Lernziele der Vorlesung!
Lernziele für heute:
1. Sie haben sich an die Bedeutung des Begriffs „Gesundheitsverhalten“ erinnert
2. Sie sind mit den übergeordneten Zielen von Theorien / Modellen der Gesundheitsverhaltensänderung vertraut
3. Sie kennen die wichtigsten Unterschiede zwischen kontinuierlichen Prädikationsmodellen und Stadien-/Stufenmodellen
4. Sie haben das Health-Belief Model als Beispiel für ein kontinuierliches Prädikationsmodell kennengelernt
Was ist Gesundheitsverhalten? Nenne Beispiele!
Was ist Gesundheitsverhalten?
Präventive Lebensweise, die Schäden fernhält, die Fitness fördert, die Lebenserwartung verlängern kann
Unterlassung eines Risikoverhaltens ist auch Gesundheitsverhalten
-> Gesundheitsverhalten als Oberbegriff für gesundheitsförderndes und für riskantes Handeln (Scholz & Schwarzer, 2005)
Gesundheitsverhalten – Beispiele
Körperliche Aktivität
Gesunde Ernährung
Protektive Selbstuntersuchungen
Kondombenutzung
Impfungen
Zahnhygiene
Benutzung von Sicherheitsgurten / Fahrradhelmen
Beispiel: Obesity / Adipositas
-> Erläutere die Entwicklung von Adipositas in den USA in den letzten 15 Jahren!
Daten aus einem Zeitraum von 15 Jahren
Staaten der USA und Anteil der Personen, die einen BMI über 30 haben
1990 ist der Anteil der Per. Mit BMI 30 noch unter 14%
15 Jahre später haben 20% oder mehr einen BMI von 30
Erläutere Übergewicht und Adipositas in Deutschland!
Wie kann man den BMI berechnen?
Prävalenz? Folgen? Entstehung? Behandlung?
Übergewicht und Adipositas in Deutschland
Body Mass Index (BMI) = Gewicht (kg) / Grösseh2 (m)
Definition und Klassifikation (WHO, 2000)
Prävalenz in Deutschland (2014/15)
54% der Erwachsenen Übergewicht
18, 1% der Erwachsenen Adipositas
Steigende Tendenz
Folgen und Behandlung von Übergewicht und Adipositas
Folgen
Kosten
Erhöhte Morbidität
Erhöhte Mortalität
Psychosoziale Folgen
Entstehung
Multikausal
Network over genes
Verhalten von wesentlicher Bedeutung
Behandlung
Verhaltensänderung notwendig
Erläutere ein Modell zu der Frage: Wie erreicht man gesundheitliche Outcomes?
Wie erreicht man gesundheitliche Outcomes?
Physiologische und biochemische Variablen: z.B. bestimmte Rezeptorprozesse etc.
Zentrale Frage für uns: Was ist nötig an Intervention, um Verhaltensänderung hervorzurufen?
Warum sollte man ein theoriebasiertes Vorgehen wählen, wenn man Interventionen plant?
Theoriebasiertes Vorgehen (um Interventionen zu planen)
1. Reduziert die Anzahl der möglichen Variablen und Mechanismen, die in Frage kommen
-> Mediatoren, Moderatoren, Kriterien
Erleichtert den Forschungsprozess
2. Bietet uns Erklärungen, warum Interventionen wirksam sind
Erklärt die Kausalprozesse
Erlaubt die Erfassung der Wichtigkeit der Variablen in der Praxis
3. Bietet eine gemeinsame Sprache und gemeinsame methodische Herangehensweise über verschiedene Studien hinweg
Erlaubt die Kumulierung von Ergebnissen und den Aufbau darauf in verschiedenen Bereichen
Welche verschiedenen Theorien zum Gesundheitsverhalten gibt es?
Gehe näher auf kontinuierliche Modelle ein!
Annahmen? Interventionen?
Kontinuierliche Modelle
Annahmen kontinuierlicher Modelle
Veränderung des Gesundheitsverhalten = kontinuierlicher Prozess
Je günstiger die theoriespezifischen Konstrukte ausgeprägt, desto höher die Wahrscheinlichkeit für das Gesundheitsverhalten
-> Personen haben je nach Ausprägung auf den Konstrukten bestimmte Verhaltenswahrscheinlichkeiten
Kontinuierliche Modelle: Interventionen
Auf kontinuierlichen Modellen basierende Interventionen zielen darauf ab, Verhaltenswahrscheinlichkeiten zu erhöhen
Für alle Personen werden die gleichen Konstrukte als gleich wichtig bei der Intervention erachtet
Also: Alle erhalten die gleiche Intervention mit Strategien zur Förderung der gleichen Konstrukte
-> „one size fits all“ interventions
Beispiel: Förderung einer positiven Einstellung führt bei allen Personen zu einer höheren Verhaltenswahrscheinlichkeit
Gehe näher auf das Health Belif Model ein!
