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Variieren_Webern_"Variationen für Klavier"

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by Philipp A.

A. Webern: Variationen für Klavier, op. 27

  • Die Zwölftonmethode:

    • A. Schönberg: Komposition mit 12 Tönen (1935)


„Die Einheit des musikalischen Raumes erfordert eine absolute und einheitliche Wahrnehmung. In diesem Raum gibt es kein absolutes Unten, kein Rechts oder Links, Vor- oder Rückwärts. Jede musikalische Konfiguration, jede Bewegung von Tönen muss vor allem verstanden werden als wechselseitige Beziehung von Klängen, von oszillierenden Schwingungen, die an verschiedenen Stellen und zu verschiedenen Zeiten auftreten.“ […] „Musik ist nicht bloß eine andere Art von Unterhaltung, sondern die Darstellung musikalischer Gedanken eines Musik-Dichters, eines Musik-Denkers; diese musikalischen Gedanken müssen den Gesetzen der Logik entsprechen; sie sind ein Teil dessen, was der Mensch geistig wahrnehmen, durchdenken und ausdrücken kann.“ „Diese Methode besteht in erster Linie aus der ständigen und ausschließlichen Verwendung einer Reihe von zwölf verschiedenen Tönen. Das bedeutet natürlich, dass kein Ton innerhalb der Reihe wiederholt wird und dass sie alle zwölf Töne der chromatischen Skala benutzt, obwohl in anderer Reihenfolge. Sie ist in keiner Weise mit der chromatischen Reihe identisch. Die Grundreihe funktioniert in der Art eines Motivs. Dies erklärt, warum für jedes Stück eine neue Grundreihe erfunden werden muss. Zwölftonmethode/Zwölftontechnik (auch: Dodekaphonie von griech. dodeka = zwölf, phonos = Ton) meint eine Kompositionstechnik, die um 1920 von Arnold Schönberg entwickelt wurde. Mit ihr wurde eine neue Ordnung des musikalischen Materials möglich und die freie Atonalität abgelöst. Schönberg legte fest, dass kein Ton wiederholt werden darf, bevor nicht alle Töne der chromatischen Tonleiter erklungen sind. Dazu wird zu Beginn eines Kompositionsprozesses eine zwölftölige „Reihe“ aufgestellt. Von dieser Grundreihe werden drei zusätzliche Reihen (1. Umkehrung, 2. der Krebs, 3. der Krebs der Umkehrung) abgeleitet. Von der Grundreihe werden automatisch drei zusätzliche Reihen abgeleitet: 1. die Umkehrung, 2. der Krebs, 3. der Krebs der Umkehrung. Der Gebrauch dieser Spiegelformen entspricht dem Prinzip der absoluten und einheitlichen Wahrnehmung des musikalischen Raumes.“

A. Webern: Variationen für Klavier, op. 27

  • Der Kontext (historisch und stilistisch)

    • Fomulierungsvorschlag zur Einordnung des Werkes:


Die Variationen für Klavier op. 27 von Anton Webern wurden im Juli 1936 fertiggestellt und entstammen somit der letzten Schaffensphase des Komponisten, in welcher er nach der Zwölftonmethode seines Lehrers A. Schönberg komponiert. Anders als A. Schönberg und A. Berg (Zweite Wiener Schule), die dieses Technik v.a. für große Formen anwenden, vollendet sich Anton Weberns Kunst in der kleinen, hochkonzentrierten Form teilweise von aphoristischer Kürze mit hoher musikalischer Intensität und Dichte. Die Tendenz zur Kürze führt zu besonders charakteristischen Merkmalen seiner Musik: Kein Schmuck, kein Umweg, keine Wiederholung, keine Grundsubstanz und Zutat (alles ist wesentlich, bestimmt vom persönlichen Charakter, vom Zeitgeist und vom geschichtlichen Stand des musikalischen Materials). Dabei ist Weberns Musik von Klarheit erfüllt, die nicht nur auf rationaler Arbeit sonder besonders auf musikalischer Intuition und Ausdruckskraft beruht. Stets ist er auf der Suche nach Zusammenhang und Bindungskraft. Dabei zielt er mit seiner Kompositionsweise (reihenartig geregelte Dynamik) bereits in Richtung der seriellen Musik. Der ursprünglich als Kopfsatz geplante Satz der Variationen für Klavier op. 27 (heute 3. Satz) rückte im Zuge der Fertigstellung des Werkes an das Ende der mehrsätzigen Komposition und gab dem Klavierwerk schließlich den Namen. Der Satz ist durchgehend in vertikaler Reihentechnik komponiert. Dies hebt ihn aus dem gesamten Spätwerk Weberns hervor. Er lässt sich formal in ein Thema mit 5 Variationen untergliedern. Dabei ist die Reihe bei Webern eine Art komponiertes Thema mit typischen Strukturen. Gleichzeitig sind seine Reihen nicht mehr nur Material für Themen und Motive, sondern haben selbst Motivcharakter und bestimmen das Werk. Die Komposition lässt eine Vorliebe Weberns für Quartklänge und eine besondere Bedeutung des Tritonus erkennen. Man findet ihn in der Mitte der Reihe und auch an Schlüsselstellen des Werks. Webern greift mit diesem Werk auf die von A. Schönberg begründete Zwölftonmethode zurück entwickelt dabei jedoch eine ganz eigene Tonsprache und wendet sich darin bereits der musikalischen Zukunft zu. Es entsteht somit eine ganz eigene ästhetische Aussage, welche nur in der Gesamtbetrachtung nicht aber durch das reine Bestimmen der Reihenzugehörigkeit zum Ausdruck kommt (Webern selbst führte diese nie an). Sein Reihendenken gilt als Vorbild in der Entwicklung der Seriellen Musik. Die Variationen für Klavier op. 27 gelten als marksteinsetzendes Werk für dieses Instrument und wenden sich in ihrer Machart gewiß gegen ein Weltgeschrei, welches die damalige Zeit beherrschte.

