Was ist der historische Hintergrund des Therapieende?
Stiefkind in Theoriebildung und Forschung
Aufsatz über Die endliche und die unendliche Analyse (Freud, 1937)
„Entwöhnungsperiode“ als die wichtigste Phase der Analyse (Ferenczi, 1994)
Analyse soll an Erschöpfung sterben und weder von Patient noch Arzt gekündigt werden (Ferenczi, 1927)
Ungünstig erlebte und nachträglich negativ bewertete Trennung (z.B. Geburt, Entwöhnung, Trennung aus dem Elternhaus) als Hauptursache von NeurosenàEmpfehlung: Augenmerk auf Trennungsgeschehen von Beginn an (Rank, 1924)
Freuds Prinzip der Nachträglichkeit:
Umarbeitung und Neubewertung früherer Erfahrungen des Patienten durch eine neue Erfahrung in der Therapie
bewusst erlebtes Trennen aus der Therapie kann Patienten die Verarbeitung von früheren negativen Trennungserfahrungen ermöglichen
Weiterentwicklung in der nachtherapeutischen Phase und schrittweise Lösung des Traumas (Laplance & Pontalis, 1973)
Was beinhaltet die Beendigungsphase?
Erfordert theoriegeleitete und übertragungskontrollierte Kompetenz des Psychotherapeuten
Identifikation des angemessenen Zeitpunkts für die Beendigung von Behandlungsbeginn an
Einfluss von persönlichem Erleben und Wissen des Therapeuten über Trennung und Abschied, z.B. eigener Trennungsunwille, Trennungsängste
gesellschaftliche Vorstellungen von Beenden und Trennen, z.B. Vermeidung, Verleugnung
Was für Faktoren wirken sich auf das Therapieende aus?
nicht selten haben Patienten in ihrer Vergangenheit schlechte Trennungserfahrungen gemacht, deshalb ist es wichtig das auch mit den Patienten zu thematisieren, dass die Therapie auch irgendwann zu Ende sein wird
in der Therapie ist es wichtig den Patienten eine positive Trennungserfahrung zu ermöglichen im Rahmen der Therapie, um negative frühere Trennungen durch Neubewertungen aktualisieren zu können
Zum ende hin der Therapie soll nicht mehr Übertragungsfördernd gearbeitet werden
Wie definiert sich Trennungskompetenz?
Definition:
Trennungskompetenz = ein absichtsvolles, reflektiertes, sich an mehreren Schritten vollziehendes Beendigungs- oder Trennungsverhalten, das die dabei beteiligten körperlichen, emotionalen, ethischen Komponenten ausbalanciert, um zu einem bewältigbaren und willentlich angestrebten Übergang des Patienten (oder sich selbst) in neue Erlebnis-, Beziehungs- und Verhaltensebenen zu gelangen
Theoretisches und persönliches Beendigungswissen
Erfahrungen im Umgang mit den eigenen Vermeidungs- und Abwehrmechanismen im Kontext von Beendigung und Trennung in der Lehrtherapie
Störungsspezifisches Wissen über Trennung und Beendigung bei bestimmten klinischen Bildern und deren schulenspezifischen Theorien
Beendigungshandeln: methodisch-technisches Strategien, z.B. aktives Ansprechen, Bilanzierung, realistische Therapieziele...
Was versteht man unter Beendigungswissen?
Eigene Lebenserfahrung mit Abschied und Trennen, früh erlernte Trennungsmuster
Erfahrungen, wie andere im sozialen Umfeld Trennungen und Beendigungen handhaben (oder in der Literatur)
Wissen darüber, wie die Abschlussphase ein übertragungsanfälliger Zeitraum ist, in dem ein wichtiges Beziehungsgeschehen zwischen Patient und Therapeut ausgelöst werden kann
Schulenspezifisches Fachwissen, z.B. über Bindungstheorien, Übertragung und Gegenübertragung beim Abschied
Störungsspezifisches Wissen über Trennungsmuster bei bestimmten klinischen Bildern
Beendigung der eigenen Lehrtherapie: Psychotherapeuten gestalten Beendigungen der eigenen Behandlungen so ähnlich, wie sie es selbst in ihrer Lehrtherapie erlebt haben (Müller-Ebert, 2001)
Was für Beendigungshinweise gibt es?
