Was ist unter Abhandenkommen gem. § 935 BGB zu verstehen?
Abhanden gekommen sind solche Sachen, „die dem unmittelbaren Besitzer ohne seinen Willen aus dem Besitz gekommen sind“.
Ist bei beschränkt Geschäftsfähigen ein Abhandenkommen anzunehmen?
Während bei Geschäftsunfähigen das Abhandenkommen überwiegend bejaht wird, wird die Frage bei beschränkt Geschäftsfähigen unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird ein Abhandenkommen bejaht, teilweise allgemein verneint. Entscheidend dürfte sein, dass der erforderliche Wille zur Besitzaufgabe nicht rechtsgeschäftlicher, sondern tatsächlicher Natur ist; schließlich ist die Übergabe kein Rechtsgeschäft, sondern ein Realakt. Daher sind die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit nicht einschlägig, vielmehr kommt es auf die natürliche Einsichtsfähigkeit in die Bedeutung der Besitzaufgabe an.
Da A siebzehn Jahre alt ist, ist mangels besonderer Hinweise an seiner natürlichen Einsichtsfähigkeit nicht zu zweifeln. Sein tatsächlicher Wille zur Übergabe schließt ein Abhandenkommen der Uhr also aus. § 935 I 1 BGB steht dem Gutglaubenserwerb des J nicht entgegen.
Kann der Minderjährige ohne weiteres eine Leistung iSd § 812 BGB erbringen?
Nach einer Ansicht können Minderjährige ohne weiteres eine Leistung i.S.d. § 812 BGB erbringen, da die notwendige Tilgungsbestimmung weder Willenserklärung noch geschäftsähnliche Handlung sei, somit die §§ 106 ff. BGB nicht anwendbar seien. Vielmehr erfordere die Tilgungsbestimmung nur einen natürlichen Willen. Dieser aber ist bei A gegeben.
Nach a.A. ist die Tilgungsbestimmung, die notwendiges Merkmal einer Leistung i.S.d. § 812 BGB ist, geschäftsähnliche Handlung bzw. eine Willenserklärung. Nach dieser Ansicht sind die §§ 106 ff. BGB auf die Tilgungsbestimmung direkt, jedenfalls analog anzuwenden.
Welche Rechtsfolge hat die Anwendung der Saldotheorie?
Diese führt bei ungleichartigen Leistungen dazu, dass der Bereicherungsgläubiger die von ihm herauszugebende Leistung von sich aus anbieten muss. Es ist also nicht erforderlich, dass der Bereicherungsschuldner die Einrede des § 273 erhebt.
An welche weiteren Theorien ist in der Klausur neben der Saldotheorie zu denken?
Daneben ist sowohl an die strenge, als auch modifizierte Zweikondiktionentheorie zu denken.
Aus welchem Grund scheitert hier die Anwendung des § 812 I 1 Alt. 2 BGB?
Ein Anspruch des A auf Herausgabe der Brosche aus § 812 I 1 Alt. 2 BGB scheidet aus, weil P Eigentum und Besitz an der Brosche durch Leistung des S erlangt hat (Prinzip des Vorrangs der Leistungsbeziehung).
Wie unterscheiden sich § 822 und § 816 I 2 BGB?
Im Rahmen des § 816 I 1 hat ein Nichtberechtigter verfügt, die Verfügung ist jedoch aufgrund der Gutglaubensvor-schriften der §§ 932 ff. dem Berechtigten gegenüber wirksam. § 822 hat dagegen zur Voraussetzung, dass ein Berechtigter verfügt. Erfasst werden durch § 822 also die Fälle, in denen zwar das Kausalgeschäft nichtig ist, nicht jedoch das Erfüllungsgeschäft, so dass der Dritte gem. § 929 Eigentum erwirbt.
Im Unterschied zu § 816 I 2 haftet der Dritte im Rahmen des § 822 nur subsidiär: Verkauft und übereignet der Kondiktionsschuldner zwischenzeitlich die ihm rechtsgrundlos übereignete Sache weiter, so haftet er auf Wertersatz, soweit er noch bereichert ist. Eine Bereicherungshaftung des Dritten besteht nicht. Hiervon macht § 822 eine Ausnahme unter zwei Voraussetzungen. Zum einen muss der Dritte die Sache unentgeltlich vom Bereicherungsschuldner zugewendet bekommen haben. Zum anderen besteht die Bereicherungshaftung des Dritten nur dann, wenn der ursprüngliche Bereicherungsschuldner wegen der unentgeltlichen Zuwendung selbst nicht mehr bereichert ist. Das ist dann der Fall, wenn er bei der Zuwendung an den Dritten noch an die Kondiktionsfestigkeit seines Erwerbs geglaubt hat, also gutgläubig war. Im Fall der Bösgläubigkeit des Bereicherungsschuldners haftet dieser gem. §§ 819 I, 818 IV nach den allgemeinen Vorschriften; eine Entreicherung tritt dann nicht ein, folglich auch keine Herausgabepflicht des Dritten.
Im Fall des § 816 I 1 2 hat der Dritte den Gegenstand unmittelbar „auf Kosten“ des Bereicherungsgläubigers erlangt. Deswegen besteht der Bereicherungsanspruch gegen den Dritten unabhängig davon, ob der nichtberechtigt Verfügende noch bereichert ist oder nicht. Im Fall des § 822 erlangt der Dritte den Gegenstand dagegen nicht aus dem Vermögen des Bereicherungsgläubigers, sondern aus dem Vermögen des Bereicherungsschuldners, also auf dessen Kosten. Dogmatisch stellt § 822 einen Fall einer subsidiären Durchgriffskondiktion dar, die durch die verminderte Schutzwürdigkeit des unentgeltlichen Erwerbs gerechtfertigt ist. § 822 ist im Übrigen auch anwendbar, wenn der Dritte den Gegenstand seinerseits unentgeltlich einem Vierten zuwendet etc.
Ist § 816 I 2 BGB analog auf den rechtsgrundlosen Erwerb anzuwenden?
Eine Analogie setzt eine Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus. Eine Regelungslücke liegt vor, da es an einer gesetzlichen Regelung des Eingriffs durch rechtsgrundlose Verfügung fehlt. Die Interessenlage beim rechtsgrundlosen Erwerb müsste der beim unentgeltlichen Erwerb vergleichbar sein. Die Vergleichbarkeit könnte sich daraus ergeben, dass sowohl beim unentgeltlichen als auch beim rechtsgrundlosen Erwerb vom Erwerber eine Gegenleistung nicht geschuldet wird. Zu beachten ist allerdings, dass es beim rechtsgrundlosen Erwerb gleich-wohl tatsächlich zur Erbringung einer Gegenleistung kommt. Der Erwerber wäre also mit dem Rückholrisiko belastet. Dem Erwerber wären dadurch seine Einwendungen gegen seinen Vertragspartner abgeschnitten, was die Lehre vom Vorrang der Leistungskondiktion gerade verhindern will. Damit ist sein Vertrauen auf die Dauerhaftigkeit seines Erwerbs in höherem Maße schutz-würdig als das des keine Gegenleistung erbringenden Erwerbers. Die Interessenlagen unter-scheiden sich damit wesentlich, sind also nicht vergleichbar.
§ 816 I 2 BGB ist daher nicht analog anzuwenden.
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