Buffl

Gutachtenseminar

cb
by c B.

Kurzinterview für rasche Diagnosen: das Mini-DIPS

− Überblicksartige Erfassung der für den psychotherapeutischen Bereich wichtigsten psychischen Störungen nach den Kriterien des DSM-5 und der ICD-10

− Wesentlicher Unterschied zu anderen diagnostischen Interviews: Kürze der Durchführung erreicht durch:

o Besonderen Aufbau des Interviews

▪ Zusammenfassung der einzelnen Diagnosen zu Problembereichen mit “Vor-Screeningfragen” für die einzelnen Störungen

▪ Voranstellung störungsübergreifender, differenzialdiagnostischer Aspekte in Form einer “Checkliste”

→ Maximierung der Möglichkeit, unnötige Fragen auszulassen

→ Klärung nur dann notwendig, wenn die anderen Kriterien für eine Störung erfüllt sind.

o Verzicht auf rein therapierelevante Fragen

o Verzicht auf über die Diagnose hinausgehende Einschätzungen (z. B. Intensität der Symptome, Stärke der Belastung)

− Durchführungsdauer: nur ca. 30 Minuten! (ohne inakzeptable Qualitätsverluste hinsichtlich der Gütekriterien)

− Ergänzung der diagnostischen Fragen durch stichwortartige Hinweise

→ Gewährleistung einer besseren Genauigkeit der Diagnose trotz der Kürze des Verfahrens

− Diagnosestellung erst am Ende des gesamten Interviews

→ Minimierung der Gefahr, dass gleichzeitig vorliegende (komorbide) Störungen übersehen werden.


Zur Beachtung:

− Keine explizit ausformulierte Vorgabe der Diagnosekriterien im Gegensatz zur

vollständigen Version des DIPS!

→ Voraussetzung eines höheren Ausmaßes an diagnostischen Kenntnissen und Erfahrungen seitens des/der Interviewers/Interviewerin

− In Folge der starken Verkürzung des Interviews grundsätzliche Möglichkeit einer Einbuße an Genauigkeit!

→ Konzeption dahingehend, dass nicht zu vermeidende Fehler möglichst in Form von falsch-positiven und nicht von falsch-negativen Diagnosen auftreten.

Hinweise zur Durchführung des Interviews (7?)

Aufbau von Rapport

-      Entspannte Interviewatmosphäre

-      Anpassung von Wortwahl, Sprachcode, Emotionalität, Lautstärke usw. (Bedeutungsäquivalenz statt Wortäquivalenz)

Wertfreies Interesse

-      Verbale & nonverbale Beziehungsbotschaften (z.B. Nicken, Blickkontakt, bestätigende Inhalte, sachliches Interesse)

—>erhöht Bereitschaft authentisch zu berichten

Dosierte Konfrontation

-      Mit Wiedersprüchen oder der Frage der Eigenverantwortung

-      Entschärfung durch Hinweise auf Notwendigkeit der Frage (Neutralität+ Vertrauensverhältnis) - “ich muss für vollumfassendes bild diese Fragen stellen - nicht nur bestätigende Interaktion

Verhältnis von Fragen zu bestätigenden und konfrontierenden Sachverhalten

-      Balance zw. störungsbezogenen vs. gesundheitsorientiert

-      Beantwortung ausführlich& differenziert vs. zurückhaltend & verzerrt (zb leiden werden Ausführlich beschrieben und Bewältigungsversuche kaum = bedrohlich und entgegengesetzt erlebt)

Schrittweise Differenzierung und Konkretisierung

-      Vorerst Raum für freien Bericht —> dann strukturierte Befragung

-      Reihenfolgeeffekte! (spezifische Frage beeinflusst die Antwort auf eine nachfolgende allgemeine Frage mit erhöhter Wahrsch. während auf eine allg. Frage die nachfolgenden Antworten auf konkrete Fragen weniger beeinflusst scheinen (Wie schlecht ging es ihnen in der depressiven Phase vor einem Monat? Wie würden Sie ihren Gemütszustand letzten Monat beschrieben)

„Kognitives Interview“

-      Verbesserung der Erinnerungsleistung durch Kontextübereinstimmung (Kontexte: Reproduktion- und Wahrnehmungskontext (Assoziationskoetten- zurückversetzen))

-      Umgekehrte zeitliche Reihenfolge/ unterschiedliche Perspektiven = 1/3 mehr korrekte Informationen in Studien

Abschlussfragen

-      „Gibt es noch Sachverhalte, die Sie für wichtig halten oder die Sie gerne ansprechen wollen, die bisher nicht zur Sprache kamen?“

-      Nachfrage nach Bemühungen einen bestimmten Eindruck zu vermitteln

—>wie nimmt Person die Begutachtung wahr? Misstrauensgefüfühle?

Gedächtnisbedingte Verzerrungen

  • Neurokognitive Defizite (z. B. nach Schädel-Hirn-Trauma) können die erinnerte zeitliche Ordnung beeinträchtigen:

  • Episodisches und kontextbezogenes Wissen durch SHT in der Regel stärker beeinträchtigt als semantisches (Welt-) Wissen (Knight & O'Hagan, 2008) [d.h. wann und unter welchen Umständen länger zurückliegende Ereignisse stattgefunden haben, wird durch Schädel-Hirn-Verletzungen in der Regel stärker beeinträchtigt als semantisches (Welt-)Wissen (Knight & O'Hagan, 2008). Betroffen sind vor allem Erinnerungen, die zeitnah zum Unfallereignis aufgetreten sind. Die szenische Rekonstruktion von Ereignissen, Vorgängen oder Abläufen sowie Angaben über komplexe Person-Umwelt-Interaktionen können beeinträchtigt sein, sodass Auslösebedingungen, Krankheitsverlauf und Behandlungswirkungen nicht immer zuverlässig beurteilt werden können]

  • Emotionale Ereignisse werden meist besser erinnert:

    • Personen erinnern emotionsauslösende Ereignisse in der Regel genauer und dauerhafter als alltägliche Ereignisse (Christianson, 1992)

    • negative Ereignisvalenz kann Erinnerungsleistung beeinträchtigen, wenn sie mit Vermeidungstendenzen einher geht (Cohen, 1996)

    • [emotional aufwühlende Erfahrungen mit größerer Wahrscheinlichkeit im Gedächtnis als neutrale Erinnerungen. emotionsauslösende Ereignisse in der Regel genauer und dauerhafter als alltägliche Ereignisse (Christianson, 1992). // Manche Studien: negative Ereignisvalenz die Erinnerungsleistung beeinträchtigen kann, wenn sie mit Vermeidungstendenzen einher geht (Cohen, 1996). // Insgesamt: Wahrscheinlichkeit, prämorbid belastende Ereignisse (z.B. Ängste, Stimmungsschwankungen, soziale Konflikte, Ärger) zu erinnern, über der Wahrscheinlichkeit liegt, mit der emotional neutrale Sachverhalte (etwa zum Funktionsniveau oder zu Verhaltensgewohnheiten im Alltag) erinnert werden. Dies kann Auswirkungen haben auf die Beurteilung des prämorbiden Funktionsniveaus.]

    • Der psychische und physische Zustand während der Befragung beeinflusst Art und Qualität der Erinnerungen:

      • Mit aktueller Stimmung oder Empfindungen übereinstimmende Inhalte werden besser erinnert

      • Bsp. Negative Stimmung = negative Sachverhalte schneller erinnert, positive langsamer

      • —>sowohl die Stimmung in der Untersuchungssituation als auch die Kongruenz der Stimmung mit der emotionalen Qualität des zu erinnernden Ereignisses können sich auf das Ergebnis der Erinnerung auswirken.

        • Während Begutachtung eher angespannte Stimmung vieler = zu erwarten, dass dies die Erinnerung an negativ besetzte Ereignisse begünstigt.

      • Fehlende Erinnerungen werden aufgefüllt und an spätere Ereignisse angepasst:

        • Konfabulation: erschaffen falscher Erinnerungen, wobei die Person selbst überzeugt ist, dass es die Wahrheit ist

      • Erinnerungen werden im Sinne des Selbstkonzepts rekonstruiert:

        • Informationen werden oft in Art und Weise abgespeichert und abgerufen, die mit dominierendem Selbstkonzept der betreffenden Person übereinstimmt / Bsp. Bewusstsein vom eigenen Opferstatus ///// Zusatz: (Nach Pohl (2007) ist eine zentrale Funktion des autobiografischen Gedächtnisses die Bildung des Selbstkonzepts. Informationen werden nicht immer «wahrheitsgemäß» abgespeichert und abgerufen, sondern eher in einer Art und Weise, die mit dem dominierenden Selbstkonzept des Betreffenden vereinbar ist. // Ist das Selbstkonzept eines Geschädigten durch das Bewusstsein vom eigenen Opferstatus und dem Bedürfnis nach Entlastung und Entschädigung bestimmt, dann kann sich dies auf den Abruf von Gedächtnisinhalten auswirken, die diskrepant zum dominierenden Selbstkonzept sind.)


auffüllen Fehlender Erinnerungen

  • Fehlende Erinnerungen werden aufgefüllt und an spätere Ereignisse angepasst:

    • Konfabulation: erschaffen falscher Erinnerungen, wobei die Person selbst überzeugt ist, dass es die Wahrheit ist

    • Nicht selten füllen Probanden fehlende Erinnerungen an autobiografische Ereignisse durch Konfabulationen auf. Die Grenze zwischen Konfabulation und Rekonstruktion ist nicht immer ganz klar, weil auch im normalen Alltag Details realer Erinnerungen häufig konfabuliert werden.

    • Aus der Suggestivitätsforschung ist bekannt, dass es möglich ist, falsche Erinnerungen zu generieren und den Betreffenden zugleich davon zu überzeugen, dass diese Erinnerungen zutreffend sind (Cohen, 1996).

