Norbert Elias 1897 – 1990
- Geboren 1897 in Breslau
- 1917 Studium der Medizin, Philosophie und Psychologie in Breslau
- 1919 Fortsetzung des Studiums in Heidelberg und Freiburg
- Ab 1922 arbeitet in einer Fabrik zur Herstellung von Kleineisenteilen
- 1930 Elias geht mit Karl Mannheim nach Frankfurt/Main
- 1933 Exil in Paris und später, 1935, in London —>Exil
- 1936 Abschluss des Buches „Über den Prozeß der Zivilisation“
—>Verarbeitet mit dem Buch seine Erfahrungen
- 1954 Stelle am Department of Sociology der University Leicester
- 1962 Pensionierung, Aufenthalte in Ghana, den Niederlanden, England, Deutschland
- 1976 Das Buch „Über den Prozeß der Zivilisation“ erscheint erstmals in Deutschland 1976
- 1990 stirbt Elias in Amsterdam
Gegenwartsgesellschaft
Was ist die Moderne?
Entwicklung eines staatlichen Gewaltmonopols und Entstehung des Individuums bei gleichzeitiger Verfeinerung von Sitten und Manieren
—>westliche und europäische Gesellschaft
Wie entsteht die moderne Gesellschaft?
Durch eine besondere Form einer Figuration, die Soziogenese und Psychogene miteinander verschränkt
Soziogenese
Soziogenese bezieht sich auf die Entstehung und Entwicklung von sozialen Strukturen, Institutionen und Beziehungen im Laufe der Zeit. Es untersucht, wie die Gesellschaft durch Aspekte wie Kultur, Wirtschaft, Technologie, Politik und Geographie verändert und geformt wird. Die Soziogenese untersucht auch die Auswirkungen von sozialen Veränderungen auf individuelle Verhaltensweisen und auf die Interaktion zwischen verschiedenen Gesellschaftsgruppen.
Psychogenese
Die Psychogenese bezieht sich auf die Entstehung und Entwicklung von psychischen Phänomenen, wie z.B. Persönlichkeitsmerkmale, Fähigkeiten, Verhalten oder Störungen. Sie beschreibt die individuelle psychische Entwicklung von der Geburt bis ins Erwachsenenalter, die sowohl durch biologische als auch durch soziale Faktoren beeinflusst wird. Die psychogene Forschung beschäftigt sich mit der Identifizierung und Erforschung dieser Einflussfaktoren und Mechanismen, die zur Ausprägung von psychischen Merkmalen und Verhaltensmustern beitragen.
Ausgangspunkt
Grundlegende Frage: Wie verschränken sich individuelle und gesellschaftliche Entwicklungen?
Werden und Gewordensein als historischer Prozess à langfristige Entwicklung von Wahrnehmungs-, Verhaltens- und Bewertungsschemata
Soziale Ordnung als Verflechtungszusammenhang im historischen Prozess
Modernisierung: Verschiebung der Machtverhältnisse durch Verlängerung der Interaktionsketten, Entstehung eines staatlichen Machtmonopols und Verfeinerung der Manieren zwecks Distinktion
Ausgangspunkt:
Kritik an der Differenzierung von Mikro- und Makro-Ebene in der Soziologie
—>beides muss miteinander synthesiert werden
Sozio- und Psychogenese
Psychogenese: Längere Interdependenzketten führen dazu, dass die Folgen des eigenen Handelns sind weniger sicht- und kalkulierbar
Zwang zur „langsichtigen“ Selbstdisziplin, Affektkontrolle, Weiterung des Gedankenraums über den Augenblick hinaus
Rückgang von (körperlicher) Gewalt —>macht weniger Sinn
Soziogenese: Wenn die Dominanz eines erfolgreichen Konkurrenten nicht verhindert werden kann, kommt es zur Monopolisierung von Machtressourcen
Entwicklung von staatlichen Machtmonopolen: Gewalt- und Steuerrechte gehen an zentrale Instanzen über [Königsmechanismus]
Drei Momente der Staatsentstehung: (i) die gewaltsame Monopolisierung der Gewalt, (ii) die Vergesellschaftung des Staates und (iii) die Generierung des Staates als symbolische Form
Entstehung einer „subjektlosen Gewalt“ à Paradox der Gewalt
—> Gewalt ist legitim, wenn in Auftrag der Demokratie gehandelt wird wie bspw. Bei der Polizei oder Militär
