WISSEN
Begriffsklärung, Definition, wichtige Beispiele
Humanismus
Begriffsklärung/ Definition: Bewegung des 14.–16.
Jahrhunderts, die durch literarische, philologische und wissenschaftliche Neuentdeckung und Wiedererweckung der antiken Kultur, ihrer Sprachen, ihrer Kunst und Geisteshaltung gekennzeichnet ist
-> in allen Wissenschaften rückt der Mensch ins Zentrum des Interesses und wird zum Maßstab von Richtig und Falsch
Beispiele:
Humanismus und Medizin:
Wiederentdeckung antiker Esoterik (hermetische Tradition, nicht Naturwissenschaft)
Wiederentdeckung der griechischen Originaltexte von Hippokrates und Galen
Protagoras (485-415 v.Chr.)
“Allerd Dinge Maß ist der Mensch - der Seiende, dass sie sind, der Nicht-Seiende, dass sie nicht sind.”
= Homo-mensura-Lehre (Grundlage des Humanismus)
im frühen 16.Jahrhundert Anknüpfung an
Säkularismus (Trennung von Religion und Staat) der Antike
“Realismus” der Antike
-> Aufwertung der Empirie gegenüber der Theorie
Schönheits- und Jugendideale der Antike
weitere bedeutende Persönlichkeiten
Erasmus von Rotterdam (großer Philosoph, mit Luther in Kontakt)
Philipp von Melanchthon (großer Altgriechisch-Kenner)
Thomas Morus (Syphilitiker, Sympathisant aufständischer Bauern)
Konrad Celtis
Ulrich von Hutten
-> Universität Wittenberg als Zentrum des Humanismus
Gründung 1502
1508: Berufung Martin Luther auf theologische Professur
1518: Berufung Philipp Melanchthon
Etablierung naturwissenschaftlicher Inhalte
Interesse an Anatomie (Galen+zeitgenössiche Texte)
früheste anatomische Sektionen im deutschen Sprachraum
1520-1580 (und 1605-1615) am meisten frequentierte deutsche Universität
humanistisches Paradox
Humanistisches Paradox
Definition/ Begriff: Zurückgreifen auf griechische Quellen im Rahmen der Renaissance, wobei zum Teil festgestellt wurde, dass die Inhalte der Quellen nicht stimmen
Beispiel: (humane) Anatomie nach den Quellen von Galen, da dieser an Tieren, nicht an Menschen forschte
Epochenschwelle
Begriffsklärung/ Definition: Bezeichnung des Zeitraumes zwischen 2 Epochen; unmerklicher Limes, nur rückblickend erkennbar
Beispiele: Epochenübergang von Mittelalter zu Neuzeit
Krise (kleine Eiszeit, Agrarkrise)
Pest
Kirchenreformation
Vertrauensverlus gegenüber Medizin und Wissenschaft
Rückbesinnung/ Wiedergeburt der Antike (Renaissance)
Umbrüche in der Wissenschaft
1348: Gründung der Universität Prag als deutsche Universität
-> Guttenberg-Sekrete: Disput zwischen deutschen und bömischen Hoheiten, dtl. verlässt Prag -> Gründung Uni Leipzig
1440 Neuplatonische Akademie in Florenz (Marsilio Finico)
-> Lorenzo “il magnifico” di Medici als Mäzen (finanziert viele Künstler dieser Zeit ´; aus ehemaliger Ärztefamilie <_ Stolz auf Wissenschaftsnähe)
Nikolaus Kopernikus (1473-1543)
Heliozentrisches Weltbild
Johannes Kepler (1571-1630) -> tatsächliche Umsetzung einiger Theorien von Kopernikus
Gallileo Gallilei
Beobachtende Physik, klasische Mechanik
Leonardo da Vinci (1452-1519)
Emprirische Medizin
Empirische Medizin
Begriff/ Definition: Wirksamkeit medizinischer Maßnahmen ist durch Beobachtung/ Experimente nachweisbar (oder durchErfahrung offensichtilich)
Chriurgie: schonende Wundbehandlung, Destillierung, Gefäßunterbindung, Wundheilung
Gynäkologie: Chirurgen nur in Notfällen hinzgezogen, Erschaffung von Literatur über Hebammenwissen, Geburtszange
allgemein:
heliozentrisches Weltbild (Kopernikus)
beobachtende Physik Gallileis
Iatrochemie
Iatrochemie/ Chymiatrie
Begriffsklärung/ Definition: von Paracelsus begründete (chemische) Heilkunst
Paracelsus (1493-1541)
Schwermetalle und Mineralien als Heilmittel
Jean Fernel (1497-1558)
Einbeziehung von (Al)Chemie, Astrologie, Esoterik
Prägung des Begriffs “Physiologie”, Aufwertung der Organpathologie
Daniel Sennert (1572-1637)
Einbeziehung der (Al)Chemie
“Neoatomist”, neoaristotelische Naturphilosophie
Johann Baptist van Helmont (1579-1644)
Lehre vom Lebensgeist (Archaeus) in Magen und Milz, Vertreter der “sinnlichen Seele”, Krankheit als Folge einer Verwirrung des Lebensgeistes (spiritualistisches Kranheitskonzept)
“Pneumatische Chemie”, Ausdruck “Gas”, Entdeckung des CO2
Erstbeschreibung des Asthma bronchiale, HCl im Magen, Verdauung als Reihe von Gärungen
Neo-Atomismus
Neo-Atomismus (detailliert weder in Buch noch VL)
Begriffsklärung/ Definition: Alle Körper der Natur bestehen aus jeweils kleineren Teilchen, welche hirarchisch geordnet sind, die Form ist das zentrale Wirkprinzip, Vergehen einer höheren Form führt zur Annahme einer niedrigeren, bis der kleinste Körper entsteht, der noch eine Form haben kann (Elemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft)
Beispiele: wenn ein Tier stirbt geht es in die nächst niedrigere Form, die Tierseele, über (geprägt von Daniel Sennert)
Solidarpathologie
Begriffsklärung/Definition: Lehre, die in den festen Bestandteilen des Körpers die Ursache von Krankheiten sucht
Beispiele: Theoretische Gewebelehre von Franciose-Xavier Bichat (1771-1802)
Vergleich von klinischen und pathologischem Befund
theoretische Basis für Beziehung zwischen Symptom und pathologisch anatomischen Substrat
-> Folge: Blick von der Viersäftelehre weg hin zur Organpathologie
Neo-Hippokratiosmus
Neo-Hippokratismus
Begriffsklärung/ Definition: Rückbesinnung auf die Lehren des Hippokrates (Ablehnung von Magie und theoretischer Philosophie sowie Anwendung theoriegestützter Empirie, die Gesundheit als inneres Gleichgewicht der Körpersäfte und Krankheit als Abweichung davon betrachtet, Antike als Ideal
-> sehr häufig in Zeiten therapeutischer Hilflosigkeit
Herstellung eins Bezuges zu Hippokrates
von den Akteuren selbst
von zeitgenössischen Kollegen
möglichst präzises Sammeln von diversen klinischen Zeichen (Semiotik -> Bemerken von Krankheitszeichen, Einordnen in Zusammenhänge)
-> Krankheitslehre gehört nicht zwingend dazu, denn diese hat es bei Hippokrates nicht gegeben!
