37-jähriger Heizungsinstallateur mit massivem Schuldenproblem; zunehmende Eifersucht/ Unruhe; Stimmen, die ihm sagten, dass seine Frau ihn betrügt; Staatsschutz würde ihr dabei helfen; die stünden oft in verschiedenen Autos vorm Haus und überwachten ihn mit Kameras; Nebenbuhler gehen zuweilen mit Trompete aufs Feld und geben seiner Frau ein Signal, das könne er aber auch hören; manchmal hört er auch Stimmen, die ihn verhöhnten, dass er sich Hörner aufsetzen lasse
Lernziele
- Symptome
- Epidemiologie/Verlauf
- Ätiologie (Biologische Modelle/Psychologische Theorien)
Begrifflichkeiten
Psychose
Schizophrenie
Endogene Psychose
Psychose: Oberbegriff für psychische Störung mit starker Beeinträchtigung des Realitätsbezugs -> kein Krankheitsbild
Schizophrenie: umschriebenes Krankheitsbild
Endogene Psychose: veralteter Begriff, vor allem als Oberbegriff für Schizophrenie und „endogene“ Depression
Positivsymptome und Negativsymptome
-> Frage in der Klausur: Warum heißt das positiv und negativ Symptome?
Positivsymptome
• Formale und inhaltliche Denkstörungen (Wahn)
• Wahrnehmungsstörungen/Halluzinationen
• Affektstörungen (v.a. Inadäquatheit; nicht Affektverflachung)
• Störungen des Selbstgefühls
• Psychomotorische Störungen
Negativsymptome
• Sozialer Rückzug
• Affektive Verflachung
• Antriebsarmut
• Interessenverlust
• Sprachliche Verarmung
-> Frage in der Klausur: Warum heißt das positiv und negativ Symptome?:
-> Positiv: sie erweitern das gewöhnliche Leben und Verhalten -> es kommt etwas dazu (z.B. Halluzinationen)
-> Negativ: Erleben und Verhalten ist eingeschränkt, es fehlen Sachen (z.B. verflachte Stimmung)
Symptome -> Welche Denkstörungen gibt es?
• Formale Denkstörungen (= WIE denkt der Betroffene) Zerfahren/inkohärent, Hemmung, Perseveration, Ideenflucht
• Inhaltliche Denkstörungen (= WAS denkt der Betroffene) Beziehungswahn (Dinge in der Umgebung werden immer auf einen Selbst bezogen, obwohl sie eigentlich nichts mit der Person zu tun haben), Verfolgungswahn, Liebeswahn, Größenwahn, körperbezogene Wahnideen, Beeinflussungswahn, bizarrer Wahn, Gedankenausbreitung, -entzug, -eingebung, -lautwerden
• Wahn: eine offensichtlich falsche Überzeugung, von der der Betroffene sich jedoch nicht distanzieren kann
-> Konkretismus
-> bezeichnet Schwierigkeiten im Sinnverständnis, die durch ein Festhalten an der konkreten Wortbedeutung verursacht werden
-> z.B. besteht eine Unfähigkeit, Redewendungen/ Metaphern zu verstehen („Morgenstund hat Gold im Mund“ muss dann so und so aussehen -> mit Gold im Mund)
Symptome -> Halluzinationen
Halluzinationen: wahrnehmungsähnliche Erfahrungen, die ohne adäquate externe Reize auftreten
• Stimmenhören (häufig kommentierende oder befehlende Stimmen)
• optische Halluzinationen, taktile Halluzinationen, Geruchs- und Geschmackshalluzinationen
-> wenn man Stimmen im Kopf hört, wird sogar das akustische Areal im Gehirn aktiviert
• Affektstörungen: Affektarm, Ambivalent, Parathymie (unangemessener Affekt)
• Störungen des Selbstgefühls: Derealisation, Depersonalisation
• Psychomotorische Störungen: Maniriert/bizarr, Mutistisch (stumm), Katatone Erregung, Katatone Haltungsstereotypie, Negativismus
ICD-10: F20 Schizophrenie
Allgemeine Kriterien:
• Während der meisten Zeit innerhalb eines Zeitraumes von mindestens 1 Monat (oder während einiger Zeit an den meisten Tagen) sollte eine psychotische Episode mit entweder
• mindestens 1 der unter (1.)
