Die Rechtsnatur und Rechtsquellen der EU
Dieser Teil beinhaltet die Fragen: Was ist die Europäische Union? Was ist ihre Rechtsnatur? Woher kommt ihr Recht? Was sind ihre Rechtsquellen?
Die Rechtsnatur der EU kann mit 2 Varianten verglichen werden:
1. als Staatenverbindung bzw Konföderation, dies soll völkerrechtliche Charakter der Gemeinschaft darstellen (Völkerrechtliche Perspektive)
• Völkerrechtliche Verträge sind Rechtsgrundlage
• Staaten bleiben souverän und können immer kündigen und austreten
• Diese Konföderation hat selbst keine Souveränität, Entscheidungsmacht bleibt immer bei den Mitgliedsstaaten.
• kein Völkerrechtssubjekt, das bedeutet = Die Konföderation sammelt nur die Entscheidungsmacht der Staaten, da gewisse Sachverhalten von einem Staat nicht alleine entschieden werden können
• Konföderation ist nicht autonom, also nicht handlungsfähig, alle MS entscheiden zusammen
• Konföderation besitzt keine Kompetenz-Kompetenz, das bedeutet = wer hat das erste und das letzte wort? Immer die MS
Bsp. Zur Konföderation
Maastricht Vertrag von 1993: Ziel war es eine einheitliche Währung zu schaffen und Zusammenarbeit in Politik und Justiz zu schaffen:
Diese Argumente hat der Bundesverfassungsgerichtshof vertreten:
• EU hat kein europäisches Staatsvolk
• Daher euch keine europäische Demokratie
• Daher demokratische Legitimation durch nationale Parlamente
• Engere Union zwischen den Völkern wurde noch nicht erreicht
Daraus folgt:
• Die Quelle demokratischer Legitimität liegt bei den Staatsvölkern der MS
• Die Rechtsautorität der EU ist von den MS abgeleitet (EUGH sagt Gegenteil)
• Das EU Recht findet daher nur Anwendung in einem MS wenn dieser es erlaubt (Brückengesetzte werden diese genannt; diese Brückengesetze machen es möglich das europäisches Recht in das nationale Recht einfließt, während EUGH sagt dass er bestimmt)
• Daher hat EU Recht das über diese Brückengesetze hinausgeht keine Rechtswirkung in den MS (ultra vires, geht über seine Kompetenz hinaus)
• Die Letztauslegungskompetenz liegt daher beim staatlichen Höchstgericht
2. als Vergleich zum föderalen Staat (Perspektive als Bundesstaat)
• Hier ist die Grundlage keine Völkerrechtlichen Verträge, sondern die Verfassung
• Bundesstaaten sind max. Teilsouverän aufgrund der Kompetenzverteilung, Verfassung kann nicht jederzeit gekündigt werden.
• Ist Völkerrechtssubjekt, das bedeutet = der Staat entscheidet selbst ohne die Zustimmung der Bundesstaaten.
• Staat ist autonom, er ist mehr als nur die Summe der Beziehungen zwischen seinen Bundesstaaten
• Staat besitzt Kompetenz-Kompetenz, nur der Bund kann die Kompetenzen ändern.
• EU Verträge sind auch als Verfassung denkbar
• EUGH sagt dass EU Rechtsautonomie besitzt sowohl von staatlichen Recht als auch Völkerrecht
• Kelsens Grundnorm= bildet die rechtliche Grundlage, das bedeutet das EU Verträge als Unionsrecht dient und nicht mehr als völkerrechtliche Verträge
• MS bleiben Herren der Verträge aber besitzen keine individuelle Kompetenz-Kompetenz (Bsp. Österreich alleine könnte die Kompetenzverteilung von EU und MS nicht verändern; nur noch alle MS zusammen + Unionsorgane)mehr.
• Verträge können nur noch gemeinsam mit Unionsorgane geändert werden.