größtmögliche Unvoreingenommenheit
Distanz zu Theorie und Konzepten
Vertreter und Grundzüge der frühneuzeitlichen (Neuro)Anatomie, Botanik, Mikroskopie, Chirurgie und Geburtshilfe, sowie die Anfänge der empirischen Medizin kennen
Vertreter und Grundzüge
(= Anfänge empirischer Medizin)
frühneuzeitliche (Neuro)Anatomie
Andreas Vesal(ius) (1514-1564)
Aufdecken von Unstimmigkeiten in Galens (Affen-)Anatomie
-> rettet indirekt Galen als brillianten Anatom (wissensch. korrekte Arbeit, nur nicht übertragbar)
Inszeniert sich als erster “Korrektor” Galens
fünflappige Leber
sechsteiliges Brustbein
Rete mirabele
Herzporen
Überzeugungskraft der Bilder
einbeziehen namenhafter Künstler
wollte so seine Werke gegen Kritiker verteidigen
heftige Kritik seitens der neogalenischen Anatomen
Lehrstuhl für Chirurgie und Anatomie in Venedig -> anatomische Sektionen an Hingerichteten
Franciscus Sylvius (1614-1672)
Physiologie der Säuren und Basen (funktionelle Anatomie)
Neuroanatomie: Fissura sylivii
Krankenbeobachtung auch in der Lehre
Schwindsucht <-> Tuberkel
Thomas Willis
Fieber durch Gärungsvorgänge
bedeutender Neuroanatom
Circulus Arterious Willisii, Parakusis, Myasthenia gravis, diabetische Neuropathie, Beschreibung von 10 Hirnnerven, Lokalisationslehre im Gehirn, Studien zu Epilepsie
erstmals versuchter Ableich von Krankengeschichte und (neuro)pathologischem Substrat
Botanik
im Mittelalter : Kräuterbücher mit Schwerpunkt auf Wirkung
Neu: Beschäftigung mit Pflanzen selbst (naturgetreue Abbildungen, Klassifizierungen, …)
Vertreter
Otto Brunfels (1488-1534)
Hieronymus Bock (1498-1554)
Leonhard Fuchs (1501-1566)
Valerius Cordus (1515-1544)
Caspar Bauhin (1560-1624)
Zoologie und Geologie: Conrad Ges(s)ner (1516-1565)
Mikroskopie - Anatomia subtilis
Anton van Leeuwenhoek (1632-1723)
Konstruktion eigener Mikroskope
Salzkristalle, Mundbakterien, “Samentierchen”
Jan Swammerdam (1637-1680)
Erythrozten
Marcello Malphigi (1628-1694)
sensorische Papillen und Geschmacksknospen
Feinstrukturen von Lunge, Nieren und Hirn
Embryologische Forschung
Entdeckung der Kapillaren (dadurch vollendung des Harvey´schen Konzeptes)
Chirurgie
Hieronymus Brunschwig (ca 1450-1512/13)
Militärchirurg
Destillierbücher
Hans von Gersdorf (ca 1455-1529)
Feldbuch der Wundarznei (1517)
mittelalterliche Quellen, aber Distanzierung
Text-Bildbeziehungen, Lehrillustrationen
Ambroise Paré (1510-1590)
schonende Wundbehandlung, Gefäßunterbindung
propagiert Sauberhalten der Wunden
Prothetische Versorgung nach Amputation
Geburtshilfe
v.a. in den Händen von Frauen
Chirurgen nur in Notfällen herangezogen
Eucharius Rösslin (gest. 1526)
erster Autor für medizinische Texte zur Geburtshilfe
“Der schwangeren Frauen und Hebammen Rosengarten”
-> Verwendung antiker Text- und Bildquellen
Verwendung von Zangen schon im 17. Jahrhundert bei französichen Hebammen belegt
Justine Siegemundin (gest. 1705)
erstes Hebammenlehrbuch
“Die Chur-Brandenburgische Hoff-Wehe-Mutter” (1690)
Entdeckung des Blutkreislaufes mit ihrer Vorgeschichte und historischer Einordnung
Entdeckung des Blutkreislaufes
Voraussetzungen
ohne Herzporen keine rein zentrifugale (“Galenische”) Herzfunktion
Vermutungen zum kleinen Kreislauf
Ibn an-Nafis (ca 1210 - 1288), auch zum kleinen Kreislauf
Michael Servetus (1511-1553), iatrotheologische Spekulation (spekulative Verbindung des Lungenkreislaufs mit der Bibel), von Calvin als Ketzer verbrannt
Andreas Caesalpinus (1524-1603)
aufgreifen verbreiteter Metapher vom “Kreislauf”
Nachweis der “Zirkulation”, Analogieschluss auf Tiere
Fabricus ab Aquapendente (1537-1619)
Funktion von Venenklappen: nur zentripedal sinnvoll
William Harvey (1578-1657); “de motu cordis” (1628)
morphologische Argumente: Herz-/ Venenklappen, Fehlen von Poren im Septum
mathematisches Argument: Konstanz der Blutmenge
Tierexperimente (an lebenden Tieren): Unterbindung von Aorta/ Vena cava
Abbinden des Armes -> Venenstauung
offene Frage: Wie kommt das Blut vom Hoch- zum Niederdrucksystem (unbeantwortete Frage stellte seine Integrität vor zeitgenössichen Kollegen in Frage)
Folgen der Entdeckung des Blutkreislaufes
Adelassmengen steigen enorm (von wenigen Tropfen im Mittelalter bis hin zum Ausbluten)
Versuche mit Transfusionen
Tier-Tier: Richard Lowe (1631-1691), 1665
Tier-Mensch: Jean Denis (gest. 1704), 1667