Gesundheitsüberzeugungen (Health Belief Model)
Ursprung:
1950er: Erklärung der geringen Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen
1980er: Steigerung der Patienten-Compliance
Menschenbild:
Rational denkender Mensch
Theoretischer Unterbau:
Kosten-Nutzen-Überlegungen (Erwartung * Wert-Theorie: M = E * W)
Handlungsbereitschaft (Motivation) zu gesundheitsbezogenem Verhalten ergibt such aus dem Produkt vom Wert (W) der Verhaltenskonsequenz (emotional oder rational) (z.B. Reduktion der Kurzatmigkeit) und der subjektiven Erwartung (E), mit dem Verhalten die erwünschte Konsequenz zu erzielen
Erläutere einen konkreten ANwendungsbereich für das Health Belief Model!
Anwendungsbereich „Furchtappel-Theorie“
Menschen müssen mit ihren gesundheitlichen Risiken konfrontiert werden, sonst ändern sie ihr Verhalten nicht
Wirksamkeit: d = 0.29
Aber: Wirksamkeit unterscheidet sich
Wenn hohe Vulnerabilität wahrgenommen wird + hohe eigene Effektivität, wirkt die Furchtappel sehr gut (high threat) -> hohe Selbstwirksamkeit
Aber wenn hoher threat bei geringer Selbstwirksamkeit, dann kann es sogar Verhaltensschädigend sein
-> Efficacy scheint eine ganz zentrale Rolle zu spielen, ob ein Furchtappel wirksam ist oder nicht
Was wird an dem Health Belief Model kritisiert?
Kritik
Verdienste:
Erstes Modell, dass die subjektive Wahrnehmung als wichtigen Faktor mitberücksichtigt
Herausforderungen
„Bestrafung“ wirkt nur, solange sie wahrgenommen wird
Aber: Menschen versuchen, negative Emotionen („Furcht“) zu vermeiden
Grundannahme, dass die wahrgenommene Gesundheitsbedrohung und die wahrgenommene Wirksamkeit eines Gesundheitsverhaltens ausreichen, um eine Verhaltensänderung zu bewirken ist empirisch widerlegt
Intention, die in den meisten anderen Modellen des Gesundheitsverhaltens als wichtigster Prädiktor des Verhaltens enthalten ist, nicht im HBM integriert
Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung („Kompetenz“) noch wenig explizit formuliert
Achtung: Bestrafung („Furchtappell“) bei geringer Selbstwirksamkeitserwartung stimuliert Versagensgefühle („doppelt schlechtes Gewissen“) -> eine Frage der Ethik
Lösung: Selbstwirksamkeit einbauen
Nenne ein Fazit zu dem Health Belief Model!
Fazit
-> Health Belief Model hat viel Forschung angeregt, bleibt aber in seiner Vorhersageleistung für die Verhaltensänderung hinter neueren Modellen zurück
Gehe näher auf die Protective Motivation Theory (Schutzmotivation) ein!
Schutzmotivation (Protective Motivation Theory, PMT)
Ursprung 1975er:
Einbezug des Konzepts der Selbstwirksamkeit
Multiplikative Verbindung der Modellkomponenten
Annahme: Ist eine Komponente = 0, ist keine Verhaltensänderung zu erwarten
Verstärkte Betonung von Umwelteinflüssen und intrapersonalen Prädiktoren
Menschenbild (wie HBM)
Theoretischer Unterbau
Kosten-Nutzen-Überlegungen (Erwartung*Wert-Theorie: M = E*W)
Handlungsbereitschaft (Motivation) zu gesundheitsbezogenem Verhalten entsteht, wenn der subjektiv eingeschätzte Nutzen einer Verhaltensänderung (z.B. Gewichtsreduktion) (Erwartung) die subjektiv erlebte Beeinträchtigung (z.B. Kurzatmigkeit, Rückenschmerzen) übersteigt (Wert)
Wenn z.B. Bedrohungseinschätzung als hoch eingeschätzt wird und Bewältigungseinschätzung als niedrig, dann könnte es sein, dass jemand aktiv Hilfe holt
Nenne Verdienste und Herausforderungen der Theorie der Schutzmotivation!
