Was ist wesentlich für ein Gespräch?
Wechselseitigkeit
Wechselbeziehung zwischen Sprecher- & Hörerrollen
„Wesentlich für jedes Gespräch – für jeden Dialog (im Gegensatz zum Monolog) – ist die dort herrschende Wechselseitigkeit, die Wechselbeziehung von Sprecher- und Hörerrollen.“
Welche verschiedenen Bezeichnungen werden genutzt?
hier: Gesprächsanalyse = Konversationsanalyse
(Diskursanalyse -> kann auch etwas anderes bedeuten)
angeregt durch die amerik. conversational analysis
≅ Untersuchung von Gesprächen
Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen der
Sprechakttheorie und der Gesprächsanalyse?
Gesprächsanalyse = Fortsetzung der Sprechakttheorie mit anderen Mitteln
allgemeine Beobachtungen zum Sprecherwechsel
allgemeine Beobachtungen:
nur selten kommt es zu Überlappungen
Pausen zwischen Gesprächsbeiträgen dauern durchschnittlich nur Zehntelsekunden
Gespräche funktionieren unabhängig von...
Anzahl der Gesprächsteilnehmer (relativ)
Länge der Redebeiträge
Kommunikationsform (Beispiele: face-to-face; Telefongespräch)
Moderator (bestimmt Reihenfolge)
Auf welchen Ebenen kann man die Organisation von Gesprächen beschreiben?
Makroebene
Mesoebene
Mikroebene
Gesprächsorganisation - Makroebene
Gesprächseröffnung
Gesprächsmitte
Gesprächsbeendigung
Gesprächsorganisation - Mesoebene
Gesprächsschritt (turn)
Sprecherwechsel (turn-taking)
Gesprächssequenz
Sprechakt
Gliederungssignale
Gesprächsorganisation - Mikroenbene
syntaktische
lexikalische
phonologische
prosodische
Strukturen
Wie lann man ein Gespräch definieren?
„Gespräch ist eine begrenzte Folge von sprachlichen Äußerungen, die dialogisch ausgerichtet ist und eine thematische Orientierung aufweist.“
Was braucht man für die Analyse der Gesprächsmitte?
bisher allgemeines Verständnis von Gesprächen
aber möchten wir Regularitäten in Gesprächen erforschen, dann müssen wir genau wissen wovon wir sprechen
Was ist ein Gespräch?
-> Mindestanforderungen
Was sind Mindestanforderungen an ein Gespräch?
mindestens zwei Personen
mindestens ein Sprecherwechsel
Kohärenzforderung
(außerhalb institutionalisierter Kontexte)
Was ist Gegenstand der Gesprächsanalyse?
Gegenstand der Gesprächsanalyse = natürliche Gespräche ≠ konstruierte Gespräche
Welche Fragen ergeben sich bei der Gesprächasanalyse?
Woher Material?
Introspektive
Erinnerungen sind interessengeleitet/ subjektiv
Kompetenzlinguistik
„Sofern Linguistik überhaupt den Anspruch erhebt, eine empirischeWissenschaft zu sein, muß sie sich gründen auf die Analyse eines objektiv umfassend aufgezeichneten Korpus manifester Äußerungen der Sprecher einer Sprache (Henne/Rehbock 2001: 39)
Woher Korpus?
Wie aufzeichnen?
Datenschutz; Menschen verhalten sich anders, wenn sie wissen, dass sie aufgenommen werden
Was ist Forschung im Rahmen deskriptiver Sprachwissenschaft?
„Forschung im Rahmen deskriptiver Sprachwissenschaft besteht darin, Äußerungen in einer einzelnen Sprachvarietät aufzunehmen und dasaufgenommene Material zu analysieren.“
Was ist der Korpus?
Korpus = repräsentative Stichprobe
auf Basis theoretischer Vorannahmen
über die relevanten Merkmale der Grundgesamtheit
Was ist der Vorteil digitaler Aufzeichnung?