wegen Todesfällen bald verboten, erst ab 1910 gefahrlos
Versuche mit i.v. Infusionen
wegen Thrombosen und Embolien bis 18ßß aufgehoben
Die Bedeutung von Thomas Sydenham
Thomas Sydenham (1624-1689)
“englischer Hippokrates”
systematisches Sammeln von Erfahrungen, gegen Theoriebildung
Vertrauen auf Selbstheilungskräfte (wie Hippokrates)
Versuch einer Krankheitsklassifikation
Von der Kasuistik (Einzelfallbetrachtung) zur Nosographie (Beschreibung von Krankheitszuständen)
Dysenterie (bakterielle oder parasitäre Entzündung des Darmes)
Differenzierung exanthematöser Krankheiten: Masern vs. Scharlach
(z.T. autobiographische) Monographie über Gicht
parainfektiöse Chora minor Sydenham
Krankheitsdefinition durch spezifische Mittel
Differntialdiagnose der Malaria (Befürwortung der Chinarinde, aus der Wirksamkeit des Mittels abgeleitete Unterscheidung der Malaria zu anderen fieberhaften Erkrankungen)
Schaffung der Grundlage für spätere klinische Medizin
Aufklärung
Begriffsklärung/ Definition: richtete sich gegen Vorurteile, Aberglaube und Willkürherrschaft. Ziel war die Selbstbestimmung des Individuums als mündiger Bürger. Die Vernunft war das wichtigste Instrument, mit dem der Mensch sich aus seiner Unmündigkeit befreien sollte
Rationalität/ Vernunft, Rationalismus
Matrialismus, Mechanismus
das “wissenschaftliche” Jahrhundert (vermehrte Zuwendung zu Grundlagenwissenschaften, v.a. Chemie)
Empirie
sapere aude: Befreiung aus der Unmündigkeit
(Selbst-)Beherrschung, Moralismus, Tugendhaftigkeit
Pietismus (anspruch individueller Frömmigkeit durch Meditation, Gebet, Mäßigung)
Allgemeinbildung, Enzyklopädien, Journale
das Jahrhundert des Bürgers (“Zivilgesellschaft”) -> mehr Freiheitsrechte, Beteiligung an politischen Diskussionen, Verarmung des Adels
Klassizismus, Antike als Ideal <-> Säkularismus
Staatswohlfahrt, Staatswirtschaft und Gesundheitspolitik vermehrt im Fokus
dagegen auch:
Melancholie, Hypochondrie, Langeweile (ennui)
Vitalismus, Iatrodynamismus, Hoöopathie
Rokoko, galante Zeit
Innenschau, Innerlichkeit, Empfindsamkeit, Pietismus
Affekte, Pathos, Sturm & Drang
Idylle, Kulturkritik (Rousseau) -> Romantik
Abenteurer (Casanova), Scharlatane (Cagliostro)
Alchemie
Aberglauben, Hexen, Vampire, schwarze Messen
Dialektik der Aufklärung
“Dialektik der Aufklärung”
Begriffsklärung/ Definition: Zweiseitigkeit, Gegensätzlichkeit zweier Positionen innerhalb der Aufklärung
Rationalität
Romantik
Vernunft
Materialismus
Mechanismus
Wissenschaftlichkeit
Staatswohlfahrt
“Geburt der Klinik”
Hypochondrie
Langeweile
Vitalismus
Iatrodynamismus
Homöopathie
Affekt, Enthusiasmus
Aberglauben, Scharlatane
Medikalisierung
Begriffsklärung/Definition: gesellschaftlichen Veränderungsprozess, bei dem menschliche Lebenserfahrungen und Lebensbereiche in den Fokus systematischer medizinischer Erforschung und Verantwortung rücken, die vorher außerhalb der Medizin standen
Beispiele: Einmischung von Ärzten in die Geburtshilfe im 18.Jahrhundert
Durchsetzten der Geburtszange
ärztliches Durchsetzen von Geburt im Liegen
Makrobiotik
Begriffsklärung/Definition: Lebensweise, “Kunst, das Leben zu verlängern”, geprägt von Christoph Wilhelm Hufeland
Ausgleich von Reizstärke und vitaler Reaktion
Reaktionsfähigkeit = “Lebenskraft”
“Umstimmung” als therapeutisches Prinzip
Tradition der antiken Diätetik
Ordnung des gesammten Lebens (Ablehnung von Reizminderung/ -verstärkung)
Vermeidung von Reizsteigerungen (Kaffee, Branntwein, Tanzen) als auch von Reizminderungen (Opium, Faulheit, einsiedlerisches Leben)
Erhalt der Reaktionsfähigkeit des Körpers und damit der Lebenskraft
Begriffsklärung/Definition: Iatros = Arzt, dynamismus: philosophische Lehre, nach der alle Wirklichkeit auf Kräfte und deren Wirkungen zurückgeführt werden kann
-> Konzept immaterieller Kräfte (z.B. Lebenskraft)
Georg Ernst Stahl (1660-1734)
Psychodynamismus/ Animismus (=alle Krankheiten sind psychogener Natur, Anatomie und Physiologie sind für Ärzte verzichtbar), Phlogiston (chemische Zersetzung = Verbrennung = “entweichender Feuerstoff”)
John Brown (1735-1788)
Irritabilitätsdynamismus (= nur 2 Krankheitstypen, die aus unterschiedlichem Verhältnis von Erregbarkeit des Körpers zu den einwirkenden Reizen entstehen)
sthenische Krankheiten (Pest, Pocken, Rheuma, Schlaflosigkeit) -> starker Reiz zu schwacher Erregbarkeit
