Einleitung
Anlass: Aufdecken subjektiv wahrgenommener Defizite des alltäglichen Pädagogikunterrichts, fachdidaktischer Diskurs um Lernfallen im sozialwissenschaftlichen Unterricht
Ziel des Beitrages: Soll Anlass für einen Diskurs schaffen, der sich um die Überwindung der Herausforderungen bemüht
Plädoyer für stärkeren Rückbezug auf genuin erziehungswissenschaftliche Fragestellungen mit dem Ziel systematisches und strukturiertes pädagogisches Denken zu fördern
Lehr-Lernfallen als Prüfkriterien, inwieweit wichtige Aspekte des Pädagogikunterrichts berücksichtigt wurden
1. Die Kontext- oder „Entpädagogisierungsfalle“
Gegenstand des Pädagogikunterrichts verschwindet hinter den Zugriffen anderer Human- und Sozialwissenschaften, löst sich in allgemeinen Sachinformationen auf, ohne pädagogische Dimension zu erreichen
Ziel: Wiedergewinnung des allgemein-pädagogischen Denkens, das sich um die Bestimmung des Allgemeinen in der Pädagogik bemüht
Ausrichtung an der Leitmaxime pädagogischer Bildung „die Anbahnung eines kritischen Problembewusstseins gegenüber pädagogischen Prozessen“
—> Fähigkeit zur Orientierung im “Gemischtwarenladen”
2. Die Wissensfalle
Vermittlung scheinbar sicheren Wissens ohne Vermittlung des Problemgehalts pädagogischer Bedingungen und Entscheidungen
Anhäufung von Einzelinformationen zur Prüfungsvorbereitung, fehlende Sinnkonstruktion
3. Die Meinungsfalle
Pädagogikunterricht wird zum bloßen Meinungsaustausch auf Ratgeberliteraturniveau
Urteilskompetenz wird zu „Palaver“ —> verbleiben in egozentrischen Perspektiven, unbegründetes, unpädagogische Argumentation
Entwicklungsschritte pädagogischer Urteilskompetenz:
1. Unbegründete, oberflächliche Meinung im Rahmen eines pädagogischen Alltagsverständnis
2. Über einen begründeten pädagogischen Standpunkt zu allgemein- pädagogisch fundierten und in sich koordinierten Überzeugung
3. Selbstkritischen Hinterfragung der so entwickelten pädagogischen Grundhaltung und belastbaren Überzeugung durch andere pädagogische Grundvorstellungen, Überprüfung der Geltungsgebundenheit und Verallgemeinerungsfähigkeit markieren und erproben
4. Moral- oder Überwältigungsfalle
Pädagogikunterricht wird zum gesinnungsethischen Geplänkel —> Fokussierung auf normativ gesolltes, aber nicht auf Bedingungen, Folgen und Konsequenzen pädagogischen Handelns
5. Die Parallelisierungsfalle
pädagogische Fragestellungen haben eigenen Gegenstandsbereich und werden durch andere Bezugsdisziplinen mit anderen Eigenlogiken unhinterfragt übernommen
unzulässige Übertragungen aus dem Mikrobereich auf allgemeine und systemische pädagogische Betrachtungen
Falle 1: Pädagogikunterricht wird entpädagogisiert
Falle 2: unzulässige Gleichsetzungen/ Überwältigungen und Verzerrungen
6. Die Lernkulturfalle
dominantes, „variationsarmes“ Grundmuster der Unterrichtsführung – häufig Trias Lehrerfrage, Schülerantwort, Lehrerbewertung
Schüler*innen als passive Empfänger und Stichwortlieferanten feststehender Unterrichtsergebnisse
7. Die Methodenfalle
losgelöst von thematischen Zugriffen und Zieldimensionen dominieren methodisch durchgestylte Settings —> Reduktion von Didaktik auf Methodik
Vermittlungsform (methodische Erschließung) hat eine dienende Funktion, bleibt auf den Wechselwirkungszusammenhang von Inhalt und Methode angewiesen
Lehrkunst bedarf eines umfangreichen Repertoires an methodischen Möglichkeiten à Methoden werden nicht auf Vorrat eingeübt, sondern im Wechselspiel mit den Anforderungen entwickelt
8. Erfahrungsfalle
reale Handlungsszenarien oft nicht möglich, daher Simulation von handelnd wirkender Betätigung à la „Super-Nanny“, vermeintliches erproben pädagogischer Kommunikation, entscheiden und Handeln
Pädagogische Alltagserfahrungen bleiben undurchdrungen und werden nicht mit Begriffen und mit Hilfe von pädagogischen Theorien durchschaubar und verstehbar gemacht
Vorstellungen bleiben naiv und pädagogische Handlungsoptionen unterkomplex
9. Die Falle des Überspringens bzw. der Nicht-Beachtung der Lernausgangslagen:
Pädagogikunterricht berücksichtigt nicht die Lernausgangslagen und Lernvoraussetzungen und die pädagogischen Deutungsmuster als Übergänge und Brücken zu systematischen pädagogischen Perspektiven und allgemeinen pädagogischen Kategorien
Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen heißt mehr als die kognitiven Entwicklungsbedarfe für Lehr-Lern-Prozesse zu dekodieren, Berücksichtigung individueller Ausprägungen des Wissens, des Denkens und Meinens der Schüler*innen auseinanderzusetzen
durch entsprechende didaktische Arrangements kann mit Berücksichtigung der Aushandlungsprozesse der Fortgang zu pädagogischen Erkenntnissen erreicht werden, die als Erweiterung und Rückgriff wahrgenommen werden und dadurch in der Reichweite ausgedehnt und vertieft werden und einen Transfer ermöglichen
10. Die Programm- oder Zentralabiturfalle:
„Abspulen“ von Fachinhalten, ausschließlich darauf ausgerichtet, vorgegebene inhaltliche Schwerpunkte abzuarbeiten
Unterrichtsvermittlung wird auf den Lehrplan hin organisiert
Gefahr: bedeutet nicht, auf empirische Überprüfung und Vergewisserung der Ergebnisse zu verzichten, aber nicht alles ist messbar
Schlussfolgerung
das ernsthafte Bemühen diese „Fallen“ bei der Planung, Durchführung und Reflexion des Pädagogikunterrichts zu nutzen, eröffnet Chancen, dass ein kompetenzfördernder Pädagogikunterricht, der pädagogische Bildung in seinen Mittelpunkt rückt Wirklichkeit wird
Gleichzeitig Berücksichtigung von Lernenden als Adressaten einer antizipierten pädagogischen Selbststeuerung unter Berücksichtigung ihrer pädagogischen Urteils-, Teilhabe- und Handlungsfähigkeit und pädagogischer Zieldimension, die Vorstellung von Autonomie und Mündigkeit, die ihre Maßstäbe aus dem Gedankenexperiment der Verallgemeinerung gewinnt
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