Berufliche Entwicklungsaufgaben im Lebensverlauf
Karriere-Modell von Super (z. B. 1990):
Annahme: berufliche Präferenzen und Kompetenzen verändern sich über den Lebensverlauf
Unterscheidung verschiedener Stadien mit spezifischen Entwicklungsaufgaben
Bewältigung der Entwicklungsaufgaben führt zu Ausbildung des beruflichen Selbstkonzepts
Phasen und berufliche Entwicklungsaufgaben nach Super (1990)
Wachstumsphase (zwischen 4. und 13. Lebensjahr)
Zukunftszuwendung
Kontrollerleben
förderlich: Erfahrungen erfolgreicher Problembewältigung
Entwicklung von Kriterien für Ausbildungs-/Berufswahl
z. B. „Hauptsache, es macht Spaß“, „Ich will nie arbeitslos werden“, „Man kann den Beruf auch wechseln, wenn er keinen Spaß mehr macht“…
Selbstvertrauen entwickeln
förderlich: sichere psychische Bindung
Grundlagen für berufliche Entscheidungskompetenz
förderlich: Freiraum für eigene Entscheidungen
Förderung des Belohnungsaufschubs
Phasen und berufliche Entwicklungsaufgaben nach Super (1990) (II)
Explorationsphase (zwischen 14. und 24. Lebensjahr)
Kristallisation
Differenzierte Einschätzung eigener Interessensfelder, Werte und Fähigkeiten (z. B. durch Selbsterprobung)
Spezifikation
Auswahl einer spezifischen Wunschtätigkeit
Aktualisierung
Umsetzung des Wunschs
Gehen alle Personen Entwicklungsaufgaben in der Explorationsphase gleich an?
3 unterschiedliche Stile:
Informationsorientierter Stil:
aktives Suchverhalten
eigenständiges, stark problemorientiertes Vorgehen
Normorientierter Stil:
sehr enge Anlehnung an Vorgaben und Erwartungen wichtiger anderer Personen
enge Bindung an die Herkunftsfamilie
Vermeidender Stil
hinauszögerndes und vermeidendes Verhalten bzgl. beruflichen Entscheidungen
Fehlen positiver Rollenmodelle
Verhaltensdefizite beim problemorientierten Vorgehen
emotionszentrierte Bewältigungsversuche
Phasen und berufliche Entwicklungsaufgaben nach Super (1990) (III)
Etablierungsphase (zwischen dem 25. und 44. Lebensjahr)
Aufrechterhaltungsphase (zwischen dem 45. und 64. Lebensjahr)
Stabilisierung
Konsolidierung
Aufstieg
Sicherung
Innovation
Ausscheiden aus dem Erwerbsleben (ab dem 65. Lebensjahr)
Welche Einflussfaktoren beeinflussen die Wahl eines Berufs?
Sozial-kognitive Karriere-Theorie
Lent et al. (1994):
Ausgehend u. a. von Bandura‘s sozial-kognitiver Theorie:
Welche beruflichen Interessen gibt es, und wie wirken sich diese aus?
Annahmen von Hollands RIASEC-Modell:
Personen unterscheiden sich gemäß ihrer Interessen
6 verschiedene Interessens- (= Persönlichkeits-)Typen
Arbeitstätigkeiten bzw. -umgebungen unterscheiden sich gemäß ihrer Merkmale
6 verschiedene Bereiche
Übereinstimmung zwischen Persönlichkeitstyp und Arbeitstätigkeit führt zu:
Zufriedenheit
Stabilität des gewählten Berufs- und Karrierewegs
beruflichem Erfolg
Warum heißt das RIASEC-Modell so wie es heißt?