Folgen für die Sozialität
Historischer Kontext: Vergleich ritterliche und höfische Gesellschaft
—> psycho- und sozialgenetischer Zivilisationsprozess und die Entstehung von Machtzentren gehen Hand in Hand
Folgen für das Ich: Psychogenese
Beispiele:
Individuelle Gewalt wird tabuisiert
- Man lernt seit der Kita, dass man nicht grundlos Leute schlägt
Sexualität wird zunehmend tabuisiert, kontrolliert und aus der Öffentlichkeit in das Private verlagert (z.B. Hochzeitsnacht)
Verhüllungsgebot: Sexualorgane unterliegen zunehmend einem Verhüllungsgebot, Körperausscheidungen werden zunehmend tabuisiert und den Blicken entzogen
Ausprägung von Tischmanieren und deren Verfeinerung
—>erstmal nur ein Löffel zum Essen, aber dann verschiedenes Geschirr für verschiedene Speisen —>z.B. Fisch- und Steakmesser
Historisch:
Zunehmende Affektkontrolle, Entwicklung eines stabilen Über-Ichs
Ersetzung der Fremdzwänge durch Selbstzwänge (durch zunehmende Affektkontrolle, nicht außerhalb du darfst nicht…, eher eigene Restriktionen):
Vorrücken der Schamschwelle (Besetzung von einer höheren Anzahl eigener
Handlungen mit Angst)
—>Entwickeln öfters Scharm, wenn wir nicht die Norm entsprechen —>Bsp. Haare, Körper
Vorrücken der Peinlichkeitsschwelle (Angstbesetzung der Handlungen anderer)
—>schämen uns auch für andere
Entwicklungspsychologisch:
In der individuellen Sozialisation korrespondiert der gesellschaftliche Zivilisationsprozess mit einem persönlichen Zivilisationsprozess
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Spaltung von natürlichen Affekten (qua Selbstdisziplinierung)
Spaltung von anderen (qua geschwundener Wir-Optionen)
Spaltung von Gesellschaft qua Struktur sui generis
„Auf diese Weise vollzieht sich also der geschichtlich-gesellschaftliche Prozess von Jahrhunderten, in dessen Verlauf der Standard der Scham- und Peinlichkeitsgefühle langsam vorrückt. In dem einzelnen Menschen in abgekürzter Form von neuem. Wenn man darauf aus wäre, wiederkehrende Prozesse als Gesetz auszudrücken, könnte man in Parallele zu dem biogenetischen von einem soziogenetischen und psychogenetischen Grundgesetz sprechen“ (Elias 1976, Bd. I: 174).
Folgen für die Gesellschaften: Soziogenese
Die Psychogenese geht Hand in Hand mit der Soziogenese (Wahlverwandschaft):
Zunehmend gleichmäßigere Verteilung von Abhängigkeiten durch zunehmende funktionale Arbeitsteilung
Das zwingt zunehmend mehr Schichten der Gesellschaft zur Affektkontrolle
Auch Bauern, Bürgerliche, Fürsten
Bei jedem Aufstiegsschub durchdringen sich die Verhaltensweisen der jeweiligen oberen und der aufsteigenden Schicht einander
—>man möchte dem Adel immer näher sein und ahmt Verhaltensweise nach, man möchte immer mehr wie bürgerliche sein und ahmt nach
„An-sich-Halten“ wird zum Distinktionsmerkmal à Verfeinerung der Manieren
Abgrenzung durch Verfeinern
Gefühle von Scham und Peinlichkeit werden Werkzeuge der Macht
Zivilisation als Prozess
Geschichte verläuft ungeplant, aber geordnet
—>evolutionäre Entwicklung ohne rationale Planung, aber mit einer beobachtbaren Ordnung
Prozess der Zivilisation als Übergang von der Fremdkontrolle zur Selbstkontrolle des Affekt- und Trieblebens
Zivilisation in 2 Bedeutungen: Prozess der Verfeinerung der Sitten, der Befriedung von Gewalt, der wachsenden Gehemmtheit und dem Vorrücken der Scham- und Peinlichkeitsgrenzen + Psychologisierung und Rationalisierung Sozio-struktureller Begriff für die Verringerung der Kontraste und die Vergrößerung der Spielarten
Figurationssoziologie
Um soziale Prozesse erfassen zu können, ist es nicht genug, Gesellschaft vom Individuum her zu denken. Es ist aber ebenso wenig genug, von Gesellschaften als dem Ganzen auszugehen.