• oder mit mindestens 2 der unter (2.) aufgezählten Merkmale bestehen
(1)
• Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung, Gedankenentzug oder Gedankenausbreitung
• Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten, deutlich bezogen auf Körper- oder Gliederbewegungen oder bestimmte Gedanken, Tätigkeiten oder Empfindungen; Wahnwahrnehmungen
• kommentierende oder dialogische Stimmen, die über den Patient reden oder andere Stimmen, die aus bestimmten Körperteilen kommen
• anhaltend kulturell unangemessener, bizarrer Wahn, wie der, das Wetter kontrollieren zu können oder mit Außerirdischen in Verbindung zu stehen
(2)
• Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität, täglich während mindestens eines Monats, begleitet von flüchtigen oder undeutlich ausgebildeten Wahngedanken ohne deutliche affektive Beteiligung oder begleitet von langanhaltenden überwertigen Ideen
• Neologismen, Gedankenabreißen oder Einschiebungen in den Gedankenfluss, was zu Zerfahrenheit oder Danebenreden führt,
• katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien oder wächserne Biegsamkeit (Flexibilitas cerea), Negativismus, Mutismus und Stupor
• "negative" Symptome wie auffällige Apathie, Sprachverarmung, verflachte oder inadäquate Affekte
Typen der Schizophrenie
• F20.0 Paranoide Schizophrenie
• F20.1 Hebephrene Schizophrenie
• F20.2 Katatone Schizophrenie
• F20.3 Undifferenzierte Schizophrenie
• F20.4 Postschizophrene Depression
• F20.5 Schizophrenes Residuum
• F20.6 Schizophrenia simplex
3 Subtypen der Schizophrenie (nach ICD-10):
• Paranoid (F20.0)
• Hebephren (F20.1)
• Kataton (F20.2)
Undifferenzierte Schizophrenie (F20.3): Merkmale von mehr als einem der drei Subtypen erfüllt
Schizotype Störung F21: 2 Jahre wiederholte oder ununterbrochene Symptome
Wahnhafte Störung F22.0: Wahnideen vordergründig; Fehlen übriger charakteristischer Symptome
Schizoaffektive Störungen F25: Vorliegen schizophrener und affektiver Symptome zu etwa gleichen Teilen
F20.0 Paranoide Schizophrenie
• häufigster Subtypus
• Gekennzeichnet durch:
○ Wahnideen und/oder Halluzinationen
○ Gefühl, verfolgt zu werden
○ Überzeugung, besondere Mission erfüllen zu müssen
• Halluzinationen oder Wahnphänomene müssen vorherrschen (Verfolgungswahn, Beziehungswahn, Abstammungswahn, Sendungswahn, körperbezogener oder Eifersuchtswahn; drohende oder befehlende Stimmen, Geruchs- und Geschmackshalluzinationen, sexuelle oder andere körperliche Sensationen)
• verflachter oder inadäquater Affekt, katatone Symptome oder Zerfahrenheit dominieren das klinische Bild nicht
• Alle diese Phänomene können jedoch in leichter Form vorhanden sein
F20.1 Hebephrene Schizophrenie
• Veränderungen im affektiven Bereich im Vordergrund
• Wenig planvolles Verhalten
• Ungeordnetes Denken und Sprechen
• Stimmung und emotionaler Ausdruck oh nicht situationsangemessen (Parathymie)
• Machen oft Grimassen
• Kriterium 1. oder 2. muss erfüllt sein:
○ 1. eindeutige und anhaltende Verflachung der Affekte
○ 2. eindeutige und anhaltende Inadäquatheit oder Unangebrachtheit des Affekts
○ 1. zielloses und unzusammenhängendes Verhalten, statt Zielstrebigkeit,
○ 2. eindeutige Denkstörungen, die sich als unzusammenhängende, weitschweifige oder zerfahrenen Sprache äußern
• Halluzinationen oder Wahnphänomene bestimmen das klinische Bild nicht, können jedoch in leichterer Form vorhanden sein
F20.2 Katatone Schizophrenie
• motorische Störungen vorrangig
• Motorische Übererregung
• Haltungsstereotypien
• Stupor
• Negativismus
• Rigidität
• Flexibilitas cerea
• Befehlsautomatismus
• Für mindestens 2 Wochen müssen mindestens eins oder mehrere der folgenden katatonen (=psychomotorischen) Merkmale vorhanden sein:
○ Stupor (eindeutige Verminderung der Reaktionen auf die Umgebung sowie Verminderung spontaner Bewegungen und Aktivität) oder Mutismus (Stummheit)
○ Erregung (anscheinend sinnlose motorische Aktivität, die nicht durch äußere Reize beeinflusst ist)
○ Haltungsstereotypien (freiwilliges Einnehmen und Beibehalten unsinniger und bizarrer Haltungen)
