Entstehung Postfeminismus
Durch diese Reartikulation des Feminismus grenzt sich die rezente Medienkultur vom Postfeminismus nach McRobbie und Gill ab.
• Postfeminismus: Desartikulation und Historisierung des Feminismus
„Der Postfeminismus, so möchte ich behauten, beruft sich explizit auf den Feminismus, er trägt ihm Rechnung. Der Postfeminismus setzt den Feminismus für seine Zwecke ein, um ein ganzes Repertoire an neuen Inhalten zu propagieren, die allesamt suggerieren, letzterer habe seine Aufgabe erfüllt und werde nicht mehr benötigt, denn Gleichberechtigung sei längst erreicht“ (McRobbie 2010:16)
Definition Postfeminismus
Dabei zeichnet sich der Postfeminismus durch ein „Nebeneinander“ von Feminismus und
„Dieser Begriff beschreibt das zeitgenössische Nebeneinander von neokonservativen familienpolitischen Werten (z.B. US-Präsident Georges Bushs Unterstützung von Programmen für die Enthaltsamkeit von Teenagern und seinen Äußerungen im März 2004, die menschliche Zivilisation hänge von einem Fortbestand der traditionellen Ehe ab) und die gleichzeitig ablaufenden Prozesse der Liberalisierung bei der Wahl von LebenspartnerInnen, der Gründung von Familien und der Gestaltung sexueller Beziehungen (lesbische und schwule Paare haben mittlerweile verschiedene Möglichkeiten, Kinder zu adoptieren, zur Pflege anzunehmen oder selbst zu zeugen und besitzen zumindest in Großbritannien das Recht auf eine der Ehe vollständig gleichgestellte Lebenspartnerschaft)“ (ebd., 16, Hervorhebung L.K)
Postfeminismus nach Gill
• Weiblichkeit als körperliche Eigenschaft
• Die Sexualisierung von Kultur
• Vom Sexobjekt zum begehrenden sexuellen Subjekt
• Individualismus, Wahlfreiheit und empowerment • Selbstüberwachung und Disziplin
• Das Makeover Paradigma
• Die Bekräftigung der sexuellen Differenz
• Ironie und Bewusstheit
• Feminismus und Antifeminismus
Nach dem Postfeminismus
• Die rezenten Medienkultur zeichnet sich hingegen durch eine Reartikulation des Feminismus aus
• Die Desartikulation und Historisierung des Feminismus wird ausgesetzt
• Aber auch der Post-Postfeminismus bleibt von Ambivalenzen durchzogen: Marktförmigkeit des Feminismus, popular misogyny
“In the contemporary context, patriarchy is perceived to be threatened in specific ways by feminism, in which the „injuries“ dealt to masculinity and whiteness are seen as in need of repair and recuperation. While some forms of popular misogyny [...] are brutally vicious and violent, others are more conventional acts of objectification”. (Banet-Weiser 2018, 32)
Postfeminismus als Theorie und Analysemethode daher nicht überholt, muss modifiziert werden.
In meiner Arbeit mache ich drei Punkt aus, durch die dieser Wandel beschreibbar wird und die den rezenten Feminismus meiner Meinung nach charakterisieren.
Nach dem Postfeminismus 2
Erneute Politisierung des Privaten, durch die eine neoliberale Privatisierung des Politischen ausgesetzt wird
Infragestellung meritokratischer Glücks- und Erfolgsversprechungen; Narrative des Scheiterns
AussetzendeshedonistischenSpaßfeminismusder1990er- und Nullerjahre; Fokus auf affektive Dissonanzen und negative Gefühle
Feministisches „Sich-Erzählen“
Mitgeteilte Erfahrungen können Macht- und Herrschaftsverhältnisse sichtbar machen, wenn das Persönliche als Teil dieser Verhältnisse diskutiert wird
Das “Sich-Erzählen“ kann eine Auseinandersetzung mit jenen Normen darstellen, die das Subjekt erst hervorbringen
Nicht ein „Ich“ wird hervorgebracht, sondern die gesellschaftlichen Bedingungen unter denen sich dieses „Ich“ herausbildet
Butler dazu:
„Wenn das „Ich“ versucht, über sich selbst Rechenschaft abzulegen, kann es sehr wohl bei sich beginnen, aber es wird feststellen, dass
dieses Selbst bereits in eine gesellschaftliche Zeitlichkeit eingelassen ist, die seine eigenen narrativen Möglichkeiten überschreitet. Ja, wenn das Ich Rechenschaft von sich zu geben sucht [...] dann muss es notwendig zum Gesellschaftstheoretiker werden“ (Butler 2018, 15)
• Um das Teilen von Erfahrungen und Gefühlen als feministische Praxis hervorzubringen, müssen somit die ‚eigenen‘ Erfahrung als ‚un/persönlich‘ anerkannt werden (vgl. Seier 2020).