Typen und Bereiche:
Realistic (Realistisch)
Investigative (Investigativ)
Artistic (Künstlerisch)
Social (Sozial)
Enterprising (Unternehmerisch)
Conventional (Konventionell)
Interessenstypen
Realistisch
Investigativ
Künstlerisch
Realistisch (praktisch-technische Orientierung):
=> Tätigkeiten, die Kraft, Koordination und Handgeschicklichkeit erfordern und zu konkreten, sichtbaren Ergebnissen führen
Investigativ (intellektuell-forschende Orientierung):
=> Tätigkeiten, bei denen Auseinandersetzung mit physikalischen, biologischen oder kulturellen Phänomenen mit Hilfe systematischer Beobachtung und Forschung im Mittelpunkt steht
Künstlerisch (künstlerisch-sprachliche Orientierung):
=> Offene, unstrukturierte Aktivitäten, die künstlerische Selbstdarstellung oder Schaffung kreativer Produkte ermöglichen
Interessenstypen II
Social
Enterprising
Konventionell
Social (soziale Orientierung):
=> Tätigkeiten, bei denen man sich mit anderen in Form von Unterrichten, Ausbilden, Versorgen oder Pflegen befassen kann
Enterprising (unternehmerische Orientierung):
=> Tätigkeiten und Situationen, bei denen man andere mit Hilfe der Sprache oder anderer Mittel beeinflussen, zu etwas bringen, führen, auch manipulieren kann
Konventionell (konventionelle Orientierung):
=> Tätigkeiten, bei denen strukturierter und regelhafter Umgang mit Daten im Vordergrund steht, z. B. Aufzeichnungen führen, Daten speichern, Dokumentationen führen, mit Büromaschinen arbeiten u. ä. (ordnendverwaltende Tätigkeiten)
Hexagonale Anordnung der Typen
Welche Annahmen stecken hinter dieser hexagonalen Anordnung?
Typen, die näher beieinander liegen, sind sich auch ähnlicher
Am geringsten ist die Ähnlichkeiten von Typen, die einander gegenüber liegen
Menschen mit näher beieinander liegenden Interessen weisen stabilere Interessen und berufliche Aktivitäten auf
Ist Interesse ein guter Prädiktor für Leistung?
alte Sichtweise
Alte Sichtweise:
nur geringe Korrelation zwischen Interesse und Leistung mit r = .10 (Hunter & Hunter, 1984)
=> Interessen sind nur von geringer Bedeutung
Person-Environment-Fit-Theorie (Holland, 1997)
=> Nicht die Stärke eines einzelnen Faktors, sondern die Übereinstimmung zwischen dem individuellen Interessensprofil und dem Profil der Arbeitsumgebung (P-E Fit) wichtig:
Metaanalyse von Nye et al.
Niedrige bis moderate Korrelation zwischen Interesse und Leistung im beruflichen und akademischen Kontext
Hollands (2007) Kongruenzkoeffizienten sind stärkere Prädiktoren für Leistung als einzelne Interessen-Scores
Kongruenzkoeffizienten korrelieren zudem positiv mit:
Aufgabenbezogener Leistung
OCB
Verbleib im Unternehmen
Implikation für die Personalauswahl:
Übereinstimmung zwischen individuellen Interessen von potentiellen Arbeitnehmer*innen und der Arbeitsumgebung = moderater Prädiktor für die berufliche Leistung
Ist Zufriedenheit ein guter Prädiktor für Leistung?
Metaanalyse von Hoff et al. (2020):
Nur niedrige bis moderate Korrelation zwischen Erfüllung von Interesse und globaler Arbeitszufriedenheit
Aber z. T. deutlich höhere Korrelationen für spezifische Zufriedenheits Aspekte:
Zufriedenheit mit der generellen Berufswahl
Zufriedenheit mit der Organisation
Spielen neben beruflichen Interessen und Werten noch andere Dinge eine Rolle für die Berufswahl?
Annahmen des allokationstheoretischen Ansatz:
Berufswahl und spätere berufliche Entwicklung sind vor allem Resultat der Zuweisung (= Allokation) beruflicher Möglichkeiten durch die Umgebung des Individuums
berufliche Entwicklung wird weitgehend von ökonomischen und sozialen Bedingungen bestimmt:
Allgemeine Wirtschaftslage
Arbeitsmarktlage
Verdienstmöglichkeiten
Sozio-ökonomische Schichtzugehörigkeit
Familie
Schule
Peer-Group
Welche sozialen und ökonomischen Faktoren haben Einfluss auf Bildungswege und Berufswahl?
