Objektivität in Wissenschaft
der neutrale Beobachter / die unmarkierte Position
Der „erobernde Blick von nirgendwo [...] bezeichnet die unmarkierte Position des Mannes und des Weißen“ (Haraway, 80)
„In der Wissenschaft herrscht noch immer die Illusion einer Perspektive ohne Körper – einer Sicht auf die Welt ohne Geschlecht, ohne Hintergrund, ohne Hautfarbe oder Ethnizität, ohne soziale Klasse. Diese Perspektive existiert in der realen Welt nicht.“ (Roig)
DER GÖTTLICHE TRICK
= die Sicht einer unendlichen Vision (Haraway, 82)
Ein Wissenschaftssubjekt, das losgelöst von seinem Körper, seiner gesellschaftlichen Position, von Raum/Zeit, Wissen herstellen kann
Nicht-Benennen der jeweiligen Perspektive (beim Sprechen/Schreiben/Arbeiten) als Objektivität (miss)verstanden (Gramlich/Haas, 43)
„Wenn wir als Feministinnen erkannt haben, dass eine Objektivität, die sich auf Unparteilichkeit, Körperlosigkeit, Ortslosigkeit etc. als Erkenntnisbedingung beruft [...], eine männlich und westlich codierte Strategie ist, die viele Varianten von Wissen unterdrückt und ausschließt, muss die feministisch-emanzipatorische Antwort eine Forderung nach einer radikalen Verortung des Wissens sein.“ (Harrasser, 590–591)
FEMINISTISCHE OBJEKTIVITÄT
„Feministische Objektivität bedeutete dann ganz einfach situiertes Wissen“ (Haraway, 80)
nicht-unschuldige Verfasstheit jeder (Wissenschafts)Praxis & (An)Erkennen der eigenen (produktiven) Involviertheit im Erkenntnis-/Forschungsprozess
„Nur eine partiale Perspektive verspricht einen objektiven Blick.“ (Haraway, 82)
„Das erkennende Selbst ist in all seinen Gestalten partial und niemals abgeschlossen, ganz, einfach da oder ursprünglich, es ist immer konstruiert und unvollständig zusammengeflickt, und deshalb fähig zur Verbindung mit anderen“ (Harraway, 86)
„Einen spezifischen Ort einzunehmen, ist der einzige Weg zu einer umfangreicheren Vision. Die Wissenschaftsfrage im Feminismus zielt auf Objektivität als positionierter Rationalität.“ (Haraway, 91)
Situiertes Schreiben mit Cixous: ‚Weiblichkeit‘ (ein)schreiben
Hélène Cixous: Das Lachen der Medusa (1975)
„Ich werde über weibliche Schrift [écriture féminine] sprechen: darüber was sie bewirken wird. Es ist unerläßlich, daß die Frau sich schreibt: daß die Frau von der Frau ausgehend schreibt und die Frauen zum Schreiben bringt [...] Es ist unerläßlich, daß die Frau sich auf und in den Text bringt – so wie auf die Welt, und in die Geschichte – aus ihrer eigenen Bewegung heraus.“ (39)
„Ich schreibe Frau: es ist unerläßlich, daß die Frau die Frau schreibt.“ (41)
Der Ausdruck écriture féminine fasst Versuche eines anderen – poetischen, nichtautoritären, sprunghaften – Schreibens zusammen. Ein Schreiben, das gegen die phallozentrische Logik rebelliert, und den unterdrückten (weiblichen) Körper artikuliert.
... „es ist gleichzeitig Autobiographie, Kommentar, feministisches Manifest, politischer Traktat, philosophischer Diskurs, Narration, Poesie und Gesang“ (Postl, 34)
KÖRPER-SCHREIBEN Cixous
„Schreib dich: es ist unerläßlich, daß Dein Körper Gehör bekommt.“ (Cixous, 44)
„Es ist unerläßlich, daß die Frau mit ihrem Körper schreibt, daß sie die unbezwingliche Sprache erfindet, die die Abschrankungen, Klassifizierungen und Rhetoriken, Vorschriften und Kodierungen kaputtschlägt.“ (Cixous, 51)
„ [...] sie ‚spricht‘ nicht, sie wirft ihren bebenden Körper in die Luft, sie läßt sich gehen, sie fliegt, sie geht ganz und gar in ihre Stimme ein, mit ihrem Körper unterstreicht sie lebend die ‚Logik‘ ihrer Rede; ihr Fleisch sagt die Wahrheit. Sie exponiert sich. Tatsächlich materialisiert sie fleischlich was sie denkt, sie bedeutet es mit ihrem Körper. Auf gewisse Weise schreibt sie ein, was sie sagt, weil sie dem Trieb sein undiszipliniertes und leidenschaftliches Teilhaben am Wort nicht abspricht. Ihre Rede, auch wenn sie ‚theoretisch‘ oder politisch ist, ist nie einfach oder gradlinig, oder ‚objektiv‘ verallgemeinernd: die Frau bringt ihre Geschichte in die Geschichte mit ein.“ (Cixous, 45)
´Weiblichkeit´
weibliche Schreibpraxis nicht definierbar / 'weiblich‘ nicht im biologischen Sinn sondern „immer schon vermittelt durch die Sprache, durch das Schreiben zu
denken“ (Postl, 27)
Leser*innen und (potenzielle) Schreibende
Lesen als aktives Involviertsein & Weiterschreiben Schreiben als Prozess
Situiertes Schreiben mit Trinh
Woman, Native, Other (1989)
... „she often finds herself at odds with language, which partakes in the white-male-is- norm ideology and is used predominantly as a vehicle to circulate established power relations. [...] finding herself also at odds with her relation to writing, which when carried out uncritically often proves to be one of domination: as holder of speech, she usually writes from a position of power, creating as an ‘author’, situating herself above her work and existing before it, rarely simultaneously with it.“ (6)
„So where do you go from here? where do I go? and where does committed woman writer go? Finding a voice, searching for words and sentences: say some thing, one thing, or no thing; tie/untie, read/unread, discard their forms; scrutinize the grammatical habits of your writing and decide for yourself whether they free or repress. Again, order(s). Shake syntax, smash the myths, and if you lose, slide on, unearth some new linguistic paths. Do you surprise? Do you shock? Do you have a choice?” (Trinh, 20)
Vielstimmigkeit
„Writing, in a way, is listening to the other`s language and reading with the other`s eyes. The more ears I am able to hear with, the farther I see the plurality of meaning and the less I lend myself to the illusion of a single message.” (Trinh, 30)
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