3 Verschiedene Konzeptionen von Stress
Stress als Reaktion (reaktionsorientierte Theorien)
Stress als Reiz/Stimulus (stimulusorientierte Theorien)
Stress als Transaktion (Stress als Beziehung zwischen Person und Umwelt)
Stress als Reaktion: Ursprung
Ursprünglich Begriff aus Materialkunde
Übertragen auf bio-physiologisch orientierte Disziplinen, z.B. Medizin, Biologie oder Psychophysiologie
Stress als körperliches Reaktionsmuster auf belastende Ereignisse
Theorie der Notfallfunktion: Fight Flight (Cannon) - Geschichte
Walter Cannon war an Verdauung interessiert
war Mediziner im Lazarett in WW1
Soldaten, die aus dem Kampfgeschehen kamen, wiesen kaum Peristaltik (Darmbewegung) auf
Hatt dann auch andere Organismen unter Stress untersucht und Gemeinsamkeiten Gefunden
Wichtig: Das ANS
Fight-Flight-Reaktion: Definition
Eine verstärkte Belastung des Organismus ist mit
erhöhter Aktivität des Nebennierenmarkt verbunden.
Es werden vermehrt Katecholamine ausgeschüttet (vorwiegend Adrenalin und Noradrenalin), die
ein bestimmtes körperliches Reaktionsmuster erzeugen, das
den Organismus auf einen Kampf- oder Fluchtsituation vorbereiten soll.
Auswirkung der Aktivierung des sympathischen Nervensystems, der Ausschüttung von Adrenalin/Noradrenalin auf verschiedene Organe
Herz-Kreislauf
Herzrate erhöht
systolischer Blutdruck erhöht
periphäre Blutgefäße verengt
Dermales System
Hautleitfähigkeit nimmt zu
Spontanfluktuationen nehmen zu
Schweißsekretion nimmt zu
Muskuläres System
Muskelreaktivität erhöht
Bronchialmuskulatur erweitert
Lidschlagrate erhöht
Speichelsekretion - gehemmt
Magen-Darm-Motorik - gehemmt
Sekretorische Aktivität des Magens - abnahme
—> was grad nicht wichtig ist, wird runtergefahren
Generelles Adaptations-Syndrom - Hans Selye
Selyes Stressdefinition
“Stress is the state manifested by a specific syndrome which consists of all the nonspecifically-induced changes within a biologic system.“
nonspecific: egal welcher anhaltende und intensive Stressor
specific: er kommt zu immer gleichen Reaktion/ Reaktionsabfolge
—> Generelles Adaptationssyndrom (GAS; Selye, 1936)
—> 3 Stadien
HHN-Achse schüttet Cortisol aus, Cortisol ist “Motor” des GAS
Die 3 Stages des GAS nach Selye
Alarm Reaction Stage (Alarmreaktion):
Schockphase: Herzrasen, Muskeltonus runter, Körpertemperatur runter, Beginn Entstehung von Geschwüren im Magen-Darm-Bereich, Unterzuckerung, Immunkompetenz verringert, schneller Anstieg Adrenalin und Noradrenalin Ausschüttung aus Nebennierenmark.
Gegenschockphase: (fängt Schockphase auf) Sekretionssteigerung der Nebennierenrindenhormone (v.a. Kortisol), Nebennierenrinde vergrößert, lymphatische Organe verkleinert. Umkehr einiger Symptome der Schockphase (Erhöhung Blutzuckerspiegel und/oder Körpertemperatur)
Resistance Stage (Resistenz-/Widerstandsstadium):
Resistenzniveau schießt weit über Baseline hinaus
Individuum setzt sich anhaltendem Stressor gezielt und scheinbar erfolgreich zur Wehr. Die in Alarmphase entstandenen Symptome bilden sich zurück.
Exhaustion Stage (Erschöpfungsstadium):
Körpereigene Reseven zur Aufrechterhaltung der Abwehr sind aufgebraucht. Adaptation an Stressor bricht zusammen.
Einige frühere Symptome treten wieder auf: z.B. verkleinerung der lymphatischen Organe, vergrößerung Nebennierenrinde, Geschwürbildung im Magen-Darm-Bereich
Besteht Stressor weiterhin kann das zum Tod führen.
