Lernziele der Sitzung!
Lernziele der heutigen Sitzung:
Was ist die Anlage-Umwelt-Debatte?
Welche Theorien und Positionen gibt es?
Mit welchen Methoden versucht man die Frage nach der Rolle von Anlage und Umwelt zu beantworten?
Wie gut sind diese Methoden? Was sind Probleme?
Aktuelle Perspektiven und Beispiele
Was ist die Anlage-Umwelt Debatte? Nenne ein Beispiel!
Drillinge wachsen getrennt auf, aber weisen gleiche Merkmale auf, z.B. Rauchen, Persönlichkeitsmerkmale etc.
Sie sind genetisch identisch, aber unterschiedlicher Kontext
„Belegen die Drillinge somit, dass Entwicklung das Ergebnis genetischer Einflüsse darstellt?“
Was spricht dafür?
Was spricht dagegen?
Auch bekannt als: „nature vs. nurture“
Geprägt durch Francis Galton, 1822-1911
Zentrale Fragen der Anlage-Umwelt Debatte
Wird unsere Entwicklung endogen gesteuert?
Wird unsere Entwicklung exogen gesteuert?
Oder wird sie durch beides gesteuert?
Wenn ja, wieviel kommt wovon? Kann man diese Frage überhaupt so stellen?
Theorien und Positionen
Zwei verschiedene Ansätze:
Dualismus
Präformationslehre
Tabula-Rasa Ansätze (-> Behaviorismus)
Genetik spielt keine Rolle, man kann Kinder formen, wie man will
-> Sehen entweder Anlage oder Umwelt als entwicklungsbestimmend an
Interaktionismus
Additionstheorie
Dynamische Interaktion
Es gibt genetische Grenzen
-> Anlage und Umwelt wirken zusammen
Erläutere die Präformationslehre (dualistische Theorien)!
Dualistische Theorien: Präformationslehre (17. Bis 19. Jahrhundert)
Menschliche Entwicklung als Folge göttlicher oder genetischer Pläne
Phänotypische Eigenschaften werden schon mit der Empfängnis angelegt, der Mensch ist bereits im Samen vorgebildet
Wachstum ist lediglich ein Vergrößerungsprozess
Erläutere die Tabula-Rasa-Ansätze (dualistische Theorien)!
Dualistische Theorien: Tabula-Rasa-Ansätze (bis 50er Jahre)
Entwicklung ist unbegrenzt beeinflussbar durch die Umwelt und Erziehung
Behaviorismus)
„Geben Sie mir ein Dutzend gut gebaute, gesunder Säuglinge und meine eigene, ganz spezielle Welt, in der ich sie aufziehen kann, und ich garantiere: Ich nehme zufällig irgendeinen heraus und trainiere ihn, ein beliebiger Spezialist zu werden – Arzt, Rechtsanwalt, Kaufmann, und, ja, selbst Bettler und Dieb, ganz unabhängig von seinen Talenten, Vorlieben, Neigungen, Fähigkeiten oder der Rasse seiner Vorfahren.“ (John Watson)
Erläutere die Additions- oder Proportionstheorie (interaktionistische Theorien)!
Interaktionistische Theorien: Additions- oder Proportionstheorie (ab 60er Jahre)
Genetische und umweltbezogene Einflüsse sind voneinander zu trennen
Additionstheorien wollen Antworten auf die Frage geben, inwieweit Merkmalsausprägungen erblich bedingt sind
Erläutere die dynamische Interaktionstheorie!
Interaktionistische Theorien: Dynamische Interaktionstheorie (ab 60er Jahre)
Trennung von Anlage und Umwelt ist nicht / nur schwer möglich
Merkmalsausprägungen sind sowohl von der Umwelt als auch von den Genen abhängig
Die genetische Ausstattung legt zwar Wachstumsgrenzen fest, kann jedoch Merkmale nicht bestimmen, sondern nur Möglichkeiten für ihre Entwicklung schaffen
Durch verschiedene Methoden versucht man sich der Anlage-Umwelt Frage in der Entwicklungspsychologie anzunähern
Deprivationsstudien
Gentechnische Verfahren
Zwillingsstudien
Adoptionsstudien
Erblichkeitsschätzungen
Gehe näher auf Deprivationsstudien ein!