asthenische Krankheiten (Apoplexie, Hysterie, Asthma) -> schwacher Reiz auf starke Erregbarkeit
Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836)
Vitalismus (siehe Definition)
Makrobiotik (siehe Definition)
Samuel Hahnemann (1755-1843)
Homöopathie “similia similibus”, gleiches wirkt auf Gleiches, Verdünnung erhöt die Potenz
Hochpotenzen
Begriffsklärung/Definition: immatrielle Lebenskraft, die aus den Bausteinen einzelner Körperstrukturen etwas Lebendiges macht; Modell zur Erklärung unterschiedlicher Krankheitstypen- und Verläufe
-> Vitalistischer Krankheitsbegriff: materielle Grundlage der Krankheit, in welcher aber auch eine immaterielle “Lebenskraft” beeinträchtigt ist
Geburt der Klinik
Begriffsklärung/Definition: Wandel im Gesundheitsmanagement aufgrund der Herausforderungen des späten Mittelalters bis zum 18.Jahrhundert (Seuchen, wissenschaftlicher Wandel): Einrichtungen zur Krankenversorgung der ärmerern Bevölkerung, nach wie vor mit wichtiger seelsorgerischer Komponente, jedoch bereits mit getrennten Abteilungen z.B. für innere Medizin und Chirurgie (getrennte Abteilungen auch für Männer und Frauen), Apotheke und Wohnungen für Ärzte
systematische Krankenbeobachtung und klinisicher Unterricht
Ausrichtung nicht mehr caritativ, sondern auf Kranke
Juliusspital in Würzburg
aus traditioneller (kirchlicher) Stifung gegründet (Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn (1545-1617)
Ausbau in 2 Phasen zwischen 1664 und 1714
Trennung nach Fächern und Geschlechtern
ärztliche Leitung, Apotheke, Arztwohnungen
weitere vereinzelte representative Neubauten, z.B. London (1725), Charité Berlin (1727), Edinburgh (1748), Allgemeines Krankenhaus in Wien (1783/84)
Iatromorphologie
Begriffsklärung/Definition: Bestimmung von Gesundheit oder Krankheit durch die Morphologie/ das Aussehen einer Sache/ eines Organs
Franz Joseph Gall (1758-1828)
Hirn als Seelenorgan (Verteilung seelischer/ charakteristischer Eigenschaften auf verschiedene Stellen des Gehirns
früher Versuch einer Lokalisatioslehre
Regionalisierung von Hirnfunktionen
Phrenologie
-> Rückschlüsse von der Schädelform auf die Hirnmorphologie und von der Hirnmorphologie auf die Ausprägung von Eigenschaften
Mechanistische und Vitalistische Krankheitsmodelle und die wichtigsten Vertreter
Mechanistische Modelle
Friedrich Hoffmann
Korpuskeltheorie
Bewegungen als Krankheitsursache
Körper als Art hydraulische Maschine
Beschränkung auf 10-12 erprobte Heilmittel
“Hoffmannstropfen” (3/4 Äthanol, 1/4 Äther)
Mineralwässer (Analyse der Quellen von Bad Lauchstädt -> Frage: Warum sind die Heilquellen heilsam?)
Physikalische Therapie
Julien Offray de LaMettrie (1709-1751)
“L`homme machine” (1747)
Vitalistische Modelle
nach Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836)
-> Lebenskraft bzw deren Veränderung als Krankheitsmodell
Makrobiotik (Hufeland)
-> Kunst der Lebensführung, für ein langes, gesundes Leben, angelehnt an antike Diätetik
Homöopathie (Christian Friedrich Samuel Hahnemann, 1755-1843)
-> Gleiches zu Gleichem, Therapie nach similie-Prinzip (Arzneimittel gleicht Krankheitsbild)
(damit auch Einführung des Experiments in die Pharmakologie)
Irritabilitätsdynamismus (John Brown, 1735-1788)
-> Krankheit entsteht aus Erregbarkeit des Körpers bei Auseinandersetzung mit nicht übereinstimmenden Reizen
Bedeutung von Albrecht von Haller
Albrecht von Haller (1708-1777)
“der letzte Universalgelehrte”
Dichtung + Botanik + Anatomie + Politiker + Ökonom + Theologe + Rechtsgelehrter + Medizinhistoriker + experimentelle Physiologie
Hexameter-Epos: “Die Alpen”
-> gegensätzliche Natur-Kultur, Pastorelle, goldenes Zeitalter (Menschen in den Alpen als glückliches Volk im Einklang mit der Natur)
Sensibilität vs. Irritabilität
Hämodynamik, Respiration
Embryonalentwicklung, Knochenbildung
Das Jahrhundert der Chemie
Hermann Boerhaave (1668-1738)
1729 kristalliner Harnstoff aus Urin gewonnen
Antoine Laurent Lavoisier (1743-1794)
Steuereintreiber, sehr wohlhabend, Betreiber vieler Laboratorien
Sauerstoff identifiziert
Atmung als Verbrennungsvorgang
René Antoine de Reamur (1683-1757)
Verdauung als chemische Auflösung
Lazaro Spallanzani (1729-1799)
“Verbrennung” auch im Gewebe
Was versteht man unter der Verzeitlichung der Natur?