“egal welcher Stressor, hauptsache langanhaltend und intensiv”
Kritik an Selyes Theorie
NK: “Vielleicht waren die Stressoren, die Selye da benutzt hat, gar nicht so unähnlich.”
—> es stimmt nicht egal welcher Stressor, es geht um psychische/emotionale Aspekte.
Kritik von Mason (1975): Es sei bekannt, dass emotionale Stimuli unter den stärksten Stimuli sind, die die Kortisolausschüttung erhöhen können.
Konventionelle Laborbedingungen wie z.B. Hitze, Kälte, Bewegungszwang etc. häufig auch emotionale Stressoren sind.
—> Die von Selye angewandten Stressoren weisen also übereinstimmende emotional relevante Aspekte auf.
—> Tiere wurden neuen, intensiven und schlecht vorhersagbaren negativen Stressoren konfrontiert, in folge seien sie -hilflos, -unsicher und -ohne Kontrolle.
—> In Studien ohne Unsicherheit über den Stressor kein Kortisolanstieg oder GAS zu beobachten (z.B. Temperatur nicht abrupt stark erhöht sondern langsam)
Bei Menschen: physiologische Stressreaktionen nicht so unspezifisch und homogen wie von Selye angenommen
Bedeutsame Kortisolanstiege bei Menschen vor allem in unkontrollierbaren und sozial evaluativen Situationen beobachtet
Auch nicht berücksichtigt: Menschen bewerten ihre Erfahrungen.
Allostasis und allostatische Belastung (McEwen, 2000) - Grundannahmen
Akuter Stress erstmal nicht gefährlich, z.B.
immunfunktion wird erhöht
Bildung von gefahrenrelevanten Gedächtnisinhalten wird gefördert
Hält Stress an oder schlägt Stressregulation fehl: negative Konsequenzen.
Allostasis und allostatische Belastung (McEwen, 2000) - Definitionen
Allostasis: kurzfristige Veränderungen zugunsten der Stabilität
aktive Reaktion biologischer Vermittler, die den Organismus “zum Gleichgewicht” zurückführen sollen
Physiologische “Bewältigung” von Stress
Allostatische Belastung: physiologische Kosten, die dem Körper durch Exposition mit dauerhaften und/oder wiederholten stresshaften Anforderungen entstehen
Organismus leidet an Folgen seiner Anpassung
Gefahr der “Abnutzungserscheinungen”
Allostatische Systeme
ermöglichen adäquate Anpassungsreaktion an vielzahl von Veränderungen in der sozialen und physischen Welt
Sichern damit kurzfristig das Funktionieren des Organismus
Langfristig können körperliche Reaktionen auf Stress schädlich sein und Krankheitsprozesse fördern
—> relativ abstrakt, kann viele körperliche Funktionen in Mitleidenschaft ziehen, wie Resistenzniveau bei Selye
Allostatische Belastung - 4 Entstehungsbedingungen
Typ 1: Häufiger Stress, wiederholte Aktivierung allostatischer Systeme
z.B. Exzessive Beanspruchung bei der Arbeit: Konfrontation mit immer neuen Herausforderungen
“Repeated Hits” —> Abnutzungserscheinungen
Typ 2: Unfähigkeit zur physiologischen Habituation führt zu übermäßiger Konfrontation des Körpers mit physiologischen Stressmediatoren
“Lack of Adaptation” - immer gleicher Stressor und Individuum müsste sich im Normalfall daran gewöhnen. (z.B. Personen mit sozialer Phobie gewöhnen sich nicht an Situation der öffentlichen Rede.
Typ 3: Unfähigkeit, allostatische Reaktivität zu beenden, nachdem Stressreiz beendet ist. Erholung findet nicht/ kaum/ zu langsam statt.
z.B. Menschen dich hoch auf Neurotizismus abschneiden haben Schwierigkeiten, sich nach Stressituation wieder zu regulieren.
Typ 4: Inadäquate Reaktion eines körpereigenen Systems und als Folge Überreaktion anderes assoziierten Systems. z.B. überschießende Immunreaktion durch unterdrückte Kortisolausschüttung durch Erkrankung.
