1. Definition Rechtspsychologie
2. Traditionell Aufteilung der Rechtspsychologie
3. Kurze Geschichte der Rechtspsychologie
Kriminalpsychologie
früher Kriminologie, weil Kriminalpsychologie als Fach nicht vorhanden war
Beschäftigt sich v.a. mit Fragen zu individuellem kriminellen Verhalten (Prognose, Prävention, Rehabilitation, Behandlung)
Kriminologie hat heute einen gesellschaftlicheren Blick
Forensische Psychologie
Entstand, weil Gerichte immer mehr psychologisches Fachwissen zu rechtlichen Fragen einholten
Beschäftigt sich also v.a. mit Fragen, die sich in Gerichtsprozessen ergeben (Schuldfähigkeit, Glaubwürdigkeit, Polygraphie.)
Kritik: Starke Orientierung am Einzelfall & Fehlen einer theoretisch fundierten Grundkonzeption
---> Begriffe teilweise nicht genau voneinander zu trennen, daher hat sich in den 1980ern der Begriff Rechtspsychologie etabliert
3. Geschichte
Internationaler Aufschwung der Rechtspsychologie als eigene Forschungsdisziplin in den 80er Jahren (--> Gründung Fachzeitschriften, mehr empirische Forschung, Etablierung von Studiengängen der Rechtspsychologie usw.)
Gründe:
Wissenschaft generell spezialisierte sich und differenzierte sich aus, die Rechtspsychologie als eigenes Fach daher auch
Kampf um Drittmittel, kurbelte die Forschung an, v.a. auch in Beziehung auf praktische Relevanz (z.B. Arbeiten von Loftus zu false memories und ZeugInnenaussagen)
Durch mediale Berichterstattung stieg das gesellschaftliche Interesse an dem Thema (v.a. zu Sexualdelikten und Jugenddelinquenz)
In der zunehmend komplizierter werdenden Industriegesellschaft nahmen v.a. die Themen des Risikoassessments und Risikomanagement an Bedeutung zu
Die deutsche Gerichtsbarkeit
Deutsche Gerichtbarkeit kann unterteilt werden in:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Strafsachen = Strafanspruch den der Staat gegen seine BürgerInnen hat
Zivilsachen
Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten = (Natürliche Personen o. juristische Personen (Vereine, Organisationen)
Familiensachen
Freiwillige Gerichtsbarkeit = Rechte zum Schutz der Bürger (z.B. Anordnung von Betreuung)
Besondere Gerichtsbarkeit
Finanzgerichtbarkeit
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Arbeitsgerichtsbarkeit
Sozialgerichtsbarkeit
- Die Gerichtsbarkeiten werden in Deutschland in unterschiedlichen Gerichten ausgeführt (z.B. Familiensachen am Familiengericht)
- Es gibt versch. Instanzen (z.B. im Strafrecht: Amtsgericht, Landesgericht, Oberlandesgericht, Bundesgesetzhof)
- Gerichtsbarkeiten unterliegen materiellen (z.B. BGB, SGB) und formellen Vorschriften (StPO, ZPO)
materiell= Gesetzesbücher
formell= Prozessabläufe
1. Aufgaben Sachverständige im Strafrecht
2. Aufgaben Sachverständige in anderen Rechtsgebieten (Zivilrecht, Verwaltungsgericht)
1.
Spezielle Probleme bei Begutachtung von ZeugInnen und Tatverdächtigen
Glaubhaftigkeit von ZeugInnenaussagen
Begutachtung von Jugendlichen nach Jugendstrafrecht
Strafrechtliche Verantwortung
Anwendung des Jugendstrafrechts o. bereits Erwachsenenstrafrecht
Begutachtung von Erwachsenen nach Erwachsenenstrafrecht
Schuldfähigkeit
Strafaussetzung zur Bewährung
Kriminalprognose
Maßnahmen der Sicherheit und Besserung
2.
Zivilrecht (z.B. Familienrecht: Anspruch auf Sorgerecht, Umgangsrecht)
Verwaltungsgericht (z.B. Waffenrecht bzgl. Waffenführung o. Verkehrsrecht bzgl. Fahreignung)
1. Was machen Sachverständige?
2. Wer sind Sachverständige
SV nehmen auf Grundlage ihrer fachlichen Expertise unparteiisch Stellung zu einer gerichtlichen Fragestellung (Auftrag)
Diese Stellungnahme darf keine rechtliche Wertung enthalten, denn die Beweiswürdigung obliegt dem Gericht nach dem Prinzip der freien richterlichen Beweiswürdigung (= das Gericht entscheidet nach seinen eigenen Überzeugungen über das Ergebnis der Beweisaufnahme)
SV sind natürliche Personen mit besonderer Expertise in einem bestimmten Gebiet
Unterschied zwischen:
Freien SV
Keine geschützte Berufsbezeichnung
Wann gilt man als qualifiziert? Z.B. durch Weiterbildung zum Fachpsychologen für Rechtspsychologie)
Es gibt keine rechtlich definierte Qualifizierungskriterien, es wird nach allgemein anerkannten Standards beurteilt ob Qualifizierung vorhanden ist oder nicht
Öffentlich bestellten und vereidigten SV
Geschützte Berufsbezeichnung
Erhalten Bescheinigung über besonders fachliche Expertise & werden vereidigt als zusätzlicher Beweis für Neutralität & Unparteiigkeit
Nur in Bayern verpflichtend
Woraus ergibt sich die Erforderlichkeit von SV?