Bsp. Zur Bundesstaatlichen Perspektive
Van Gend & Loos 1963: Ich als Österreicher arbeite in einem ausländischen MS und bekomme durch diesen Vertrag Rechte zu gesprochen wie zum Beispiel das Diskriminierungsverbot. (Vertrag für den Einzelnen)
Bsp. Zur Bundesstaatlichen Perspektive:
: Costa/ENEL 1964: Es geht hier um den Anwendungsvorrang
3. Perspektive als sui generis:
• Ein Mittelweg aus Völkerrecht und staatlichen Recht
• Nicht vergleichbar
• Die EU und seine MS sind ein verflochtenes Gesamtsystem zur Erledigung hoheitlicher Aufgaben.
• Supranational= das gewisse Bereich der EU über der staatlichen Rechtsordnung stehen.
Nach diesen 2 Prinzipien funktioniert die EU:
supranational
(= überstaatlich)
Regelung der Zusammenarbeit auf
einer den Staaten übergeordneten
Ebene
Übertragung von Zuständigkeiten
Mehrheitsentscheidungen ozw ganz
unabhängig vom Willen der MS
Anwendungsvorrang bzw.
unmitte bare Anwendbarkeit der
supranationalen Regelungsmaterie
intergouvernemental
(=zwischenstaatlich)
Regelung der Zusammenarbeit
durch die Staaten auf deren Ebene
keine Übertragung von
Zuständigkeiten
Einstimmigkeitsprinzip
Regelungsmaterie muss vor
Anwendung in nationales Recht
umgesetzt werden
Kritik an sui generis Theorie
erklärt alles und nicht, EU ist weder internationale Organisation noch ein föderaler Staat.
Fazit= NICHT EINDEUTIG
• EU beruht auf völkerrechtlichen Verträgen, sind zusammengefasste Willenseinigungen der MS
• Die staatliche Souveränität bewegt sich Rahmen des allg. Völkerrechtsà MS können Verträge ändern, aufheben und frei über Inhalt verfügen. Inhaltliche Änderungen sind durch Befugnisse begrenzt= jus cogens
• Verfahrensrechtliche Grenzen durch Art. 48 EUV
• MS bleiben Herren der Verträge
Art. 19 EUV legt Grundlagen des EUGH fest.
Art. 344 EUV wenn MS einen Streit um Unionsrecht haben dann müssen sie EUGH dazu ziehen.
Was ist also die Antwort?
• Art. 1 Abs 1 EUV= Gründung der EU
• Nach Art. 47 EUV hat Union Völkerrechtspersönlichkeit, internationale Organisation mit eignen Befugnissen zur Verwirklichung ihrer Vertragsziele
• Es herrschte eine Einigkeit das Unionsrecht einen völkerrechtlichen Ursprung hat
• Staatenverbund durch Lissabon Urteil
• Art. 355 AEUV die Rechtsfähigkeit und Geschäftsfähigkeit der EU ist wie eine juristische Person in den MS
Was bedeuten diese unterschiedlichen Perspektiven für die Praxi?
.
• Unionsrecht hat anwendungsvorrang vor entgegenstehenden staatlichen Recht bzw. auch unmittelbar anwendbar ist vor Gericht
• Wenn durch Punkt 1 Zweifel entstehen (Bsp. Politik) in wie fern dies die Wirkungsweise, Reichweite und Wirksamkeit einschränken.
• Woher kommt diese unmittelbare/vorrangige Anwendung her? EUGH sagt es kommt von EU selbst er hat mit den beiden Fällen: Costa/ENEL & Van Gen u. Loss etabliert.
Die nationalen Höchstgerichte meinen wiederrum dass es aus den Verfassungen, Brückengesetzen und Zustimmungsgesetzen kommt.
Diese beiden Widersprüche lassen sich zurzeit nicht lösen.
Rechtsquellen des Unionsrechts
Woher kommt das Recht und woraus entstehen Rechtsquellen?
Die Gründungsverträge der EU haben völkerrechtlichen Ursprung.