Verdienste
Komplexes Modell, viele Variablen abgebildet
Selbstwirksamkeit als prominenteste und spezifische Variable integriert
Noch keine Bestätigung multiplikativer Verbindung der Modellkomponenten
Aber: Forschungsdesigns können meist nur Komponenten komplexer Modelle überprüfen aufgrund finanzieller und personaler Ressourcen; statistische Überprüfung des Gesamtmodells bedarf enorm großer Stichprobe
Bedeutung von Emotionen auf Bewertungsprozesse noch wenig expliziert
-> Gesundheits-Informationen sollten klar darstellen, warum, wie und wann eine Bedrohung abgewendet werden kann – und wer was dazu beitragen kann (z.B. Patient, wichtige Bezugsperson)
Konzeption von Furcht als Mediator
Auffächerung der Selbst- und Handlungswirksamkeit
Erläutere die Theorie des geplanten Verhaltens!
Theorie geplanten Verhaltens (Theory of Planned Behavior, TPB)
Ursprung
1990er: Zur Erklärung der Verbindung zwischen Einstellung und Verhalten, da sich Einstellungen allein („Ich habe etwas vor!“) als ungeeignet zur Verhaltensvorhersage („Ich tue es auch!“) erwiesen hatten (Weiterentwicklung der Theory of Reasond Action, TRA)
Menschenbild
Rational denkender Mensch („Einstellung“, „Kognitionen“)
Mensch als soziales Wesen, dessen Verhalten v.a. durch Erwartungs-Erwartungen beeinflusst wird („soziale Normen“)
Motivationspsychologie: Kosten-Nutzen-Überlegungen (M = E*W)
Sozialpsychologie: Wahrgenommene soziale Normen
Kognitionspsychologie: Wahrgenommene Kontrolle
Nenne ein Beispiel für einen Anwendungsbereich der Theorie des geplanten Verhaltens!
Anwendungsbereich „Gewichtsabnahme“
Zur Prädiktion von Gewichtsreduktion braucht es alle drei Faktoren: „Einstellung“, „wahrgenommene soziale Norm“, „wahrgenommene Kontrolle“
Einstellung und wahrgenommene Kontrolle allein waren nicht signifikant
Erläutere eine Metaanalyse, die die aggregierten Korrelationen der Theorie des geplanten Verhaltens überprüft!
Zahlreiche empirische Untersuchungen sowie mehrere Meta-Analysen
Zur Überprüfung der TPB haben Conner & Sparks (2005) neun vorliegende Metaanalysen zu einzelnen Verhaltensbereichen aggregiert -> z.B. Kondombenutzung, körperliche Aktivität
Nenne Verdienste und Herausforderungen der Theorie des geplanten Verhaltens!
Wahrgenommene soziale Normen erstmalig als prominente Variable integriert
Breite Anwendung in vielen Gesundheits-bereichen (z.B. Rauchen, Gewichtsreduktion, Ernährung, körperliche Aktivität, Sexualität)
Viele Querschnittsstudien: lediglich Korrelationen zwischen zum gleichen Messzeitpunkt gemessenen Variablen
Nicht soziale Norm, sondern v.a. soziale Unterstützung durch nahestehende Personen wirkt auf die individuelle Intention zu gesünderem Verhalten
-> Gesundheits-Informationen sollten alle drei Komponenten ansprechen, um Gesundheitsverhalten zu stimulieren: Einstellung, soziale Unterstützung, Verhaltenskontrolle
Erläutere die sozial-kognitive Theorie!
Sozial-kognitive Theorie (Social Cognitive Theory, SCT)
1990er: Spezifikation der Konstrukte „Selbstwirksamkeitserwartung“ und „Handlungsergebniserwartung“, unter Berücksichtigung soziokultureller Faktoren
-> Selbstwirksame Menschen setzen sich anspruchsvollere Ziele, kommen schneller ins Handeln und geben bei Niederlagen nicht so rasch auf. Sie kommen besser über Fehlschläge hinweg und verfüge insgesamt über eine vorteilhafte Selbstregulation
Rational denkender Mensch („Erwartungen“)
Mensch als soziales Wesen, eingebunden in soziale Ressourcen / Hemmnisse
Lerntheorie: Menschen lernen im sozialen Umfeld (u.a. Modelllernen)
Sozialpsychologie: Soziokulturelle Faktoren
Kognitionspsychologie: Wahrgenommene Selbstwirksamkeit und Handlungskontrolle
Emotionale Erregung (z.B. Zittern) kann auch bewertet werden, deswegen soziales Modell
Stellvertretende Erfahrung = Modelllernen
Wichtig zu verstehen, wie Selbstwirksamkeitserwartungen mit der Wahrnehmung dieser Ressourcen zusammenhängen
Selbstwirksamere Personen Ressourcen und soziokulturelle Unterstützung sehr viel eher wahr
Gehe auf den Anwendungsbereich “Zielformulierungen” der sozial-kognitiven Theorie ein!
