Zum Neoformalismus
Der Neoformalismus geht von den Filmen aus – und zwar in der Regel von Filmen, die Besonderheiten aufweisen, sich also durch ihre Originalität gerade einer Standardisierung entziehen (vgl. Thompson S. 25). Dennoch stehen alle Filme im Kontext der Filmgeschichte und werden auch in diesem Kontext analysiert. Eine Analyse erfolgt also auch immer auf der Folie einer Stilgeschichte und des Spezifischen Zeitpunkts, an dem der jeweilige Film entsteht.
Thompson zieht den Begriff close analysis dem gängigeren close reading vor.
Verfremdung (ostranenie):
a) Transformation von Dingen, Ideen, etc. durch eine neue Kontextualisierung und damit der routinierten Alltagswahrnehmung entzogen werden.
b) Bildet das grundlegende Prinzip, damit sich die Ästhetik des Films überhaupt weiterentwickeln kann. Wiederholte formale Strukturen erzeugen wieder eine automatisierte Wahrnehmung.
"When the film piques our interest, we analyze it in order to explain, in formal and historical terms, what is going on in the work that would cue such a response."*
Thompson schreibt hier von "formal" und "historical terms", also formalen Kriterien, die eine spezifische Wirkung ("repsonse") erzeugen. Die spezifische Ästhetik des jeweiligen Films auf der Folie seiner historischen Genese herauszuarbeiten bildet ein zentrales Anliegen des Neoformalismus.
Der Neoformalismus versucht, die Trennung von Form und Inhalt zu vermeiden, indem er die Bedeutung eines Films in dessen formaler Gestaltung sieht und nicht in einer dahinterliegenden Botschaft wie die sogenannten S.L.A.B.-Theories (vgl.Thompson, Kristin, "Neoformalistische Filmanalyse. Ein Ansatz, viele Methoden", montage / av, 4/1/1995, S. 23-62, hier S. 32.).
Levels of meaning
Referential meaning: Konstruktion einer diegetischen Welt und einer Geschichte, die in ihr erzählt wird.
Explicit meaning: Der Film artikuliert eine Art „Moral von der Geschicht’“. Die ZuschauerInnen konstruieren diese durch die cues, die der Film anbietet.
Implicit meaning (symbolic): Meint ein Thema, Idee oder Frage, die ein Film aufwirft.
Symptomatic oder repressed meaning: „Bedeutungsüberschuss“, der Film enthält Bedeutungen, die von den FilmemacherInnen so nicht intendiert sind (politische, ideologische Implikationen etwa).
Kognitionstheorie
"Kognition als Bereich des Bewusstseins, der Wissensrepräsentation,
• des Denkens und der Erinnerung (Kurz- und Langzeitgedächtnis)
Perzeption als Bereich der vorkonzeptionellen und weitgehend vorbewussten Wahrnehmung (proprio-rezeptive Reizverarbeitung, neuronale Verarbeitung und mentale, gestalthafte Prozesse der Bedeutungsbildung);
Emotion als Bereich affektiver Erfahrung, der durch kognitive und perzeptive Prozesse gleichermaßen strukturiert wird. Zu unterscheiden sind hier grundsätzlich Affekte als körperbasierte Gefühlszustände und Stimmungen, die diffus und ungerichtet sind und weitgehend prä-kognitiv stattfinden; daneben Emotionen als kurze, intensive Gefühlszustände, die als Reaktionen auf ein aktuales Ereignis zielgerichtet sind und starken kognitiven Einflüssen unterliegen."
Definition Genre nach Kuhn/Scheidgen/Weber
"Genres sind Gruppen von Filmen, die spezifische Merkmale teilen und die in bestimmten historischen Kontexten in der Filmpraxis, der Filmrezeption und/ oder anderen Diskursen einander zugeordnet worden sind. In diesem Sinne sind sie analytisch und theoretisch erfassbare Konfigurationen historisch wandelbarer formaler, ästhetischer, thematischer, inhaltlicher, narrativer, dramaturgischer, visueller und auditiver Merkmale. (ebd. S. 22; Kursivierung original)
[...]
Das Genre zeichnet sich vor allem durch seine kognitive Funktion aus. In der Regel erkennen Zuschauer aufgrund ihrer Filmsozialisation einen Genrefilm, wenn sie ihn sehen. Es besteht somit ein Zusammenhang zwischen Genrezugehörigkeit eines Films und dessen spezifischer Rezeption durch das Publikum. Genres sind als Kategorien des alltäglichen Verstehens und Denkens zu definieren, sie dienen der kognitiven Orientierung beim Umgang mit den Medien. (ebd., S. 23; Kursivierung original)"
Phänomenologie
"Phenomenology is interested in subjectively experienced phenomena encountered in the world – whether these phenomena can be objectively accounted for scientifically or not. Genuine phenomenology therefore describes only what we have at least a certain awareness of; awareness-of-experience is a defining trait of conscious experience. [...]
There are no objective criteria of correctness in the sense of the natural sciences. Only an intersubjective validation can turn the subjective description into shared knowledge. But in order to be inter-subjectively verifiable, i.e. shared by others, it must have been noted by a subjectively experiencing individual first."
Zum Begriff der Genre-Störung
"Im vorliegenden Band geht es hingegen nicht um diesen immer wirksamen Vorgang des filmischen Kognizierens, sondern vielmehr um Durchbrechungen, Transgressionen und Verschmelzungen, die allesamt ›störend‹ auf das jeweilige Filmgenre und damit auf die RezipientInnen einwirken. Der Begriff der ›Störung‹ verliert also seine negativen Konnotationen und wird hier verwendet im beschriebenen Sinne der Abweichung von konventionalisierten Genremustern oder der Verschmelzung/des Blending von zweien oder mehreren Genres."
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