Zuziehen von SV liegt im Ermessen des Gerichts (wenn eigene Sachkunde nicht ausreicht)
Ausnahmen, bei denen es Pflicht ist SV hinzuzuziehen bei:
Familienrecht: Unterbringungsmaßnahmen
Strafrecht: Maßregelung zur Besserung und Sicherheit (Hier ist schon im Ermittlungsverfahren eine SV zuzuziehen wenn Unterbringungsmaßnahmen absehbar sind)
Ärztliches Gutachten Pflicht bei Einrichtung einer Betreuung
Erforderlichkeit im Strafrecht
Ergibt sich aus der richterlichen Aufklärungspflicht
= Das Gericht ist zur Wahrheitsfindung verpflichtet und muss dafür alle relevanten Beweise hinzuziehen. Sonst besteht Möglichkeit in Revision zu gehen vor Bundesgerichtshof. SV Gutachten = Beweismittel
Kann auch durch andere Beteiligte (Staatsanwaltschaft, Rechtsanwaltschaft) erfolgen
Gericht muss dafür dem Antrag stattgeben (kann ihn also auch ablehnen, z.B. wenn ausreichend Expertise vorliegt oder die Fragestellung schon in vorherigem Gutachten geklärt wurde) oder auch andere SV herbeiziehen (Auswahl liegt bei Gericht/RichterIn)
Erforderlichkeit im Zivilrecht
Auftrag erfolgt meistens durch die beteiligten Parteien
Aber auch das Gericht kann den Beweisauftrag stellen
Aufgabenbereiche SV (allgemein)
Tatsachenfeststellung
Zusätzlich zu den Anknüpfungstatsachen (aus Akten) werden i.a.R. Befundtatsachen erhoben
Gutachten nur auf Basis von Anknüpfungstatsachen
Begutachtung wurde abgelehnt (oft zu wenig Information)
Anknüpfungstatsachen reichen aus (selten)
Alle Befunde werden dem Gericht mitgeteilt & dort als Beweismittel genutzt
Beurteilung der Tatsachen auf Basis des Fachwissens
Informationen müssen bzgl. des Gerichtsauftrags beurteilt werden
Vermittlung von Erfahrungsgrundsätzen (selten)
hier wird nach Expertise zu einer allgemeinen und nicht fallspezifischen Frage verlangt
Pflichten von SV
Pflicht der Ernennung Folge zu leisten
SV müssen nach Beweisauftrag zügig prüfen, ob ihre Expertise reicht & keine Befangenheit vorliegt (z.B. Verwandtschaft)
Ansonsten darf Auftrag nicht abgelehnt werden --> Soll Verfahrensverzug verhindern
Bei Weigerung droht Geldstrafe
Pflicht der persönlichen Erstattung
Hilfskräfte bei Kleintätigkeiten (Schreibarbeit, Testauswertung) müssen nicht genannt werden
größere Tätigkeiten müssen genannt werden
Keine Übertragung möglich z.B. bei Exploration
Schweigepflicht
Schweigepflicht gegenüber Dritten
Keine Schweigepflicht bei Auftragsrelevanten Inhalten gegenüber Gericht
Schweigepflicht gegenüber Gericht bei irrelevanten Inhalten
Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht
mindestens bis zum Prozess, am besten noch darüber hinaus (Revision)
Alles muss dem Gericht zur Verfügung gestellt werden (Mitschrift, Explorationsgespräche, usw.)
