Bei dem mir vorliegenden Text handelt es sich um einen Auszug der 9. Szene des sozialkritische „Dramas Woyzeck“ von Georg Büchner. Das Drama wurde im Jahr 1836 veröffentlicht und liegt lediglich als Fragment vor, die Georg Büchner von der Vollendung verstarb. Der Autobahn Vertreter des politischen Formats und äußerte Gesellschaftskritik an dem damals herrschenden System der Restauration.
Der Protagonist des Dramas ist Woyzeck, der aufgrund seiner misslichen sozialen Lage, mehrere Berufe und Tätigkeiten annehmen muss, um seine Familie ernähren zu können. Woyzeck ist ein einfacher Soldat und hat ein uneheliches Kind mit seiner „großen“ Liebe Marie. Durch die Tätigkeiten macht sich Woyzeck zunehmend seine physische und psychische Gesundheit kaputt, dies wird im Verlauf des Dramas deutlich.
Marie geht eine Affäre mit dem Tambourmajor ein. Dies findet Woyzeck heraus und rächt sich, indem er Marie schließlich ermordet.
Bei der vorliegenden Szene handelt es sich um den zweiten Teil der 9. Szene, in welcher sich der Hauptmann, Woyzeck und der Doktor auf einer Straße unterhalten.
Im Vorfeld lernen wir die andere Charaktere, unter anderem Marie und den Tambourmajor, kennen und erfahren ausgiebig über den Versuch des Doktors, die eine von Woyzecks Tätigkeiten darstellt. Und es wird zudem deutlich, welche physische und psychische Auswirkung der Versuch auf Woyzeck hat.
Nach der Szene spitzt sich der Konflikt zwischen Woyzeck und Marie weiter zu, die physische Verfassung. Woyzecks verschlechtert sich zunehmend, weswegen es letztendlich zum Höhepunkt des Dramas, dem Mord an Marie, kommt.
Im Verlauf des Szenenausschnitts wird Woyzecks Gefühlslage in Bezug zu Marie deutlich und die Kommunikation der drei Figuren verdeutlicht unter anderem den Konflikt, der zwischen der Ober- und Unterschicht bestand.
Woyzeck wird von dem Hauptmann aufgehalten, als er an ihm und dem Doktor vorbeilaufen möchte. Der Hauptmann sagt, er laufe, wie ein „offenes Rasiermesser“(Z.3) an ihnen vorbei. Dies stellt eine Anspielung an Woyzecks Tätigkeit bei ihm dar.
In der 5. Szene wird deutlich, dass Woyzeck den Hauptmann, seinen Vorgesetzten, regelmäßig rasiert, um zusätzlich Geld für seine Freundin Marie und den Sohn Christian zu haben. Der Hauptmann beschwert sich über Woyzeck, da er „[…] läuft, als hätte er ein Regiment kastrierte zu rasieren und wild gehenkt […]“(Z. 4 f.). Daraus ergibt sich, dass der Hauptmann, der aus der Oberschicht, oder genauer gesagt dem Adel oder Bürgertum stammt, kein Wissen und Verständnis für das Leben eines einfachen Soldaten, wie Woyzeck es ist, hat. Verdeutlicht wird hier also der Unterschied der Ober- und Unterschicht und die Ignoranz der Angehörigen der Oberschicht.
Der Hauptmann führt seine Gedanken weiter aus und fragt rhetorisch, ob Woyzeck bisher kein Haar eines Bartes bei sich gefunden habe (vgl. Z. 9 f.). Er erläutert mit einer Klimax, ob er nicht „[…] Haar von einem Menschen, vom Bart eines Sapeur, eines Unteroffiziers, eines Tambourmajor“ (Z. 11f.) gefunden habe. Mit dieser Aussage spielt er auf die für ihn offensichtlicher Affäre der Freundin Woyzecks an. Die volle Gewichtung liegt hier bei dem Haar „eines Tambourmajor“(Z. 12).
Weiter begegnet der Hauptmann Woyzeck mit der ironischen Aussage. „Er hat eine brave Frau“ (Z. 12 f). Diese ist als ironisch zu werten, da es der vorherigen rhetorischen Frage widerspricht und diese Aussage kaum ernst gemeint sein kann. Woyzeck*- versteht die Ironie und die Aussage des Hauptmanns nicht, da er militärisch „Jawohl“ antwortet und fragt, was er damit sagen wolle (Vgl. Z. 14). Woyzeck versteht die Ausdrucksweise seines Vorgesetzten nicht, da er als einfacher Soldat deutlich weniger gebildet ist als die Obrigkeit. Ihm ist es nicht möglich, die Ironie herauszufiltern, was wiederum die Macht des Hauptmannes gegenüber Woyzeck zeigt.
Der Hauptmann antwortet Woyzeck, dass er ein „paar Lippen“ finden könne, mit denen er Liebe fühlt. Mit der Wiederholung und der Verbildlichung der „Lippen“ verdeutlicht er Woyzeck, was er mit seiner vorherigen Aussage implizit gesagt hat. Woyzeck wird „Kreide weiß“, woraus sich schließen lässt, dass ihm nun bewusst wird, dass der Hauptmann ihm von einer möglichen Affäre seiner großen Liebe Marie erzählt.
Woyzeck verdeutlicht seine Gefühlslage und die Relevanz seiner Familie in seinem Leben. Er bezieht sich auf seine Armut, die in der Zeit des Pauperismus üblich war. Er sei ein „armer Teufel“ und habe sonst nichts auf die Welt. Dies macht deutlich, wie viel ihm die Familie bedeutet und, dass seine Freundin Marie und der uneheliche Sohn Christian in seinem Leben Priorität haben.