    • Vielfach werden Erinnerungen auch durch nachfolgende Lernerfahrungen (z.B. durch die Erfahrung der Beschwerdechronifizierung) an diese Lernerfahrung angepasst. So erinnern Patienten mit chronischen Schmerzen doppelt so häufig schmerzhafte Ereignisse im Vergleich zu Kontrollpersonen, ohne dazu aufgefordert zu werden (Ruoß, 1999). Die Exploration des prämorbiden Zustandes unterliegt insofern unbewussten Verzerrungen, die bei der Interpretation der Angaben berücksichtigt werden sollten.

    • Unter Konfabulation versteht man in der Medizin das Erzählen von frei erfundenen, objektiv falschen Begebenheiten oder Informationen, die keinen Zusammenhang zur Realität haben, die der Betroffene jedoch in dem Moment für wahr hält.

      • Konfabulation bezeichnet das unbewusste Erschaffen von falschen oder erdachten Erinnerungen aufgrund von Gedächtnislücken oder kognitiven Beeinträchtigungen. Eine Person, die konfabuliert, glaubt aufrichtig an ihre erdachten Erinnerungen, auch wenn sie realitätsfern oder unwahr sind. Dies kann beispielsweise bei Demenz oder Schizophrenie der Fall sein.


Diagnostik einer störungsspezifischen Schadensanlage- Beispiel PTBS

Beispiel PTBS:

·       Diagnostische Leitfrage: Hat Proband*in vor dem Schadensereignis Merkmale aufgewiesen, die die Wahrscheinlichkeit zur Ausbildung einer PTBS erhöhen oder die Schwere der Störung beeinflussen?

 -        Der Einstieg in die Diagnostik einer störungsspezifischen Schadensanlage sollte sich an Erkenntnissen zu den ätiologischen Bedingungen derjenigen Störungen orientieren, die nach dem schädigenden Ereignis aufgetreten sind

 

Vulnerabilisierende Bedingungen für die Entwicklung einer PTBS:

Genetische Einflüsse

·       Nach DSM-IV Hinweise auf eine erbliche Komponente, die dafür sprechen, dass genetisch Verwandte gehäuft krankheitswertig auf stark belastende Ereignisse reagieren

·       Erhöhte Vulnerabilität für Entwicklung einer PTBS bei Verwandten ersten Grades von Personen mit Depressionen

·       Keine überzeugenden Hinweise auf eine genetische Disposition zur Entwicklung einer PTBS (Maercker, 2007)

·       erhöhte Vulnerabilität für die Entwicklung einer PTBS bei Verwandten ersten Grades von Personen mit Depressionen


Psychische Dispositionen nach ICD-10 und DSM-IV

o   Nach ICD-10: Prämorbide Persönlichkeitsfaktoren können Schwelle für Entwicklung Syndrom senken und Verlauf verstärken (ABER: Faktoren weder nötig noch ausreichend, um Auftreten der Störung zu erklären)

o   Nach DSM-IV: soz. Unterstützung, Familienanamnese, Kindheitserfahrungen, Persönlichkeitsvariablen & vorbestehende psychische Störungen können Ausbildung einer PTBS beeinflussen

o   Prädisponierende Faktoren nicht notwendig, um Störung auszulösen; vulnerable Bedingungen beeinflussen jedoch Wahrscheinlichkeit für das Auftreten

o   —> Prämorbide Persönlichkeitsfaktoren = z.B. bestimmte Persönlichkeitszüge (z.B. zwanghafte) oder neurotische Erkrankungen

 

Weitere Ergebnisse zum Forschungsstand

§  Brewin et al. (2000) und Ozer et al. (2003): Metaanalysen zur Untersuchung der Frage nach störungsdisponierenden Faktoren für die Ausbildung einer PTBS

§  Beziehungen zwischen prädisponierenden Faktoren, Traumamerkmalen und nachfolgender PTBS

 -Bisher untersuchte prämorbide vulnerabilisierende Bedingungen wirkten sich ausnahmslos in geringer Effektstärke auf die spätere Ausbildung einer PTBS aus

§  Vorhersagewert prätraumatischer Erfahrungen für spätere PTBS-Entwicklung unabhängig davon, ob Erfahrungen in Kindheit oder im Erwachsenenalter gemacht wurden

§  Prämorbide Gewalttraumata unter zivilen Bedingungentragen tragen stärker zur Vorhersage späterer PTBS bei als Kriegsereignisse oder Unfallerfahrungen

§  Psychische Probleme in zeitlicher Nähe vor Schädigungsereignis erhöhen Wahrscheinlichkeit für späteres Auftreten PTBS-Symptome

 

-        Prämorbide Gewalttraumata unter zivilen Bedingungen = Gewaltverbrechen, Vergewaltigung, häusliche Gewalt

-        Psychische Probleme in zeitlicher Nähe vor Schädigungsereignis:  = dazu zählen Erfahrungen mit Psychotherapie, allgemeine emotionale Probleme, Ängste oder affektive Störungen sowie Persönlichkeitsstörungen

 

o   Einfluss prämorbider Depressivität erhöht Wahrscheinlichkeit für PTBS stärker als andere psychische Beeinträchtigungen

o   Prämorbide Anpassungsprobleme tragen nur bei Unfallereignissen oder nicht-kriegerischen interpersonellen Gewalterfahrungen zur PTBS-Vorhersage bei

o   Interviewerhebungen führen eher als Fragebogenwerte zu Überschätzung Zusammenhang zw. prämorbiden Besonderheiten und späterer PTBS


Fazit:

Bei manifester PTBS sollten Informationen zu folgenden prämorbiden potenziell konkurrierenden Kausalfaktoren erhoben werden:

o   Auffällige Belastungsverarbeitung bei Verwandten ersten Grades

o   Familiäre Psychopathologie

o   Eigene Gewalterfahrung

o   Prämorbide Psychopathologie

o   Prämorbide Persönlichkeit

Auffälligkeiten in mehreren dieser Merkmale? à Entwicklung einer PTBS wird nach Schadensereignis durch Schadensanlage begünstigt

  

 

Diagnostik “allgemeiner” prämorbider Vulnerabilität

  • Explorative Erhebung von Merkmalen einer generellen prämorbiden Vulnerabilität für psychoreaktiver Störungen auf Grundlage psychodynamischer oder kognitiv-lerntheoretischer Annahmen

  • Es existiert kein allgemeines störungsübergreifendes Bedingungs- oder Ätiologiemodell für psychische Störungen

  • Zur Vereinheitlichung der Datensammlung und daraus abgeleiteter Bewertungsprozesse soll sich Informationssammlung an psychodynamischen oder lerntheoretischen Grundkonzepten ausrichten

 - Legt man die operationalisierte psychodynamische Diagnostik (Arbeitskreis OPD) zugrunde, dann eignen sich zur Beurteilung einer allgemeinen prämorbiden Vulnerabilität vor allem Angaben zu den Achsen 2 bis 4 (Beziehung, Konflikt, Struktur)


Merkmale erhöhter prämorbider Vulnerabilität aus psychodynamischer Sicht:

  • eine überwiegend durch unbewusste Anteile geprägte Beziehungsgestaltung

  • eine hohe Bedeutsamkeit repetitiv-dysfunktionaler Konflikte

  • eine geringe Ausprägung oder Desintegration zentraler Strukturmerkmale (Wahrnehmung, Regulierung, Kommunikation, Bindung)

 

 Merkmale erhöhter prämorbider Vulnerabilität aus kognitiv-lerntheoretischer Sicht:

  • Soziale Kompetenzdefizite, geringe soziale Verstärkererfahrungen, interpersonelle Probleme

  • Widersprüchliche und inkonsistente Lernerfahrungen führen auf der Grundlage einer individuellen psychophysiologischen Disposition dauerhaft zu irrationalen Denk- und Verhaltensmustern sowie Verhaltensambivalenz

  • Geringe Breitschaft oder Fähigkeit zur Selbstregulation und zur Integration belastender oder widersprüchlicher Erfahrungen

Fazit:

  • Notwendige Einschätzung allgemeiner prämorbider Vulnerabilität für psychische Störungen bei fehlenden Belegen für störungsspezifische Vulnerabilität

  • Typische allgemein vulnerabilisierende Faktoren: prämorbide habituierte bzw. sich wiederholende Erlebnis- oder Verhaltensweisen, die sich im Umgang mit eigenen Ambivalenzen oder im Umgang mit sozialer Umwelt dauerhaft und situationsübergreifend dysfunktional manifestiert haben

  • Berücksichtigung psychometrische Faktoren, Kombination  interviewbasierter Angaben mit den Ergebnissen standardisierter und normierter Erhebungsverfahren

  • Diagnostik zur Identifikation allgemeiner vulnerabler Faktoren:  Berücksichtigung psychometrische Faktoren, Kombination  interviewbasierter Angaben mit den Ergebnissen standardisierter und normierter Erhebungsverfahren

     

 

 

Disgnostik des prämorbiden Funktionsniveaus

-Sicherung von Infos zum prämordbiden kognitiven, psychischen, körperlichen oder sozialen Funktionsniveau

-Auswahl des zu beurteilenden Funktionsbereichs bemisst sich am Erscheinungsbild der schädigungsbedingten Erkrankungen oder psychischen Störungen

-Ziel: Beurteilung konkurrierender Kausalfaktoren UND Abschätzung der SChwere der erlittenen Schädigung


  • Geht nicht um den Nachweis krankheitswertiger Störungen, sondern um die Sicherung von Informationen zum prämorbiden kognitiven, psychischen, körperlichen oder sozialen Funktionsniveau

  • gewonnene Informationen können sowohl zur Beurteilung konkurrierender Kausalfaktoren als auch zur Abschätzung der Schwere der erlittenen Schädigung verwendet werden

  • Auswahl des zu beurteilenden Funktionsbereichs bemisst sich am Erscheinungsbild der schädigungsbedingten Erkrankung oder psychischen Störung

    • Klagt ein Proband z. B. über sozialen Rückzug und die Vermeidung sozialer Aktivitäten aufgrund eines unfallreaktiv aufgetretenen Tinnitus, dann zielt die prämorbide Diagnostik auf das psychosoziale Funktionsniveau vor dem Schädigungsereignis.