○ Negativismus (anscheinend unmotivierter Widerstand gegenüber allen Anforderungen oder Versuchen, bewegt zu werden; oder statt dessen Bewegungen in gegensinniger Richtung)
○ Rigidität (Beibehaltung einer starren Haltung gegenüber Versuchen, bewegt zu werden)
○ wächserne Biegsamkeit (Erhöhung des Muskeltonus bei passiver Bewegung und Verharren der Glieder oder des Körpers in Haltungen, die von außen auferlegt sind)
○ Befehlsautomatismus (automatische Befolgung von Anweisungen)
-> paranoide Schizophrenie
Symptome
-> Gedankenausbreitung
-> Verfolgungswahn
-> Beziehungswahn
-> sozialer Rückzug
Schizophrenie DSM-5
-> im ICD 11 gibt es die Subvarianten der Schizophrenie nicht mehr
Diagnostik
• Strukturierte Interviews
• Fragebögen
• Erfassung von vorliegender Symptomatik, Symptomschwere (Items i.d.R. mehrfach abgestuft; konkrete Beschreibung der zugehörigen Symptomausprägung)
• subjektiv erlebte Beeinträchtigung
• Störungseinsicht
• Einschränkungen durch Symptome
-> es lagen schon vor dem starken Ausbruch der Symptome Sachen wie Depression, kognitive Defizite, … vor
-> im Verlauf nehmen dann negative Symptome und kognitive Defizite zu
Epidemiologie
-> Lebenszeitprävalenz
-> Geschlechterverhältnis
-> Komorbidität
• Lebenszeitprävalenz 1%, unabhängig von Kultur und Herkunft
• Inzidenz: in Berlin (ca. 3.5 Mio Einwohner) jährlich ca. 350
• Erkrankungsgipfel ca. 20-25 Jahre
• Geschlechterverteilung: 50:50 (Männer früher erkrankt, ca. 15. - 25. LJ; Frauen ca. 20. - 30. LJ; bei Frauen zweiter Erkrankungsgipfel 45. - 50. LJ)
• Hohe Komorbidität mit Substanzkonsumstörungen, Angststörungen, Zwangsstörungen; prämorbid schizotypische oder paranoide PS
• Verminderte Lebenserwartung aufgrund somatischer Begleiterkrankungen
Verlauf
• meist verschiedene Erkrankungsphasen voneinander abgrenzbar
• In der Regel geht einer akut psychotischen Phase eine Prodromalphase voraus
• Prodromalphase: Besteht aus unspezifischen Symptomen -> Häufig treten Konzentrationsschwierigkeiten, sozialer Rückzug, Ängste und Schlafstörungen auf
• Akute/ floride Phase: Positivsymptome dominieren -> Desorganisiertes u. sprunghaftes Denken und Verhalten
• Residualphase: Negativsymptome dominieren
Verlaufstypen
Ätiologie
-> Biologische und psychosoziale Faktoren
Biologische und psychosoziale Faktoren:
• Genetische Komponente unbestritten
○ Kein „Schizophrenie-Gen“, sondern Beteiligung und Zusammenspiel verschiedener Genorte
• Störung von Neurotransmittersystemen
○ Dopaminhypothese: Überaktivität des dopaminergen Systems (insb. mit Positivsymptomatik assoziiert)
○ Antipsychotische Wirkung von Substanzen, die Dopaminrezeptor blockieren
○ Veränderungen anderer Transmittersysteme (z.B. serotonerg) -> Dysbalance zwischen und innerhalb verschiedener Transmittersysteme angenommen
• Strukturelle Veränderungen des Gehirns
• Prä- und perinatale Risikofaktoren
-> stark genetischer Einfluss
-> synapting pruning findet nicht statt -> Risikofaktor
-> Störung von Neurotransmittersystemen
Störung von Neurotransmittersystemen
• Dopaminhypothese: Überaktivität des dopaminergen Systems (insb. mit Positivsymptomatik assoziiert)
• Antipsychotische Wirkung von Substanzen, die Dopaminrezeptor blockieren
• Veränderungen anderer Transmittersysteme (z.B. serotonerg) -> Dysbalance zwischen und innerhalb verschiedener Transmittersysteme angenommen
-> Prä- und perinatale Risikofaktoren für Schizophrenie
Prä- und perinatale Risikofaktoren für Schizophrenie
• Geburtskomplikationen
• "Season of birth": Wintermonate
• Erkrankungen oder Unterernährung der Mutter während der Schwangerschaft
• Ältere Väter (Mutationsrate der Spermien)
-> neben den Genen spielt der Verlauf einer Schwangerschaft eine wichtige Rolle
-> wenn man in den Sommermonaten geboren wurde, ist das Risiko für eine Schizophrenie geringer
-> Luftverschmutzung ist auch Stress und führt schneller zur Manifestierung einer Schizophrenie
-> in den verschiedenen Lebensphasen spielen verschiedene Aspekte eine wichtige Rolle, die schneller zu einer Manifestierung der Schizophrenie führen würden
-> z.B. im Winter geboren zu sein, in der Stadt leben, Diskriminierung, wenig Sauerstoff als Baby im Bauch bekommen, soziale Isolation, Drogenkonsum, Stress, ….
