Methodologischer Kollektivismus
Methodologischer Kollektivismus = Methodologischer Holismus
„Soziologische Tatbestände sind wie Dinge zu betrachten [...] Sie stehen also, für sich betrachtet, außerhalb des individuellen Bewusstseins [....] Soziologische Tatbestände [bestehen] in besonderen Arten des Handelns oder Denkens [...], die an der Eigenart erkennbar sind, dass sie auf das Bewusstsein des Einzelnen einen zwingenden Einfluss auszuüben vermögen. [...] Tatsächlich kann man, ohne den Sinn dieses Ausdrucks zu entstellen, alle Glaubensvorstellungen und durch die Gesellschaft festgesetzten Verhaltensweisen Institutionen nennen; die Soziologie kann also definiert werden als die Wissenschaft von den Institutionen, deren Entstehung und Wirkungsart.“ (Emile Durkheim 1895 [1965]: Die Regeln der soziologischen Methode. Luchterhand: Neuwied, S. 88-101)
In der Soziologie bezeichnet der methodologische Kollektivismus einen Ansatz, bei dem soziale Phänomene und Erklärungen auf der Grundlage von Kollektiven, Gruppen oder Gesellschaften betrachtet und analysiert werden, anstatt nur auf individuelle Handlungen oder Eigenschaften zu fokussieren.
Schwerpunkt auf der Betrachtung von sozialen Strukturen, Normen und Institutionen, die das Verhalten und die Interaktionen der Menschen in einer Gesellschaft beeinflussen
—> Dabei werden individuelle Handlungen als Ergebnis sozialer Einflüsse und kollektiver Strukturen betrachtet.
Was ist der Ursprung der Arbeitsteilung?
Imperative Regel/Pflicht
Kein vollendeter Mensch (AlleskönnerIn) möglich
Man kann nicht mehr alles Wissen
Spezialisierung mit Effizienzgewinnen
Arbeitsteilung sorgt für höheren Output
Bewegung gegen den Dilettantismus
—>Einsehen, dass alleskönnen kein Sinn macht, weil man alles nicht gleich gut kann
Spezialisierung der Bildung
Funktionale Einpassung (—> sekundäre Sozialisation)
Funktion der Arbeitsteilung
Produktivitätssteigerung der/des Arbeiterin/Arbeiters
Geschicklichkeitssteigerung der/des Arbeiterin/Arbeiters
Voraussetzung der „intellektuellen und materiellen Entwicklung der Gesellschaft“ (S.96)
„Quelle der Zivilisation“ (S.96)
„Darum ist es nötig, daß [sic!] die Intelligenz, von der Wissenschaft geleitet, einen immer größeren Anteil am Verlauf des Kollektivlebens nimmt.“ (S.98)
—> Warum?
Intelligenz bedingt die Anpassungsfähigkeit des Bewusstseins
Je höher, desto einfacher fällt die Anpassung
Siehe Notizen für mehr Beispiele und Erklärungen
Unähnlichkeit vs. Ähnlichkeit
„Die Unähnlichkeit kann wie die Ähnlichkeit eine Ursache gegenseitiger Anziehung sein.“ (S.101)
—>Stimmt das so? Welche Einschränkungen?
„Nur Unterschiede einer bestimmten Art fühlen sich demnach zueinander hingezogen, nämlich diejenigen, die sich gegenseitig ergänzen, statt sich einander zu widersetzen und auszuschließen.“ (S.102)
—>Zentraler Gedanke von Durkheims Überlegungen!
Welche Rolle spielt hierbei die Arbeitsteilung?
„In diesem Fall sind die ökonomischen Dienste, die sie leisten kann, verglichen mit der moralischen Wirkung, die sie hervorruft, gering, und ihre wahre Funktion besteht darin, zwischen zwei oder mehreren Personen ein Gefühl der Solidarität herzustellen.“ (S.102)
Siehe Notizen für mehr
Folgen der Arbeitsteilung:
„Individuen sind untereinander verbunden, die sonst unabhängig wären.“ (S.108) —> Was ist der Vorteil davon?