    • Liegen hingegen z. B. nach Schädel-Hirn-Trauma konzentrative und gedächtnisbezogene Beeinträchtigungen vor, dann steht die Einschätzung des prämorbiden kognitiven Funktionsniveaus im Vordergrund.

 Schwere der Funktionsbeeinträchtigung bemisst sich an:

  • subjektiv erlittene Minderung der Funktionsfähigkeit

  • Übereinstimmung des posttraumatischen Funktionsniveaus mit altersgleicher Normgruppe

  • Ausrichtung von Exploration oder schriftlicher Befragung an gängigen Fragebögen oder Checklisten zu Alltagsaktivitäten und Alltagsfunktionen (z. B. Bullinger et al., 1993; Lübbers et al., 1993; Wade, 1992) - für möglichst vollständiges bild


Validierung der Angaben zum prämorbiden Funktionsniveau:

Vergleich von Explorations-ergebnissen mit schriftlichen Zeitdokumenten

  • Arbeits- und Tätigkeitsberichte

  • Zeugnisse

  • Ergebnisse handwerklicher, künstlerischer oder anderer geistiger Tätigkeit

  • Oder Schätzung des prämorbiden Funktionsniveaus anhand sicher zu erhebender soziodemografischer Prädiktorvariablen

 

 

Diagnostik prämorbider situativer Bedingungen

  • Externe Belastungsfaktoren bzw. situative Bedingungen, die unmittelbar vor oder zeitnah zum Schadensereignis bestanden

  • Exploration als wichtigste Quelle zur Erfassung situativer Bedingungen

  • Auch emotionale Zustände sollten erfasst werden

    • (sofern diese das Erleben oder Verhalten des Geschädigten während des Schädigungsereignisses oder während des Auftretens des Primärschadens beeinflusst haben)

  • In die Beurteilung konkurrierender Kausalfaktoren können auch externe situative Bedingungen einbezogen werden, die unmittelbar vor oder zeitnah zum Schadensereignis bestanden haben.

    • Exploration als wichtigste Quelle zur Erfassung situativer Bedingungen

    • Externe Belastungsfaktoren bzw. situative Bedingungen

    • Auch emotionale Zustände sollten erfasst werden (sofern diese das Erleben oder Verhalten des Geschädigten während des Schädigungsereignisses oder während des Auftretens des Primärschadens beeinflusst haben)

     Ausbildung psychoreaktiver Störungen begünstigende situative Bedingungen, die als konkurrierende Kausalfaktoren in Betracht kommen:

    • Physikalische Umweltbedingungen

    • Zwischenmenschliche Konflikte oder familiäre Spannungen

    • Soziale oder leistungsbezogene Konflikte am Arbeitsplatz

    • Arbeitsbelastung oder Zeitdruck

    • Einnahme psychotroper Substanzen

 Bei Angaben über mehrere situative Belastungsfaktoren vor Schadensereignis:

  • Sinnvoll, explorativ gewonnene Informationen mit standardisierten Erhebungen, z. B. zu Alltagsbelastungen (z. B. Schmidt-Atzert, 1989), chronischem Stress (Schulz et al., 2004) oder kritischen Lebensereignissen (Filipp, 1990), abzugleichen

—> Sollten Aufgrund ihres situativen Bezugs nur zeitnah zum Schädigungsereignis verwendet werden!

 

 

Zusammenfassung “Diagnostik des prämorbiden Zustandes”

  • Allgemeines

    • Ziel Diagnostik prämorbider Zustand: Erfassung von Personenmerkmalen & situativen Bedingungen, die vor Schadensereignis manifest waren und für Beurteilung konkurrierender Kausalität von Bedeutung

    • Fünf Schwerpunkte der Diagnostik des prämorbiden Zustandes psychoreaktiver Störungen

  • Probleme der Prämorbiddiagnostik

    • Motivationale und gedächtnisbedingte Verzerrungen

  • Sicherung des Krankheitswertes

    • Erfassung des prämorbiden Zustands bevorzugt über gesicherte Diagnosen oder Behandlungen (siehe Entscheidungsheuristik)

    • Zeitliche Nähe relevant

  • Diagnostik einer störungsspezifischen Schadensanlage

    • Störungsspezifische Schadensanlage = Personenbezogene Merkmale, die die Wahrscheinlichkeit zur Ausbildung einer bestimmten belastungsreaktiven krankheitswertigen Störung oder Erkrankung erhöhen

    • Voraussetzung zur Beurteilung der konkurrierenden Kausalität

  • Diagnostik allgemeiner prämorbider Vulnerabilität

    • Bei fehlenden Belegen für störungsspezifische Vulnerabilität

    • Erhebung auf Grundlage psychodynamischer oder kognitiv-lerntheoretischer Annahmen

  • Diagnostik des prämorbiden Funktionsniveaus

    • Sicherung von Informationen zum prämorbiden kognitiven, psychischen, körperlichen oder sozialen Funktionsniveau

    • Welches Funktionsniveau relevant abhängig von Erscheinungsbild der schädigungsbedingten Erkrankung oder psychischen Störung

  • Diagnostik prämorbider situativer Bedingungen

    • Auch externe situative Bedingungen die unmittelbar vor oder zeitnah zum Schadensereignis bestanden haben in Beurteilung konkurrierender Kausalfaktoren einbeziehen

 - Angaben zur Schadensanlage = Voraussetzung zur Beurteilung der konkurrierenden Kausalität

 

 

Was gehört zum Erstgespräch?

Versuchen Sie, in 30 Minuten das/die psychische/n Problem/e des Patienten und dessen/deren Symptomatik zu erfassen und es provisorisch diagnostisch einzuordnen.


• Patienten begrüßen und einleitend Inhalt und Ziel des Erstgesprächs erläutern: Was hat der Patient darin zu erwarten, was wird heute besprochen, was später?

• Warum kommt der Patient? Wer hat ihn »geschickt«? Warum kommt er gerade jetzt?

• Das/die psychische(n) Problem(e) herausarbeiten und resultierende Symptome erheben

• Welche kognitiven Muster sind erkennbar? Auf Symptomgewinn und aufrechterhaltende Bedingungen achten.

• Liegen weitere, z. B. hierarchische Probleme vor? In welcher Form und Bedingung? Zeitlicher Verlauf?

• Erster Eindruck: Wodurch ist die Patientenpersönlichkeit gekennzeichnet? Typische Widerstände und Muster?

•  Vorläufige diagnostische Einordnung vornehmen und erläuternde Rückmeldung an den Patienten geben.

•  Könnte es somatische Ursachen für die Beschwerden geben? Gibt es körperliche Beschwerden oder Erkrankungen, die die Problematik verursachen (z.B. Schilddrüsenerkrankung, Hormonstörung) oder die dadurch bedingt sein könnten (z.B. psychosomatische Erkrankungen)?

 

 Versuchen Sie in den verbleibenden 20 Minuten folgende Punkte zu klären bzw. zu besprechen:

•Über welche Bewältigungsstrategien und Therapieerfahrungen verfügt der Patient?

•Welcher Erfolg?

•Welche konkreten Erwartungen und Therapieziele hat der Patient?

•Therapeutisches Vorgehen erläutern: Was hat der Patient in seiner Behandlung zu erwarten? Möchte er das? Motivation stärken.

•Therapieziel vereinbaren, Therapiekontrakt besprechen und abschließen.

•Organisatorisches: Kostenträger, Termine, ggf. somatische Abklärung veranlassen etc. An Patienten aushändigen



 

Aufbau des Erstgespräches:

•bezogen auf die aktuelle Lebens-, Problemsituation

•Offener Teil des Interviews, wichtigsten Informationen des psychischen Querschnittbefundes


•Was erwartet er/sie von der Therapie

•Was der Patient*in von uns möchte, weiß er im ersten Fall selbst noch nicht so genau, im zweiten Fall hat er aber sehr konkrete Vorstellungen davon.

•Eigen- oder Fremdmotivation den Einstieg in eine Psychotherapie

•Insbesondere Symptome, die ich-synton sind, d. h. die dem Patient*in gar nicht als krankhaft bewusst sind, stören im sozialen Umfeld erheblich und werden zum Anlass einer Therapieempfehlung. (An Krankheitseinsicht arbeiten)


Halbstrukturierter Teil des Interviews:

•Beschwerdenschilderung

•Systematisches Erfragen, erwägen von Differentialdiagnosen

•Frühere Erkrankungen und deren Bewältigung

•Medikamentenanamnese

•Suchtanamnese, Erkrankungen mit Impulskontrollstörungen

•Vegetativanamnese

•Biografische Anamnese

•Außerberufliche Lebensgestaltung

•Freundschaften und Sozialkontakte

•Ressourcen, Umgang mit Symptomen, Strategien zu Symptomlinderung

•Tagesablauf

•Einschätzung des Heilverlaufs-Leistungsvermögens, Pläne, Wünsche

•Trauma, Detaillierte Schilderung


Mindestens fünf Minuten vor Abschluss der Stunde einräumen.

Ø  Stellung zur Frage der Indikation. Hält der/die TherapeutIn eine KVT für aussichtsreich? Schlägt er/sie eine andere Therapieform vor?

Ø  Welcher Eindruck hat sich im Verlauf des Gesprächs bei ihm/sie verfestigt? Hier benennt er/sie Stärken und Schwächen des PatientenIn, Bedenken gegen eine Therapie oder erläutert, warum er eine solche Maßnahme für überflüssig hält.

Ø  Wie kann sich der PatientIn verbindlich für die Therapie anmelden?

Ø  Was sind die Regularien der Praxis dazu?


