Buffl

8. Sitzung - Verletzen und Helfen (Aggression)

HM
by Hanna M.

Aggression

Definitorisches Problem: Ist es Aggression?


  • Zwei Wölfe kämpfen um die Herrschaft im Rudel.

  • Ein Soldat erschießt einen Feind an der Front.

  • Eine Jugendgang greift Mitglieder einer anderen Gang an.

  • Ein Mann tritt eine Katze.

  • Ein Mädchen tritt einen Mülleimer.

  • Ein Mann spricht abwertend über seine Bekanntschaft.

  • Ein Mann geht in Gedanken einen Mord durch, den er plant.

  • Ein wütender Sohn unterlässt es, seiner Mutter zu schreiben, die auf einen Brief wartet.

  • Ein Jäger erlegt einen Hirsch und präpariert ihn als Trophäe.

  • Ein Arzt verabreicht einem weinenden Kind eine Impfung.

  • Ein Boxer schlägt seinem Gegner eine blutige Nase.

  • Ein Bankräuber wird bei der Flucht in den Rücken geschossen.

  • Ein Tennisspieler zerbricht seinen Schläger nach einem Doppelfehler.



Definition Aggression


Verhalten mit der Absicht zu schädigen.


a) Verhalten

b) Absicht

c) Schaden


  • Problem: definition passt aber nicht zu allen Beispielen

  • Menschen erkennen Aggression, wenn sie welche sehen (aber: zirkuläre Definition!)


Beispiele Aggression Seminar


  • Ein Mann wirft beim Putzen des Fensters einen Blumentopf um, der beim Fallen einen Fußgänger verletzt.

    -> Absichtskomponente, keine Aggression

  • X, ein berüchtigter Schwätzer, spricht abfällig über viele seiner Bekannten.

    -> Bewusst das er anderen damit schadet? Hat er die Absicht? Dann Aggression

    ->verbales zählt auch zu Verhalten und kann aggressiv sein

    -> INDIREKTE Aggression

  • Ein wütender Junge versucht mit aller Kraft, einem größeren Jungen eine Verletzung zuzufügen, ist dabei aber nicht erfolgreich. Seine Bemühungen amüsieren den großen Jungen einfach nur.

    -> Aggression

    -> Absicht genügt


  • Ein Mann träumt davon, X zu schaden, hat aber nicht vor, dies wirklich zu tun.

    -> keine Aggression

    -> Traum während Schlaf -> keine bewusste Kontrolle

    -> selbst bei bewussten Traum -> keine Aggression da keine Absicht


  • Ein Landwirt enthauptet ein Huhn und bereitet es für das Abendessen vor.

    -> instrumentelle Aggression, da primäre Intention nicht der Schaden ist, sondern zum Essen


Theorien der Aggression

  • Freud‘s Todestrieb (Thanatos)

  • Dollard et al.‘s Frustrations-Aggressions-Hypothese

  • Berkowitz‘s Reformulierte FA-Hypothese

  • Anderson‘s General Affective Aggression Model


Klassiker: Thanatos

  • Freud postulierte „Eros“ als die fundamentalen Motivation des Menschen

  • nach den Erlebnissen im Ersten Weltkrieg postulierte er einen Todes-bzw. Selbstzerstörungstrieb „Thanatos“

  • Ähnlich zu Lorenz: Aggressives Verhalten als Instinkt (Instinkt, der zu aggressiven Verhalten führt)

  • Katharsis-Idee: Triebabfuhr führt zu weniger Aggression („Dampf ablassen“)


Klassiker: Frustrations-Aggressions-Hypothese (Dollard)

  • Ursprüngliche Aussage: auf Frustration folgt immer Aggressio, Aggression setzt immer Frustration voraus

  • Abgeschwächte Version: Frustration kann aber neben Aggression auch noch zu vielen anderen Verhaltensweisen führen


Reformulated Theory von Berkowitz (1969) (Reformulierte FA Hypothese)

  • unangenehme Erfahrungen wie Schmerz, Frustration, Verluste führen zu einer negativen Emotion, die wiederum Aggression verursacht



„Moderne“ Ansätze (90er Jahre des letzten Jahrhunderts)

  • moderne Theorien nehmen keine singulären Faktoren als Ursache von Aggression an

  • Aggression ist multi-faktoriell bedingt

  • Beispiel: General Affective Aggression Model (Anderson, 1997)



General Affective Aggression Model (Anderson)



  • Input Variablen (sozial, personal, situational) lösen interne Prozesse (körperliche Erregung, Emotionen und Kognitionen) aus - je nach Bewertung (appraisal) entsteht daraus Aggression


Ergänzung AR:

Appraisal:


Sozialer Input Beispiele:

  • Frustration (z.B. in Form von Schulversagen, Fettleibigkeit, sozialem Ausschluss)

