Schulabsentismus - Definition
Begriff Absentismus (absenteeism): (ungerechtfertigte) Abwesenheit des Schülers vom Unterricht (Neukäter & Ricking 2000)
Definitionen: Wann beginnt Absentismus?
stundenweises - tageweises Fehlen
entschuldigt - unentschuldigt
Delinquenz?
Individuelle Handlung - sozialer Desintegrationsprozess? `
Konsequenz: Angaben zu den Häufigkeiten variieren und sind kaum vergleichbar - Politische Brisanz
Ursachen
Multifaktoriell:
Biologische Faktoren:
• körperliche, kognitive Beeinträchtigung
Psychische Faktoren:
• Geringe soziale Kompetenz
• Ängste
• Depressionen
• Motivation/Interesse
• Langeweile
Soziale Einflüsse:
• Bindung und Erziehung
• Elterncharakteristika
• soziales Milieu
• Geringe Aufsicht/Unterstützung
• Peer-group
• Schulklima, Unterrichtsqualität
Begriff Schulabbruch bzw. Dropout
Dropouts sind Individuen, die im vorigen Schuljahr an der Schule eingeschrieben bzw. registriert waren und in diesem Jahr nicht mehr sind,
1. ohne einen Abschluss abgelegt zu haben,
2. an eine andere Schule gewechselt,
3. suspendiert,
4. krank oder verstorben zu sein (National Center for Education Statistics, 2002, Übersetzung CH)
Als Dropout (Schulabbruch) wird das Ergebnis einer desintegrativen Entwicklung bezeichnet, bei der Schüler:innen noch vor Vollendung der Vollzeitschulpflicht und ohne Schulabschluss die Schule verlassen.
Dropout im deutschen Bildungssystem
Formen
Schulverweigerung:
Initiative des Schülers
bei Kenntnis der Eltern
aus Angst vor der Schule (Leistungsangst, soziale Angst, nichtschulbezogene Angst)
Schulschwänzen:
bei Unkenntnis der Eltern
mit Ziel einer angenehmeren Aktivität
Zurückhalten der Eltern
Initiative der Eltern
Kind meist einverstanden
Befindet sich zuhause
Fehlquoten nach Schulform/Alter
Am Häufigsten in Förderschule, dann Hauptschule, Realschule
Am häufigsten im Alter von 14-15, dann 10,11
Schulleistungen und Verhaltensprobleme der SuS mit mehr als 10 Fehltagen (Hagen et al. 2017)
60,5 % der SchülerInnen zeigen Verhaltensprobleme (Emotionale Probleme, Probleme in der sozialen Interaktion oder Hyperaktivität)
Die Schulleistungen von 42,8 % der SchülerInnen liegen im durchschnittlichen Bereich
36,7 % weisen schlechte oder sehr schlechte Schulleistungen auf
20,6 % sind im überdurchschnittlichen Bereich einzuordnen = gute/ sehr gute Leistungen
Vermeidendes Verhalten
Sinkende Gefahr der Desintegration und Entkopplung durch:
• Erleben von Erfolgen
• Aktive Einbindung in Schulaktivitäten (innerhalb und außerhalb des
Unterrichts)
• Übernahme von Verantwortung zur Identifikation mit Schule &
persönlichen Befriedigung
—> Zielperspektive: Engagement in der Schule
Schülerperspektive
Schulabsentismus als subjektiv beste Lösung:
Selbstschutz gegen Misserfolgsbelastungen
Rückzug angesichts Isolation, Bindungslosigkeit und geringe Akzeptanz bei Mitschülern und Lehrern
Empfundene Sinnlosigkeit schulischen Lernens
Lebensprobleme, die mit Schule nicht vereinbar sind
Gesellschaftliche Risikofaktoren
Prävention
Prävention & frühe Intervention
auf Ebene von Klasse, Schule, Peers und System
Inhaltliche Orientierung: Resilienz
Handlungsfelder
1. Politik: Bildung, Familien, Jugend, ...
2. Schulrecht: Bußgeldverfahren
3. Psychologie/ Psychiatrie: Therapie bei angstinduziertem Meidungsverhalten & Phobie
4. Schulpädagogik: Gestaltung schulischer Lern- und Lebensbedingungen
5. Sozial- und Sonderpädagogik: Präventionsmaßnahmen, alternative Beschulungsprojekte
Rechtliche Maßnahmen - Schulgesetz NRW
Schulgesetz NRW:
• Eltern sind für die Einhaltung der Schulpflicht verpflichtet
• Lehrkraft/Schulleitung muss Schulpflichtige (die diese nicht erfüllen) an
diese erinnern und auf die Eltern/Erziehungsbeauftragten einwirken
—> bleibt dies erfolglos, können diese SuS zwangsweise der Schule
zugeführt werden (Jugendamt muss verständigt werden)
• Eltern können durch Zwangsmittel zur Erfüllung ihrer Pflicht angehalten
werden
Maßnahmen des Schulzwangs:
• Bußgeld
• Zwangszuführung
• Arrest
Bedingungen:
• Ausschöpfung pädagogische Maßnahmen in der Schule
• Diagnostische Klärung
Rahmenkonzept zur Förderung der schulischen Anwesenheit und Partizipation (Ricking, 2007)
Check & Connect
= Programm zur Unterstützung der Schulanbindung
Check = Dokumentationsbogen zur systematischen Beurteilung des Ausmaßes der Schulanbindung/Beurteilung der Ausprägung des Rückzugs
Connect = Reaktion auf ermittelte Bedürfnisse, klar strukturierte
Vorgehensweise, orientiert an Art und Ausprägungsgrad der
Abkopplung von Schule
Kernpunkte:
• präventiv (fokussiert Risikofaktoren), effizient (aufbauend auf
existierende Ressourcen, fördert tragfähige Beziehungen,
individualisiert, anpassungsfähig
Check & Connect - 2 Komponenten zu Connect
Basis Intervention:
• für alle SuS,
• verantwortlicher S führt mit anderen SuS gezielte Gespräche zum Lernfortschritt und Schulabschluss,
• Mentor berichtet S über Beobachtungen
• Betont Notwendigkeit in der Schule zu verbleiben
• Gibt Anleitung zur Problemlösung
Intensive Intervention:
• nur für SuS mit hohen Risiken
• morgendliche Anrufe zu Hause
• Vermittlung sozialer Kompetenzen (Rollenspiele)
• Lernförderung
Effektstärken:
• Verbleib in der Schule: d = 0.67
• Verbesserung der Schulleistung: d = 0.83
Schulabsentismus evidenzbasierte Maßnahmen zur Prävention
Von Dropout (= während Vollzeitschulpflicht erfüllt (nicht
mindestens Hauptschulabschluss) und Sek I)
Lehrkraftverhalten:
• förderorientierte Haltung
• Aufmerksamkeit für SuS mit erhöhten Risiken
• Warnsignale wahrnehmen
• Aufsicht und Kontrolle gewährleisten
• Anerkennung und Verstärkung
• aktive Beziehungsgestaltung
• Unterricht: Aktivierung, Einbindung
• Beratungsangebote
Quintessenz
• frühe Prävention und Intervention müssen für die pädagogische
Arbeit im Vordergrund stehen
• alternative Beschulungsformen müssen berufliche Perspektiven für
absente SuS bieten
• die professionelle Kooperation Schule-Jugendhilfe-Eltern stellt dafür
eine zentrale Basis dar
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