A. Webern: Variationen für Klavier, op. 27

  • Der Kontext (historisch und stilistisch)

    • Expressionismus: Die Situation


  • die Zeit nach der Jahrhundertwende war durch einen gewaltigen Umbruch in allen Bereichen des gesellschaftlichen, geistigen und kulturellen Lebens gekennzeichnet

  • die junge Generation lehnte sich gegen die Alten und deren Lebens- und Wertevorstellungen

  • sie protestierten gegen das satte, selbstzufriedene Bürgertum und dessen gesellschaftlichen und kulturellen Normen → Warnung vor der Gefahr der Technik und Zivilisation und deren Auswirkungen auf die Menschen (Maschienenwelt; soziales Elend breiter Schichten, die Vermassung in Städten und Vereinsamung des Einzelnen

  • wichtige eruop. Zentren de Umwälzung: Paris, Berlin und Wien

  • die expressionistisch geltende Kunst ist Ausdruck eines gesteigerten Lebensgefühls im Gegensatz zum als materialistisch empfundenen leben (geprägt von Ökonomie und Konvention)

  • dabei gilt Hässlichkeit als wahr, Schönheit mindestens als unwahr, konventionell, wenn nicht gar verlogen

  • der (musikalische) Expressionismus (Ausdruckskunst, Kunst des Ausdrucks) des ( eigenen) Inneren kann las letztmögliche Steigerung des subjektiven Ausdruckswillen gesehen werden, aber auch als Gegenströmung und Reaktion auf den Impressionismus → somit stehen sich Expressionismus und Impressionismus polar gegenüber

  • Begriff Expressionismus beschreibt eine Norm des Erlebens, des Handelns, der Weltanschauung: Grundlegend ist das Streben nach freiem, spontanen Ausdruck innerlich-subjektiver Zustände


A. Webern: Variationen für Klavier, op. 27

  • Das Werk

    • Stichpunktartige Analyse


  • Das Thema:

    • Besteht aus 3 hinsichtlich ihrer Dauer etwa gleicher Teile (Teil 1: Beginn T. 1; Teil 2: Beginn T. 5 (4. Viertel); Teil 3: Beginn T. 9 (5. Viertel)

    • 1.Teil: Originalreihe es (Töne: es, h, b, d, cis, c, fis, e, g, f, a, gis)

    • 2.Teil: Umkehrung es (Töne: es, g, gis, e, f, fis, c, d, h, cis, a, b)

    • 3.Teil: Krebs es (Töne: gis, a, f, g, e, fis, c, cis, d, b, h, es) - Die einzelnen Teile können wieder in Abschnitte unterteilt werden:

      • Teil: Abschnitt a (Beginn T. 1); Abschnitt b (Beginn T. 2, 6. Viertel); Abschnitt c (Beginn T. 4, Viertel)

      • Teil: Abschnitt a (Beginn T. 5, 4. Viertel), Abschnitt b (Beginn T. 7, 2. Viertel), Abschnitt c (Beginn T. 8, 6. Viertel)

      • 3.Teil: Abschnitt a (Beginn T. 9, 5. Viertel), Abschnitt b (Beginn T. 11, 1. Viertel)

    Formteil:

    Wirkung:

    Kompositorische Gestaltungsmerkmale:

    1. Teil:



    T. 1 bis T. 5



    (1. Viertel)

