Was reagiert sensitiver, HR oder HRV?
Einige Befunde aus Laborexperimenten mit relativ geringen Beanspruchungsunterschieden weisen auf höhere Sensitivität der HRV hin (Bsp. Mulder & Mulder, 1981; Aasman et al., 1987; Röttger et al. 2009)
Bei komplexen Aufgaben und entsprechend hoher Beanspruchung oft aber auch umgekehrte Effekte -> HR differenziert zwischen verschiedenen Beanspruchungsniveaus, die HRV dagegen nur dichotom zwischen Ruhe und Beanspruchung (Veltmann & Gaillard, 1998; De Rivecourt et al., 2008; Jorna, 1992)
Röttger et. al haben ein Experiment zu diesem Vergleich der Sensitivität gemacht- Erkläre das
eispielexperiment von Röttger et al. (2009)
Vergleich der Beanspruchung bei einer simulierten Prozesskontrollaufgabe (AutoCAMS) in Abhängigkeit von
der Art der Anforderung (nur Überwachung vs. aktives Fehlermanagement)
Verfügbarkeit unterschiedlich leistungsstarker automatischer Assistenzsysteme für das Fehlermanagement: keine Unterstützung vs. Diagnoseunterstützung vs. Diagnose- und Handlungsunterstützung)
Veltman & Gaillard haben auch ein Experiment zu diesem Vergleich der Sensitivität gemacht- Erkläre das!
Nenne den Versuchsplan für die unabhängige, die abhängige Variale sowie die Ergebnisse <3
Versuchsplan – Unabhängige Variablen (Aufgaben)
Ruhephase
Pursuit Task“ (P): Einem voraus fliegenden Flugzeug in konstantem Abstand folgen
„Tunnel Task“ (T): unterschiedlich schwierige Profile in einem Tunnel abfliegen und dabei noch unterschiedlich schwierige Zusatzaufgaben („continuous memory“) bearbeiten (T1 – T4 mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad)
Reihenfolge: Ruhe-P-T1-P-T2-P-T3-P-T4-P-T3-P-T2-P-T1-P-Ruhe
Versuchsplan – Abhängige Variablen
Kardiovaskuläre Maße: Herzperiode, HRV, syst./diast. Blutdruck
Atmung (u.a. Frequenz, Amplitude)
Elektrookulogramm (u.a. Lidschlussfrequenz, -dauer)
Subjektive Beanspruchungseinschätzung
Leistung (Trackingfehler; RZ und Fehler bei Zusatzaufgabe)
Was kann man schlussfolgern aus dem Experiment von Veltman und Gaillard?
Schlussfolgerungen:
HRV („mid“ und „high“ Frequenzband) scheint bei komplexen Aufgaben mit erhöhter Grundbeanspruchung nicht mehr so sensitiv für Beanspruchungsunterschiede zu sein wie HR
Keine statistisch belegbaren Unterschiede in der Sensitivität zwischen den beiden betrachteten Frequenzbändern der HRV
Einflüsse von Atmung auch auf 0,10 Hz-Komponente möglich, wenn substantieller Anteil der Atmung in diesem (unteren) Frequenzbereich liegt
Wir haben es mit paradoxen Effekten zutun: Erkläre was gemeint ist.
Bei langer (> 10 min) kontinuierlicher kognitiver Beanspruchung nimmt die Herzrate oft über die Zeit hinweg ab und die HRV in allen Frequenzbändern zu
Als Beispiel für diese paradoxen Effekte gibt es ein Experiment von Mulder et. al- Was wurde da gemacht?
Untersuchung der Beanspruchung bei einer komplexen Planungsaufgabe (dispatcher task)
Forschungsfrage: Können konsistente kardiovaskuläre Muster während andauernder Aufgabenbearbeitung detektiert werden?
N = 12 Probanden
Drei Experimentdurchgänge á 2h jeweils mit abwechselnden Phasen niedrigerund hoher Beanspruchung
Erfassung verschiedener kardiovaskulärer Indikatoren (Blutdruck, HR, Baroreflex Sensitivität, HRV-Frequenzbänder)
Was waren die Ergebnisse von dem Mulder Experiment, welches beispielhaft diese paradoxen Effekte darstellt und wie kann man diese Ergebnisse erklären?