  • Provokation (speziell bei Minderheiten: Stereotypen)

  • Gewalt in den Medien (in 50% der TV Sendungen; 70% ohne negative Konsequenzen -> wird nicht bedauert, negativ bewertet)

  • Erregung (Sexuell, Hitze)


Personale Input Variablen

  • Persönlichkeitstyp (Narzissmus + feindselige Attributionen) -> man schreibt aggressives Verhalten der Person und prosoziales Verhalten dem Zufall zu

  • Geschlecht (Männer aggressiver als Frauen)

  • Alter (höhere A. in Adoleszenz, wenige rim hohen Alter)

  • horonelle EInflüse (Testosteron & Adrenalin erhöhen; Oxytocin vermindert)



    Situationale Input Variablen

  • hohe Temperaturen

  • Alkohol

  • Enge

  • Normen (z.B. culture of honor -> gewaltverherrlichende Kultur)

  • Hinweisreize (Waffen, aggressives Verhalten anderer


  • Weapon-Effect: aggressive Reaktionen können begünstigt werden durch die Anwesenheit von Waffen nach einer Studie von Berkowitz und LePage (1967)




  • Neutral object: Badmintonschläger, um zu überprüfen ob auch nur irgendein Objekt einen Einfluss macht

  • Stimmung wurde auf einer anger Scala gemessen (wie wütend haben sich die Probanden gefühlt?)


  • unterscheiden; immer wenn die Buchstaben unterschiedlich sind unterscheiden sie sich

  • Nur wenn die Probanden durch Elektroschocks wütend gemacht wurden, gab es eine Interaktion mit dem Waffen. D.h. bei aggressiver Grundstimmung hat die Anwesenheit von Waffen zu mehr Aggression geführt     

  • Es werden mehr Elektroschocks verteilt, wenn man selber viele bekommen hat und dann nochmal mehr wenn eine Waffe anwesend war

  • In Metaanalysen wurde gezeigt, dass Vorhandensein einer Waffe zu mehr aggressiven Gedanken führt

  • Kritik# nur Männer wurden untersucht; zu wenige Probanden


Weapon Effect (Seminar)

WEAPONS AS AGGRESSION-ELICITING STIMULI

Berkowitz & LePage (1967)


Vertiefung „Weapon-Effect“ Berkowitz & LePage (1967)


Hintergrund

  • Aggressive Handlungen werden von Eigenschaften des Gegenübers und der Umgebung beeinflusst (Berkowitz, 1962, 1964, 1965)

  • Idee: Impulsive Reaktionen werden nicht unbedingt nur durch negative Emotionen (z.B. Ärger) an sich ausgelöst, sondern bestimmte Stimuli dienen als „Cues“, die aggressive Reaktionen begünstigen

  • Berkowitz: Diese Cues müssen in einer Situation vorhanden sein, damit aggressive Reaktionen auftreten

  • Stimuli dient immer dann als „Cue“, wenn er mit Aggressivität assoziiert wird


In dieser Studie:


  • Testung des Cue-Potentials von Waffen als „aggression-eliciting stimuli“

  • Kulturell assoziiert mit Gewalt und Aggression

  • Gesellschaftliche Relevanz: Sollte der Zugang zu Waffen eingeschränkt werden?

-> Anblick/ Anwesenheit des Cues kann Aggressivität nochmal verstärken





Bewertung über Stromschläge

 

Fazit:

Aggressive Grundstimmung wird beeinflusst von Anwesenheit der Waffe

 

  • 7 Stromschläge -> aggressiver

  • je mehr Elektroschocks bekommen desto mehr verteilt

  • nur in Bedingung mit 7 Schocks hat es Unterschied gemacht ob Waffe vorhanden war oder nicht

  • Waffen gehört VPn -> haben deutlich mehr verteilt


Diskussion


  • Befunde legen nahe, dass feindliche Taten bei aggressiver Grundstimmung durch aggressive Cues begünstigt wurden

  • Damit neue Ansichtsweise: Gründe für Taten müssen nicht unbedingt im Individuum selbst liegen, sondern können auch Teil der externen Umwelt sein

  • Was könnte eine Alternativerklärung für die Befunde sein?

  • Mögliche Kritik an der Studie?


-> wissen nicht, inwieweit sich Personen unterscheiden was Aggression/Gemüt angeht

-> Alternative Erklärungen: Demand Effekte (Ich soll mich bestimmt aggressiv Verhalten, wenn Waffe auf Tisch liegt)

-> Beziehungen zueinander (mehr Elektroschock als Rache?)