Primärrecht= Verträge und Verfassung der Union
Völkerrecht= internationale Abkommen die EU abgeschlossen hat, Gewohnheitsrecht
Sekundärrecht= Unionsgesetzgebung, nennt man auch abgleitendes Unionsrecht
Tertiärrecht= Verwaltungsakte
Primärrecht
Man unterscheidet geschriebene und ungeschriebenes PR:
Geschriebenes= Gründungsverträge, Verträge über EUV, Verträge AEUV, Protokolle, Anhänge, GRC & Beitrittsverträge.
Ungeschriebenes= allg. Rechtsgrundsätze
Primärrecht:
• hat Verfassungscharakter
• Rechtsstaatlichkeit=hat die Eigenschaften eines Rechtsstaates
• Grundrechtschutz
• Normenhierarchie=Sekundärrecht darf Primärrecht nicht widersprechen
Was enthält EUV & AEUV-siehe Kodex Stichwortverzeichnis
GRC
• 2000 proklamiert aber rechtlich unverbindlich
• 2009 Teil des Primärrechts und rechtlich verbindlich Art. 6 Abs. EUV
• Wann kommt GRC zur Anwendung? siehe Art. 51 GRC
• Was ist wenn es zwischen EMRK und GRC zu Uneinigkeiten kommt? Art. 52 Abs. 3 GRC sagt dass EUGH soll jene Charta Rechte die auch im EMRK stehen wie Bsp. Folterverbot sollen in Gleichklang gebracht werden.
• EMRK Art. 6 Abs. 3 AEUV EMRK gilt nicht direkt verbindlich
Allgemeine Rechtsgrundsätze
· Werden durch Rechtssprechung des EUGH im Wege der wertenden Rechtsvergleichung entwickelt.
· Gemeinsame Verfassungsüberlieferungen= Müssen mit dem MS gemeinsam sein
· Ist Rechtserkenntnisquelle
· Sind rechtlich verbindlich
· Art. 19 Abs. 1 EUV
· Bsp. Grundsatz von Treue und Glauben, Grundsatz der Rechtssicherheit
Sekundärrecht
· Nennt man auch abgeleitedes Recht
· Basis ist immer Primärrecht
· Grundlage für die Rechtshandlungen der Unionsorgane bilden Verträge siehe Art. 288 AEUV:
Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse & Empfehlungen und Stellungnahmen.
Verordnungen des Sekundärrechts
· Art. 288 Abs. 2 AEUV verbindlich & gelten unmittelbar
· Der Zweck ist Rechtsvereinheitlichung
· Allgemeine Geltung
· Bsp. DatenschutzgrundVO
Richtlinie des Sekundärrechts
· Art. 288 Abs. 3 AEUV verbindlich aber hat einen Zieltermin
· Grundregel= MS haben RL genau und fristgemäß umzusetzen
· Zweck ist die Rechtsangleichung
· Umsetzungspflicht durch Art. 4 Abs. 3 EUV Unionstreue
· Nachfrist ist 2 Jahre in der Regel
· Bei nicht-umsetzung geschehen Sanktionierungen
Bsp: AsylberfahrensRL
Beschluss des Sekundärrechts
· Art. 288 Abs. 4 AEUV
· Es gibt zwei verschiedene Arten von Beschlüssen 1. Adressatenlose Beschlüsse und 2. Adressatenspezifische Beschlüsse
Empfehlung und Stellungnahme des Sekundärrechts
· Art. 288 Abs. 5 AEUV
· Rechtlich unverbindlich
· Rechtlich wirkungslos
· Stellungnahme zielen nicht die Verhaltenssteuerung an
Empfehlungen dienen der Koordinierung nationalen Handelns in Bereichen, in denen Unionskompetenz zweifelhaft oder Rechtsangleichung ausgeschlossen ist
Von nationalen Gerichten zu berücksichtigen
Selbstfindung des betreffenden Unionsorgans
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