(1) Deprivationsstudien
Um den Anteil endogener Faktoren zu bestimmen, werden exogene Einflüsse komplett ausgeschaltet
Im Tierexperiment zu finden
Der Vergleich mit unter normalen Umständen aufgewachsenen Tieren liefert Hinweise auf endogenen Einfluss
Beim Menschen aus ethischen Gründen nicht durchführbar
Bekannte Einzelfälle im Humanbereich:
Genie:
Geboren 1957, gefunden in Los Angeles, 1970
Geschätztes Alter: 6-7 Jahre, wahres Alter 13 Jahre
Konnte nicht sprechen, laufen und sitzen und reagiert nicht auf ihre Umwelt
-> Zeigt, dass es bestimmte Entwicklungsfenster für bestimmte Entwicklungen gibt
Kaspar Hauser:
1812 geboren, 1828 gefunden
Im Keller groß geworden > umstritten
Alternative: die Untersuchung von blind oder gehörlos geborenen Kindern
Blind geborene Kinder zeigen Lächelreaktionen, die sie nicht durch Beobachtung anderer Menschen gelernt haben können
Was sind Probleme von Deprivationsstudien?
Probleme an dieser Methode:
Tierexperiment
Eingeschränkte Übertragbarkeit auf den Menschen
Einzelfälle
Keine Generalisierbarkeit
Keine Kontrolle von weiteren Bedingungen möglich
Retrospektive Interpretation
Wahrheit vieler Geschichten ist fraglich
Gehe näher auf gentechnische Verfahren ein!
(1) Gentechnische Verfahren
Suche nach den genetischen Grundlagen von bestimmten Merkmalen
Z.B. Vergleich von hoch und niedrig Intelligenten auf eine große Zahl an potentiellen Genorten
-> Probleme?
Polygenie: komplexe Merkmale werden durch verschiedene Gene bestimmt
Alpha-Fehler-Inflation: je mehr Tests man rechnet, desto mehr zufällig sig. Ergebnisse bekommt man
Gehe näher auf Zwillingsstudien ein!
(1) Zwillingsstudien
Gebräuchlichster Ansatz im Humanbereich
Eineiige Zwillinge (EZ)
100% genetische Übereinstimmung
Unterschiede werden auf Umweltvariation zurückgeführt
Zweieiige Zwillinge (ZZ)
50% genetische Übereinstimmung
Wie Geschwister, aber in ähnlicher Situation wie EZ (z.B. Alter, gleiche Umwelt)
ZZ dienen als Vergleichsgruppe, weil man davon ausgeht, dass sie ähnlichen Bedingungen wie bei EZ ausgesetzt sind
Vergleich von EZ und ZZ soll Aufschluss über Erblichkeit von Merkmalen geben
Ist die ICC (Intra Claas Correlation) der EZ > ZZ, spricht dies für Erblichkeit
Ist die ICC der EZ = ZZ spricht dies für einen geringen Erblichkeitsanteil
Außerdem: Unterscheidung, ob EZ zusammen oder getrennt aufgewachsen sind
Zusammen aufgewachsen (shared environment): Umweltvariation ist gering (100% gleiche Umwelt)
Getrennt aufgewachsen (non-shared environment): Umweltvariation ist hoch (0% gleiche Umwelt)
Wenn getrennt aufgewachsene Zwillinge gleiche ICCs wie gemeinsam aufgewachsene Zwillinge aufweisen (geringe Unterschiede zwischen den Gruppen), spricht dies für einen hohen Anlage-Einfluss
Zwillingsstudie am Beispiel von Intelligenz: Wie viel Prozent der Intelligenz lässt sich auf Anlage / Umwelt zurückführen?
Beispiel: Intelligenz
-> Wie viel Prozent der Intelligenz lässt sich auf Anlage / Umwelt zurückführen?
Was sind Probleme an Zwillingsstudien?
-> Was sind Probleme an Zwillingsstudien?
Stichproben sind nicht repräsentativ
Paarsituation / Doppelgänger
Keine gleiche Umweltvariation
Umwelten von EZ und ZZ sind nicht gleich!
Schon pränatal ist die Umwelt unterschiedlich!
Dies setzt sich in der Kindheit fort (z.B. gleiche Kleidung)
Shared und non-shared Annahmen zu einfach
Shared environment = 100% gleiche Umwelt > auch wenn Zwillinge zusammen aufwachsen, teilen sie nicht zu 100% die gleiche Umwelt
Non-shared envirnment = 0% > auch getrennte Zwillinge haben mehr als 0% gleiche Umwelt (Mutterleib / Zuteilung der Kinder nicht willkürlich)
-> Zwillingsstudien scheinen den Anteil der Erblichkeit zu überschätzen
Gehe näher auf Adoptionsstudien ein!
(1) Adoptionsstudien
Biologische Eltern teilen 50% der Gene mit Kind
Adoptiveltern teilen 0% der Gene mit Kind
Vergleich Kind Adoptiveltern / Leibliche Eltern hinsichtlich eines Merkmals
Hoher Einfluss der Anlage: Hohe Korrelation zwischen Kind und leiblichen Eltern
Hoher Einfluss der Umwelt: Hohe Korrelation zwischen Kind und Adoptiveltern
-> Meist ähnliche Ergebnisse wie Zwillingsstudien, jedoch oft geringere Erblichkeitskoeffizienten
Was sind Probleme an Adoptionsstudien?