Vielmehr muss im Mittelpunkt jeder soziologischen Analyse der Mensch und das Verflechtungssystem gesellschaftlicher Ordnungen stehen:
„ Die ‚Umstände‘, die sich ändern, sind nichts, was gleichsam von ‚außen‘ an den Menschen herankommt; die ‚Umstände‘, die sich ändern, sind die Beziehungen zwischen den Menschen selbst“ (Elias, Prozess der Zivilisation)
Figuration = Zusammenspiel zwischen Individuen und spezifischen gesellschaftlichen Konstellationen
—>versch. Formen —>USA anders als DE
Figurationen sind immer Figurationen der Macht
Gesellschaften bestehen nicht aus autonomen Individuen, alle rational entscheiden, sondern aus Netzwerken untereinander abhängiger Individuen (z.B. Adelige am Hofàmuss standesgemäß leben)
Gesellschaft kommt als Verflechtungs- oder Wechselwirkungszusammenhänge in den Blick, aus denen sich vielfältige Figurationen bilden
Gesellschaft wird als Zwangszusammenhang begriffen, und zwar zunächst ohne Staat und vor jeder staatlichen Herrschaft
Moderne Gesellschaft formiert Menschen unter der Voraussetzung einer spezifischen Subjektvorstellung als Individuum
—> „Das Zusammenleben von Menschen in Gesellschaften hat immer, selbst im Chaos, im Zerfall, der allergrößten sozialen Unordnung eine ganz bestimmte Gestalt. Das ist es, was der Begriff der Figuration zum Ausdruck bringt.“
Elias in der Badewanne
PASST NICHT
Methodologischer Individualismus, methodologischem Kollektivismus, Figurationen
Autor
Moderne
Karl Marx
Kapitalismus—>Konflikt zwischen Bourgeosie und Arbeiterschaft, Warenfetisch, Entfremdung
Alfred Schütz
Pluralisierung der Sinnzusammenhänge, Zunahme der Fremdheit
Max Weber
Rationalisierungszusammenhang—>Entzauberung der Welt, rationale Herrschaft, rationale Lebensführung, Buchführung, Professionalisierung
RC-Theorien
Inklusion durch zusammengesetzte Arbeitsteilung—>Entstehung organischer Solidarität
Emile Durkheim
Inklusion durch zusammengesetzte Arbeitsteilung —>Entstehung moderner Institutionen
Norbert Elias
Soziogenese: Entstehung staatlicher Machtmonopole
Psychogenese: Selbstzwänge ersetzten Fremdzwänge
Zusammenfassung Elias
eurozentrische Betrachtung der Soziologie
Untersucht soz. Wandel und die Entwicklung der westlichen Gesellschaft im Laufe der Geschichte
—>Zivilisation ein langfr. Prozess, der mit der zunehmenden Kontrolle über individuelles Verhalten und Emotionen Ausdruck einergeht
Betont Bedeutung d. soz. Figuration = wechselseitigen Beziehungn und Abhängigkeiten zw. Menschen, in der Gesellschaft
—>individuelle Handlungen und soz. Phänomene nicht isoliert betrachtet, sondern im Bezug auf soz. Struktur + Prozess —> figurativen Konfigutationen
Anderses Konept “Haben- und Machtverhäntnisse“
—>soz. Hierarchien und Machtungleichheiten in der Gesellschaft eng mit wirtschaftlichen Ressourcen verbunden —> wechselseitige Angängigkeit zw. Haben- und Machtverhältnisen und wie diese die soz. Struktur und das Verhalten d. Menschen beeinflussen
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