• Vollständigkeit
• Objektivität
Welche Schwierigkeiten ergeben sich bei digitaler Aufzeichnung?
Beobachterparadoxon
„[...] [D]as Ziel der sprachwissenschaftlichen Erforschung der Gemeinschaft muß sein, herauszufinden, wie Menschen sprechen, wenn sie nicht systematisch beobachtet werden; wir können die notwendigen Daten jedoch nur durch systematische Beobachtung erhalten.“
versteckte Kamera -> moralisches, technisches Problem
Wie können wir Material beschaffen, das nicht durch das Beobachterparadoxon verfälscht ist?
teilnehmende Beobachtung -> Nähe-Distanz-Problem
ABER versteckte Kamera -> moralisches, technisches Problem
Lösung
Gespräche über einen langen Zeitraum (z.B. 6 Monate, 1 Jahr) aufzeichnen -> irgendwann “vergisst” man das
Was ist derr erste Schritt der Gesprächsanalyse?
Transkription
Schwierigkeiten bei der Transkription
Informationsfülle (Vergleich: Partitur in einem Orchester)
nicht zu wenige Informationen, nicht zu viele Informationen
Herausforderungen forschungspraktischer Natur
So geht man in der Regel davon aus, dass die Notation einer einzigen Stunde Tonbandaufnahme etwa 50 bis 100 Arbeitsstunden benötigt;
bei Videoaufzeichnungen sind i.d.R. 200 bis 400 Arbeitsstunden (je nach Komplexität der Interaktion) vonnöten.
oft Kontrolle des transkribierten Materials durch mehrere Experten zwingend notwendig
-> genügend Mitarbeiter
-> insbesondere eine gesicherte Finanzierung gegeben sein muss, will man ein gesprächsanalytisches Forschungsprojekt durchführen (vgl. hierzu Ernst 2002: 133)
Minimalanforderungen Transkription
Minimalanforderungen (nach Henne/Rehbock 2001: 64; vgl. Ernst 2002: 137):
Notation aller verbalen/tonalen Zeichen
Notation der Hauptbetonung, rhythmisch-intonatorische Markierungen, Pausen, Dehnungen, Wortabbrüche
Kennzeichnung der Lautstärke und des Sprechtempos
Bezeichnung nicht-sprachlicher hörbarer Äußerungen (Lachen, Husten, ...)
selektiver Kommentar zum expressiven Gehalt
Angabe nicht personengebundener hörbarer Ereignisse, soweit relevant; etc. ...
Bei visuellen Daten kommen außerdem hinzu:
Notation der Körper-, Kopf- und Blickzuwendungen der Sprecher
Stichwortartige Beschreibung gesprächsrelevanter gestischer Zeichen und nicht- gestischer Aktionen der Gesprächspartner
Angabe sonstiger gesprächsbeeinflussender oder -erklärender sichtbarer Ereignisse
Transkriptionskopf
Darüber hinaus müssen dem Transkript ausreichende Angaben zu den am Gespräch beteiligten Personen, ihren gegenseitigen Beziehungen, dem situativen Kontext, dem Interaktionsanlass und den Aufnahmedaten (Ort, Zeit, etc.) zu entnehmen sein! (= Transkriptionskopf)
Welche Möglichkeiten des Sprecherwechsels gibt es laut Sacks Harvey/Schegloff, Emanuel/Jefferson und Gail?
zwei Möglichkeiten des Sprecherwechsels:
1. Fremdwahl
moderierte Diskussion, Schulunterricht, Seminar
„Und was sagst du dazu?“
-> einfach
2. Selbstwahl
-> schwierig
Was sind Regeln des Sprecherwechsels?
kulturabhängiges Modell
1. Regel
es spricht immer nur eine Person
2. Regel
Wer nach einem Gesprächsbeitrag zuerst als nächster das Wort ergreift, hat das Anrecht auf den Gesprächsbeitrag
3. Regel
Die 2. Regel gilt nicht, wenn aufgrund älterer Rechte der nächste Beitrag schon für jemand aus der Gesprächsrunde reserviert ist (z.B. wegen Unterbrechung etc.)