 





SUCHTMITTELKONSUM

Im Falle der Abhängigkeit von psychotropen Substanzen (Alkohol, Drogen und Medikamente) darf eine Psychotherapie erst durchgeführt werden, wenn eine Suchtmittelfreiheit bzw. Abstinenz bereits erreicht wurde oder diese parallel zur ambulanten Psychotherapie bis zum Ende von max. zehn Behandlungsstunden hergestellt werden kann (§ 26 oder 27 der Psychotherapie-Richtlinie)

→Abstinenz muss dann durch ärztliche Bescheinigung attestiert werden

→Fortsetzung der ambulanten Psychotherapie bei Rückfall nur, wenn unverzüglich geeignete Behandlungsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Abstinenz ergriffen werden (Abstinenz wird dann aber nicht nochmal geprüft)


Aufführen der Suchtanamnese im Bericht bei Hinweisen auf einen über den sozial angemessenen Suchtmittelkonsum hinausgehenden Gebrauch einer Substanz mit Angaben dazu:

a) welche Substanz oder Substanzklasse konsumiert wird,

b) wann die Person mit dem Konsum begonnen hat,

c) wie lange ein problematisches Konsumverhalten besteht,

d) wie viel bzw. in welcher Dosis die Substanz zuletzt konsumiert wurde und

e) seit wann Abstinenz besteht bzw. wie diese hergestellt wurde (Entgiftung, Langzeittherapie)


wenn keine Hinweise “keine Hinweise”


bei Substanzabhängigkeit in der Vorgeschichte und bereits erreichte Abstinenz:

→ ausdrückliche und glaubhafte Schilderung sowie

→ Hinweis auf suchtspezifische Vorbehandlungen (Entgiftung, Entwöhnung etc.)


bei aktuell bestehende Substanzabhängigkeit und noch nicht erreichte Abstinenz:

→ Verweis auf entsprechendes Vorgehen (Psychotherapie Richtlinie)

→ Suchtmittelfreiheit bzw. Motivation zur Entzugs oder auch Entwöhnungsbehandlung als Therapieziel benennen und Aufführen entsprechender Methoden im Behandlungsplan (z.B. Motivational Interviewing)

→ ggf. Verweis auf Zusammenarbeit mit Institutionen der Suchthilfe (z.B. Suchtberatung)


Beispiel: Vorgehen bei bestehender Abhängigkeit von psychotropen Substanzen

Aufgrund der Abhängigkeit von […] wird innerhalb der ersten zehn

Behandlungsstunden eine Abstinenz angestrebt. Eine Bescheinigung der

Suchtmittelfreiheit gemäß § 26 der Psychotherapie Richtlinie wird nach erfolgter Abstinenz angefordert und als Teil der Behandlungsdokumentation der Akte beigefügt.

Verknüpfungen zwischen Erfahrungen und Folgen

• Herausstellen, einer Verknüpfung zwischen lebensgeschichtlichen Faktoren und Problemdeterminanten

• Beispiel: Bedeutung eines depressiven Elternteils, etwa des Vaters für eine Person

Kann viele Implikationen haben:

− Nahelegung einer genetischen Disposition für depressive Erkrankungen − Beitrag zu ähnlichen Verhaltensweisen oder dem Nichtlernen angemessener Verhaltensweisen über Modelllernen − Fehlen eines Rollenmodells aufgrund der Depression des Vaters; ungünstige Auswirkungen auf Partnerwahl der Person oder

sogar Grund dessen, dass die Mutter den Patienten als Partnerersatz ansieht − Mögliche finanzielle Einschränkungen durch die Depression des Vaters − Erleben von traumatischen Situationen (beobachteter Suizidversuch) − Störungen in der sozialen Integration, da Mitschüler und Freunde nicht mit nach Hause gebracht werden durften − Erfahrungen führen zu Verantwortungsübernahme 🡪 Unweigerlich auch Einfluss auf Beziehungserleben

• Eine Erfahrung an sich muss nicht zwangsläufig als prädisponierend angesehen werden!

• Bei der Darstellung der behandlungsrelevanten lebensgeschichtlichen Bedingungen sollte daher, soweit sich dies nicht unmittelbar aus der Beschreibung ergibt, die Verbindung zu prädisponierenden Bedingungen

herausgestellt werden


Erfahrung: Sie sei mit vier jüngeren Geschwistern in einer konservativen, christlichen Familie aufgewachsen. Als älteste Tochter sei sie in die Haushaltsführung und Erziehung ihrer Geschwister mit einbezogen worden. Sie habe daher nie Hobbys oder Interessen entwickeln können. Streit und Konflikte seien von den Eltern nicht zugelassen worden, da dies als Sünde betrachtet worden sei. Als Kind und Jugendliche hätten sie sich ausschließlich in christlichen Kreisen bewegt und sei daher in ihrer Schulzeit Außenseiterin gewesen.


Verknüpfung Prädisposition:

▪ Keine Erlernung Konflikte auszutragen oder die eigene Meinung zu sagen ▪ Tendenz, sich unterzuordnen und die Verantwortung für andere Menschen zu übernehmen ▪ Fehlendes Zugehörigkeitsgefühl gegenüber anderen Menschen ▪ Resultierende Grundannahme − „Ich bin anders als andere“ − „Ich darf nicht sagen, was ich will.“ − „Sich zu streiten ist sehr schlimm.“


//Erfahrung: Sie sei mit ihrem jüngeren Bruder bei ihrer psychisch kranken Mutter aufgewachsen, nachdem der Vater die Familie verlassen hatte. Die Mutter habe sich einige Male, teils auch vor den Augen der Patientin, versucht zu suizidieren. Aus Sorge um die Mutter und ihren Bruder habe die Patientin daher lediglich für den Schulbesuch die Wohnung verlassen. Da ihre Mutter sich nicht um sie gekümmert habe, sei sie oft mit dreckigen und ungepflegten Kleidungsstücken zur Schule gegangen. Auch habe sie zeitlebens unter ihrer Zahnfehlstellung gelitten, die in ihrer Kindheit und Jugend nicht behandelt worden sei. In der Schule sei sie dafür oft von anderen Kindern verspottet und ausgeschlossen worden. Sie habe später oft die Schule geschwänzt und habe die Hauptschule ohne Schulabschluss verlassen.


Verknüpfung Prädisposition:

• Etablierung eines negativen Selbstbilds aufgrund der beschriebenen Erfahrungen − („Ich bin zu dumm.“, „Ich bin unattraktiv.“)

• Etablierung negativer Annahmen in Bezug auf andere Menschen − („Wenn ich meinen Mund aufmache und andere meine Zähne sehen, werden sie sich über mich lustig machen.“, „Andere werden mich ablehnen.“)

• Kein Aufbau von sozialen Kompetenzen und Strategien für selbstwertdienliche Erfahrungen


//Erfahrung: Sie sei mit ihrem jüngeren Bruder bei ihrer psychisch kranken Mutter aufgewachsen, nachdem der Vater die Familie verlassen hatte. Die Mutter habe sich einige Male, teils auch vor den Augen der Patientin,

versucht zu suizidieren. Aus Sorge um die Mutter und ihren Bruder habe die Patientin daher lediglich für den Schulbesuch die Wohnung verlassen. Da ihre Mutter sich nicht um sie gekümmert habe, sei sie oft mit dreckigen und ungepflegten Kleidungsstücken zur Schule gegangen. Auch habe sie zeitlebens unter ihrer Zahnfehlstellung gelitten, die in ihrer Kindheit und Jugend nicht behandelt worden sei. In der Schule sei sie dafür oft von anderen Kindern verspottet und ausgeschlossen worden. Sie habe später oft die Schule geschwänzt und habe die Hauptschule ohne Schulabschluss verlassen.


Verknüpfung Prädisposition:

• Etablierung eines negativen Selbstbilds aufgrund der beschriebenen Erfahrungen − („Ich bin zu dumm.“, „Ich bin unattraktiv.“)

• Etablierung negativer Annahmen in Bezug auf andere Menschen − („Wenn ich meinen Mund aufmache und andere meine Zähne sehen, werden sie sich über mich lustig machen.“, „Andere werden mich ablehnen.“)

• Kein Aufbau von sozialen Kompetenzen und Strategien für selbstwertdienliche Erfahrungen

Aufrechterhaltende Bedingungen

• Alle Faktoren, die nach Erkrankungsbeginn vorhanden sind und verhindern, dass die Störung remittiert bzw. es dem Patienten besser geht

• Aufrechterhaltenden Bedingungen auf allen Ebenen des Verhaltens und

Erlebens, auch neurobiologische Faktoren −Können grundsätzlich auch unter prädisponierenden Faktoren fallen

• diese sind mit dem Beginn der Erkrankung nicht beseitigt oder abgeschlossen, sondern können weiterhin pathogen wirken

• Da Entstehung im Nachgang nicht veränderbar: nicht im Fokus der VT

• Verhaltenstherapie: Bearbeitung aufrechterhaltender Faktoren − Primäre Aufführung von Faktoren, die sich mit Mitteln der Verhaltenstherapie verändern lassen


Kognitive Prozesse: mentale Verarbeitungsprozesse, wie z. B. Grundüberzeugungen, automatische Gedanken, Schemata, Attributionsmuster, kognitive Verzerrungen − Können entweder direkt störungsbezogen oder sich auf andere Determinanten der Störung beziehen

Fehlende oder Verloren gegangene Kompetenzen und/oder Ressourcen: z.B. soziale Kompetenzen (Aufbau von Kontakten), Ressourcen zur Bedürfnisbefriedigung (verstärkende Erfahrungen),

Selbstfürsorge, Emotionswahrnehmung und -regulation

Verhaltensweisen: Offene („motorische“) und mentale bzw. subtile Verhaltensweisen − Offene Verhaltensweisen: Vermeidungs- und Fluchtverhaltens, Neutralisierungs- und

Rückversicherungsverhaltensweisen, Schonverhalten, sozialer Rückzug, Mangel an Tagesstruktur, … − Mentale Verhaltensweisen wie Grübeln, mentale Wiederholung von Vorgänge, ...

