Lernziele
- Symptome
- Epidemiologie/Verlauf
- Diagnostik
- Ätiologie (Biologische Modelle/Psychologische Theorien)
- Behandlung (wenn thematisiert)
Klinische Kinder- und Jugendpsychologie -> Womit befasst sie sich?
• Beschäftigt sich mit Ursachen, Entwicklung und Verlauf psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter
• Aufgabengebiete sind Diagnostik (Feststellung von Entwicklungsabweichungen, Störung und Risiko- und Schutzbedingungen) und Intervention
• Interventionen basieren auf empirischer Grundlage, bio-psycho-sozialen Entwicklungsmodellen und der Berücksichtigung früher Risiko- und Schutzbedingungen
Konzeption psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter
• Unangemessenheit bzgl. Alter und Geschlecht (z.B. Trennungsängste jenseits des Kleinkindalters)
• Ausmaß (einzelne Symptome erhalten oft in Kombination Störungscharakter)
• Situationsspezifität (z.B. F94.0 elektiver Mutismus -> Kind redet immer mit Eltern, nur bei Fremden nicht)
• Persistenz (z.B. Durchgangsphänomene der normalen Entwicklung wie Schulunlust)
• Kindsspezifische Lebenskrisen (z.B. Geburt von Geschwistern)
• Interferenz von Symptomen mit Entwicklung und anderen Entwicklungsdimensionen (z.B. Symptome stören Bindung)
• entwicklungsbedingt hohe Merkmalsvariation und -fluktuation
• „Symptome“ sind auch bei Gesunden vorhanden
• Verhaltensweisen können je nach Alter und Entwicklungsstand normal oder pathologisch sein
• Erlebens- und Verhaltensweisen sind von äußeren Bedingungen abhängig
• eingeschränkte Krankheitswahrnehmung, -bewertung und Selbstauskunft
• Fremdurteile sind von Subjektivität, Eigeninteressen u. a. beeinflusst
• physische und psychische Störungen sind in jungen Jahren kaum zu trennen
Entwicklungsaufgaben
• Lebensabschnitte beinhalten „Meilensteine der Entwicklung“
• Entwicklungsziele, die als erstrebenswert angesehen werden
• Universell oder zumindest in der jeweiligen Gesellschaft
-> Kompetenzen bauen aufeinander auf (man kann nur mit anderen zurechtkommen, wenn man kommunizieren kann)
Klassifikation und Diagnostik
-> Welche Kapitel
-> Was gibt es neben dem ICD 10 und DSM 5 noch?
-> eigenständiges Klassifikationssystem als Ergänzung zum ICD 10
-> beachtet mehr noch das Umfeld
-> beachtet die schnellen Entwicklungen im KiJu und die Bindungen
-> Entwicklungspathologie
• Säuglingsalter: Bindungsstörungen und Entwicklungsstörungen (Beziehungsverhalten, Essverhalten, Schreien, Schlaf)
• 2. Lebensjahr: Deprivationsstörungen, Entwicklungsstörungen mit Verdacht auf frühkindliche Behinderung oder Autismus
• Kleinkindalter: externalisierende und internalisierende Störungen, Ess- und Schlafstörungen sowie Entwicklungsverzögerungen
• mittlere Kindheit: Störungen des Sozialverhaltens, emotionale Störungen, Schulängste, depressive Reaktionen, psychosomatische Störungen, Zwänge und Tics, Lern- und Leistungsprobleme
• Jugendalter: Disssozialität, Drogenabhängigkeit, affektive Störungen mit und ohne Suizidalität, Angststörungen, Phobien, Essstörungen, Zwangsstörungen und schizophrene Psychosen
-> Unterteilung der Klassifikation nach ICD 10
