Forschungsethik - Definition?
Forschungsethik
= befasst sich mit der Frage, welche ethisch relevanten Einflüsse die Intervention eines Forschers den Menschen zumuten könnte, mit oder an denen der Forscher forscht. Sie befasst sich zudem mit den Maßnahmen, die zum Schutz der an einer Forschung teilnehmenden Person unternommen werden sollen, sofern dieses als notwendig erscheint.
Grundprinzipien der Forschungsethik?
Die 3 Grundprinzipien einer Forschungsethik:
der Belmont-Report
(1) Prinzip der Achtung vor der Würde des Menschen (respect for persons)
Maßnahme: Informed Consent
(2) Prinzip des Nutzens (beneficence)
Maßnahme: Nutzen-Risiko-Abwägung
(3) Prinzip der Gerechtigkeit (justice)
Maßnahme: Sachlich reflektierte Begründung für die Auswahl der TN
Was ist das Prinzip der Achtung vor der Würde des Menschen?
Prinzip der Achtung vor der Würde des Menschen (respect for persons)
Autonome & selbstständige Entscheidung über freiwillige Studienteilnahme
Ablehnung darf nicht mit Sanktionen einhergehen
Einwilligung muss ohne Zwang, Gewalt, Betrug, Täuschung oder ausführliche Überredungskunst erfolgen
Besonderer Schutz: Personen, denen es auch bei adressatengerechter Information schwerfällt, autonome Entscheidungen zu treffen —>„Vulnerabilität
Prinzip der Achtung vor der Würde des Menschen
- Maßnahme?
Maßnahme: Informierte Zustimmung (informed consent)
Zentrales Element forschungsethischen Verhaltens
Insbesondere bedeutsam seit dem Nürnberger Ärzteprozess 1946/47, erste Tendenzen bereits im 19. Jh.
Definition „Informierte Zustimmung“: „Eine informierte Zustimmung ist die bewusste Zustimmung einer Person oder ihres bevollmächtigten Vertreters, als Proband an einem Forschungsprojekt teilzunehmen“
Kriterien der informierten Zustimmung?
Die Informierte Zustimmung ist nur gültig, wenn sie folgenden Kriterien genügt:
1) Potenzielle Studienteilnehmende müssen ausreichend über das Forschungsprojekt informiert werden. —>Informiertheit
2) Sie müssen ausreichend Zeit und Beratungsmöglichkeit haben, um ihre Meinung bilden zu können. —>Informiertheit
3) Die Zustimmung darf nicht durch Gewalt, Zwang, Betrug oder Täuschung herbeigeführt werden. —>Freiwilligkeit
4) Für unmündige oder bewusstlose (nichteinwilligungsfähige) Probanden ist die informierte Zustimmung durch die Eltern oder einen gesetzlichen Vormund bzw. Vertreter (Betreuer, Sachverwalter) erforderlich. Sofern möglich, müssen sie in angemessener Weise über das Forschungsvorhaben informiert werden und ebenfalls die Möglichkeit erhalten, ihrer Mitwirkung zuzustimmen oder diese abzulehnen.
=>Wichtig: Schriftliche Fixierung —>“Einwilligungserklärung“
Nochmal zu den ersten 3 Punkten.... Was fällt auf???
1) Potenzielle Studienteilnehmende müssen ausreichend über das Forschungsprojekt informiert werden.
2) Sie müssen ausreichend Zeit und Beratungsmöglichkeit haben, um ihre Meinung bilden zu können.
3) Die Zustimmung darf nicht durch Gewalt, Zwang, Betrug oder Täuschung herbeigeführt werden
Was ist das Prinzip des Nutzens?
Prinzip des Nutzens (beneficence)
Forderung: Studienteilnahme soll Nutzen bringen
2 Regeln: „Do not harm“ & „maximize possible benefits and minimize possible harms“
Studienteilnahme kann einhergehen mit 1. potenziellen Risiken (körperliche und/oder psychosoziale Schädigungen) 2. verschiedenen Nutzenarten: Eigennützigkeit vs. Nicht-Eigennützigkeit
—>Gruppennützigkeit & Fremdnützigkeit
Prinzip des Nutzens
Antizipation, da Ereignis in der Zukunft liegt
Konkret und nachvollziehbar
Schriftliche Fixierung in der Studieninformation für TN sowie im Studienprotokoll
Tipps aus der Praxis
1) Sich auf „ernstere Fragen“ vorbereiten
2) Es muss immer deutlich sein, dass Fragen nicht beantwortet werden müssen
3) Respekt vor Privatsphäre (va bei Hausbesuchen)
4) „Störungen haben Vorrang“
5) Eigene Rolle reflektieren (Verantwortung)
6) Genug Zeit einplanen & nicht zu viele Datenerhebungen/Tag
Was ist das Prinzip der Gerechtigkeit?