-> bei jeder der Lebensphasen spielen unterschiedliche neurobiologische Prozesse eine Rolle
-> gerade in der Phase, bevor sich der chronische Verlauf mit dem Ausbruch der Phasen manifestiert, gibt es ein window of opportunity
-> Prädiktoren für einen günstigen Verlauf
• Gute prämorbide Anpassung
• Akuter Erkrankungsbeginn
• Vorwiegend Positivsymptome
• Ländlicher Hintergrund
• Unterstützendes Umfeld (Familien mit geringer Expressed Emotion)
• Weniger belastende Ereignisse
• Höheres Alter bei Ersterkrankung
• Weibliches Geschlecht
• keine hirnstrukturellen Auffälligkeiten
• Kurze Dauer der akuten Symptome
Therapie
-> frühere Ansätze
-> Dauerbehandlung mit Neuroleptika (= Antipsychotika) und Nebenwirkungen
Dauerbehandlung mit Neuroleptika (= Antipsychotika)
• Hochpotente Neuroleptika z. B. Haldol, Fluanxol, Glianimon
• Mittelpotent z.B. Nipolept, Taxilan, Melleril
• Niederpotent z.B. Neurocil, Truxal, Atosil
• Atypische Neuroleptika, z.B. Leponex, Zyprexa, Nipolept, Risperdal
• Depot-Neuroleptika, z.B. Haldol-Decanoat, Fluanxol-Depot, Imap
• Z.T. Zusatzbehandlung mit Benzodiazepinen, Antidepressiva, manchmal auch Carbamazepin
• ABER: 73 % setzen Medikation innerhalb von 18 Monaten ab; auch bei neuen, atypischen Antipsychotika
Nebenwirkungen von Neuroleptika
• Entwicklung eines Parkinsonoid (20-30%)
• akute dystone Reaktionen (z.B. Torticollis; ca. 20%)
• Akathisie (Unfähigkeit zum Sitzen; 30%)
• Spätdyskinesien (unwillkürliche Bewegungen vor allem im Mundbereich; ca. 20%)
• Anticholinerge Effekte (Miktionsstörung, Mundtrockenheit u.a.)
• Antidopaminerge Effekte (z.B. Libido-Verlust)
• Gewichtszunahme
• Malignes neuroleptisches Syndrom (Fieber, Rigor, Bewusstseinstrübung u.a.; Lebensgefahr!; bei ca. 0.2% der Behandelten)
• Affektive Nivellierung
-> CBD hilft gegen Verkrampfungen, Halluzinationen, …
-> Reduktion der Positivsymptome
-> Wirksame psychologische Interventionen
• Kognitive Verhaltenstherapie
• Metakognitive Trainings: spielerische Sensibilisierung des Patienten für kognitive Verzerrungen u. Fehler; Erlernen gegensteuernder Maßnahmen
• Kognitive Remediation (Ziel: Reduktion neurokognitiver Defizite)
• Psychoedukative Intervention
-> Psychoedukation
Psychoedukation: Ziele
• Patienten und Angehörige über Diagnose, Verlauf, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten optimal zu informieren
• Emotional entlasten
• Behandlungs- und Kooperationsbereitschaft fördern, indem ein funktionaleres Krankheitskonzept aufgebaut wird.
• Erhöhung von Zuversicht und Kompetenz im Bezug auf die Lösung der eigenen Probleme
• Aufbau von Fähigkeiten zum rechtzeitigen Erkennen und zur Bewältigung von Krisen
• innerfamiliäre Umgang mit der Erkrankung und den sich daraus ergebenden Konflikten soll verbessert werden
Teil der PE: Erkennen von Frühwarnzeichen
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