Verzeitlichung der Natur
-> “es kann nicht immer so gewesen sein, wie es heute ist”
Entwicklung der Erde
Aktualismus (= Wirklichkeit als ständiges, unveränderliches Sein) vs. Katastrophentheorie (große Ereignisse (z.B. Meteoriten) als Motor von Umschwüngen)
Neptunisten vs. Plutonisten (Wasser vs. Feuer)
Entwicklung der Arten
Untersuchung von Fossilien
Diskussion um Spontanzeugung
Experimentell widerlegt durch Lazaro Spallanzani
Entwicklung des Menschen
Präformation (=der Mensch ist immer endständig geformt und wächst nur noch) vs. Epigenese (der Mensch durchläuft auf dem Weg seiner Reifung verschiedene Formen)
Die Grundprinzipien der Homöopathie
Christian Friedrich Samuel Hanemann (1755-1843)
immaterielle Kräfte
Simile-Prinzip der Alten Medizin: die Wirkung (Kraft, dynamis) eines Arzneimittels soll dem Krankheits-/ Beschwerdebild gleichen
Testung in Selbstversuch und an Verwandten -> Einführung des Experiments in die Pharmakologie
zunehmende Verdünnung = Entmaterialisierung -> Potenzierung (Verstärkung) der Wirkung des Medikaments
Konflikte mit “Schulmedizin” und Pharmakologen
setzte sich als “sanfte Alternative” zu den damaligen Methoden (Abführ-/ Brechmittel, Aderlässe) dennoch weit durch
Beispiele und Motivation für die öffentliche Gesundheitspflege im “aufgeklärten Absolutismus” des 18. Jahrhunderts
Motivation ist nicht Nächstenliebe, sondern rational begründet
Interesse an Gesundheit und Vermehrung der Bürger
Arbeitskräfte als Wirtschaftsfaktor für die Staatsfinanzen
Soldaten wurden benötigt
Staatswohlfahrt, öffentliche Gesundheitspflege als “Pflicht” der Obrigkeit
-> Zielgruppe: (arme) Kranke
Wissenschaftliches Interesse am “Krankengut”
Pathologie mit Obduktion unter klinischer Fragestellung
Suche nach dem pathologsichen Substrat für klinisch (physikalische) Befunde
Labor
Fest angestellte Ärzte, ärztliche Leitung
Abteilungen nach Krankheiten getrennt
Tagesablauf durch medizinische Erfordernisse Bedingt
-> Abweichen vom ursprünglich christlich-Gebets- und caritativ-orientierten Konzept
Bernardino Ramazzini (1633-1714): Anfänge der Arbeitsmedizin
Francis Bacon (1561-1626), Thomas Hobbes (1588-1679): menschlicher Körper als Analogie zum Staatskörper
René Descartes, Gottfried Wilhelm Leibnitz (1646-1716): dreigeteilte Staatsordung
Konstituenten des Menschen
Körper
Seele
Gesellschaft
zuständige Disziplinen
Medizin
Religion
Justiz
zugeordnete Tugenden
Gesundheit
Frömmigkeit
Gerechtigkeit
Johann Peter Frank (1745-1821): staatliche Maßnahmen für alle Lebensbereiche, um Armut, gesundheitliche Schädigung und Krankheit zu vermeiden
Personen, Richtungen und Neuerungen in der Pathologie, in der Chirurgie sowie in der Geburtshilfe des 18. Jahrhunderts
Pathologie
Solidarpathologie, Francois-Xavier Bichat (1771-1802)
(theoretische) Gewebelehre, Vergleich von klinischem und pathologischem Befund
Beziehung zwischen Symptom und pathologisch-anatomischen Substrat
Frankreich
1697 College de chirurgie
1731 Academie royale de chirurgie
1743 Abgrenzung Chirurgen-Barbiere (-> Erhebung der Chirurgie aus dem Handwerksstand)
England/ Schottland
William Hunter (1718-1783)
John Hunter (1728-1793)
Deutschsprachiger Raum
1727 Collegium medico-chirurgicum an der Berliner Charité
1785 Josefinische Medizinisch-Chirurgische Akademie zu Wien
1796 Chirurgische Pepeniére (“Baumschule”) für Militärärzte in Berlin
Professionalisierung (Regelung der Hebammenkunde, Einführung einer verbindlichen Ausbildung)
Justine Siegemundin (gest 1705): “Die Chur-Brandenburgische Hoff-Wehe-Mutter” (1690)
Verwissenschaftlichung, Medikalisierung
Göttingen
Johann Georg Roederer (1726-1763): Ablehnung des Gebärstuhles
Friedrich Benjamin Osiander (1759-1822): technische Verbesserung der Zangengeburt
William Smellie (1697-1763): Beckenmaße
Staatliches Programm der “Peuplierung” (Besiedelung eines nicht oder nur dünn besiedelten Gebietes)
Accouchierhäuser (Entbindungshaus für mittellose Schwangere, dafür Bereitsstellung als Studienobjekt)
Findelhäuser (Vorläufer der “Babyklappe”)
Strafverschärfung bei Abtreibung und Kindstötung
Die Zentren bzw. Ausgangsorte der “klinischen” Medizin des 18. Jahrhunderts und die dort tätigen Prortagonisten mit ihren wesentlichen Leistungen
Zentren klinischer Medizin