Forschen mit Gefühlen und Erfahrungen?
• Lange Tradition in der Frauen- und Geschlechterforschung, v.a in den Methoden der Sozial- und Geschichtswissenschaft und der feministischen Epistemologie
Kritik an der Trennung von Körper und Geist; Verstand und Gefühl
Kritik an der Vorstellung eines neutralen, objektiven, unvoreingenommen Forschungssubjekts
Kritik an der hierarchischen Trennung von Forschungssubjekt und -objekt
Skepsis gegenüber allgemeingültigen Wahrheiten
Frühe Frauenforschung
Methodische Postulate von Maria Mies Parteilichkeit statt Objektivität:
1.Das Postulat der Wertfreiheit, der Neutralität und Indifferenz gegenüber den Forschungsobjekten ist durch bewusste Parteilichkeit zu ersetzen.
2.Die vertikale Beziehung zwischen Forschern und Erforschten ist durch die gemeinsame „Sicht von unten“ auszutauschen.
3.Die kontemplative, uninvolvierte „Zuschauerforschung“ ist in die Forschungsmethode der aktiven Teilnahme an emanzipatorischen Aktionen zu transformieren.
4. Die Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse wird zum Ausgangspunkt wissenschaftlicher Erkenntnis.
5. Die Wahl des Forschungsgegenstands wird abhängig gemacht von den allgemeinen Zielen sowie den strategischen und taktischen Erfordernissen der Frauenbewegung.
6. Der Forschungsprozess wird zu einem Bewusstwerdungsprozess für die bisherigen „Subjekte“ wie auch „Objekte“ der Forschung.
7. Orte der Entwicklung einer feministischen Gesellschaftstheorie sind nicht die Forschungsinstitute, sondern die Aktionen und Kämpfe der Bewegung sowie die theoretische Auseinandersetzung über deren Ziele und Strategien. (vgl. Mies 1978)
Erinnerungsarbeit/Oral History
Erinnerungsarbeit
• Persönlich erlebte Geschichten werden geteilt, kollektiv diskutiert und analysiert; herausgearbeitet werden soll, wie sich gesellschaftliche Muster in diese Geschichten einschreiben, bzw. Inwiefern diese Ordnungsmuster internalisiert wurden (vgl. Haug 2001)
• Forscher*innenwerdenzuObjektenderForschung
Oral History
• Erkenntnisgewinn aus erzählter Geschichte
• Individuelle Verarbeitungs- und gesellschaftliche Deutungsmuster, „kulturelles Gedächtnis“
Standpunkttheorien/Dialogische Standpunkttheorien
Standpunkttheorien
Anlehnung an proletarische Standpunkttheorie (Luács 1968)
Nur Standpunkt der Unterdrückten kann eine klare Sicht auf gesellschaftliche Verhältnisse geben, daher sind Frauen* erkenntnisprivilegiert (vgl. Hartstock 1983)
„Starting off research from women‘s lives“ (Harding 1990)
Feministischer Standpunkt aber nicht unmittelbar gegeben, setzt eine „engaged vision“ voraus (ebd.)
Dialogische Standpunkttheorien
Ausgehend von Black Feminist Standpoint (Hill Collins 1990)
Es gibt nicht den einen Standpunkt, der eine umfassende kritische Sicht ermöglicht, sondern unterschiedliche Standpunkte, die miteinander in kritischen Dialog treten müssen.
„Starting off research from marginal lives“ (Harding 1994)
Kritik an der frühen Frauenforschung
• (vgl. Scott 1991) Erzählen als Wahrsprechen Persönliche Geschichten als ‚Beweise‘ Unschuldige Perspektiven
Souveräne Subjekte
• Aus dieser wichtigen Kritik ergab sich allerdings oftmals der totale Ausschluss von Erfahrungen und Gefühlen aus der feministischen Wissensproduktion
„Situiertes Wissen“
Feministisches „Sich-Erzählen“ als eine Praxis der Verortung und der Produktion von situierten Wissen
Keine neutralen, unschuldigen Positionen, keine allgemeingültigen Wahrheiten, sondern standortgebundene, „partiale“ Perspektiven (Haraway 1995)
Wissen ist immer kontext- und standortgebunden und wird von Subjekten produziert, die kulturell, sozial und historisch verortet sind.
Mitgeteilte Erfahrungen bringen „situiertes Wissen“ hervor,
sind Ausgangspunkt von Kollektivierung und Solidarisierung,
ermöglichen Netzwerke,
machen eine Analyse von Gesellschaft und den Entstehungsbedingungen von Subjektivität möglich.
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