Evidenz für weapon-effect unter folgenden Bedingungen:

  • keine Kenntnis der Hypothese (Reaktanz: die wollen das ich mich aggressiv verhalte -deshalb mache ich es aus Prinzip nicht)

  • keine Angst vor Bewertung (Simsons & Turner, 1976; Turner & Simons, 1974)

  • Provokation der Probanden (Carlson et al., 1990)


Dann: mittlere Effektstärke (Benjamin et al., 2018)



Metaanalyse Benjamin et al., 2018

  • das Vorhandensein von Waffen erhöht aggressive Gedanken & feindliche Einschätzungen anderer ->Hinweise auf kognitiven Weg im General Aggression Model (vgl. Vorlesung)

Effekt scheint robust

  • Labor & Feld

  • Verschiedene Arten von Waffen (Gewehre, Messer, Handgranaten, Speere, Schwerter, …)

  • Echte und Spielzeugwaffen

  • Männer & Frauen allen Alters

  • Jedoch: Neigung der Literatur, einige Ergebnisse und Moderatoren zu überschätzen (publication bias)

    -> in veröffentlichten Studien Effekt vorhanden, nicht signifikante Effekte wurden nicht veröffentlicht

Fazit:

  • weapon effect auf manchen Maßen deutlich zu finden (z.B. aggressive Gedanken & feindliche Einschätzungen anderer), auf anderen Maßen weniger deutlich


Negative State Relief

Cialdiniet al. (1973)



  • Studie findet angeblich im Labor eines Doktoranden statt

  • Versuchsteilnehmer sollen sich setzen, jedoch der Stuhl ist präpariert sodass 3 Schachteln mit Lochkarten herunterfallen („Tom‘s Master Thesis!“)

  • Teilnehmer nimmt den Stuhl

  • Versuchsleiter nimmt den Stuhl


Teilnehmer bekommen

  • Geld

  • Lob

  • nichts

AV:

  • Wie viele helfen danach einem anderen Versuchsleiter (andere Teilnehmer anrufen)?

  • Wie viele Personen werden angerufen?


Ergebnisse 1


Ergebnisse 2



Wahrer Altruismus?


Cialdini

  • Menschen helfen, um sich selbst zu helfen

  • „Help to reduce own distress“


Conclusion

  • Basis des Transgression-Altruism Phänomens: hedonistisches Interesse zu helfen

  • Denn primärer Grund zu helfen: eigener unangenehmer Zustand

  • primäres Motiv = egoistisch


Ergänzung Anne Rose:

  • Helfen ist nicht altruistisch

  • Autoren gehen davon aus, dass man aufgrund von negative state relief und nicht aufgrund von Schuldgefühlen, sozialer Gerechtigkeit, Stärkung des Selbstwertgefühls hilft

  • Schaden (selbst erzeugt oder beobachtet) führt zu Unwohlsein. Hilfeverhalten fühlt zu Besserung des negative-state


Batson

  • Menschen helfen auch, wenn es ihnen selbst nichts nützt

  • kein Lob

  • kein Ansehen

  • kein „negative-state relief“


  • Mechanismus: Empathie

  • „Help to reduce other‘s distress“



Cialdini Seminar Ergänzung


TRANSGRESSION AND ALTRUISM: A CASE FOR HEDONISM

Cialdini, Darby & Vincent (1973)


Stimmung und EMotionen managen

  • schlechte Stimmung verhindern

  • negative Emotionen verarbeiten


Annahme: Helfen reduziert negativen Affekt


Hintergrund


Transgression-altruism effect: Schaden anrichten erhöht anschließende Tendenz zu helfen (z.B. Berscheid & Walster, 1967; Brock & Becker, 1966)

  • Schaden selbst angerichtet & Schaden beobachtet

  • Hilfe ggü. „Opfer“ & Hilfe ggü. anderen


Bisherige Erklärungen:

  • Schuldgefühl

    ->fühle mich schuldig weil ich Schaden angerichtet habe

    -> zum Ausgleich helfen

    -> kann aber nicht wirklich erklären, weshalb Beobachter helfen

  • Soziale Gerechtigkeit

  • Stärkung des Selbstwertgefühls

    -> Selbstwertgefühl auch unpassend

    -> weshalb sollte mein Selbstwertgefühl reduziert sein, wenn jemand anderes was falsch macht


Alternative Erklärung: „Negative-State-Relief“

  • Schaden eines Anderen verursacht Unwohlsein -> negative affective state

  • Hilfeverhalten als Befreiung von diesem negativen Zustand


Hintergrund

  • Annahme: Nicht nur Hilfeverhalten, sondern auch alles andere (positive Gefühle auslösende) sollte zu einer Reduzierung des „negative states“ führen

  • Implizite Annahme: Konzeption von Altruismus als egoistisch

  • persönlich verstärkende Konsequenzen von Hilfeverhalten sind kein Beiprodukt von Wohlwollen, sondern primäres Motiv für das Hilfeverhalten





  • Fühlen sich bereits gut (Lob/Geld)

  • Kein Relief durch Belohnung -> fühlen sich noch schlecht -> helfen mehr/nehmen Angebot zu helfen an



Dunkel = Schaden beobachten

Hell = Selbst verantwortlich für Schaden

H1 = mitteln der Werte (ungefähr gleicher Prozentsatz)

  • Helfen nach dem hedonistischen Prinzip, also Lust maximieren und Unlust also Unwohlsein verringern; primäres Motiv am helfen ist also egoistisch


Fragen zur Wiederholung


  • Warum sprechen Befunde für „Negative State Relief“ und nicht für die 3 Alternativerklärungen?