Final zur Debatte um die Sensitivität bei HR und HRV:
Fasse zusammen und gib eine Schlussfolgerung
Sowohl HR als auch HRV (0,1Hz-Komponente; RSA ) sind sensitiv
-> 0.1 Hz- Komponente besonders oft benutzt und untersucht
Sensitivität der HRV nur bei relativ einfachen Aufgaben, wenn das allgemeine Beanspruchungsniveau niedrig bis mittelhoch ist, höher als bei HR (bei komplexen
Aufgaben umgekehrt)
Bei komplexen Aufgaben differenziert HRV nur noch zwischen Ruhe und Beanspruchung, nicht mehr zwischen verschieden hohen Belastungsbedingungen
Keine Hinweise auf Diagnostizität im weiteren oder engeren Sinne
Bei kontinuierlich anhaltender kognitiver Beanspruchung (> 10 min) deutliche time-on-task Effekte in Form einer „paradoxen“ Zunahme der HRV (besonders relevant bei längeren Anwendungen im Feld)
Welche Debatte führt zum Autonomic Space?
Kontrolle der Herzrate unterliegt einer komplexen Interaktion der Einflüsse vom sympathischen und parasympathischen Nervensystem
Auch die 0,1 Hz-Komponente der HRV (mid frequency) spiegelt sowohl parasympathische, als auch sympathische Einflüsse wider
RSA-Komponente (high frequency) der HRV spiegelt dagegen vorwiegend Veränderungen der parasympathischen Aktivität wider
-> Probleme der Diagnostizität (und Sensitivität) von HR und HRV könnten mit mangelnder Trennung sympathischer und parasympathischer Einflüsse bei reiner Betrachtung der HR bzw. HRV (0,1 Hz-Komponente) zusammenhängen
Autonomic Space versucht dieses Thema auszudifferenzieren
Was ist der Autonomic Space nun?
Klassische Sichtweise einer reziproken Kopplung des sympathischen und parasympathischen Teils des autonomen Nervensystems ist zu einfach
Sympathikus und Parasympathikus können reziprok zueinander, unabhängig voneinander oder direkt gekoppelt reagieren
Autonome Kontrolle von Organen daher eher darstellbar in einem zweidimensionalen Raum, dessen (orthogonale) Achsen die beiden physiologischen Teilsysteme bilden (autonomic space)
Acht verschiedene Arten autonomer Kontrolle können unterschieden werden
—> wie sind die Faktorladungen auf verschiedene Faktoren, also wer ist Aktiviert
Welche verschiedenen Arten autonomer Kontrolle gibt es?
Konsequenzen für Sensitivität und Diagnostizität kardiovaskulärer Indikatoren mentaler Beanspruchung
Sensitivität von HR (bzw. HRV) Reaktionen auf Beanspruchungsunterschiede abhängig von Art der Kopplung der jeweils ausgelösten physiologischen Reaktionen
Höchste Sensitivität anzunehmen bei reziproker Kopplung
Keine/geringe Sensitivität anzunehmen bei direkter Kopplung
Möglicherweise Erhöhung der Diagnostizität kardiovaskulärer Indikatoren durch Beschreibung der Beanspruchungsreaktion im autonomic space
Voraussetzung: getrennte Erfassung der sympathischen und parasympathischen Anteile an Herzratenveränderungen
Ansatz multivariat definierter „autonomer Komponenten“ (Backs, Ryan & Wilson, 1994, Backs, 1995)
Erkläre den Ansatz
Erfassung verschiedener kardiovaskulärer Parameter bei der Bewältigung
verschiedener Aufgaben (Herzperiode; 0,1 Hz und RSA Komponente d. HRV)
Bildung der „residualen Herzperiode“ als Markiervariable für sympathische Aktivität
(Basis: Regression auf RSA)*
Bestimmung der mittleren Interkorrelation der verschiedenen Kennwerte für die
verschiedenen Aufgabenbedingungen
Extraktion unabhängiger Dimensionen „sympathischer“ und „parasympathischer“ Aktivität mittels Hauptkomponentenanalyse
Dazu gabs beispielhaft auch ein Experiment, erkläre UV und AV
Laborexperiment zu kardiovaskulären Reaktionen auf unterschiedliche Anforderungen bei Trackingaufgaben
N=12 Vpn
Unabhängige Variablen:
motorische Beanspruchung (2 Stufen – Amplituden der zu korrigierenden Abweichungen)