Was für Themen und Kategorien von Beendigungshandeln gibt es?
Was für methodisch-technische Strategien der Beendungsphase gibt es?
Aktives Ansprechen und Planen des Endes
Bilanzierung
Änderung der Sitzungsfrequenz/ Therapieintervalle
Übergangs- oder Trennungsrituale
Sonderfall: vorzeitige Beendigung
Was beinhaltet die Strategie des aktiven Ansprechen & planen des Ende?
Zeitliche Begrenzung durch Stundenkontigentierung
Endlichkeit der therapeutischen Beziehung und des Geschehens
Realitätsprüfung des Erreichten
Weichenstellung für Weiterbehandlung
Wiederbelebung des Erlebens von Verlassenwerden aus früheren Objektbeziehungen → Entwicklung einer neuen Möglichkeit der Loslösung
Rückblick auf frühere Trennungs- und Trauererlebnisse
Was beinhaltet die Strategie der Bilanzierung?
Überprüfung der Therapieziele und Lösungen, realistische Planung für Abschluss
Zukunftsplanung und –visionen des Patienten
Bisher unbearbeitete Konflikte können thematisiert und bearbeitet werden unter Berücksichtigung der Bindungs- und Trennungsmuster
Was beinhaltet die Strategie der Änderung der Sitzungsfrequenz/Therapieintervalle?
Niederfrequenteres Arbeiten, Strecken oder „Ausschleichen“ des noch verfügbaren Stundenkontingents
Gelegentliche Stütztermine in größeren Zeitabständen
Mutter-Kind-Modell nach Melanie Klein:
Verfügbarkeit der Mutter als sichere Basis im Hintergrund während das Kind seinen Aktionsradius ausweitet
Gefahr!: Illusion der unendlichen Verfügbarkeit und Konfliktvermeidung
Was beinhaltet die Strategie der Übergangs- oder Trennungsrituale?
Ritualisierte Feste oder Übergänge im Alltagsleben (z.B. Abschlussfeiern wie Abiturball oder Polterabend)
Möglichkeit letzte Therapiestunde im Sinne einer Abschlusssitzung „begehen“
Abschiedsgeschenke von Patienten mit Wunsch nach Dankbarkeit oder einen Gegenstand zu hinterlassen
Was beinhaltet der Sonderfall der vorzeitigen Beendigung?
Umzug, Schwangerschaft als mögliche Gründe für vorzeitige,
einvernehmliche Beendigung
Techniken der Abbruchprophylaxe, z.B. durch klaren Therapievertrag, zum Umgang mit Schwierigkeiten in der therapeutischen Beziehung
Gezieltes Ansprechen von Ängsten, Zukunftsvisionen entwickeln, Trennungsmuster von Patienten aufdecken,
z.B. sang- und klangloses Verschwinden, „Aushalten den anderen Zurückzulassen“, Schuldgefühle, Vorfreude...
Was für Möglichkeiten gibt es Trennungsthemen bereits frühzeitig in der Therapie anzusprechen?
Ausgeweitete Anamnese, in der Trennungsthemen bereits angesprochen werden:
Wie erlebt Patient Abschiede im Alltag?
Verabschiedet er sich in der Regel oder vermeidet er dies?
Erleidet er eine Trennung oder einen Abschied eher oder leitet er sie selbst aktiv ein?
Was stellt er sich unter einer gelungenen Behandlung vor? Wann wäre sie seiner Meinung nach beendet?
Was möchte er erreichen?
„Wunderfrage“ (De Shazer, 1989):
Woran würden Sie merken, dass Ihre Behandlung erfolgreich war?
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