-> Schuld, soziale Gerechtigkeit, Selbstwertgefühl (3 Alternativen) können Ergebnisse nicht gut erklären

->Selbstwert: wieso sollte er reduziert sein wenn ich beobachte?

  • Welcher Befund zeigt, warum das Einfügen eines „positiven Events“ auch als „Neutralisierung“ des negativen affektiven Zustands verstanden werden kann?

->Neutralisierung = Zurücksetzen von Hilfeverhalten auf Baseline Niveau

-> Hilfeverhalten in Kontrollgruppe: Personen sind nicht in schlechten Zustand (Helfen einfach so)


  • Wie begründen die Autoren, dass die von ihnen gewählten Bedingungen für eine Generalisierbarkeit des Effekts sprechen?

-> Qualitativ unterschiedliche Arten von Relief (Lob, Geld)


Conclusion

  • Basis des Transgression-Altruism Phänomens: hedonistisches Interessezu helfen

  • Denn primärer Grund zu helfen: eigener unangenehmer Zustand

  • primäres Motiv = egoistisch



Empathie als Ursache - Batson

Wahrer Altruismus nach Batson

  • Dieser besagt, dass Menschen auch dann helfen wenn es ihnen selber nicht nützt, bspw. wenn Empathie für das Gegenüber vorhanden ist und man das das Unwohlsein des Gegenüber mindern will

Klassische Studie


Batsonet al. (1981)

  • „Elaine“ bekommt elektrische Schocks (10 Stück)

Teilnehmer müssen

  • nur die ersten beiden Schocks mit ansehen („easy escape“)

  • alle Schocks mit ansehen („hardescape“)


Teilnehmer sind Elaine

  • sehr ähnlich

  • sehr unähnlich(basiert auf einem Fragebogen, den die Teilnehmer 4 Wochen vorher ausgefüllt haben)

AV:

  • Wie viele tauschen den Platz mit Elaine nach den ersten beiden Schocks?


Ergebnisse



Zusammenfassung


Kernbefunde:

  • hohe Empathie -> Personen halfen mehr (unabhängig davon, ob es leicht oder schwer war, aus der Situation zu entkommen)

  • wenig Empathie Personen halfen nur, wenn es schwer war, der Situation zu entkommen, ohne zu helfen


Spricht für Hypothese:

  • „Empathie führt zu der altruistischen Motivation, das Leid eines anderen zu reduzieren (und zu helfen).“




Batson Ergänzung Seminar


IS EMPATHIC EMOTION A SOURCE OF ALTRUISTIC MOTIVATION?

Batson, Duncan, Ackermann, Buckley & Birch (1981)

„Wahrer Altruismus“



Hintergrund: Empathy-Altruism Theory

  • Hilfeverhalten ist mehr als nur ein Mittel, um eigenes Unwohlsein zu reduzieren

  • altruistische Motivation, Unwohlsein eines anderen zu reduzieren (Empathie)

  • Herausforderung: Altruismus & Egoismus = motivational (nicht direkt beobachtbar) -> Rückschluss von Verhalten auf Motivation


  • stressige Bedingung: Elaine bekam Elektroschocks

  • gesagt bekommen, das sie sehr empfindlich ist für Schocks

  • Helfen in Easy Bedingung = mit Elaine tauschen

Egoistsich = Helfe nur, damit ich mich selbst besser fühle

  • Links = Empathie

  • Rechts = Keine Empathie

  • Ähnlich zu Elaine, also Empathie = helfen auch gegen eigene Interessen

  • Nicht ähnlich = helfen nur dann, wenn es keine Fluchtoption gibt



Zusammenfassung


Kernbefunde:

  • hohe Empathie -> Personen halfen mehr (unabhängig davon, ob es leicht oder schwer war, aus der Situation zu entkommen)

  • wenig Empathie Personen halfen nur, wenn es schwer war, der Situation zu entkommen, ohne zu helfen


Spricht für Hypothese:

  • „Empathie führt zu der altruistischen Motivation, das Leid eines anderen zu reduzieren (und zu helfen).“




Author

Hanna M.

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