perzeptiv-kognitive Beanspruchung (3 Stufen – Art der Kontrolle: Position, Geschwindigkeit, Beschleunigung)
Abhängige Variablen:
Leistung: Trackingfehler
subjektive Beanspruchung: Bedford-Skala
kardiovaskuläre Parameter: HR, HRV (0.1Hz), HRV (RSA)
andere physiologische Parameter (Atmung, EMG, Lidschluss
Ansatz multivariat definierter „autonomer Komponenten“ (Backs, Ryan & Wilson, 1994, Backs, 1995) - Beispiel: Experiment von Backs, Ryan & Wilson (1994)
Erkläre die Ergebnisse
(1) Erhöhung der motorischen Anforderungen
Herzperiode nimmt ab (Erhöhung Herzrate)
Effekt auf parasympathische, aber nicht sympathische Komponente
-> ungekoppelte parasympathische Hemmung
(2) Erhöhung der perzeptiv-kognitiven Anforderungen
Verringerung der Herzperiode (Erhöhung Herzrate)
Effekt auf sympathische, aber nicht parasympathische Komponenten
-> ungekoppelte sympathische Aktivierung
FAZIT: Die unterschiedlichen Beanspruchungsvariationen führen zu gleichen Reaktionen der Herzperiode, aber unterschiedlichen Reaktionen im autonomic space
Gib eine Zusammenfassung
Bei Erhöhung motorischer Anforderungen ungekoppelte parasympathische Hemmung
Befunde für Effekte perzeptiv-kognitiver Anforderungen bei Trackingaufgaben eher weniger konsistent
Bei Zunahme (kognitiver) Gedächtnisanforderungen Hinweise auf reziproke Kopplung mit Zunahme sympathischer Aktivierung und gleichzeitiger parasympathischer Hemmung
Bei Anforderungen verteilter Aufmerksamkeit (Doppelaufgaben) Hinweis auf ungekoppelte sympathische Aktivierung
-> unterschiedliche Muster kardiovaskulärer Reaktionen bei perzeptiv-kognitiven und motorischen Anforderungen
Was ist das?
Diagnostizität kardiovaskulärer Reaktionen im autonomic space (aus Backs, 2001)
Bewertunge den Ansatzes multivariat bestimmter autonomer Komponenten
Interessanter methodischer Ansatz zur differenzierteren Beschreibung der physiologischen Grundlagen von kardiovaskulären Beanspruchungsreaktionen
Kann teilweise inkonsistente Befunde zur Sensitiviät kardiovaskulärer Parameter erklären
Herzrate und HRV vermutlich besonders sensitiv für Unterschiede in der Beanspruchung des Arbeitsgedächtnisses (d.h. bei reziprok gekoppelten autonomen Reaktionen)
Hinweise auf mögliche Erhöhung der Diagnostizität kardiovaskulärer Parameter durch differenzierte Auswertung
Befunde aber insgesamt noch zu wenig konsistent, um Ansatz abschließend zu beurteilen
Wie ist die Sensitivität von Herzrate und Herzratenvariabilität einzuschätzen?
Sowohl HR, als auch HRV (0,1Hz-Komponente; RSA) sind sensitiv für Unterschiede in der mentalen Beanspruchung
HRV besonders geeignet bei relativ einfachen Aufgaben, relativ geringen Beanspruchungsniveaus und kurzen Bearbeitungsphasen
Bei komplexen Aufgaben differenziert HRV oft nur noch zwischen Ruhe und Beanspruchung (dann HR sensitiver)
Bei kontinuierlich anhaltender kognitiver Beanspruchung (> 10 min) oft „paradoxen“ Zunahme der HRV und Abnahme der HR in Zusammenhang mit Blutdruckanstiegen
Wie ist die Diagnostizität von Herzrate und Herzratenvariabilität einzuschätzen?
Keine Hinweise auf Diagnostizität im weiteren oder engeren Sinne
Mögliche Ansätze für Diagnostizität über Analyse der spezifischen Effektmuster im vegetativen Nervensystem (Konzept des autonomic space) durch differenzierte Betrachtung von sympathisch bzw. parasympathisch vermittelten Effekten
Autonomic space —> Unterscheidung verschiedener Beanspruchungszuständen nach Art der jeweiligen autonomen Kontrolle, d.h. des Zusammenwirkens von Aktivierungen des Sympathikus (S) und Parasympathikus (PS)
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