Holland
Leiden: Herman Boerhaave (1668-1738)
Empiriker, Iatromechaniker, Elektriker
Verbidnung von eigener und fremder Erfahrung
Bedeutende Schüler (Schüler von Edinburgh. 1. Wiener Schule, Albrecht von Haller, Julien de La Mettrie)
Schottland
Edinburgh
William Withering: Digitalis-Therapie
William Heberden: Arthroseknötchen, Angina pectoris, Windpocken
Robert Whytt: Schock, tuberkulöse Meningitis, Reflexlehre
John Brown: Irritabilitätsdynamismus
William Cullen: Neuropathophysiologie, Gicht, Materia medica mit chemische Methoden
Alexander Monro: Anatomie, Chirurgir
Österreich
die erste Wiener Schule
Gerard van Swieten (1700-1772), Anton Störck (1731-1803), Leibärzte Maria Theresias
Umfassende Medizinalreformen
Johann Peter Frank (1751-1835), umfassende gesundheitspolitische Reglements
Anton de Haen (1704-1776): Unterricht am Krankenbett
Leopold Auenbrugger (1722-1809): Perkussion als klinische Praxis
Maximilian Stoll (1742-1788): Vergleich von Klinik und pathologsichem Befund
-> die Meister der Diagnostik am Wiener allgemeinen Krankenhaus
Paris
Solidarpathologie: Francois-Xavier Bichat (1771-1802)
Chirurg, Anatom, Pathologe
theoretische Gewebelehre in Kombination mit Vitalismus
-> Vergleich von klinischem und patholgischem Befund, theoretische Basis für Beziehung zwischen Symptom und pathologisch-anatomischem Substrat
vegetatives Leben: Stoffaufnahme, -abbau, -aufbau, Wachstum, Absonderung
Animalisches Leben: Sensibilität und Kontraktilität
Therapie:
Entzündung: Pflaster, Bäder, Dämpfe
“Reize”: Brech-/Abführmittel, Blasenpflaster, Brennnesseln
Schmerz: Umschäge, Narkotika, Schmerzmittel
Pierre Joseph Desault (1738-1795): Spezialist für Frakturbehandlung, Eponym: typischer Verband bei Clavicula-Fraktur
Philippe Pinel (1745-1826): Sozialpsychiater, berühmt für klinische Beobachtung, psychiatrische Kasuistik, Reform der Irrenpflege (“Befreiung der Irren von ihren Ketten”, im Zuge der französichen Revolution)
Jean Nicolas Corvisart de Marest (1775-1821): Vergleich von Perkussion und Sektionsergebnissen bei Lungen- und Herzleiden
Francios Joseph Victor Broussais (1771-1802): Krankheitslokalisation in Organen, Blutegeltherapie
NKLM: Historische, demographische, medizinische, ökonimische und rechtliche Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorgung in Deutschland
Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorgung in Deutschland
historisch
Krankenversicherung 1883 nach Otto von Bismarck
Krankenversorgung als öffentliche Aufgabe -> Erbe der frühen Neuzeit
demographisch
alternde Bevölkerung
zunahme von (bestimmten) Krankheiten mit höherem Alter
wandelnde Ansprüche an (medizinische) Versorgung
medizinisch
Genfer Gelöbnis(1948/ 2017) (neu nach Hippokratischem Eid)
Schweigepflicht
Gleichberechtigung von Patienten
Schutz des Lebens ab Empfängnis
Achtung und Dank an Lehrer/Schüler/Kollegen
Wirken zum Nutzen der Kranken, Schutz vor unnötigem Schaden/Leid
ökonomisch: vier Prinzipien:
Versicherungspflicht (alle Bürger sind verpflichtet, sich gesetzlich zu versichern, Ausnahme sind Bürger mit einem überschrittenen Mindesteinkommen -> Wahl zwischen privater und gesetzlicher Versicherung)
Beitragsfinanzierung: Gesundheitsversorgung v.a. aus Kassenbeiträgen finanziert, ggf. steuerliche Bezuschussung
Solidaritätsprinzip: “Solidargemeinschaft”, alle haben den gleichen Anspruch auf Lohnfortzahlung und medizinische Behandlung unabhängig von ihren Einzahlungen, alle gesetzlich Versichten tragen gemeinsam das persönliche Risiko der Kosten durch Krankheiten
Selbstverwaltungsprinzip: Das Gesundheitssystem verwaltet sich selbst durch seine Vertreterinnen ((Zahn-)Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Krankenhäuser, Krankenkassen, Versicherte), der Staat gibt nur die Rahmenbedingungen für die medizinische Versorgung vor
rechtlich
Versicherungspflicht
freie Arztwahl
Recht auf Behandlung, Schutz, Erhalt des Lebens, Würde, …
VERSTEHEN
Kriterien für das “Ende des Mittelalters” und den Beginn der Neuzeit (+Beispiele)
Was ist “neu” an der Neuzeit
Warum kann man um 1500 eine Epochenschwelle sehen?
Wie unterscheiden sich Mittelalter und frühe Neuzeit?
Kriterien für das “Ende des Mittelalters” und den Beginn der Neuzeit
Was ist “neu” an der Neuzeit?