    In sich


    ruhend

    -Struktur: Reihe in Originalgestalt


    -Dynamik: piano zu Beginn und zum Abschluss



    Spannungsmaximum kurz nach Mitte T. 3



    -Ambitus: C



    2. Teil:



    T. 5 (4. Viertel) bis



    T. 9 (3. Viertel)

    Aufgeregt,


    gepresst,



    gequält

    -Struktur: Reihe in Umkehrung - Dynamik: forte zu Beginn, piano zum Abschluss


    • Ambitus: Fis - f´´´

    • Rhythmus: rhythmische Struktur entspricht Teil 1 allerdings mit Verzögerung von einer Halben Note | | 3. Teil: T. 9 (5. Viertel) bis T. 12 (1. Viertel) | Variierter Gestus des

    1. Teils | -Struktur: Reihe im Krebs

    • Dynamik: forte, dann piano mit decrescendo (vgl. eher 2. Teil); Höhepunkt zu Beginn

    • Ambitus: d - f´´´

    • Rhythmus: die Notenwerte der einzelnen Töne werden im Vergleich zur Originalreihe größtenteils beibehalten |

    ➜ Die selbe Lage wird im Übergang der einzelnen Teile als roter Faden beibehalten ➜ Innerhalb des Themas lassen sich verschiedene Bezüge finden ➜ Bereits hier wird mit variierter Technik gearbeitet (Verwendung von Reihe, Umkehrung, Krebs; Dreiteiligkeit des Themas und seiner Abschnitte; Motivgestaltung/Intervallstruktur; Rhythmus)

  • Variation 1:

    • O e: T. 12 (4. Viertel) - T. 14 (1. Viertel) KU es: T. 14 (1. Viertel) - T. 15 (6. Viertel) O es: T. 15 (6. Viertel) - T. 17 (Ende) KU e: T. 18 (Anfang) - T. 19 (4. Viertel) KU b: T. 19 (4. Viertel) - T. 20 (6. Viertel) KU e: T. 20 (6. Viertel) - T. 22 (1. Viertel) KU a: T. 22 (1. Viertel) - T. 23 (3. Viertel; a´´= Beginn Variation 2 ist noch der letzte Ton der Reihe)

    Merkmale allgemein:

    • Grundlegendes rhythmisches Element: Viertelnote - Viertelpause - Viertelnote (auch als Synkope z.B. T. 18/19)

    • Tonwiederholungen spielen wichtige Rolle (auch als falsche Oktaven: f/fis T. 13 & 16, gis T. 19, d T. 20/21): Endtöne einer Reihe werden als Anfangstöne der nächsten aufgegriffen (z.B. T. 14, 1. Viertel)

    • Viertelnoten und Halbe Noten und entsprechende Pausen

    • Differenzierte Vortragsbezeichnungen (staccato, portato, legato, sforzato, f, ff, p, decrescendo)

    • Alle Töne gleich wichtig (v.a. durch rhythmische Struktur)

    • Sekundstrukturierung, keine Akkorde

    • Ritardandi zum Ende hin

    • Gegensatz zum Thema, obwohl ihr Beginn die Atmosphäre vom Ende des Themas aufnimmt

  • Variation 2:

    • KU d: T. 23 (4. Viertel) - T. 25 (6. Viertel) K a: T. 25 (6. Viertel) - T. 28 (2. Viertel) K e: T. 28 (2. Viertel) - T. 30 (4. Viertel) KU a: T. 30 (5. Viertel) - T. 32 (5. Viertel) K e: T. 32 (5. Viertel) - T. 33 (5. Viertel)

    Merkmale allgemein:

    • Zarter im Ausdruck

    • Starke Schwankungen des Tempoverlaufs

    • Anwendung von Akkorden (bestehend oft aus Quarten und Tritoni)

    • Vortragsbezeichnungen noch differenzierter

    • Art „lyrisches Intermezzo“

    • Rhythmische Hauptfigur: Viertelnote - Viertelnote

    • Reihen: KU und

  • Variation 3:

    U c: T. 33 (6,5. Viertel) - T. 35 (Schluss) KU c: T. 36 - T. 38 (1. Achtel) U h: T. 38 (2. Achtel) - T. 40 (2. Viertel) KU h: T. 40 (3. Viertel) - T. 42 (2. Viertel) O dis: T. 41 (letztes Achtel) bzw. T. 42 (2. Viertel) - T. 44

    Merkmale allgemein:

    • Zart im Ausdruck

    • Starke Schwankungen des Tempoverlaufs („molto rit.“ sehr markant)

    • Zum ersten Mal Achtelnoten

    • Ständiger Lautstärkewechsel

    • Reihen oft im direkten Anschluss z.B. T. 35/36, T. 40

    • Achtelgruppen an strukturierendes Element

    • Spiegelungsachsen Taktstrich Beginn T. 36 und T. 40 zwischen dem 2. und 3. Viertel

    • Überlappung am Reihenende z.B. T. 41/42 („Art Engführung“)

