Verfassung
Verfassung ist die Organisationsurkunde des Staates mit spezifischen Funktionen einer politischen Organisation.
Gemeinwesen
Gemeinwesen umfasst Staat und Gesellschaft; Staat wird ganzheitlich in den Blick genommen und die Gesellschaft insofern, wie sie auf den Staat einwirkt bzw. durch die Verfassung, vor allem die Grundrechte, als frei gewährleistet wird.
Trennung des Staates von der Gesellschaft
Die konzeptionelle Trennung des Staates von der Gesellschaft ist wichtig für das Verständnis grundlegender verfassungsrechtlicher Konzepte wie der Grundrechte, des Demokratieprinzips und des Rechtsstaatsprinzips.
Grundordnung
Verfassung regelt nicht alle Fragen, sondern nur die Grundfragen des Gemeinwesens, die für seine Funktion und die Stellung des einzelnen Menschen darin wesentlich sind. Sie lässt Lücken und regelt vielfach abstrakt. Das Leben in Staat und Gesellschaft ist mehr als der bloße Vollzug von Verfassungs- normen.
Rechtliche Grundordnung
Rechtliche Grundordnung: Verfassung beansprucht Exklusivität soweit es um die rechtliche Ordnung des Gemeinwesens geht („Du sollst keine andere Rechtsverfassung neben mir haben“). Zugleich bleibt Raum für andere „Orientierungsgeber“, wie etwa Kultur/Tradition, Wirtschaft, Sprache, Religion, Philosophie/Ethik. Ein Gemeinwesen ist mehr als seine Verfassung.
Staat und Verfassungs Verhältnis
Henne Ei Problem
Frage nach dem Verhältnis ist ein „Henne-Ei-Problem“: Gibt es erst unverfasste Macht, die dann durch die Verfassung diszipliniert wird (Staat als Voraussetzung von Verfassung) oder gibt es den Staat nur durch die Verfassung und nur insoweit wie sie den Staat verfasst?
▪ Antwort auf die Frage muss differenziert werden:
▪ Gibt es meist staatliche Herrschaftsstrukturen, bevor diese dann verfasst werden? – ja. Verfassungen werden in und aus politischen (staatlichen) Kontexten hervorgebracht.
▪ Ist damit ein Vorrang von “Staatsraison“ verbunden? Können unverfasste, Interessen des Staatsverbandes Bindungen der Verfassungen durchbrechen („Not kennt kein Gebot“)? – nein.
▪ Daher: Verfassung und Staat bilden unauflösliche Einheit,; Juristen interessiert der „Verfassungsstaat“. Staat ohne Verfassung ist illegitime Macht, Verfassung ohne Staat hat keinen Bezugspunkt und ist sinnlos
▪ historische Dimension der Debatte beachten.
Verfassungsfunktion
Instituierungsfunktion
Organisationsfunktion
Begrenzungsfunktion
Integrationsfunktion — Leitbildfunktion
Verfassungsstaat“ ist der Gegenstand des Interesses von Juristen, also der durch eine Verfassung legitimierte Staat, für den gilt: „Es gibt nur soviel Staat, wie die Verfassung konstituiert“; ohne Verfassung also kein Verfassungsstaat; Verfassung setzt Staat „ins Werk“, sie “setz ihn ein“, sie „instituiert“/“konstituiert ihn.
▪ Instituierungsfunktion ist „unsichtbar“, weil ohne Verfassung kein Staat besteht und mit Inkrafttreten der Verfassung der Staat rechtlich (nicht unbedingt organisatorisch) schon vorhanden ist („von 0 auf 100“).
▪ Moment der Verfassunggebung wird relevant; in der Verfassunggebung wirkt die unverfasste, verfassunggebende Gewalt des Volkes („pouvoir constituant“ – konstituierende Gewalt), die den Staat verfasst („pouvoir constitué“ – konstituierte Gewalt). Das Volk wird dabei in der Demokratie selbst zum Träger der verfassten Staatsgewalt.
▪ Verfassunggebung/-änderung erfolgt häufig in sog. „constitutional moments“ als besonderen historischen Lagen nach Revolutionen, Kriegen usf. („Stunde Null“).