Alchemie -> esoterischer Medizin (Paracelsus)
Anatomie -> Widerlegung Galens (Vesalius, jetzt Forschung an Menschen)
Botanik, Zoologie, Geologie -> Naturbeobachtungen
Chirurgie/ Geburtshilfe -> Bedeutung der eigenen Erfahrungen wichtiger als Tradition, Schaffung von Literatur/ wissenschaftlichen Texten
Aufgreifen des antiken Atomismus -> mechanistische Körpemodelle (modifizierte Vier-Säfte-Lehre)
“kleine Eiszeit”, Agrarkrise, wirtschaftliche Rezession, Hungersnot
verschärfte Verteilungskämpfe, Aufstände
-> Aufsplittern der gesellschaftlichen Interessen, Stadt gegen Land
radikale religiöse Bewegungen (diffuse Ängste vor Zauberei, Hexenverfolgung), Kirchenkritik -> Reformation
Vertrauensverlust gegenüber Medizin und Wissenschaft
Unsicherheit durch widersprüchliche Meinungsvielfalt
Infragestellen von zuvor Selbstverständlichem
Neue Herausforderung in der Medizin
1348 Schwarzer Tod als unbekannte Krankheit = Ende des Mittelalters in der Medizin
Gesundheitspolitische Aufgabe der Medizin (von individuumsorientiert zu öffentlichkeitsorientiert)
Zerbrechen sozialer Strukturen
Neue Reglementierung (“Reisepass”)
Antoniusfeuer (Ergotismus, Mutterkornveriftung)
Ausbreitung eines Pilzes über Getreide
Vasokonstriktion peripherer Gefäße -> Absterben der Extremitäten
um 1500: Syphilis
Girolamo Fracastoro (ca 1478 - 1553): erste Kontagienlehre
schneller tödlicher Verlauf der Krankheit in nicht immuner Bevölkerung
Humanismus (Wiederentdeckung der Antike)
Empirie, wissenschaftliche Hinterfragung von Tradition/ alten Quellen
Humoraplathologie -> Iatrochemie/ Iatrophysik
Entdeckung des Blutkreislaufes -> Verwerfung vieler früherer Annahmen
Wiederentdeckung der Natur -> Schwepunkt Morphologie, nicht Wirkung wie im Mittelalter
“Renaissance” -> Anwendung auf Medizin (+Diskussion)
Renaisance
=von Italien ausgehende kulturelle Bewegung in Europa im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit (14. bis 16. Jahrhundert)
Rückbesinnung auf Werte und Formen der griechisch-römischen Antike in Literatur, Philosophie, Wissenschaft und für deren Stil
Einfachheit und Klarheit der Formen und der Linienführung charakteristisch sind
Italienische Kunst und Architektur
Frührenaissance (Florenz)
Hochrenaissance (Pienza, Venedig)
ab 1506: Neubau der Peterskirche in Rom: Bramante, Raffael, Michelangelo
Renaissance und Medizin
Wiederentdeckung antiker Esoterik und “Hermetischer Tradition” (Hermes Trismegistos = agyptischer Gott Thot)
-> Traumbücher, Orakel, Steinbücher, Alchemie, Geheimlehre
Wiederentdeckung der griechischen Origialtexte von Hippokrates und Galen
Aufschwung der galenischen Anatomie
humanistisches Paradox (= im Zeitalter der Aufklärung greift man auf griechische Quellen zurück, stellt aber fest, dass diese (teilweise) nicht stimmen (z.B. Anatomie nach Galen, da dieser an Tieren und nicht an Menschen forschte)
Charakterisierung von Paracelsus als “Person des Übergangs” zwischen Mittelalter und Neuzeit anhand von Leben und Werk
Paracelsus - “Person des Übergangs”
Philipp Theophrast Bombast (1493-1541)
Person des Übergangs zwischen mittelalterlichen Theorien und neuzeitlichem Aufbruch
geboren bei Einsiedeln, 1502 Umzug nach Villach -> Wanderleben
lernte bereits als Kind Bergbau, Erzgewinnung, Berggeister, spezifische Krankheiten kennen
1509-11: in Wien: artes liberales?
1513-16 in Ferrara: Medizinstudium
-> Diplom und Immatrikulation an den Unis ist alledings nicht nachweisbar
1516-24 Wanderleben
1524 in Salzburg, Kontakt mit aufständischen Bauern, Konflikt mit Erzbischof
1526 Straßburg
1527 Stadtarzt in Basel, Lehrauftrag an Ujniversiät, legendäre Bücherverbrennnung, vergebliche Behandlung des Verlegers Johann Froben, Flucht nach Colmar
1528-30 Wanderleben als Militärchirurg
09/1541 plötzlicher Tod in Salzburg
Werke:
1530 “Paragranum”
1531 “Opus paramirum”
1533 “Große Wundarznei”
Paragranum
Opus paramirum
Beschreibung
4 Säulen der Medizin
Krankheitslehre auf der Basis von 3 Grundstoffen
Inhalt
Philosphia
(Naturbeobachtung)
Astronomia (Astrologie)
Alchimia
(Alchemie)
-> Opus, Vulcanus, Arcanum, Iliaster, Archaeus
Physica
(Ethik)
ens naturale
sal mercuris, sulfur (Salz, Quecksilber, Schwefel, Dreierschema, hiernach auch Einteilung von Krankheiten)
ens veneni
(auf die Dosis kommt es an)
ens astrale
(auf die Sterne)
ens spirituale
(“Licht der Natur”)
ens dei
Einfluss von Alchemie, sowie von Physik und Mechanik auf die frühneuzeitliche Medizin und auf die Medizin der Aufklärung
Einfluss auf die frühneuzeitliche Medizin und auf die Medizin der Aufklärung
Praxis, Handwerk, Technik; Laboratiorium, Destillation (neues Spektrum therapeutischer Intervention für die Medizin)
Theorie, (Natur-)Philosophie (für die Medizin am Wichtisten)
Mystik, Offenbarung, Selbsterfahrung (Metaphern, Weltdeutung, Antropologie -> Spekulative Elemente wie Homunkulus, Frage nach der Seele künstlich hergrstellter Menschen)
Physik
Aufaschwung von Physik und Mechanik
Möglichkeit der Mikroskopie durch Glasschliff aus Amsterdam
Mechanik
Korpuskeltheorie (Theorie der kleinsten Teilchen)
Körper als hydraulische Maschiene
mechanistisches Menschenbild als medizinisches und philosophisches Thema
Anwendung des Begriffes “Dialektik der Aufklärung” auf die Medizin
Dialektik der Aufklärung: gegensätzliche Meinungen in Konkurrenz zueinander
in Medizin: parallele Existenz zweier Strömungen: Wissenschaft/ Empirie vs. Zuwendung zu seelischen Ungleichgewichten als Krankheitsursache und antiken (Similaritäts-)Prinzipien als Heilmittel
die “moderne Seite”
Rationalität/ Vernunft
Rationalismus
Moralismus
Zunahme Allgemein-bildung
Steigerung des Stellenwertes der Wissenschaft
Forschung vor allem in Grund-wissenschaften (Chemie!)
die “gegen-rationalistische” Seite
Melancholie Hypochondrie, Langeweile
Affekt, Pathos, Idylle
Iatro-dynamismus
Homöoptahie
Was ist eine medizinische “Schule”?