Besuchtes Schulniveau
Sozioökonomische Stellung der Familie
Kulturelles Kapital der Familie
z. B. gesprochene Sprache(n)
Niveau der elterlichen Schul- und Berufsausbildung
Kulturelle Praxis (z. B. Verfügbarkeit von und Diskussion über anspruchsvolle Zeitungen und Bücher)
Soziales Kapital
bildet sich in sozialen Netzwerken
hängt ab von Familienstand (vollständige vs. unvollständige Familie), Berufstätigkeit (vs. Arbeitslosigkeit) der Eltern und Interaktionsstil und -intensität
Bedeutung der sozioökonomischen Stellung
PISA-Studie (z. B. Baumert & Schümer, 2001)
Die Chance, ein Gymnasium anstelle der Realschule zu besuchen, ist bei jeweils vergleichbarer Intelligenz und Lesefertigkeit …
3x so hoch für 15-Jährige, wenn Eltern Akademiker*innen vs. Facharbeiter*innen sind
5x so hoch für Schüler*innen, die bzgl. ihrem ökonomischen, kulturellen und sozialen Status im obersten Bevölkerungsviertel liegen vs. im zweitobersten Viertel
Gravitation
Die Prozesse, die dazu führen, dass Organisationen bestimmte Menschen anziehen und für die Mitarbeit auswählen
Organisationale Sozialisation
Der Prozess ….
der Vermittlung und des Erwerbs von Kenntnissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Überzeugungen, Werthaltungen und Normen
der eine Person dazu befähigt, die von der Organisation an sie gestellten Handlungsanforderungen zu erfüllen
ASA-Modell von Schneider (1987)
= Attraction-Selection-Attrition-Modell
Ausgangsfrage: Warum ähneln sich Mitglieder einer Organisation häufig in ihrer Persönlichkeit?
3 zentrale Prozesse:
Attraction (= Anziehung)
Selection (= Auswahl)
Attrition (= Abnutzung, Abgang)
Welche Implikationen hat das ASA-Modell?
Passung zwischen Person und Unternehmen hat zentralen Einfluss darauf, aus welchen Individuen eine Organisation besteht
z. B. Persönlichkeitseigenschaften und Werte von Mitarbeitenden ähneln überzufällig jenen der CEOs dieser Unternehmen (Giberson, Resick & Dickson, 2005)
Veränderungen der Kultur eines Unternehmens sind u. U. leichter durch Austausch der Verantwortlichen des Unternehmens zu erreichen als durch Versuche, diese Verantwortlichen zu verändern
Phasen und Konsequenzen der organisationalen Sozialisation
Organisationales Commitment
psychologisches Band zwischen Mitarbeiter*in und Organisation
Gefühl der Verbundenheit mit bzw. Verpflichtung gegenüber der Organisation
=> Wunsch, in der Organisation zu bleiben
Welche Aspekte umfasst organisationales Commitment?
Fluktation
Indikator für misslungene Sozialisation, da sich Investitionen der Organisation z. B. für Rekrutierung, Ausbildung etc. nicht amortisieren
Unterscheidung von
freiwilliger Fluktuation (= Kündigung durch Mitarbeiter*innen)
unfreiwilliger Fluktuation (= Kündigung durch Unternehmen)
Probleme:
auch freiwillige Kündigungen sind u. U. nicht wirklich freiwillig
Fluktuation auch stark abhängig von Situation auf dem Arbeitsmarkt
Effekte von verletzten Erwartungen
Metaanalyse von Wanous et al. (1992):
Verletzte Erwartungen bei neuen Mitarbeitenden gehen einher mit:
niedrigerer Arbeitszufriedenheit
weniger Commitment
einer niedrigeren Arbeitsleistung
einer niedrigeren Intention zu bleiben
mehr Kündigungen
Kann man falsche Erwartungen vermeiden?