Der Doktor versucht in dieser Situation nicht, Woyzeck zu beruhigen, wie es ein Arzt üblicherweise tun würde. Hier zeigt sich die schlechte Patient-Arzt-Beziehung der Beiden und der Doktor verdeutlicht, dass er nicht am Wohlergehen Woyzeck interessiert ist, sondern lediglich an den biologischen Prozessen, die für seinen Menschenversuch relevant sein könnten, interessiert ist.
Das sieht man an der passiven Haltung des Doktors im Dialog, in dem er lediglich viermal etwas sagt. Zwei diese Gesprächsanteile sind Kommentare zu Woyzecks physischen Zustand, dem unregelmäßigen Herzschlag und der angespannten Haltung Woyzeck.
Woyzeck beschreibt, dass ihm eiskalt sei, und wiederhol das Wort unmöglich, da er die Aussage des Hauptmanns nicht glauben kann. Er traut Marie nicht zu, dass sie so zu so einer Affäre fähig sei.
Der Hauptmann geht auf die Augen Woyzeck ein, die ihn zu erstechen drohen. Hierbei findet sich ein Bezug zu dem späteren Mord Woyzecks an Marie, denn er nutzt ein Messer, um sie zu erstechen. Man könnte meinen, der Hauptmann sieht Woyzecks psychischen Zerfall in seinen Augen.
Woyzeck äußert sich mit seinem bislang längsten Gesprächsanteil. Zuvor äußert sich Woyzeck lediglich mit parataktischen Sätzen, die seine fehlende Intelligenz untermauern.
Woyzeck kündigt an, dass er die anderen Gesprächsteilnehmer verlässt, er schafft es nicht, mit Worten seinen Standpunkt darzulegen und die Aussage des Hauptmanns zu revidieren, weshalb die Flucht beziehungsweise der Abgang die einzige Möglichkeit ist, um zu entkommen
Woyzeck macht zudem erste Gedanken an den Mord an Marie deutlich, indem er sagt, es sei „viel möglich“ und man Lust bekommen könne, einen Haken aus Eisen in etwas hineinzuschlagen. Dies kann man in Bezug zu dem späteren Mord sehen, bei dem er ein Messer aus Eisen nutzt.
Außerdem wird ein innerer Konflikt Woyzecks deutlich, da er über „Ja und Nein“ nachdenkt und wirre Fragen stellt. Er wägt also ab, ob er Marie etwas antun sollte oder nicht und verspricht, darüber nachzudenken
Der Doktor empfindet das wirre Zustand Woyzecks als interessant, da er ihn als „Phänomen“ bezeichnet. Er erwähnt wieder die „Zulage“, die Woyzeck aufgrund seiner Geistesverwirrung erhält.
Zuletzt äußert sich der Hauptmann und sagt, dass ihm die Schnelle beziehungsweise die Hektik Woyzecks nicht guttut. Diese Hektik lässt sich auf den Unterschied zwischen Obrigkeit und Unterschicht zurückführen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Szene Kritik an der damals vorherrschenden Ordnung und der Ständegesellschaft äußert. Durch den Dialog werden die Unterschiede zwischen der Oberschicht, dem Hauptmann und Doktor, und der Unterschicht, Woyzeck, deutlich. Die Machtposition des Hauptmanns und des Doktors wird gezeigt, durch die Abhängigkeit Woyzecks aufgrund der misslichen sozialen Lage, in der Woyzeck sich befindet.
Durch die Analyse der Szene ist deutlich geworden, in welcher Beziehung Hofmann, Doktor und Woyzeck miteinander stehen. Zu der Zeit des Vormärzes, in der das Drama entstanden ist, waren die Menschen der Oberschicht deutlich mächtiger als die Angehörigen der Unterschicht, die aufgrund der Armut und mit der schlechten Lebensbedingungen zur Zeit des Pauperismus mit schwerwiegenden Problemen zu kämpfen hatten. Wie auch Woyzeck, waren viele von Armut betroffen und mussten mehreren Berufen nachgehen, um die Familie versorgen zu können. In der vorliegenden Szene wird deutlich, dass Woyzeck dem Hauptmann unterstellt ist und ihn zusätzlich noch rasiert. Dies sieht man auch in der fünften Zähne des Dramas. Woyzeck ist dem Vorgesetzten und seinem Arzt unterlegen, allein, dass er diese Tätigkeiten annehmen muss und somit abhängig von dem Doktor und dem Hauptmann ist, verdeutlicht seine soziale Stellung. Als einfacher Soldat unterliegt Woyzeck dem Befehl des Hauptmanns, das bedeutet auch, dass er sich alles gefallen lassen muss, was der Hauptmann sagt. Würde er dies nicht tun, würde Woyzeck nicht nur schlecht bei dem Hauptmann dastehen, sondern auch seinen Job verlieren, wodurch er seine Familie, die ihm am wichtigsten ist, nicht länger ernähren könnte.
Dies bedeutet wiederum, dass die Obrigkeit, in diesem Fall der Hauptmann und der Doktor, alles mit Woyzeck tun können, was sie wollen. Sie wissen von der Situation Woyzecks und können ihn so ausnutzen, schikanieren oder klein machen, Soviel wie sie wollen. Er ist ein „Spielball der Mächtigen“, also von all diejenigen, von denen er abhängig ist. Woyzeck hat sich durch die Annahme der Tätigkeiten, also Annahme der Rasiertätigkeit und Teilnahme bei dem Versuch, selbst zu diesem Spielball gemacht.
Abschließend kann man sagen, dass Woyzeck durch die Abhängigkeit zu dem Hauptmann und dem Doktor zu einem „Spielball der Mächtigen“ geworden ist.
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