Aufklärungspflicht
Vor Begutachtung Pflicht den Probanden über Fragestellung, Auftraggeber, Begutachtungsablauf und eigene Person aufzuklären
Belehrungspflicht
Obliegt eigentlich dem Gericht
Durch Gebot der Fairness auch der SV
Pflicht nur im Rahmen des Gesetz tätig zu werden
keine illegalen Techniken verwenden (verbotene Vernehmungsmethoden)
Persönlichkeitsrecht so weit wie möglich bewahren
Rechtswidrige o. bzgl. ihres Wahrheitsgehalts nicht überprüfbare Inhalte dürfen nicht benutzt werden
Ablauf der Begutachtung (allgemein)
1. Erteilung des Auftrags
Gutachtenauftrag durch Beweisbeschluss erteilt & bindend
Formulierung des Gutachtenauftrags (freie Formulierung o. Wortlaut von Paragraphen) ist bindend
Missverständnisse mit Rücksprache mit Auftraggeber klären
Unmittelbare Prüfung der Zuständigkeit und Neutralität
Danach Erhalt der Gerichtsakten (Anknüpfungstatsachen)
2. Vorbereitung des Begutachtung
Anknüpfungstatsachen als Ausgangspunkt
welche verwendet werden obliegt SV
Ggf. Beantragung weiterer Beweismittel
Bei Gericht können weitere Beweismittel erfragt werden (z.B. ehemalige Unterlagen von TherapeutInnen)
Eigene Ermittlungen sind unzulässig. Es besteht die Möglichkeit weitere Vernehmungen zu beantragen, bei denen SV dann beiwohnen und in diesem Rahmen auch selbst Fragen stellen dürfen
Aus gerichtlicher Fragestellung werden psychologische Fragen (Hypothesen) abgeleitet
zuerst fallunspezifisch um Verlauf spezifischer
Planung & Begründung der Informationserhebung (auf Basis der Hypothesen)
Welche Verfahren werden für welche Daten benutzt um Hypothesen beantworten zu können (z.B. psychometrische Tests, Leitfadengestützte Exploration, Verhaltensbeobachtung, usw.)
Zu beachten
Psychometrische Güte der Verfahren (Val., Rel., Obj., passende Normierung)
Entspricht aktuellen Wissensstand
Multimethodiales Vorgehen
Passung zur Fragestellung
Kosten-Nutzen-Abwägung (sowohl monetär, als auch bezogen auf Eingriff in Persönlichkeitsrechte)
Evidenzbasierte Begründung der Entscheidungsstrategie
3. Durchführung der Begutachtung
Aufklärung (Auftraggeber, Fragestellung, Unparteilichkeit, Pflicht die Informationen dem Gericht weiterzugeben, Ablauf), Durchführung je nach Frage
Auswertung + Darstellung der Ergebnisse
Generell gilt:
Transparente, differenzierte & korrekte Darstellung der Ergebnisse
Verständlich & auch für fachfremde nachvollziehbar
Klare Unterscheidung zwischen Ergebnis und Deutung von Ergebnissen
Deskriptive Darstellung der Ergebnisse
Aus allen! Ergebnissen Schlussfolgerungen ziehen
Auf Basis der Schlussfolgerungen Hypothesen beantworten
Rückübersetzung in Fragestellung des Auftraggebers
4. Erstattung der Begutachtung
Aufbau Gutachten -> keine Vorhabe zu Form & Inhalt, aber Gepflogenheiten
Vorbemerkung über Auftraggeber, Fragestellung
Angaben zum Ablauf
Wiedergabe Anknüpfungstatsachen im Sinne der Aktenanalyse
Deskriptive Wiedergabe der erzielten Untersuchungsergebnisse
Psychologischer Untersuchungsbefund
Beantwortung des Auftrags
Erstattung im Strafrecht:
Mündlichkeitsprinzip (nur dann Beweislast)
Vorher Akteneinsicht erbeten, um neue Informationen des Prozesses zu integrieren
Freier Vortrag
Beantwortung anschließender Rückfragen ebf. zu integrieren
Formulierung in eigener Fachsprache
auf wertende Aussagen verzichten
Trotzdem vorläufiges schriftliches Gutachten
entscheidet oft, ob es überhaupt zur Hauptverhandlung kommt
Erstattung im Zivilrecht
Schriftliches Gutachten
ggf. mündliche Erläuterung
Mögliche Folgen der Begutachtung
Hoher Stellenwert als Beweismittel --> Verantwortung (kann Verfahrensausgang beeinflussen)
Negative Folgen des Begutachtungsprozesses (z.B. Aktivierung eines Traumas)
Sekundäre Folgen vermeiden durch neutrale und unparteiische Haltung
Überidentifizierung mit SV
Verwechslung mit Therapiesetting
Verletzung durch Gutachten
Qualitätssicherung von Gutachten
Fachliche Qualifizierung durch Weiterbildung zum Fachpsychologen für Rechtspsychologie
Qualitätsstandards für psychologische Gutachten der Föderation deutscher Psychologenvereinigung
Mindestanforderung
Dienen als Leitfaden und den Auftraggebenden als Maßstab zur Beurteilung
Umgangssprachlich: Obergutachten
Gutachten mit besonderer Qualifizierung, wenn sich 2 Gutachten widersprechen
Methodisch kritische Stellungnahme
Kann methodisches Vorgehen kritisieren, nicht Inhalt
kann von Partei in Auftrag gegeben werden, muss vom Gericht nicht berücksichtigt werden
Weitere Gutachtenarten (Begriffsbestimmung)
Psychologischer Befund = Information aus psychologischen Verfahren ohne Interpretation/ Beurteilung
Psychologische und gutachterliche Stellungsnahmen= Beantwortung von Fragestellungen auf Basis von psychologischen empirischen Erkenntnissen, ohne eigene Befunderhebung
Parteigutachten= Gutachten durch Partei anstatt Gericht in Auftrag gegeben
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