Was ist eine “medizinische Schule”?
Orte medizinisch/ wissenschaftlichen Umschwungs
bedeutende medizinische Lehre und Forschung
bedeutende Zentren praktizierter Medizin
Beispiele
erste Wiener Schule
Umfassende Medizinalreform
Unterricht am Krankenbett
gesundheitspolitische Reglements
Vergleich von Klinik und pathologischem Befund
Pariser Schule
Neuerungen in Frakturbehandlung
klinsche Beobachtungen, psychatrische Kasuistik
vergleich Perkussions- und Sektionsergebnisse
Krankheitslokalisation in Organen
Tendenz einer “Verzeitlichung der Natur” im 18.Jahrhundert in Beziehung zur Medizin
-> Natur(-geschichte) ist als solches nicht statisch sondern in stetiger Veränderung
Lehre
ursprünglicher Ansatz
neuer Ansatz
Spontanzeugung
vermeintlich spontane Entstehung z.B. von Pilzen auf faulenden Lebensmitteln
Entdeckung verschiedener Mikroorganismen
Louis Pasteur (1822-1895): Sterilisierung durch Kochen und luftdichtes Verschließen -> Gegenbeweis einer Spontanzeugung
Präformationslehre
sämtliche Organe sind vor der Geburt vorhanden und wachsen im Laufe der Entwicklung nur noch
Caspar Friedrich Wolff (1734-1794): entdeckung der Urniere (Wolff´sche Gänge), “Keimblätter”, Epigenese als Voraussezung der modernen Embryologie
Erklärung der Attraktivität vitalistischer Theorien im 18.Jahrhundert
im 18./ 19.Jahrhundert als “klassiche Medizin” sehr invasive Behandlungsmethoden
Aderlässe (z.T. bis Ausbluten)
starke Brech-/ und Abführmittel
Zuwendung von Patienten zur “sanften Alternative” vitalistischer Medizin
Irrirabilitätsdynamismus
…
v.a. Homöopathie mit großer Gesellschaftlicher Wirkung -> Journale Hahnemanns mit erfolgreichen individuellen Krankenbehandlungen
gut Vereinbar mit der gefühlsbetonten Komponente der “Dialektik der Aufklärung”
Welche Rolle spielten die Pocken in der frühen Neuzeit?
-> gelesen, aber nicht explizit im Katalog genannt
Blattern-Pocken-Variola
große Krankheit des 19.Jahrhunderts
Viruserkrankung mit verschiedenen Varianten (weiße/ schwarze Blattern)
durch Tröpfcheninfektion und Einatmen von Staub übertragen -> sehr infektiös, 12-14 Tage Inkubationszeit
Fieber, Rachenkatarrh, kleine Flecken, Eiterbläschen, v.a. im Gesicht und an Armen/ Beinen, Krustenbildung
in schweren Fällen: Blindheit, Taubheit, Lähmung
zu 30% tödlich, hauptsächlich durch Lungenentzündung
letzte große Epidemie in Europa um 1870 und 1873
Berühmte Patienten
Ludwig van Beethoven
Friedrich Schiller
Johann Wolfgang von Goethe
Maria Theresia
Friedrich II der Große
Wie begann die Impfung und wie setzte sie sich durch?
Impfung
Die ersten Versuche - ein Fehlschlag
1714: Bericht des griechischen Arztes Timoni an die königliche Gesellschaft der Wissenschaften in London, dass in Konstantinopel Tausende Menschen mit Blattert gefopft wurden
Einführen des Verfahrens (Einritzen von Pockeneiter in den Arm) in England von Lady Mary Wortley Montague (1689-1762)
europaweit bekannte Schriftstellerin und Lyrikerin
1713 Tod des Bruders an Pocken und eigene Erkrankung
Ehemann Botschafter im Osmanischen Reich
Kontakt zum Englsichen Hof
1717 und 1721: Impfung ihrer eigenen Kinder
fast 1000 Personen, darunter aber auch Erkrankungen und Todesfällle
1783: Variolation durch Christoph Wilhelm Hufeland (1762-1836) in Weimar
öfter Pockenepidemien ausgelöst: Hamburg und Berlin 1794 und 1795, daraufhin verbot in vielen Städten und auf Landesebene
seit 1765 “Kreuzimmunität” mit “Kuhpocken” in England bekannt -> ungefährlicher, danach keine Infektion mehr mit echten Pocken
seit 1766 durch Hugh Grove und Daniel Sutton Inokulation von Kuhpocken
John Fewster (1738-1824): Entdecker des Nutzens von Kuhpocken wegen Bericht vor der lokalen Ärztegesellschaft
1796: Edward Jenner (1749-1823): Impfung mit Vacciniavirus (leichterer Verlauf als Kuhpocken, enger mit den Pferdepocken verwandt)
1799 erste Pockenimpfung in Wien
Einführung für Militärangehörige von Napoleon Bonaparte
Jenner: 1757 beinahe an Pocken gestorben
-> dreijährige medizinische Lehre in London
-> 1796: Impfung eines Kindes mit dem Eiter einer an Kuhpocken erkrankten Milchmagd (Milchmädchen-Mythos) -> Keine Ansteckung
-> Ablehnung von Royal Society, da Einzelfall
-> weitere Versuche, v.a. an Kindern
-> Publikation weiterer Erkenntnisse um 1799 und 1800
Siegeszug der Impfung
deutsches Reich: 1807 Einführung der Impfpflicht in Bayern
Vakzination in Preußen durch Hufeland eingeführt
1877 doppelte Impfpflicht im deutschen Reich vorgeschrieben
ab 1967 weltweite Impfkampagne der WHO mit abgeschwächten Viren aus Zellkulturen, Anfangs allerdings relativ nebenwirkungsreich -> bis heute als Argument von Impfgegnern benutzt
1980 Welt für Pockenfrei erklärt
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