Konsequenzen und Folgen von Verhaltensweisen: Positiven Konsequenzen (z. B. Zuwendung, geringere Anforderungen) und auch negative Entwicklungen als Folge der Störung − Schmerzsymptomatik oder Krankheitsangst + Schonverhalten = Abbau körperlicher Fitness 🡪 höhere Auftretenswahrscheinlichkeit von Krankheitsangst 🡪Teufelskreis − Auch: Nicht-Korrektur von Annahmen, z. B. durch sozialen Rückzug, als aufrechterhaltender Faktor im Bereich der Folgen


Fallbeispiel: Frau M. - Verhaltensanalyse

—> man würde schreiben “verhaltensanalyse anhand des sorkc modells” und dann werden die buchstaben auch so wie im folgenden beispiel in den text geschrieben


Als auslösende situative Bedingung (S) dienen einerseits alle Situationen, in denen die Patientin alleine ist und Hilfe nicht verfügbar erscheint (weite Strecken von zu Hause, Alleinsein) sowie Situationen, in denen eine Flucht schwierig ist (öffentliche Verkehrsmittel, Autofahren etc.). Andererseits dienen interozeptive Stimuli bzw. deren Wahrnehmung als

Auslöser für die Angst. Auf der Ebene der Organismus-Variable (O) findet sich ein sehr geringes Selbstwertgefühl sowie eine Tendenz zur Abhängigkeit. Andererseits finden sich hohe Kontrollüberzeugungen („Ich muss alles im Griff haben.“).

Auf der Ebene der physiologischen Reaktionen (Rphys) empfindet die Patientin Herzrasen, Schwindel, Zittern, Taubheitsgefühl und Atemnot, auf der Ebene der Kognitionen (Rkog) entstehen Befürchtungen wie: „Ich falle um.“, „Niemand hilft mir.“. Auf der motorischen Ebene (Rmot) dominiert Vermeidungsverhalten. Emotional (Remot) dominiert das

Gefühl von Angst. Auf der Ebene der Konsequenzen (C) findet sich kurzfristig ein Angstrückgang (C-) durch die Begleitung, sowie eine Kompensation der latenten Konflikte (immer unter Kontrolle des Mannes). Langfristig führt dies dazu, dass sich der Bewegungsradius der Patientin immer mehr einschränkt und sie zunehmend an Selbstsicherheit verliert (C-).

Behandlungsplan

• Frage: wie (mit welchen konkreten Methoden) soll die Veränderung erreicht werden?

• Behandlungsplan soll individuell und krankheitsbezogen sein

− übliche Techniken für eine Störung sind nicht ausreichend

− ausschließlicher Bezug auf ein Therapiemanual nicht umfassend genug

− z.B. Aufbau sozialer Kompetenzen→ konkrete aufzubauende Kompetenzen benennen

• ausgewogenes Verhältnis von Standardinterventionen und individueller

Therapieplanung

− genannt werden sollten z.B. konkrete Methoden der kognitive Umstrukturierung

− Idealfall: alle zuvor beschriebenen individuellen, aufrechterhaltenden Faktoren werden berücksichtigt


Behandlungsplan- Einbezug anderer Personen


Besonderheiten

• Entspannungsverfahren: Vermittlung von diesen Techniken ist nicht Gegenstand der Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab

− Gutachter*in wird dies wahrscheinlich anmerken → Aufforderung, Entspannungsverfahren parallel zur Richtlinientherapie zu vermitteln

− besser nicht im Behandlungsplan nennen oder abgrenzen vom zur Behandlung beantragten Umfang

• Berücksichtigung vorangegangener Behandlung:

− bereits Erfahrung mit bestimmten Interventionen gesammelt → im Behandlungsplan daran anknüpfen

− Aufnahme einer erneuten Behandlung innerhalb der Zwei-Jahres-Frist begründen (z.B. neu aufgetretene Störungen)

− bei Verfahrenswechsel: Vorbehandlung darstellen (Dauer, Verfahren, Erfolg/Misserfolg)

• ggf. kann der Einbezug anderer Berufsgruppen (z.B. Hausarzt, Sucht- oder Schuldnerberatung) sinnvoll sein, Zusammenarbeit kann jedoch nicht gesondert abgerechnet werden

Anwendung AMDP-System

-Training wichtig

-30 min (beim ersten mal 45-60min)

-Vierseitigem Dokumentationsbogen mit Anamnese, psychischem Befund und somatischem Befund

- für Beurteilung eines Merkmals alle zur Verfügung stehenden objektiven (Untersuchung, Gespräch, Verhaltensbeobachtung durch Arzt/Ärztin, Pflegepersonal und Angehörige u.a.)

und subjektiven (von Patient:innen berichtet) Informationen heranziehen

- Datenquellen: Aussagen von Patient:innen, Beobachtungen durch Untersucher:innen oder andere Personen

-S: Selbst, Datenquelle = Patient: innen, Patient: innen müssen zum Merkmal selbst etwas sagen, Selbstaussage, -bericht, -schilderung

- F: Fremd, andere Datenquellen, Untersucher:innen, Pflegepersonal, Angehörige, allein Beurteilung durch andere ist relevant

- S/F: beide Datenquellen sind zur Einschätzung relevant

- Fremdbeurteilungsverfahren: Beurteilung erfolgt immer durch Untersucher:innen —>Bewertung und Gewichtung muss vorgenommen werden

Zielsetzungen: letzte 3-4 Tage, um aktuellen Zustand zu erfassen; wenn Verdachtsdiagnose

vorliegt, dann Zeitraum nach Zeitkriterium der jeweiligen Störung wählen

- Bewertung deskriptiv, kein Einfluss von vermuteten Ursachen

- aus Diagnose oder Verdacht keine automatischen Rückschlüsse auf Vorhandensein

bestimmter Merkmale ziehen

- Empfehlung: Manual immer wieder verwenden + als Nachschlagewerk benutzen

- Entscheidungsbaum muss bei jedem Merkmal durchlaufen werden

- nicht untersuchbar: wenn Patient/in sich trotz Bemühens nicht untersuchen lässt, z.B.

Mutismus bezogen auf Orientierungsstörungen

- fraglich: keine hinreichenden Informationen für eine sichere Einschätzung (z.B. mangelnde

Kooperation), ABER hier nicht persönliche Unsicherheit der Untersucher:innen gemeint,

sondern mangelnde Datenlage!

- Vorhandensein: Probleme bei auch umgangssprachlich verwendeten Wörtern à Definition

genau lesen!; Norm bei Beurteilung der Abweichung beachten (kulturelle, spezielle Norm

einer soziokulturellen Gruppe, individuelle Norm)

- Quantifizierung: bei Vorliegen eines Merkmals mind. „leicht“ kodieren; schwer nach oben hin offen, also nicht nur für schwerste Form zu vergeben

- Leidensdruck: subjektive Belastung, die jemand unter einem Symptom erlebt

- Beeinträchtigung: Folgen der Symptomatik aus Sicht der Patient:innen oder anderen, z.B. im alltäglichen Leben à je mehr Bereich betroffen, desto stärker die Beeinträchtigung



Begriffe: bzgl. Bewusstsein

Bewusstseinsstörungen

Bewusstseinsverminderung

= Störung der Wachheit, Ausmaß der Schläfrigkeit

- Kontinuum reicht von Benommenheit, Somnolenz, Sopor bis Koma

- Beispiel: Patient:innen sind in unterschiedlichem Maße schläfrig, verlangsamt und in ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit eingeschränkt; schwere Fälle: Realitätskontakt ganz aufgehoben


Bewusstseinstrübung

= qualitative Störung der Bewusstseinsklarheit

- Fähigkeit ist gestört, verschiedene Aspekte der eigenen Person und der Umwelt zu verstehen, sie sinnvoll miteinander zu verbinden, sich entsprechend mitzuteilen und sinnvoll zu handeln

- Teilsymptome: Abkehr von Außenwelt, schlechte Auffassungsgabe, Ablenkbarkeit, Schwerbesinnlichkeit

- Auftreten beispielsweise im Rahmen von Delir, akuter psychotischer Symptomatik, Intoxikation

- Beispiel: Eine Patientin hat Mühe, das Geschehen in ihrer aktuellen Situation zu verstehen und daraus sinnvolle Handlungen abzuleiten


Bewusstseinseinengung

= Einengung des gesamten Erlebens und Verhaltens mit verminderter Ansprechbarkeit auf Außenreize

- Metapher: Lichtkegel des Bewusstseins

—> Enger und zugleich wenig beweglicher Lichtkegel, in dem die erlebten Ereignisse klar oder sogar über deutlich wahrgenommen werden, hingegen am Rand oder außerhalb des

Lichtbereichs nicht oder nur unscharf wahrgenommen werden

- Auftreten beispielsweise bei Dämmerzuständen oder akuten Belastungsreaktionen, Hypnose, äußerster Konzentration auf bestimmtes Thema Z. B. Schwierige Problemstellung


- Beispiel: Der Patient lauscht seinen Stimmen. Versuche, ihn auf andere Themen zu leiten, beantwortet er nicht, oder er lässt nur eine angedeutete Reaktion erkennen, bevor er sich wieder seinem inneren Erleben zuwendet


Bewusstseinsverschiebung/Bewusstseinserweiterung

= gesamtes Erleben ist intensiver oder klarer als üblich, z.B. Gefühle, Sinneswahrnehmungen

—> Erweiterung des inneren Erlebens

- Patient:innen empfinden sich insgesamt als wacher, lebendiger und offener

- Auftreten beispielsweise im Rahmen von Drogen, psychotischer Symptomatik, meditativen Zuständen

- Beispiel: Patient:innen berichten vom subjektiven Gefühl innerer Bereicherung/Erweiterung ihres Erlebens

Begriffe bzgl. Aufmerksamkeit und Gedächtnisstörungen

Auffassungsstörungen

= Störung der Fähigkeit, Äußerungen und Texte in ihrer Bedeutung zu verstehen

- Kognitive Verarbeitung erhaltener Information gestört

- Auffassung kann mehr oder weniger falsch, schwerbesinnlich oder fehlend sein

- Klinische Prüfung beispielsweise mit gebräuchlichen Sprichwörtern, oder Fabeln

- Beispiel: Ein Patient erklärt ein Sprichwort konkretistisch

- Konkretismus: Beeinträchtigung der Fähigkeit zu abstrahierend – symbolischem Denken

