Buffl

Fall 9

BG
by Betty G.

Ist hier eine Eigentumsverletzung bei von Anfang an bestehender Mangelhaftigkeit denkbar?


Nach einer Auffassung in der Literatur ist das nicht möglich: der Käufer habe von Anfang an nur „mangelhaftes“ Eigentum erhalten. Realisiere sich der Mangel, so trete dadurch keine weitere Verletzung ein. Dem ist nur insoweit zuzustimmen, als die Verschaffung einer mangelhaften Sache selbst kei- ne Eigentumsverletzung des Veräußerers oder Herstellers darstellen kann. Denn das Eigentum ist als Eigentum an einer mangelhaften Sache entstanden. Gleiches gilt für mangelbedingte Funktionsbeeinträchtigungen. Zu widersprechen ist jedoch der Ansicht, soweit damit auch alle weiteren Schädigungen als irrelevant angesehen werden. Im vorliegenden Fall waren nur die Bremsen des Fahrzeugs mangelhaft, das restliche Fahrzeug jedoch mangelfrei. Das Versagen der Bremsen hat zur schweren Beschädigung des gesamten Fahrzeugs geführt, und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem K bereits Eigentümer der Sache war. Die schwere Beschädigung des Fahrzeugs stellt mithin eine zusätzliche Beeinträchtigung der Sachsubstanz dar und damit eine Eigentumsverletzung.

Allerdings gebietet der Zweck des deliktsrechtlichen Eigentumsschutzes eine Einschränkung. Es ist Aufgabe des Deliktsrechts, das Integritätsinteresse des Eigentümers zu schützen. Da- von sind unproblematisch Eingriffe in die Sachsubstanz erfasst. Nicht aber ist es Aufgabe des Deliktsrechts, das Äquivalenzinteresse des Eigentümers zu schützen. Dieses stellt darauf ab, ob der Erwerber einen seiner Leistung entsprechenden Gegenwert erhalten hat. Das Äquivalenzinteresse kann nur dort von Bedeutung sein, wo die Gegenleistung eine Rolle spielt, also im Vertragsrecht. Für das Deliktsrecht sind der Grund des Erwerbs und die hierfür hingegebene Leistung dagegen ohne Belang; das Eigentum wird hier vielmehr als absolutes Recht, nicht als Folge eines Erwerbsvorgangs geschützt.

Die Abgrenzung von bloßem – nicht geschützten – Äquivalenzinteresse und geschütztem Integritätsinteresse erfolgt nach der Rspr. mittels des Kriteriums der Stoffgleichheit. Soweit sich der Schaden mit der durch den Mangel begründeten teilweisen Entwertung der Sache deckt, liegt Stoffgleichheit vor. Es hat sich dann nur der von Anfang an bestehende Mangelunwert realisiert. Sein Ersatz liefe auf den Schutz des Äquivalenzinteresses heraus. Vorliegend war der PKW wegen der fehlerhaften Bremsen nicht von Anfang an wertlos, sondern es war dessen Wert lediglich um den Wert des brüchigen Einzelteils und die Kosten seines Austauschs gemindert. Ein Austausch des brüchigen Einzelteils hätte die volle Verwendbarkeit der Sache hergestellt. In der schweren Beschädigung des PKW spiegelt sich demgemäß nicht lediglich der bereits bestehende Mangelunwert wider. Substanzverletzung und Mangelunwert sind vorliegend daher nicht stoffgleich (deckungsgleich). Eine im Rahmen des § 823 I relevante Eigentumsverletzung liegt mithin vor.


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Betty G.

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