▪ Verfassunggebung entzieht sich weitgehend der juristischen Erfassung (Verfassunggebung als „Black Box“ des Verfassungsrechts)
▪ siehe aber Art. 146 GG, der die Ablösung des Grundgesetzes durch eine neue Verfassung zu regeln unternimmt.
Einher mit Instituierung des Staates geht seine Organisation; die Verfassung hat eine Organisationsfunktion, sie schafft staatliche Strukturen, durch die staatliches Handeln erst ermöglicht wird.
▪ Organisation findet statt im Hinblick auf den Organisationszweck, beim Verfassungsstaat also die Ermöglichung legitimierter, begrenzter aber auch funktionaler Herrschaft; andere Organisationen haben andere Zwecke und werden anders organisiert, wobei die Grundstrukturen ähnlich sind.
▪ Zweckerreichung setzt die Einrichtung bestimmter Funktionen voraus (Fußballtraining beim BVB, Platzwartung beim Hundesportverein) und die Zuweisung der Funktionen an bestimmte Organe – zB Gesetzgebung durch das Parlament.
▪ Funktionen des Staates als politischem Verband sind Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Maßgeblich ist dabei das Prinzip der Organadäquanz: Dasjenige Organ, das zur Erfüllung der Funktionen am besten geeignet ist, soll die Funktion übernehmen – dabei geht es um tatsächliche und verfassungsrechtliche Eignung:
▪ Funktionszuschnitt und Organzuschnitt erfolgen also im Blick aufeinander.
▪ Funktions- und Organzuschnitt erfolgen nach Maßgabe der grundlegenden Organisationsprinzipien des Staates, vor allem Demokratie-, Rechtsstaats- und Bundesstaatsprinzip.
Staat als Organisation zur Durchsetzung allgemeinverbindlicher Entscheidungen bedarf der Begrenzung, um einen Missbrauch der staatlichen Gewalt zu verhindern.
▪ Drei Begrenzungsmechanismen: Legitimation, Gewaltengliederung, Freiheitssicherung
▪ Legitimation
▪ Demokratieprinzip, Art. 20 I, II GG
▪ demokratische Wahlen, Art. 38 I GG
▪ demokratische Legitimation der zweiten und dritten Gewalt durch Bindung an das Gesetz
▪ Gewaltengliederung, Art. 20 II 2 GG:
▪ Unterscheidung von Funktionen
▪ Zuweisung an dafür geeignete Organe (Organadäquanz) ▪ System wechselseitiger Kontrolle
▪ Bundesstaat als vertikale Gewaltenteilung
▪ Freiheitssicherung
▪ Grundrechte
▪ Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
▪ Rechtsbindung aller staatlichen Gewalt, Art. 20 III GG (Rechtsstaatsprinzip) ▪ Inkompatibilitäten, z.B. Art. 55 I, 66 GG
Integrationsfunktion
Leitbildfunktion
Verfassung wirkt als Integrationsordnung für das Gemeinwesen (Rudolf Smend). Integration bedeutet Wiederherstellung eines Ganzen/Einbeziehung von Teilen in ein Ganzes – Verfassung als Grundordnung des Gemeinwesens: „Was ist uns wichtig?“
▪ Staat nicht als statisches, sondern als dynamisches Gebilde, das jeden Tag neu hergestellt werden muss. Verfassung ist die Ordnung dieser Integrationsvorgänge.
▪ Integrationstypen:
▪ persönliche Integration der Akteure politischer Herrschaft in den Staat
▪ sachliche Integration durch kollektive Verfahren (Wahlen, Abstimmungen, soziale Prozesse)
▪ funktionelle Integration durch Wert- und Kulturgrundlagen; rechtlich besonders die Grundrechte
▪ Leitbildfunktion der Verfassung: Verfassung „enthält“ bestimmte abstrakte Leitbilder (z.B. von der Funktion der Grundrechte oder der Tätigkeit eines Abgeordneten), die immer wieder neu aktualisiert werden müssen in konkreten Fällen und durch Auslegung der Verfassung.
▪ Leitbilder helfen, Rechtsverfassung mit der Realverfassung zu verbinden und zu koordinieren.
Verfassungsorgane
Bundestag
Bundesrat
Bundespräsident
Bundesregierung
Bundesverfassungsgericht
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