(Schwierigkeiten mit der Zuordnung von Elementen zu Klassen, Probleme Verallgemeinerungen und Wiedergabe von wörtlichem Verständnis bei eigentlich metaphorischer Bedeutung)


Konzentrationsstörungen

= verminderte Fähigkeit, die Aufmerksamkeit einer Tätigkeit oder einem Thema ausdauernd zuzuwenden

- Klinische Prüfung beispielsweise durch Aufgaben, wie von 81 immer 4 abziehen oder die Monatsnamen rückwärts aufsagen

- Zur klinischen Prüfung muss Patient prinzipiell in der Lage sein, Aufgaben lösen zu können

- Konzentrationsstörungen zeigen sich in klinischer Prüfung eher durch die Zunahme von Fehlern im Verlauf oder durch Verlangsamung und schließlich Abbruch einer begonnenen Aufgabe

- Beispiel: Der Patient berichtet, dass seine Gedanken beim Lesen eines Buches oder einer Zeitung nach wenigen Minuten abschweifen würden


Merkfähigkeitsstörungen

= Herabsetzung oder Aufhebung der Fähigkeit, sich neue Informationen über einen Zeitraum von 10 Minuten zu merken

- Merkfähigkeit von affektiver Bedeutung der Merkinhalte abhängig, deshalb in Prüfung Begriffe verwenden, die nicht emotional aufgeladen sind

- Gleiches Material verwenden für Vergleichbarkeit (z. B. 34, Oslo, Aschenbecher)

- Wenn keine spontane Erinnerung, darf Hilfestellung gegeben werden

- Wenn Begriff nach Hilfestellung gewusst wird, gilt dies nicht als Störung

- Beispiel: Eine Patientin kann sich die gestellten Fragen nicht merken und muss immer wieder rückfragen, was der Untersucher wissen will, weil sie die Frage vergessen hat


Gedächtnisstörungen

= Herabsetzung oder Aufhebung der Fähigkeit, Informationen länger als 10 Minuten zu speichern bzw. Erlerntes aus dem Gedächtnis abzurufen

- Können sich auf zeitnahe oder weiter zurückliegende Ereignisse beziehen

- Dazu zählen auch Amnesien (inhaltlich oder zeitlich begrenzte Gedächtnislücken) und Zeitgitterstörungen (Unfähigkeit, Gedächtnisinhalte zeitlich richtig einzuordnen)

- Beispiel: Ein Patient kann sich nicht mehr erinnern, was er gestern zum Mittag gegessen hat


Konfabulationen

= Erinnerungslücken werden mit wechselnden Einfällen ausgefüllt, die für wirkliche Erinnerung gehalten werden

- d.h. Wechselnde Antworten auf die gleiche Frage

- deshalb zur Beurteilung denselben Sachverhalt mehrfach erfragen

- Patient:innen bemerken Unterschiedlichkeit der Angaben nicht, da sie den tatsächlichen Sachverhalt und vorherige Angaben vergessen haben

- Konfabulation liegt immer Gedächtnisstörung zugrunde

- Beispiel: Eine Patientin antwortet auf die Frage, wovon sie leben würde, „von der Arbeit“, zu einem späteren Zeitpunkt auf dieselbe Frage „von der Rente“ und noch später „vom ererbten Vermögen


Paramnesien

= Erinnerungsverfälschungen oder -täuschungen, sich ungewollt aufdrängende Erinnerungen, gesteigerte Erinnerungsfähigkeit

- Verschiedene Phänomene:

- Falsches Wiedererkennen:

- vermeintliche Vertrautheit: schon einmal gesehen, gehört, erlebt, obwohl dies eigentlich nicht sein kann, Deja-vu

- vermeintliche Fremdheit: noch nie gesehen, obwohl es eigentlich vertraut sein müsste, Jamais-vu

- Ekmnesien: Störungen des Zeiterlebens bzw. der zeitlichen Einordnung, wobei die Vergangenheit als Gegenwart erlebt wird

- Hypermnesien: Steigerung der Erinnerungsfähigkeit, z.B. fotografisches Gedächtnis

- Flashbacks (Nachhallerinnerungen) und Intrusionen (sich aufdrängende

Erinnerungen an ein traumatisches Erlebnis)

- Falsche Erinnerungen: Pseudoerinnerungen, Erinnerungsverfälschungen

- Beispiel: Ein Patient glaubt, sich in einer vergangenen Zeit aufzuhalten


Begriffe: formale Denkstörungen

Gehemmt

= Denken wird von Patient:innen subjektiv als gebremst oder blockiert empfunden

- also Verringerte Geschwindigkeit des Denkens

- Eigenartiger Charakter: denken wie gegen inneren Widerstand, in eigenartiger Weise zäh

oder blockiert

- Beispiel: Eine Patientin erwähnt, dass ihr Denken in der letzten Zeit schwerfälliger geworden sei


Verlangsamt

= Denken ist im Tempo reduziert und schleppend; von außen beobachtbare Verringerung der Geschwindigkeit des Denkens

- Phänomen manchmal schwer zu beurteilen, da Einschätzung von eigener Normvorstellung der Untersucher:innen abhängig ist

- bei Beurteilung landesübliches Temperament der Patient:innen beachten

- Beispiel: Es entstehen längere Gesprächspausen, die über das Nachdenken über eine Frage hinausgehen


Umständlich

= Denken, das, bezogen auf den Gesprächsinhalt, das Nebensächliche nicht vom Wesentlichen trennt; inhaltlicher Zusammenhang bleibt stets gewahrt

- Patient verliert sich in unwichtigen Einzelheiten, bleibt an ihnen hängen, ohne vom Ziel ganz abzukommen

- Vom Hundertsten ins Tausendste kommen, ohne Ziel ganz aus den Augen zu verlieren

- Beispiel: Auf die Frage, wie er in die Klinik gekommen sei, berichtet der Patient im Detail den Weg von zu Hause bis in die Klinik


Eingeengt

= Einschränkung des inhaltlichen Denkumfangs; in einem oder wenigen Themen verhaftet sein

- Im Gespräch haben Patient:innen Mühe, von einem Thema auf ein anderes überzugehen oder kommen immer wieder auf „ihr“ Thema zurück

- Beispiel: Ein depressiver Patient kommt immer wieder auf seine Verdauungsprobleme zurück, obwohl die Untersucherin eigentlich über andere Themen sprechen möchte


Perseverierend

= Haftenbleiben an zuvor gebrauchten Worten oder Angaben, die im aktuellen Zusammenhang nicht mehr sinnvoll sind

- Für Einschätzung ist Gesamteindruck von Untersucher:innen entscheidend, ob Wiederholung des Gesagten im Gesprächszusammenhang sinnvoll ist

- Beispiel: Ein Patient antwortet auf die Frage nach seinem Geburtsdatum korrekt, wiederholt dieses im Folgenden aber auch auf ganz andere Fragen


Grübeln

= Patient:innen sind immer wieder mit einzelnen Gedanken (Gedankenkreisen) beschäftigt, meist mit unangenehmen Themen

- Gedanken kreisen immer wieder ergebnislos um die gleichen (meist unangenehmen) Inhalte, kann nur mit Mühe unterbrochen werden

- Grübeln = unangenehm, lästig bis quälend

- Beispiel: Ich werde den Gedanken nicht los, dass ich etwas falsch gemacht haben könnte


Gedankendrängen

= Patient:innen fühlen sich dem Druck vieler verschiedener Einfälle oder Gedanken ausgeliefert

- Patient kann die Fülle der sich aufdrängenden Einfälle und Gedanken nicht ordnen oder beherrschen

- Gedanken können sinnvoll oder sinnlos sein, sich überstürzen oder wie automatisch ablaufen

- Denken meist als beschleunigt erlebt, muss Beobachter aber nicht unbedingt beschleunigt erscheinen

- Beispiel: Mir gehen so viele Gedanken durch den Kopf, dass ich gar nicht mehr klar denken kann


Ideenflüchtig

= Vermehrung von Einfällen, die aber nicht mehr von einer Zielvorstellung straff geführt werden; Ziel des Denkens kann aufgrund von Assoziationen häufig wechseln oder verloren gehen

- Gedanken werden oft nicht zu Ende geführt, weil Denken ständig von

dazwischenkommenden Einfällen abgelenkt wird

- von Hölzchen auf Stöckchen geraten

- Ablenkung vom stringenten Gedankengang kann auf äußeren Einflüssen (z.B. Geräuschen) oder auf gedanklichen Assoziationen beruhen

- Beispiel: Eine Patientin berichtet über Ufos, assoziiert dann den Maler Raffael, der auch schon Flugmaschinen gebaut hat, fährt dann fort, dass sie eigentlich aufgrund des Klimawandels gar nicht mehr mit Flugzeugen reisen wolle


Vorbeireden

= Antworten von Patient:innen stehen in keinem Zusammenhang mit der gestellten Frage, obwohl auf Nachfrage klar wird, dass die Frage verstanden wurde

- Entscheidend für Beurteilung ist nicht, dass die Antwort falsch ist, sondern dass der Patient am Inhalt der Frage vorbeiredet

- Bei Verdacht müssen Untersucher:innen sicherstellen, dass Frage richtig verstanden wurde —> deshalb sollten Patient:innen die Frage noch einmal wiederholen

- Außerdem muss unterschieden werden, ob absichtlich auf eine Frage falsch geantwortet wird (Vermeidung, um den heißen Brei reden)

- Beispiel: Untersucherin: Kennen Sie so etwas wie einen inneren Druck? Patient: Ja, ich habe einen hohen Blutdruck. Untersucherin: Erinnern Sie sich noch an meine Frage? Patient: Ja. Sie wollen wissen, ob ich einen inneren Druck verspüre