Der Sprecherwechsel ruht fest auf der Definition von Beitragseinheiten, welche von Regeln gesteuert werden, die die systematische Verteilung der Redebeiträge an die Teilnehmer organisieren.
Formen des Sprecherwechsels
Formen des Sprecherwechsels:
Sprecherwechsel mit oder ohne „gap“
“peinliches Schweigen” wird interkulturell unterschiedlich wahrgenommen
Sprecherwechsel mit „overlap“
Sprechwechsel mit längerer Pause oder Schweigen
Sprecherwechsel durch Unterbrechung
Wie kann man das Verhältnis benachbarter Gesprächsbeiträge betrachten?
initiierender Akt / determinierender Akt (= erster Teil)
responsiver Akt (= zweiter Teil)
(feste) Paarsequenzen
Gruß / Gegengruß
Frage / Antwort
Angebot / Annahme
Welche pragmatischen Aspekte von Gesprächen kann man analysieren?
Sprecherwechsel
Paarsequenzen
Reparaturen
Vor-Sequenzen
Was sind Paarsequenzen?
Paarsequenzen sind Sequenzen von zwei Äußerungen, die ...
benachbart sind
von verschiedenen Sprechern erzeugt werden
in einen ersten und zweiten Teil aufgelöst werden können
zu bestimmten Gruppen gehören, so dass ein erster Teil einen zweiten verlangt
Durch welches Kriterium muss das Kriterium der Nachbarschaft bei Paarsequenzen ersetzt werden?
Das Kriterium der Nachbarschaft muss durch das der bedingten Relevanz ersetzt werden:
wurde der 1. Teil eines Paares realisiert, so wird die Realisierung des 2. Teils für den nächsten Sprecher relevant und erwartbar
-> Paarsequenzen entstehen durch Erwartungen!
Beispiel:
A: Kann ich die Schuhe anprobieren?
B: Welche Größe brauchen Sie?
A: 39
B: Kein Problem, ich bringe sie Ihnen sofort.
-> Abfolge kann durchaus etwas freier sein
Wie kann man den zweiten Teil von Paarsequenzen einteilen?
Bei Paarsequenzen kann der zweite Teil ein bevorzugter oder weniger bevorzugter Beitrag sein.
gegenläufige Prinzipien, z.B. Motiv: Höflichkeit
Was sind Vor-Sequenzen?
Erscheinung bei Gesprächssequenzen - sogenannte Vor-Sequenzen
aus Gründen der Höflichkeit
Arten von Vor-Sequenzen
Vor-Einladungen
A: Was machst Du heute Abend?
B: Nichts besonderes!
A: Kommst Du mit ins Kino?
Vor-Mitteilungen
A: Rate mal, wen ich gestern getroffen habe.
B: Wen denn?
A: Trude und Heinz.
Welche Struktur haben Vor-Sequenzen?
T1 Frage, mit der eine Vorbedingung für die in T3 auszuführende Handlung überprüft wird
T2 Antwort, die anzeigt, dass die Vorbedingung erfüllt ist, häufiger mit einer zu T3 weiterleitenden Frage oder Bitte.
T3 Die angekündigte Handlung, abhängig vom „grünen Licht“ in T2.
T4 Reaktion auf die Handlung in T3.
Position 1: erster Teil der Vor-Sequenz, der im Allgemeinen den Neuigkeitswert der in Position 3 folgenden Mitteilung prüft
Position 2: zweiter Teil der Vor-Sequenz, der im Allgemeinen den Neuigkeitswert bestätigt, und erster Teil des zweiten Paares in Form einer Aufforderung
Position 3: zweiter Teil des zweiten Paares – die Mitteilung Position 4: Annahme der Neuigkeit
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