-> Entwicklungsstörungen (F80 – F89)
-> Kennzeichnend für diese Gruppe von Störungen
Entwicklungsstörungen (F80 – F89)
Kennzeichnend für diese Gruppe von Störungen:
• Beginn im Kleinkindalter oder in der Kindheit
• Die Entwicklungseinschränkung oder –verzögerung ist eng mit der biologischen Reifung des ZNS verknüpft
• Der Verlauf ist stetig ohne Remission oder Rezidive
• In den meisten Fällen sind unter anderem die Sprache, die visuell-räumlichen Fertigkeiten und die Bewegungskoordination betroffen
• In der Regel bestand die Verzögerung oder Schwäche vom frühestmöglichen Erkennungszeitpunkt an -> mit dem Älterwerden vermindern sich die Störungen zunehmend, oft bleiben geringere Defizite im Erwachsenenalter zurück
-> Unterschied umschrieben und tiefgreifend
-> Verhaltens- und emotionale Störungen (F90-F99)
-> Überblick
-> Emotionale Störungen des Kindesalters (F93)
• Verstärkung normaler Entwicklungstrends
• Entwicklungsbezogenheit ist das diagnostische Schlüsselmerkmal zur Abgrenzung der emotionalen Störungen mit Beginn in der Kindheit (F93) von den Angst-, Belastungs- und somatoformen Störungen (F40-48)
-> Trennungsangst (F93.0)
• Trennungsangst ist Phase in normaler Entwicklung eines Kleinkindes
• abweichendes Verhalten ab dem Vorschulalter
• deutliche Beeinträchtigung in Alltag (z. B. kein Kita- oder Schulbesuch möglich) und Entwicklung
• exzessive und unrealistische Angst in Erwartung oder unmittelbar bei Trennung von Eltern
• Angst vor Verlassen werden oder Verlust der Eltern -> Angst, dass Eltern etwas zustößt (existentielle Angst)
• DSM-5: Beginn auch im Erwachsenenalter möglich (ICD-10 Beginn vor dem 6. Lj.)
• häufigste Angststörung des Kindesalters und bedeutsamer Risikofaktor für Panikstörung und andere psych. Störungen des Erwachsenenalters
-> Weitere emotionale Störungen des Kindesalters (F93)
-> Störungen sozialer Funktionen des Kindesalters (F94)
• Abweichungen in der sozialen Funktionsfähigkeit
• Abgrenzung zu tief greifenden Entwicklungsstörungen (F84): keine offensichtlich konstitutionellen sozialen Beeinträchtigungen oder Defizite in allen Bereichen sozialer Funktionen
-> Elektiver Mutismus (F94.0)
-> Reaktive Bindungsstörung (F94.1)
• anhaltende Auffälligkeiten im Muster sozialer Beziehungen: deutlich widersprüchliche oder ambivalente soziale Reaktionen in verschiedenen sozialen Situationen
• von emotionaler Störung begleitet: häufig Furchtsamkeit oder Übervorsichtigkeit
• sprechen auf Zuspruch nicht an, geringe soziale Kontakte mit Gleichaltrigen und gegen sich selbst gerichtete Aggressionen
• wahrscheinlich direkte Folge von ausgeprägter elterlicher Vernachlässigung, Missbrauch oder schwerer Misshandlung
-> Bindungsstörung mit Enthemmung (F94.2)
• diffuses, nicht selektives Bindungsverhalten während der ersten 5 Jahre mit Tendenz zu persistieren
• aufmerksamkeitssuchendes, wahllos freundliches Verhalten
• Schwierigkeiten beim Aufbau enger, vertrauensvoller Beziehungen zu Gleichaltrigen
• begleitende emotionale oder Verhaltensstörungen
• Vermutung: Folge eines häufigen Wechsels der Bezugspersonen oder mehrfacher Wechsel in der Familienplatzierung.