Prinzip der Gerechtigkeit (justice) Forderung:
Fairer Umgang mit den potenziellen Studienteilnehmer*innen Maßnahmen:
(1) Reflektierte Begründung für Auswahl der Studien-TN
nicht nach persönlichen Vorlieben oder
wenn absehbar, dass die TN der Intervention besonders positiv gegenüberstehen oder
schnellsten bestätigende Ergebnisse für die Forschungsfrage liefern
(2) Ungerechte Verteilung von Belastung & Nutzen
(3) Keinerlei Nachteile durch Nicht-Einwilligung oder Zurückziehen der Einwilligung
z.B. weiterhin beste individuelle Pflege nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen leisten
Ethische Prinzipien für die Planung und Durchführung von Studien in der Pflege- und Versorgungsforschung (Bartholomeyczik 2022)
(1) Das Forschungsthema muss gesellschaftlich relevant sein,
(2) Wissenschaftlich anerkannte Regeln müssen befolgt werden,
(3) Die Teilnehmenden müssen gerecht ausgewählt werden,
(4) Der Nutzen für die Teilnehmenden muss größer sein als die Risiken,
(5) Der Plan für die Studie muss einer unabhängigen Begutachtung unterzogen werden,
(6) Die Studienteilnehmenden müssen der Teilnahme informiert zustimmen (Informed Consent),
(7) Den Teilnehmenden ist mit Respekt zu begegnen,
(8) Den Werten, der Kultur, den Traditionen und sozialen Gepflogenheiten von Gemeinschaften ist mit Respekt zu begegnen.
Relevanz der Forschungsethik ?
Relevanz der Forschungsethik
Nicht bloß ein Nice-to-have, sondern:
Reflektion forschungsethischer Fragen und Themen selbstverständlich
Einzelne forschungsethische Aspekte, Prinzipien und Anforderungen finden sich in Form des Studienprotokolls wieder
Ethische Begutachtung von Forschungsvorhaben wird vor Studienstart verlangt (Ethikvotum)
Ethikvotum Voraussetzung für Veröffentlichung in wissenschaftlichen Zeitschriften
Datenschutz?
Welche Daten?
Datenschutz
Personenbezogene Daten „[...] alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.“ (DSGVO)
Besondere Kategorien personenbezogener Daten (hier: sensible Daten) „[...] personenbezogener Daten, aus denen die ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie die Verarbeitung von genetischen Daten, biometrischen Daten zur eindeutigen Identifizierung einer natürlichen Person, Gesundheitsdaten oder Daten zum Sexualleben oder der sexuellen Orientierung [...].“ (Art. 9 DSGVO)
Verbot mit Erlaubnisbehalt?
Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
—>Erheben, Speichern und Verarbeiten der Daten ist nicht zulässig, außer...
1. Eine gesetzliche Regelung erlaubt diese konkrete Art der Datenverarbeitung
2. Der/Die Betroffene hat seine/ihre Einwilligung in die Verarbeitung seiner/ihrer Daten gegeben
Erhöhter Datenschutz?
Erhöhter Datenschutz bei der Forschung mit sensiblen Daten —>Z. B. Angaben zur Gesundheit, zu politischen Ansichten, religiösen Überzeugungen
Welche Aspekte müssen beim Umgang mit Forschungsdaten im Rahmen des Datenschutzes beachtet werden?
Beachtung der folgenden Aspekte im Umgang mit Forschungsdaten im Rahmen des Datenschutzes:
(1) Informed consent, schriftliche Einwilligung
(2) Zweckbindung muss vorliegen
(3) Grundsatz der Erforderlichkeit & der Datensparsamkeit
(4) Ziel: Anonymisierung der personenbezogenen Daten
(5) Geschützter Zugang zu den Daten
(6) Archivierung
(7) Recht auf Löschung & Auskunftsmöglichkeit über die erhobenen Daten
Was ist Pseudonymisierung?
Pseudonymisierung
„Im Sinne dieser Verordnung [DSGVO] bezeichnet der Ausdruck „Pseudonymisierung“ die Verarbeitung personenbezogener Daten in einer Weise, dass die personenbezogenen Daten ohne Hinzuziehung zusätzlicher Informationen nicht mehr einer spezifischen betroffenen Person zugeordnet werden können, sofern diese zusätzlichen Informationen gesondert aufbewahrt werden und technischen und organisatorischen Maßnahmen unterliegen, die gewährleisten, dass die personenbezogenen Daten nicht einer identifizierbaren natürlichen Person zugewiesen werden“ (Art. 4 DSGVO Begriffsbestimmungen)
Vorgehen bei Pseudonymisierung?
Vorgehen:
1) Klarnamen durch Pseudonym ersetzen
Bsp.: Lieschen Müller durch ID HS_A_01
Bsp.: UKSH Station A.211 Teamleitung Lieschen Müller durch ID HS_W1_A_01
2) Korrelation von Klarname und Pseudonym wird in einer Referenzliste festgehalten
3) Referenzliste wird vom Datensatz getrennt aufbewahrt. Im Datensatz nur ID vermerken, nicht den Klarnamen
Was ist Anonymisierung ?
Anonymisierung
Datenschutzrechtliches Ziel! Anonyme Informationen sind „[...] Informationen, die sich nicht auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, oder personenbezogene Daten, die in einer Weise anonymisiert worden sind, dass die betroffene Person nicht oder nicht mehr identifiziert werden kann.“ (DSGVO Erwägungsgrund 26)
Vorgehen bei der Anonymisierung ?
Vorgehen?
Referenzliste löschen
Zuordnung zum Klarnamen ab jetzt unmöglich
Nachvollziehen des Zustandekommens von Datensätzen ab jetzt unmöglich
Studienteilnehmende können die Verwendung ihrer Daten nicht mehr widerrufen und können auch keine Auskünfte über ihre Daten mehr verlangen
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