Gesperrt/Gedankenabreißen

= Plötzlicher Abbruch eines sonst flüssigen Gedankenganges oder des Sprechens ohne erkennbaren Grund

- Phänomen entweder vom Untersucher als gesperrt beobachtet oder Patient berichtet

- Umgangssprachlich, in geringer Ausprägung bzw. wenn selten: den Faden verlieren

- Beispiel: Der Patient stockt mitten im Satz, schweigt, greift dann das Gespräch unter Umständen mit einem ganz anderen Thema wieder auf oder erkundigt sich noch einmal nach der letzten Frage


Inkohärent/Zerfahren

= Denken und Sprechen des Patienten verlieren für Untersucher:innen ihren verständlichen Zusammenhang; Extremfall: einzelne, scheinbar zufällig durcheinander gewürfelte Sätze, Satzgruppen oder Gedankenbruchstücke

Arten:

- Paralogik: Unlogisches Denken, Satzbau noch intakt

- Paragrammatismus: Satzbau zerstört

- Sprachzerfall/Schizophasie: unverständliches, sinnloses Wort- und Silbengemisch

- Beispiel: Früher sind die Leute aus blauäugigen Menschen bestanden und wie die Hirne schaffen


Neologismen

= Wortneubildungen oder Wortverwendungen, die der sprachlichen Konvention nicht entsprechen und oft nicht unmittelbar verständlich sind

- nicht nur einzelne Wortneuschöpfungen, sondern semantisch ungewöhnlicher Gebrauch von Worten

- Extremfall: Bildung/Gebrauch künstlicher Sprache

- Beispiel: Gestern habe ich ein Diagraf bekommen und da ist mein Kopf demachronisiert worden (Patientin spricht von einem EEG)

Begriffe bzgl. Befürchtungen und Zwänge

Misstrauen

= Verhalten anderer Menschen wird ängstlich-unsicher oder feindselig auf die eigene Person bezogen

- Negativ getönte Reaktion auf andere Menschen

- Lässt sich vor allem aus Interaktion mit Betroffenen erschließen

- Beispiel: Ich bin so oft enttäuscht worden, ich traue niemandem mehr richtig


Hypochondrie

= ängstlich getönte Beziehung zum eigenen Körper mit der unangemessenen Befürchtung, krank zu sein oder krank zu werden

- Körperliche Phänomene werden mit gesteigerter Aufmerksamkeit ängstlich-sorgenvoll beobachtet

- Unbedeutende Körpervorgänge (z.B. leichte Missempfindungen) werden für übermäßig wichtig gehalten

- große Diskrepanz zwischen den unbegründeten Befürchtungen und dem Beharren der Betroffenen auf ihrer Einschätzung

- hypochondrisches Erleben, nicht Diagnose Hypochondrie!

- Beispiel: Alle Untersuchungen waren gut, aber ich denke trotzdem, dass etwas mit meinem Herzen nicht in Ordnung ist


Phobien

= Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten, die oft Vermeidungsreaktion zur Folge hat

- Vermeidung der Konfrontation mit angstauslösenden Situationen oder Objekten

- von Betroffenen als unbegründet, übertrieben oder unangemessen erkannt

- phobisches Erleben, nicht Diagnose einer Phobie!

- Beispiel: In engen Räumen wird mir immer ganz mulmig, eigentlich gibt es dafür ja keinen Grund


Zwangsdenken

Definition: Repetitiv sich aufdrängende eigene Gedanken; als unsinnig oder übertrieben erlebt; können nicht gestoppt werden

Anmerkung

• Gedanken werden als eigene, nicht von außen eingegebene erlebt

• Abgrenzung zu Zwangsimpulsen: hier geht es thematisch nicht um gedanklich vorgestellte auszuführende Handlungen

Beispiel: „Obwohl ich vorhin dort war, werde ich den Gedanken nicht los, ob der Briefkasten geleert ist.“


Zwangsimpulse

Definition: Repetitiv sich aufdrängende, vom Betroffenen ausgehende Gedanken, bestimmte Handlungen auszuführen

Anmerkung

• oft aggressive und sexuelle Inhalte

• nicht oder nur schwer zu unterdrücken; werden als eigene Gedanken erlebt

• Wiederholung wird als unsinnig erkannt; wird als unangenehm, belastend oder quälend erlebt

Beispiel: „Ich würde es natürlich nie tun, aber mich quält immer wieder der Gedanke, mich selber zu schädigen.“


Zwangshandlungen:

Definition: Repetitiv ausgeführte Handlungen; werden als unsinnig oder übertrieben erlebt

Anmerkung

• werden oft in ritualisierter Form in bestimmter Häufigkeit wiederholt

• lassen sich nicht oder nur schwer unterdrücken; werden als eigene, nicht von außen eingegebene Gedanken erlebt

• oft quälend für Patient:innen

Beispiel: „Ich muss immer wieder meinen Esstisch desinfizieren, was eigentlich unsinnig ist.“


Wahnstimmung

Definition: Eine besondere, häufig diffuse und ahnungsvolle Gespanntheit im Vorfeld des Wahns

Anmerkung

• Bedeutungszumessen, Inbeziehungsetzen, Meinen, Vermuten, Erwarten, das von anderen so nicht nachvollzogen werden kann

• Häufigste Stimmungen: Unheimlichkeit, Misstrauen, Verändertsein, Bedrohung, Angst, Argwohn, Ratlosigkeit; manchmal auch Gehobenheit, Euphorie, Zuversicht

Beispiel: „Sagt mir doch, was los ist. Etwas ist los, ich weiß aber nicht was.“


Wahnwahrnehmung

Definition: Einer an sich richtigen Wahrnehmung wird eine wahnhafte Bedeutung zugeschrieben, meist im Sinne der Eigenbeziehung, ohne dass hierfür ein rational oder emotional verständlicher Anlass besteht

Anmerkung

• zweigliedriger Vorgang: reale (richtige) Wahrnehmung wird wahnhaft interpretiert

• Wahnerinnerung: mnestische Wahnwahrnehmungen

Beispiel: „Die Zeitungen, die Nachrichten im Fernsehen, selbst Ergebnisse meiner Internet-Recherchen sind voller Anspielungen auf mich. Jeder kennt mich. Ich bin berühmt.“


Wahneinfall

Definition: Rein gedankliche, neu aufgetretene wahnhafte Vorstellungen und Überzeugungen.

Erläuterungen

- Dem Wahneinfall geht keine spezielle Wahrnehmung voraus.

- Besondere Form der Wahnerinnerung: „mnestischer Wahneinfall“: einem Patienten fällt plötzlich ein, dass er schon als Kind übernatürliche Kräfte gehabt habe

Beispiele: „Heute Morgen ist mir sonnenklar geworden, dass mein Sohn gar nicht von mir stammt.“


Wahngedanken

Definition: Überdauernde wahnhafte Überzeugungen Erläuterungen

- gehen aus Wahneinfällen oder Wahnwahrnehmungen hervor

Beispiele

„Vor mehreren Monaten sind lauter gelbe ausländische Autos in der Stadt herumgefahren, die mich offensichtlich beobachtet haben. Seitdem weiß ich, dass sie mich dauernd im Visier haben.“


Systematisierter Wahn

Definition: Grad der Verknüpfung (logisch oder auch paralogisch) einzelner Wahnsymptome mit anderen Wahnphänomenen, Sinnestäuschungen, Ich-Störungen oder auch nicht krankhaft

veränderten Beobachtungen und Erlebnissen.

Erläuterungen

- bei diesem Merkmal werden zwischen den oben genannten einzelnen Phänomenen Verbindungen hergestellt, die oft einen finalen oder kausalen Charakter besitzen und vom Patienten als Beweise und Bestätigungen für seine Überzeugung angesehen werden (z.B. Wahngedanken oder Wahnwahrnehmung)

Beispiele

Keines vorhanden


Wahndynamik

Definition: Das Ausmaß der Affekte, die im Zusammenhang mit dem Wahn auftreten.

Erläuterungen

- für den Untersucher ergibt sich das Ausmaß der affektiven Anteilnahme aus dem Verhalten des Patienten im Beurteilungszeitraum und aus der Art, wie er den Wahn berichtet.

- Werden Wahngedanken mit nur geringer affektiver Beteiligung und wenig psychomotorischem Ausdruck vorgebracht, liegt eine geringe Wahndynamik vor

Beispiele: Geringe Wahndynamik: Beispielsweise gibt es bei langandauernden Schizophrenien manchmal ein eingeschliffenes „Herunterleiern“ von Wahngedanken ohne spürbare emotionale Beteiligung. Eine starke Ausprägung liegt vor, wenn ein Patient mit einem depressiven Schuldwahn verzweifelt weint und händeringend über seine Verfehlungen klagt.


Beziehungswahn

Definition: Wahnhaftes Beziehen von Ereignissen auf die eigene Person.

Erläuterungen

- Patient fühlt sich im Mittelpunkt der gezielten Aufmerksamkeit seiner Umwelt

- Selbst aus völlig unbedeutenden Ereignissen entnimmt er mit unerschütterlicher Gewissheit Signale, die ihn in ganz besonderer Weise angehen

- Das Gespräch anderer Menschen bezieht er auf sich

Beispiele: Beziehungswahn kann isoliert vorkommen, z.B. als Liebeswahn mit der unkorrigierbaren Überzeugung, von einer bestimmten Person geliebt zu werden oder Element eines anderen Wahns (z.B. Verfolgungswahn) sein


Beeinträchtigungs- und Verfolgungswahn

Definition: Der Patient erlebt sich als Ziel von Feindseligkeiten. Er wähnt sich bedroht, gekränkt, beleidigt, verspottet und verhöhnt; er weiß, dass man nach seinem Hab und Gut, nach seiner Gesundheit oder gar nach seinem Leben trachtet.