Solidarität über den Augenblick hinaus.
Austauschbeziehungen haben somit eine wichtige Funktion, welche?
Die Unvollständigkeit der/des Einzelnen kompensieren.
Rationale Betrachtung von Gesellschaften, denn „die Arbeitsteilung [ist] die, wenn nicht einzige, so doch hauptsächlichste Quelle der sozialen Solidarität ist.“ (S.109)
Arbeitsteilung kann somit als Bedingung für die Existenz von integrierten Gesellschaften interpretiert werden.
—>Verhalten uns solidarisch, weil Arbeitsteilung Bedingung für integrierte Gesellschaft
Operationalisierung der sozialen Solidarität
Je nach Grad der Arbeitsteilung, je solidarischer
Je größer Grad der Arbeitsteilung, desto größer Frequenz der sozialen Beziehungen —> Interaktionen mit Menschen
Gesellschaften mit hohen Rechtsregeln —>hohe Frequenz der sozialen Beziehungen —> hohe Solidarität —> hoher Grad der Arbeitsteilung
Differenzierung der Rechtsformen in Strafrecht und Zivil- und Handelsrecht
Restitutionsrecht
z.B. Familien-, Handels-, und Verfassungsrecht
Die dort geregelten Beziehungen basieren auf der Kooperation, welche Resultat der Arbeitsteilung ist.
Beispiele für entsprechende Regelungen?
Handelsverträge
Teilung der familiären Arbeit
Mutter geht arbeiten
Vater kocht
Kinder zur Schule
—>Bedarf der Regelung diese Aspekte
Z.B. Schulpflicht oder „Herdprämie“
Z.B. Eheverträge
„Zusammengefaßt [sic!] heißt dies, daß [sic!] die Beziehungen, die das Kooperativrecht mit Hilfe der Restitutivsanktionen regelt, und die Solidarität, die in ihnen zum Ausdruck kommt, das Ergebnis der Arbeitsteilung sind.“ (S.179)
Härte der Sanktionen ergibt sich (auch) aus der Allgemeingültigkeit/Bekanntheit des Gesetzes.
Je arbeitsteiliger, desto mehr Spezialgesetze gibt es, desto geringer ist die Bekanntheit des einzelnen Gesetzes, desto geringer ist der Härtegrad der Restitutivsanktion.
„Die Verletzung dieser Regeln berührt also weder lebendige Teile der Gemeinschaftsseele der Gesellschaft noch, wenigstens im allgemeinen, jene von Sondergruppen und kann folglich nur eine recht bescheidene Reaktion hervorrufen.“ (S.179f)
Ziel: Wiederherstellung des schadensfreien Zustandes
Repressivrecht
„Das Strafrecht dagegen verkündet nur Sanktionen, sagt aber nichts über die Verpflichtungen, auf die sie sich beziehen. Es befiehlt nicht, das Leben eines anderen zu achten, sondern den Mörder mit dem Tod zu bestrafen. Es sagt nicht, wie es das Zivilrecht tut: Das ist die Pflicht, sondern sofort: Das ist die Strafe.“ (S.124)
„Wenn man an das Strafrecht denkt, so wie es in unseren heutigen Gesellschaften funktioniert, stellt man sich ein Gesetzbuch vor in dem ganz bestimmte Strafen an ebenfalls bestimmte Verbrechen geknüpft sind. Zwar verfügt der Richter über einen gewissen Spielraum, um diese allgemeinen Bestimmungen auf jeden Einzelfall anzuwenden; aber in ihren wesentlichen Linien ist Strafe für jede Kategorie von Straftaten vorausbestimmt.“ (S.144)
„Das Strafrecht drückt genau diese Solidarität aus, wenigstens in dem was sie an Vitalem hat. Die Handlungen, die es verbietet und die es als Verbrechen qualifiziert, sind von zweierlei Art: entweder es manifestiert sich in ihnen eine allzu nachdrückliche Unähnlichkeit zwischen dem betreffenden Akteur und dem kollektiven Typus oder sie verletzen das Organ des gemeinsamen Bewusstseins.“ (S.157)