Realistic Job Preview (Wanous, 1989):
dt. = realistische Tätigkeitsvorschau
Ziele:
Vermeidung falscher Erwartungen
Erhöhung von Arbeitszufriedenheit
Reduktion der Fluktuationsneigung
Bewerber*innen bekommen während Auswahlprozess realistische Infos bzgl. positiven und negativen Aspekten der Tätigkeit, z. B.:
Fehlen von Abwechslung
Ungünstige Arbeitsbedingungen (Schichtarbeit, Nachtarbeit, Lärm, Hitze, …)
Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten
Schwierige Kundschaft
Welche Effekte haben Realistic Job Previews?
Zudem sind RJPs effektiver (Earnest et al., 2011)…
wenn sie mündlich (im Ggs. zu schriftlich) dargeboten wurden
wenn sie umfassender bzw. länger waren
Wie wirken PJPs auf die Kündigungshäufigkeit?
Beispielstudie von Wanous (1973)
zu RJP
Prüfung der Effekte von Realistic Job Previews bei der Rekrutierung von Telefonistinnen
Ursprünglich: Sehr hohe Fluktuation bei neu eingestellten Telefonistinnen
2 Gruppen:
EG mit RJP im Rahmen eines Films für Bewerberinnen
KG mit traditionellem Film
Ergebnisse
Nach RJP im Vergleich zur KG:
Niedrigere Erwartungen bzgl. Inhalten, die im Film behandelt wurden
Niedrigere Kündigungsintentionen
Niedrigere Kündigungsrate 3 Monate nach Stellenantritt
Was kann man zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen machen?
Typische Maßnahmen:
Begrüßung und Einarbeitung durch Vorgesetzte
Einführungsveranstaltungen mit Informationen über das Unternehmen, Struktur, Produkte usw.
Spezifische fachliche Schulungen außerhalb oder innerhalb des Unternehmens
Soziale und sportliche Aktivitäten mit Kolleg*innen
Trainee-Programme
Zuweisung von Paten/innen oder Mentor*innen
Trainee Programme
Programme für Hochschulabsolvent*innen, mit dem Ziel, künftige Führungskräfte oder Spezialist*innen heranzuziehen
Trainees lernen wichtige Firmenbereiche und Personen in einem beschleunigten Zeitrahmen kennen
Trainees werden selbst im Unternehmen bekannt gemacht
Inhalt:
aufeinander abgestimmte Einsätze in verschiedenen Abteilungen
Seminare und andere Weiterbildungen
Netzwerkveranstaltungen
Laufzeit i. d. R. zwischen 12 und 24 Monaten
Paten/innen-Systeme
=> Zuweisung eines erfahrenen Teammitglieds für neue Mitarbeiter*innen für die Dauer der Einarbeitung
Aufgaben des/der Paten/Patin:
Vertrautmachen mit der Arbeitsumgebung
Unterstützung bei Kontaktaufnahme
Konstruktiver Beistand bei Fehlern
Besprechung von Ideen und ggf. Unterstützung bei deren Umsetzung
Betreuungsgespräche mit den Neuen und Hilfe bei der Behebung von Ursachen bei Problemen
Beistand bei persönlichen Problemen
Bei Bedarf Einbezug des/der Vorgesetzten
=> vertraut machen mit „ungeschriebenen Gesetzen“
Mentor*innen Programme
Zuweisung eines/einer Mentors/Mentorin für neue Mitarbeiter*innen (= Mentee/Protégé)
Mentor*innen:
höherrangig als der/die Mentee
mit großer beruflicher Erfahrung und entsprechendem Wissen
Funktionen:
Karrierebezogen: Türen öffnen, Feedback geben, Schutz, Vermittlung herausfordernder Aufgaben, Ermöglichung von Gelegenheiten zur Selbstdarstellung
Psychosozial: Vorbild sein, Hilfestellung und Ratschläge, Anbieten einer freundschaftlichen Vertrauensbeziehung
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