer Gerichtsbehörde übergeben, wobei sie bestätigen müssen, dass sie den Erblasser für verfügungsfähig hielten, und die besonderen Umstände beschreiben müssen, unter denen sie diese Erklärungen von Todes wegen erhalten haben (Art. 507 Abs. 1 ZGB; Urteil 5A_247/2009, oben E. 3). Aus den Angaben der Zeugen zu den aussergewöhnlichen Umständen muss hervorgehen, dass der Erblasser nicht in einer der ordentlichen Formen testieren konnte (BGE 77 II 216). Da die Gültigkeit des mündlichen Testaments, wie die gewöhnlichen Formen von Rechtsgeschäften von Todes wegen, die Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften voraussetzt, hat die Nichteinhaltung der Formvorschriften die Ungültigkeit des Testaments zur Folge (BGE 104 II 68 E. 2e; Urteil 2C_148/2008 E. 2.2.1). Nach Art. 507 Abs. 1 ZGB müssen die Zeugen auf der Urkunde "Ort, Jahr, Monat und Tag" angeben. Dasselbe Erfordernis gilt für die Errichtung eines eigenhändigen Testaments (Art. 505 Abs. 1 ZGB). Während Art. 520a ZGB regelt, inwieweit ein eigenhändiges Testament trotz der Angabe dieser Elemente gültig ist, gibt es keine Regelung für den Fall, dass die Zeugen in ihrer Niederschrift des letzten Willens die Angabe der räumlichen und zeitlichen Daten unterlassen. Art. 520a ZGB kann jedoch analog angewendet werden (BOCN, Sitzung vom 20. Juni 1995, Geschäft Nr. 92.418, Parlamentarische Initiative Guinand, Form des eigenhändigen Testaments, S. 1389 f., Redebeitrag von Frau Nationalrätin Sandoz, S. 1390). Fehlt die Angabe des Jahres, des Monats oder des Tages der Errichtung eines Testaments oder ist sie unrichtig, so kann die Urkunde nur dann für ungültig erklärt werden, wenn es unmöglich ist, die im vorliegenden Fall erforderlichen Zeitangaben auf andere Weise zu ermitteln, und wenn das Datum für die Beurteilung der Testierfähigkeit des Erblassers, der Priorität zwischen mehreren aufeinanderfolgenden letztwilligen Verfügungen oder jeder anderen Frage im Zusammenhang mit der Gültigkeit des Testaments erforderlich ist (Urteil 5A_666/ 2012 vom 3. Juli 2013 E. 3.2).

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Licia Huber H.

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