Beispiel: „Die Psychologen überwachen mich ständig und überall mit Videokameras. Das Videomaterial verwenden Sie dann gegen mich. Sie treiben mich in den Wahnsinn.“


Eifersuchtswahn

Definition: Wahnhafte Überzeugung, vom Lebenspartner betrogen und hintergangen zu werden.

Erläuterungen und Beispiele

Patienten sind unerschüttlich davon überzeugt, dass ihr Partner eine sexuelle Beziehung zu einem anderen aufgenommen hat oder aufnehmen will. An sich unbedeutende Ereignisse oder Beobachtungen werden häufig als Beweise für die Untreue des Partners präsentiert. Ein Patient geht nur noch unregelmäßig zur Arbeit, weil er seine Freundin stundenlang beobachtet und Beweise für ihre Untreue sammelt. Er schreibt Briefe an die vermeintlichen Liebhaber und bedroht diese.


Schuldwahn

Definition: Wahnhafte Überzeugung, etwas falsch gemacht und Schuld auf sich geladen zu haben.

Erläuterungen

Der Patient ist überzeugt, einen unverzeihlichen und nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen zu haben. Diese Fehler können sowohl gegen individuelle als auch gegen gesellschaftliche oder religiöse Normen gerichtet sein. Im Rahmen eines Schuldwahns

kommt es häufig auch zu der Überzeugung, für das eigene Verhalten bestraft zu werden. Nicht selten wird tatsächlich geringfügiges Fehlverhalten aus der Vergangenheit in völlig unangemessener Weise überbewertet.

Beispiele: Ein Patient meint, die Erkrankung seiner Frau durch ein außereheliches Verhältnis vor vielen Jahren verschuldet zu haben.

„Vor 30 Jahren habe ich einmal 10 Briefmarken aus dem Büro mitgenommen, das hätte ich auf keinen Fall machen dürfen. Jetzt ist man dahintergekommen, und jetzt wird man mich bestimmt zur Rechenschaft und Verantwortung ziehen, die Polizei ist sich schon an der

Sache dran.“


Verarmungswahn

Definition: Wahnhafte Überzeugung, nicht genug Mittel zum Lebensunterhalt zu haben.

Erläuterungen und Beispiele

Patienten mit einem Verarmungswahn sind davon überzeugt, ihnen stehe der finanzielle Ruin bevor. Häufig äußern sie, eine notwendige Behandlung, Schulden oder laufende Lebenshaltungskosten nicht mehr bezahlen zu können. Nicht selten werden auch Familienangehörige in diese finanzielle Katastrophe miteinbezogen, und der Patient glaubt,

auch deren Vermögen gehe verloren. Infolge eines Verarmungswahnes will der Patient die teuren Medikamente nicht mehr einnehmen und drängt auf Entlassung, da die Krankenkasse die Kosten nicht übernehme.


Hypochondrischer Wahn

Definition: Wahnhafte Überzeugung, schwer krank zu sein.

Erläuterungen. Inhalt dieses Wahns können konkrete Krankheiten wie beispielsweise Krebs, AIDS oder Demenz sein. Manchmal sind Patienten auch nur überzeugt, bald an einer schweren Krankheit sterben zu müssen, ohne diese genauer beschreiben zu können. Tatsächliche

Krankheit schließt einen darüberhinausgehenden hypochondrischen Wahn nicht aus.

Beispiele: Der Patient ist überzeugt, an AIDS zu leiden. Er ist nur noch mit Arztbesuchen beschäftigt und konsumiert verzweifelt zahlreiche Medikamente bzw. denkt an Suizid.


Größenwahn

Definition: Wahnhafte Selbstüberschätzung und Selbstüberhöhung.

Erläuterungen und Beispiele. Der Patient ist der wahnhaften Überzeugung, anderen Menschen eindeutig überlegen zu

sein. Dieses kann sich auf Intelligenz, Schönheit, Reichtum, Begabung, Abstammung und vieles andere mehr beziehen.

„Ich verfüge über eine Superintelligenz und habe die Aufgabe, die kriegsführenden Länder zu versöhnen!“


Andere Wahninhalte

Definition: Wahnthemen, die nicht in die oben genannten Kategorien passen.

Erläuterungen und Beispiele

Wahnhafte Überzeugung schwanger zu sein.

Ein Patient ist davon überzeugt letzte Nach auf einem anderen Planeten gewesen zu sein.



Begriffe zu Sinnestäuschungen:

Illusionen

Definition: Verkennung (verfälschte Wahrnehmung) von realen Gegenständen, Geräuschen oder Personen.

Erläuterungen und Beispiele

Bei der Illusion werden Gegenstände, Geräusche oder Personen unmittelbar verkannt (im Gegensatz zur Wahnwahrnehmung, bei der die Wahrnehmung korrekt ist, dieser aber eine wahnhafte Bedeutung beigemessen wird.) . Das Geräusch von vorbeifahrenden Autos wird als Rollen von Panzerkolonnen wahrgenommen.


Stimmenhören

Definition: Hören von Stimmen (Phoneme), ohne dass tatsächlich jemand spricht.

Erläuterungen und Beispiele

Die Stimmen können den Patienten direkt ansprechen, ihm Befehle geben, sein Handeln kommentieren oder in Rede und Gegenrede über ihn sprechen.

„Ich habe die Stimmen mehrerer Männer gehört, die sich über mich unterhalten haben. Eine davon hat mir dann den Befehl gegeben, nach Emden zu fahren.“


Andere akustische Halluzinationen

Definition: Hören von Geräuschen, ohne dass solche Geräusche vorhanden sind (sog. Akoasmen).

Erläuterungen und Beispiele

„Ich habe dauernd eine Musik gehört, fast wie ein Konzert war es gewesen.“


Optische Halluzinationen

Definition: Visuelle Wahrnehmung ohne entsprechende Reizquelle.

Erläuterungen und Beispiele:

Es werden beispielsweise Lichtblitze, Muster, Gegenstände, Personen oder ganze Szenen gesehen, ohne dass diese vorhanden sind.

„Auf einmal kam ein Hund in das Krankenzimmer gelaufen und sprang auf das Bett meines Nachbarn.“


Körperhalluzinationen

Definition: Taktiles Wahrnehmen ohne enstprechende Reizquelle oder Störungen des Leibempfindens (Coenästhesien).

ErläuterungenUnter Körperhalluziantionen werden hier zwei verschiedene Phänomene abgebildet: Taktile

Halluzinationen und Störungen des Leibempfindens. Störungen des Leibempfindens beschreiben qualitativ abnorme, neu- und fremdartige sowie häufig negativ getönte Leibsensationen. Sie sind von den Patienten oft schwer oder nur mit bizarren Vergleichen beschreibbar.

Beispiele: Taktile Halluzination: „Auf einmal konnte ich lauter kleine Kristalle zwischen den Fingern tasten, sie waren zum Teil rund, zum Teil aber auch länglich.“

Störungen des Leibempfindens: „Mein Darm ist wie versteinert und im Bauch ist ein ständiges Brennen.“


Geruchs- und Geschackshalluzinationen

Definition: Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen ohne entsprechende Reizquelle.

Erläuterungen: Im Mund breitet sich ein bestimmter (meist unangenehmer) Geschmack aus, ohne dass der Patient etwas gegessen oder getrunken hat.

Beispiele: „Plötzlich hat es nach Gras gerochen; es war ganz merkwürdig, weil es sonst keiner gemerkt hat.“



Begriffe bzgl. ICH-Störungen

Derealisation

Definition: Die Umgebung oder das Zeiterleben werden unwirklich verändert erfahren; die Vertrautheit geht verloren.

Erläuterungen: Personen, Gegenstände und Umgebung erscheinen unwirklich, fremdartig oder auch räumlich verändert. Dadurch wirkt die Umwelt z.B. unvertraut, sonderbar oder gespenstisch. Die Sinneseindrücke können intensiver oder abgeschwächt sein.

Derealisation (Entfremdungserlebnisse kann in Wahnstimmung eingebettet sein.

Beispiele

„Ich habe das Gefühl, dass alles in Zeitluppe passiert.“


Depersonalisation

Definition: Der Patient kommt sich selbst fremd, unwirklich, verändert oder wie ein anderer vor.

Erläuterungen: Diese Störung kann flüchtig sein oder über längere Zeit bestehen bleiben. Hierher gehört auch das Erleben der Veränderung körperlicher Merkmale (z.B. größere Extremitäten).

Beispiele: „Jedes Mal implantieren sie mir ein anderes Ich, damit ich die Erinnerungen nicht behalte. Mein wirkliches Ich haben sie dafür in einen anderen Menschen eingesetzt.“


Gedankenausbreitung

Definition: Die Gedanken gehören nicht mehr dem Patienten alleine, andere haben daran Anteil und wissen, was er denkt (Gedankenlesen).

Beispiel: „Alle hier können in meine Gedanken reinsehen.“


Gedankenentzug

Definition: Dem Patienten werden die Gedanken weggenommen oder „abgezogen“.

Erläuterungen

Ein Patient berichtet, dass ihm andere Menschen oder eine höhere Macht die Gedanken entreiße oder stehle. „Da, wo meine Gedanken waren, ist jetzt ein großes schwarzes Loch. Alle meine Gedanken hat mir meine erste Freundin weggenommen.“


Gedankeneingebung

Definition: Die Patienten erleben ihre Gedanken und Vorstellungen als beeinflusst, gemacht, gelenkt, gesteuert, eingegeben oder aufgedrängt.

Erläuterungen und Beispiele: „Sie hypnotisieren mir Gedanken in den Kopf, die gar nicht meine sind.“


Andere Fremdbeeinflussungserlebnisse

Definition: Gefühle, Intentionen, Verhalten oder Körperfunktionen werden als gemacht erlebt.

Erläuterungen und Beispiele: Der Patient muss etwas Bestimmtes sprechen, er muss schreien, auf bestimmte Weise handeln, er muss jemanden angreifen, toben usw.

„Die steuern meinen Herzschlag, die machen ihn schnell und langsam.“

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c B.

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