—>Strafrecht wirkt uniform
—>Strafrecht hat wenig Verhandlungsspielraum
—>Strafrecht stellt das „Kollektivbewusstsein“ her
Die Konsequenzen des Bisherigen: zwei Formen der Solidarität
Mechanische Solidarität
„Die sozialen Moleküle, die nur auf diese einzige Art zusammenhalten können, könnten sich in ihrer Gesamtheit somit nur in dem Maß bewegen, in dem sie keine Eigenbewegung haben, so wie es bei den Molekülen der anorganischen Körper der Fall ist.“(S.182)
Solidarität durch Gleichheit
Kollektivbewusstsein mit allen Werten und Normen (Repressivrecht)
Organische Solidarität
„Jedes Organ hat dort seine eigene Physiognomie und seine Autonomie, und trotzdem ist die Einheit des Organismus um so größer, je stärker die Individualisierung der Teile ausgeprägt ist.“ (S.183)
Solidarität durch Unterschiede
Recht stellt schadensfreien Zustand her (Restitutivrecht)
Hang zur „Anomie“ der Individuen (vgl. Marx)
Exkurs: Anomietheorie
Die Spezialisierung der/des Einzelnen sorgt für Bindungslosigkeit.
Wahrscheinlichkeit von abweichendem Verhalten steigt
Lösung:
Politische Repräsentation der Berufsgruppen (vgl. Marx)
Der Staat muss Chancengleichheit herstellen
Säkulare, staatlich regulierte, Erziehung
Zusammenfassung
Dichte und Volumen einer Gesellschaft bedingen Arbeitsteilung
Gründe für Arbeitsteilung
Die Form der Solidarität einer Gesellschaft lässt sich am Recht ablesen
Strafrecht vs. Zivilrecht
Mechanische Solidarität vs. Organische Solidarität
Rationale Integration von Gesellschaften durch die Abhängigkeit der Individuen
Nach Émile Durkheim, einem bedeutenden französischen Soziologen, bezeichnet mechanische Solidarität und organische Solidarität zwei verschiedene Formen des sozialen Zusammenhalts in Gesellschaften.
Organische Solidarität tritt in modernen, komplexen Gesellschaften mit fortschreitender Arbeitsteilung und Spezialisierung auf.
In diesen Gesellschaften erfordert die wirtschaftliche und soziale Interdependenz eine Vielzahl unterschiedlicher Rollen und Funktionen.
Die Menschen sind in ihrer Arbeit und ihren Tätigkeiten diversifiziert und spezialisiert.
Der Zusammenhalt beruht auf der wechselseitigen Abhängigkeit der Menschen voneinander, wie es bei einem "organischen" Organismus der Fall ist.
Die Gesellschaft wird als Ganzes betrachtet, in dem jeder Teil eine spezifische Funktion erfüllt, die zur Stabilität und Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems beiträgt.
Konflikte können in organisch solidarischen Gesellschaften aufgrund unterschiedlicher Interessen und Rollen entstehen, aber die Gesellschaft hält zusammen, weil sie auf gegenseitiger Abhängigkeit beruht
Mechanische Solidarität existiert in traditionellen, primitiven Gesellschaften mit geringer Arbeitsteilung und Spezialisierung.
In solchen Gesellschaften haben die Menschen ähnliche Lebensweisen, Werte und Normen.
Der Zusammenhalt beruht auf einer starken kollektiven Identität und Gemeinschaftsbewusstsein.
Die Mitglieder der Gesellschaft teilen ähnliche Überzeugungen, Traditionen und Bräuche, was zu einer hohen sozialen Kohäsion führt.
In mechanisch solidarischen Gesellschaften sind die individuellen Rollen weniger differenziert, und soziale Konflikte sind weniger ausgeprägt.
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