-> Was sind Probleme an Adoptionsstudien?
Umwelteinflüsse der leiblichen Eltern auf die Kinder müssen ausgeschlossen sein
Häufig nicht der Fall, da nicht immer sofort adoptiert wird oder sogar noch Kontakt besteht
Umweltmerkmale der Herkunftsfamilie dürfen nicht mit denen der Adoptivfamilien korrelieren
Häufig der Fall, der versucht wird, ähnliche Bedingungen herzustellen
Gehe näher auf Erblichkeitsschätzungen ein!
(1) Erblichkeitsschätzungen
Welcher Anteil der Variation eines Merkmals geht auf die genetische Ausstattung und welcher auf die Umweltvariation zurück?
Bestimmung der Erblichkeit: Berechnung der Heritabilitätskoeffizients hhoch2
Kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen
0 = keine Erblichkeit / 1 = maximale Erblichkeit
An Zwillings- oder Adoptionsstichproben bestimmt
Annahme: Der Grad der Ähnlichkeit nimmt mit dem Grad der Verwandtschaft zu
Bestimmung anhand einer Formal:
Beispiel Erblichkeitsschätzungen: Wie lässt sich h2 = 0.66 interpretieren?
Interpretation von z.B. h2 = 0.66
66% der gemessenen Variabilität des Merkmals beruhen auf genetischen Unterschieden, oder:
Dies bedeutet nicht, dass 66% des Merkmals einer einzelnen Person durch seine Gene und 34% durch die Umwelt erklärt wird!
Basiert auf Populationsniveau (?)
Abbildung als Erklärung für Erblichkeitsschätzungen?
Unterschiedliche Fläche: horizontale -> Unterschiede sind darauf zurückzuführen
Nicht Individuumsebene sondern Populationsebene
Was sind Heritabilitätsschätzungen (Erblichkeitsschätzungen)? - Zusammenfassung
Heritabilitätsschätzungen
Sagen etwas über genetische Unterschiede zwischen Individuen einer Gruppe zu einem einzigen Zeitpunkt aus!
Bewegen sich auf Populationsniveau und nicht auf Ebene des Individuums!
Sind Schätzungen! Die genetischen Unterschiede wurden nicht gemessen, sondern aus dem Verwandtschaftsverhältnis geschlossen
Beruhen auf additiven Modellannahmen
Liefern lediglich Hinweise darauf, dass Gene an der Entstehung eines Merkmals beteiligt sind
Was ist heute die vorherrschende Ansicht?
Aktuelle Beispiele & Perspektiven
Interaktionistische Theorien nehmen eine dynamische Sichtweise ein, in der Merkmalsausprägungen von Genen und Umwelt abhängig sind
-> Heutige vorherrschende Ansicht: Gene und Umwelt interagieren miteinander!
Nenne verschiedene Arten von Anlagewirkungen!
Beispiele und aktuelle Perspektiven
Anlagewirkungen
Aktive Anlagenwirkungen: Das Individuum such sich aktiv die Umwelt, die zu seiner Anlage passt
Passive Anlagenwirkungen: Biologische Eltern schaffen eine Umwelt, die zu den eigenen Anlagen passt und die wegen der genetischen Überlappung auch zu der des Kindes passt
Evozierende Anlagenwirkungen: durch unser Verhalten werden Wirkungen in der Umwelt hervorgerufen, die zur Anlage passen
Erläutere die Phenylketonurie!
Phenylketonurie
Phenylalanin kann nicht vom Körper abgebaut werden > erbliche Stoffwechselstörung > Folge: geistige Behinderung, Epilepsie, Hyperaktivität
Folgen zeigen sich jedoch nicht unter allen Umweltbedingungen!
Bei Einhalten einer Diät bleiben Folgen aus oder sind nur schwach ausgeprägt
Erläutere die Reaktionsnorm! (Beispiele)
Nenne eine Beispielstudie zu GxE Interaction!
GxE Interaction
N = 442 Männer
26 Jahre alt
Kindesmisshandlung im Alter von 3 bis 11
Genaktivität MAOA-Gen
AV: Antisoziales Verhalten im Erwachsenenalter
Erläutere epigenetische Prozesse!
Epigenetische Prozesse
Es gibt mehr als die einseitige Wirkrichtung von Genen auf Verhalten
Grundlage: Veränderungen an den Chromosomen
Ganze Chromosomen oder einzelne Abschnitte werden in ihrer Aktivität beeinflusst
Die DNA verändert sich nicht, Veränderung an der Methylierung der DANN
Veränderungen sind im Phänotyp, aber nicht im Genotyp beobachtbar
Durch die Umwelt kommt es zu Veränderungen des Epigenoms, das die Aktivierung spezifischer Zellen steuert
Trägt zum An- und Abschalten der Gene bei
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