Kritik an der Theorie der Allostasis und der allostatischen Belastung
Primär Beschreibung und Erklärung von kurz- und langfristigen körperlichen Stressreaktionen und ihren Folgen
Kaum Berücksichtigung weiterer stressmodulierender Faktoren (z.B. Bewertung, Bewältigung oder aktives Angehen der Reaktion)
schwierig zu operationalisieren
Stress als Reiz - Kritische Lebensereignisse (Holmes & Rahe, 1967) - Grundidee
Veränderungen im Leben fordern Anpassungsleistungen und können zu Belastung und zur Entstehung von Krankheiten beitragen.
Ausmaß der (sozialen Anpassungsleistung), die mit der Veränderung verbunden ist, sollte für die Bestimmung der Stressbelastung genügen.
NK: “ Wenn ich weiß, dass Leute durchgemacht haben kann ich denen einen Stresscore zuordnen und weiß, wie gefährdet die sind.”
Individuelle Einschätzung/Bewerutung der Situationsreize spielt in diesem Modell keine wichtige Rolle.
Situationsreize = kritische Lebensereignisse (“critical life events”)
Stress als Reiz - Kritische Lebensereignisse (Holmes & Rahe, 1967) - was sind diese?
einschneidende (nicht unbedingt negative) Konfrontationen im Leben eines Menschen
erfordern hohes Maß an (sozialer) Reorientierung/ Anpassung
Interesse an längerfristigen Konsequenzen (gesundh. Folgen)
Stress als Reiz - Kritische Lebensereignisse (Holmes & Rahe, 1967) - Operationalisierung
In “Normstichprobe”: Ermitteln mittleren sozialen Anpassungs-/Reorientierungsaufwands pro kritischem Lebensereignis
—> “life-changing unit”
Anpassungsaufwand/krit. Lebensereignis
Ab da: Messung vorkommen kritisher Lebensereignisse (jetzt fest gewichtet) im letzten Jahr - Addition der life-changing-units
—> z.B. Social Readjustment Rating Scale (SRRS; Holmes & Rahe 1967)
Social Readjustment Rating Scale: Auszug
(in neueren Instrumenten kann man auch selbst bewerten, wie man was erlebt hat)
Konkurrenz zu den kritischen Lebensereignissen: Daily Hassles und Daily Uplifts - Grundannahme
Alltagsschwierigkeiten “daily hassles” und Gegenspieler “daily uplifts” (Freuden des Alltags) (Kanner et al., 1981)
Es sind nicht die selteneren schwerwiegenden Lebensereignisse, die hauptsächlich zum Stresserleben beitragen sondern die kleinen alltäglichen Schwierigkeiten.
Messung von Alltagsschwierigkeiten
Wichtiges Instrument: “daily hassles/daily uplifts”-Skala
Zentrale Alltagsschwierigkeiten = regelmäßig wiedergehrende Probleme (z.B. Auseinandersetzungen in der Partnerschaft)
Periphäre Alltagsschwierigkeiten = geringere Auftretenswahrscheinlichkeit und zeitlich begrenzt belastend
Messung von Alltagsschwierigkeiten - Hassles and Uplift Scale Auszug
(hassles wiegen schwerer als uplifts)
empirische Befunde stimulusorientierter Stresstheorien
stärkere Zusammenhänge zwischen negativen (als positiven) Lebensereignissen und psychophysiologischem Befinden (beide Theorien)
Im Bereich Alltagsstress - z.T. positiver Zusammenhang zwischen Alltagsschwierigkeiten und infektiösen Atemwegserkrankungssymptomen
Positiver Zusammenhang Alltagsstress und Depressionen
Negativer Zusammenhang Alltagsstress und Lebenszufriedenheit
Kritik an stimulusorientierten Stresstheorien
vernachlässigt interindividuelle Unterschiede bei Wahrnehmung von Stressoren (v.a. bei klass. Erfassung critical life events)
Retrospektive Erhebung —> Gefahr von Verzerrung, ungenauigkeit
Gemeinsame Kritik an reaktions- und stimulusorientierten Stresstheorien
Individuum häufig als passives Opfer von situativen Umständen
—> viele kritische Lebensereignisse und der Umgang mit ihnen fühen sich nicht in dieses Bild!
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