Anwendungsbereich „Zielformulierung“
Breite Ziele (z.B. „Ich möchte Sport treiben!“) sind durch präzise formulierte Ziele (z.B. „Ich möchte Di-Do-Sa 20 min. mit Partner joggen“) auszutauschen
Selbstwirksamkeitserwartungen „Ich kann’s!?“
Spezifisches Ziel – Eigenerreichbarkeit – Zubehör vorhanden
-> Gesundheits-Informationen sollte erreichbare Teilziele klar darstellen und so zu einer zunehmenden Selbstwirksamkeit mit Blick auf das Gesundheitsverhalten beitragen – bis schließlich selbstständig eigene, bewältigbare und anspruchsvolle Ziele gesetzt werden
Breite Anwendung in vielen Gesundheitsbereichen (z.B. Rauchen, Ernährung, körperliche Aktivität, Alkoholkonsum, Vorsorge, Sexualität)
Nenne Verdienste und Herausforderungen der sozial-kognitiven Theorie!
Weniger komplexes Modell, mit breiter Spezifikation von Selbstwirksamkeits- und Handlungsergebniserwartungen
Hervorragende Ansatzmöglichkeiten für Gesundheitskampagnen und Interventionen
Immer noch unklar, wie Intentionen in Verhalten (nicht) überführt wird („Intentions-Verhaltens-Lücke“)
Erläutere das sozial kognitive Modell des Rückfallprozesses!
Zusatz: Sozial Kognitives Modell des Rückfallprozesses (in Anlehnung an Marlatt & Gordon, 1985)
Grundannahme: Rückfälle sind nur selten plötzliche Ereignisse, sondern sind meistens über längere Zeit in zahlreichen Einzelschritten auf der kognitiven und der Verhaltensebene entwickeln
Man sollte unterscheiden zwischen einmaligem Substanzkonsum (lapse) und völligem Rückfall in das alte Abhängigkeitsmuster (relapse)
Hat Person erfolgreiche Bewältigungsstrategien oder keine Bewältigungsstrategien?
Wenn die Risikosituation ungünstig attribuiert wird (auf internal stabile, dysfunktionale Kausalatrributionen), geht das mit einer reduzierten Selbstwirksamkeitserwartung einher
Man sieht, wie sehr kognitive Prozesse neben den situativen eine Rolle spielen
Theorienvergleich - kontinuierliche Modelle
-> Fazit
Theorienvergleich – kontinuierliche Modelle
Alle Modelle liefern wertvolle Ansatzpunkte um Verhaltensänderungen zu erklären, aber immer noch unklar lassen, wie Intervention in Verhalten (nicht) überführt wird („Interventions-Verhaltens-Lücke“)
Erläutere die Bedeutung von Zielintentionen!
Bedeutung von Zielintentionen
Zielintentionen sind notwendige Voraussetzung für eine Verhaltensänderung
Aber: Meta-Analysen zum Intentions-Verhaltens-Zusammenhang finden keine allzu großen Zusammenhänge zwischen Intentionen und Verhalten
-> D.h. Zielintentionen allein reichen für eine erfolgreiche Verhaltensänderung nicht aus
-> Intentions-Verhaltens-Lücke
Erläutere die Intentions-Verhaltens Beziehungen!
Intentions-Verhaltens Beziehungen
Man kann zunächst die Inclined Actors von den Inclined Abstainers nicht unterscheiden
Erläutere die Unterscheidung von Mustern der Intentions-Verhaltens-Konsistenz!
Unterscheidung von Mustern der Intentions-Verhaltens-Konsistenz
Mit der Hilfe von traditionellen gesundheitspsychologischen Modellen (TPB, PMT) können inclined actors nur schlecht von den inclined abstainers unterschieden werden:
Incliened abstainers unterscheiden sich in ihrer Motivation nicht von inclined actors
Das Problem ist also nicht motivationaler, sondern volitionaler Art
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