• Hauptmerkmal: Defizit, selektive Bindungen herzustellen
-> Andere Verhaltens- und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F98)
• Beginn der Störung im Kindes- und Jugendalter
• Darüber hinaus sehr heterogene Gruppe von Störungen
-> Enuresis (F98.0) und Enkopresis (F98.1)
-> Fütterstörung im Kindesalter (F98.2)
• i.d. R. extrem wählerisches Essverhalten bei angemessenem Nahrungsangebot und einer einigermaßen kompetenten Betreuungsperson in Abwesenheit einer organischen Krankheit
• Bis 6 Lebensmonate: tägliches Erbrechen, Essverweigerung, Verweigerung jeglicher fester Nahrung, geringer Appetit, Schluckprobleme
• Nach dem 6. Lebensmonat: Verweigerung jeglicher oder fester Nahrung, geringer Appetit
Epidemiologie
-> Häufigkeit
-> Was ist am häufigsten?
-> Wann setzt was ein?
• Anteil der Kinder und Jugendlichen, die auf Jahresebene mindestens eine Diagnose einer psychischen Störung erhielten, stieg von 23% im Jahr 2009 auf 27% im Jahr 2017
• 2017 wurde bei 16% der Heranwachsenden in mindestens zwei Quartalen und bei 6% in allen vier Quartalen eine F- Diagnose vergeben
• Mit Abstand am häufigsten: Entwicklungsstörungen (F8), stärkste Zunahme bei den affektiven Störungen (F3)
-> Geschlechterverteilung
-> mehr Jungs als Mädchen betroffen
-> Lebenszeitprävalenz und 6-Monatsprävalenz
Risiko- und Schutzfaktoren
-> Kauai-Studie (Werner und Smith, 1982)
Kauai-Studie (Werner und Smith, 1982):
• Untersuchung von 698 Kindern, die 1955 auf Kauai geboren wurden, bis zum 40 Lj.
• 30 % der untersuchten Kinder wuchsen unter sehr schwierigen Bedingungen auf
• 30 % der Risikokinder entwickelten sich sehr gut
-> Kinder aus Risikofamilien entwickeln sich nicht zwangsläufig schlecht
-> Risikofaktoren
-> Schutzfaktoren
-> Risikofaktor: Psychisch kranke Eltern
• 3.8 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland (jedes 6. Kind) wachsen mit psychisch kranken Eltern auf (Nationales Zentrum Frühe Hilfen)
• 41%-77% der Kinder psychisch kranker Eltern entwickeln im Laufe ihres Lebens psychische Störungen (BELLA Study Group, 2008) -> Risiko ist bis zu 8-fach erhöht
• Kinder psychisch kranker Eltern haben 3-fach erhöhtes Risiko an Depressionen zu erkranken (Weissman et al., 2005)
• etwa Hälfte der Kinder in den KJPs hat ein Elternteil mit schwerer psychischer Erkrankung (Lenz, 2014)
• 2.6 Millionen Eltern in Deutschland sind alkoholabhängig (NACOA, Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien) -> fetales Alkoholsyndrom als häufigste vermeidbare pränatale Schädigung
• 60.000 Kinder in Deutschland haben Eltern, die von anderen Drogen als Alkohol abhängig sind (NACOA, Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien)
• 15 % der Kinder von depressiven Eltern sind unter drei Jahre alt -> ca. 600.000 Säuglinge und Kleinkinder
• 18.3 % aller Mütter erkranken in den ersten Monaten nach der Geburt an einer klinisch relevanten depressiven Störung (Nationales Zentrum Frühe Hilfen)
• weniger bzw. kein emotionaler Austausch, der Kind Gefühl von Sicherheit und Vertrauen vermittelt
• gehäuft unsichere und desorganisierte Bindungsmuster
• Grenzen zwischen familiären Subsystemen oft diffus (Parentifizierung, fehlende Anerkennung von Unterschieden der elterlichen und kindlichen Rollen) -> oft Überforderung für die Kinder
• Teufelskreis: Zusammenhang von Stressbelastung und Verstärkung von Symptomatik sowohl auf Seiten des Kindes als auch auf Seiten des betroffenen Elternteils
erwachsene Patienten mit psychischen Störungen IMMER nach der Familie fragen! (Kinder, Partner, Überforderung, Unterstützungsmöglichkeiten und –bedarf)
Last changed2 years ago