    • Reihen: symmetrische Gestaltung (Uc|KUc; Uh|KUh)

  • Variation 4:

    KU d: T. 45 - T. 47 (2. Viertel) O fis: T. 46 (12. Achtel) - T. 48 (8. Achtel) KU f: T. 48 (8. Achtel) - T. 50 (2. Viertel) O a: T. 50 (1. Viertel) - T. 52 ( 1. Viertel) KU as: T. 51 (12. Achtel) - T. 53 (3. Viertel) O c: T. 53 (6. Achtel) - T. 54 (5. Viertel) KU h: T. 54 (5. Viertel) - T. 55

    Merkmale allgemein:

    • Im Spannungsverlauf des ganzen Satzes: Höhepunkt

    • Achtel mit synkopischer Wirkung

    • Sekundmotive

    • Keine Akkorde, nur Zusammenklang von 2 Noten (oft verminderte Oktave)

    • Klangliche Intensität durch das Gefühl „herabprasselnder Töne“

    • Dynamik bis molto ff, Häufung von Akzenten

    • Ständige Überlappungen am Reihenende

    • Nur Viertel- und Achtelnoten

    • Reihen: abwechselnd KU und O

  • Variation 5:

    O es: T. 56 (Anfang) - T. 58 (2. Viertel) K es: T. 58 (2. Viertel) - T. 59 (4. Viertel) Ue: T. 59 (6. Viertel) - T. 61 (4. Viertel) KU e: T. 61 (4. Viertel) - T. 63 (2. Viertel) K es: T. 62 (6. Viertel) - T. 64 (4. Viertel) U es: T. 64 (4. Viertel) - T. 66 Merkmale allgemein:

    • „Wieder ruhiger“: friedich, ruhig wirkender Schussteil

    • Dynamik im Pianobereich (pp, p, ppp)

    • Größere Notenwerte (keine Achtelnoten mehr)

    • Legato und Portato überwiegen

    • Wiederaufnahme des „es“ vom Beginn des Satzes

    • Schwebende Synkopen, keine Schwerpunktsetzung

    • Akkordbildungen

    • Abschließender Duktus

    • Reihen: auf e (2x) und gehäuft auf es (4x)


A. Webern: Variationen für Klavier, op. 27

  • Das Werk

    • Das Variieren vom Barock bis in die Moderne: Anknüpfungspunkte


Die strenge Zwölftonmusik ist ein Spiel mit den 48 Reihenformen. Wenn man dieses polyphone Spiel als Variation beschreiben will, ist jede Zwölftonmusik Variation. Allerdings ist diese Bezeichnung nicht ganz unproblematisch. Bei den Variationen für Klavier op. 27 von A. Webern handelt es sich vielmehr um eine Verbindung von Zwölftontechnik und Variation, auch wenn die Durchgestaltung eines Stücks auf Basis einer Reihe in sich variativ ist. Um dem Variationsgedanken in diesem Werk auf die Spur zu kommen, sind folgende Fragen zu stellen:

  • Wie lautet die verwendete Reihe und welche Spielarten derselben sind zu erkennen?

  • Was wird innerhalb der Reihe, im Thema, in seinen Variationen und im Gesamtzusammenhang variiert?

  • Welche musikalische Parameter zeichnen die einzelnen Variationen im Vergleich zum Thema und zueinander aus?

  • Inwiefern knüpft Anton Webern in diesem Werk - trotz der äußerlichen Neuartigkeit - an den klassisch-romantischen Variationsbegriff und dessen Ausdrucksästhetik an?

  • Wie gestaltet Anton Webern das Zwölftonwerk so, dass trotz des theoretischen Konstrukts ästhetische Freiheit entsteht und ein sinnliches Erfassen seiner Musik möglich wird?

Jede Variation der Variationen für Klavier op. 27 von Anton Webern weist eine einheitliche motivische Durchgestalten und gleichbleibende Strukturierung auf, aus welcher sich ein spezifischer Ausdrucksgehalt ergibt. Als eine Art Variationsprinzip lässt sich eine Verdichtung in Tempo, rhythmischer Gestaltung, Tonhöhe, Intervallstruktur u.a. (mit abschließender Beruhigung in Variation 5) nachweisen. Dabei könnte man im Sinne Schönbergs von einer Entwickelnden Variation sprechen. Anton Webern variiert indem er verdichtet, verengt, mit der Dynamik, dem Rhythmus, den Zusammenklängen und hauptsächlich mit der Kombination der Reihe und ihrer Modi spielt. Im scheinbar Neuen zeigt sich auf vielfältige Weise der Bezug zur Grundreihe, auf welcher der gesamte dritte Satz der Variationen für Klavier op. 27 von Anton Webern aufgebaut ist.

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Philipp A.

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