Was erfordert die Behandlung einer Person mit psychischen Problemen?
Wie funktioniert dieser Prozess?
Die Behandlung einer Person mit psychischen Problemen erfordert die Vergabe einer passenden psychologischen bzw. psychiatrischen Diagnose.
Versch psychische Symptome (zb depressive Verstimmung, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen) treten häufig gemeinsam auf und können somit einem Syndrom (zb Depressives Syndrom) zugeordnet werden, auf dessen Basis schließlich eine Diagnose vergeben werden kann (zb unipolare Depression).
Welche 2 großen Klassifikationssysteme gibt es?
Die ICD-10, welche von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgegeben und weiterentwickelt wird (Deutschland)
Das DSM-5, das die American Psychiatric Association (APA) in unregelmäßigen Abständen angepasst und publiziert wird (USA)
Was ist die ICD-10?
Die ICD-10 ist die 10. Ausgabe der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme.
Was ist das DSM-5?
Das DSM-5 ist die 5. und derzeit aktuelle Ausgabe des diagnostischen und statistischen Manuals psychischer Störungen.
Was sind Vorteile und Nachteile der Vergabe einer psychischen Diagnose?
Vorteile:
vereinfachte Kommunikation zwischen versch Fachgruppen (Ärzte, Psychologen, Pflegepersonal…)
Nachteile:
Informationsreduktion (Diagnose lässt die individuellen Aspekte des Patienten unberücksichtigt)
Psychische Diagnosen sind nicht als abgeschlossene Entitäten zu verstehen (zb galt die Homosexualität nach dem DSM bis zum Jahr 1973 als psychische Störung und bei der ICD wurde es erst 20 Jahre (1993) später mit der ICD-10 entfernt)
-> Es spielen bei der Klassifikation also auch immer gesellschaftliche Veränderungen und soziale Normen eine Rolle
Niedrige Interrater-Reliabilität bei früheren Versionen der Klassifikationssysteme (zb kommen 2 Diagnostiker bei einer Person auf eine unterschiedliche Diagnose)
Fast die Hälfte psychisch erkrankter Personen weist noch eine weitere psychische Störung auf (Komorbidität)
Was ist das operationalisierte und Kriteriumsorientierte Vorgehen?
Die aktuellen Klassifikationssysteme basieren auf Kriterien, die durch den Diagnostiker möglichst exakt exploriert und beobachtet werden können, da bei früheren Auflagen eine zu niedrige Interrater-Reliabilität das Problem war (zb mind ein Essandall pro Woche über einen Zeitraum von 3 Monaten bei einer Bulimia Nervosa).
-> Dieses Vorgehen wird als sog. operationalisierte und kriteriumsorientierte Diagnostik bezeichnet.
Was bedeutet Operationalisierung?
Die Festlegung der Messung eines theoretischen Konstrukts wird als Operationalisierung bezeichnet.
Wie lautet die Definition der “Klassifikation”?
Der Begriff Klassifikation bezeichnet die Einordnung von Phänomenen mit bestimmten Merkmalen in ein nach Klassen gegliedertes System.
Wie lautet die Definition der “Diagnostik”?
Unter Diagnostik wird die Einordnung bestimmter Merkmale oder Personen in diagnostische Kategorien eines Klassifikationssystems verstanden.
Was ist der größte Unterwchied zwischen ICD und DSM?
Im DSM kommen im Gegensatz zum ICD ausschließlich psychische Krankheiten vor.
Wann wurde die aktuelle Version des DSM veröffentlicht?
2013 wurde das DSM-5 von der APA veröffentlicht.
Was ist der Unterschied zw kategorialer und dimensionaler Klassifikation?
Hat die Person einen hohen Blitdruck?
Kategorial: Ja oder nein
Dimensional: Grenzwerte
Siehe S. 23
Was ist die kategoriale Diagnostik, welcher beide Klassifikationssysteme folgen?
Die kategoriale Diagnostik bezeichnet die Zuordnung einer Person zu einer bestimmten Gruppe (Kategorie) aufgrund vorab definierter Kriterien (Symptome).
Was bedeutet Komorbidität?
Das gleichzeitige Vorliegen mehrerer (psychischer) Störungen bei einer Person über einen bestimmten Zeitraum wird als Komorbidität bezeichnet.
Welcher Ansatz steht dem stark differenzierten Ansatz gegenüber?
Der transdiagnostische Ansatz, bei dem psychpazhogene Prozesse identifiziert werden, die über versch Störungsbilder hinweg auftreten.
Was entwickelt das U.S.-amerikanische National Institute of Mental Health (NIMH) aktuell?
Einen theoretischen Rahmen , der psychische Störungen auf Basis neurobiologischer Faktoren und einer dimensionalen Einteilung beschreiben soll.
Während der kategoriale Ansatz lediglich in gesund und krank unterteilen und somit zur Stigmatisierung betroffener Personen führen kann, könnte ein dimensionaler Ansatz den Schweregrad psychischer Symptome besser abbilden und der Stigmatisierung entgegenwirken.
Wie funktioniert die Klassifikation beim ICD und wie viele Kategorien gibt es?
Das ICD-10 wird außerhalb des U.S.-amerikanischen Raums verwendet.
Die psychischen Störungen sind im Kapitel V in Abschnitt F zu finden und zwei weitere Zahlen angegeben werden (zb F32 für die depressive Episode)
Eine weitere Spezifizierung kann durch mind eine weitere Nummer angegeben werden (zb F32.1 für die mittelgradige depressive Episode)
Die ICD-10 enthält 11 übergeordnete Störungskategorien.
Welche 11 Störungskategorien enthält die ICD-10?
Organische, einschließlich psychischer Störungen (F00-F09)
Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10-F19)
Schizophrenie, schizotypische und wahnhafte Störungen (F20-F29)
Affektive Störungen (F30-F39)
Neurotische, belastungs-und somatoforme Störungen (F40-F48)
Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (F50-59)
Persönlichkeits-und Verhaltensstörungen (F60-69)
Inzelligenzminderung (F70-F79)
Entwicklungsstörungen (F80-F89)
Verhaltens-und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F90-F98)
Nicht näher bezeichnete psychische Störungen (F99)
Was umfasst die Kategorie “Organische, einschließlich psychischer Störungen (F00-F09)” des ICD-10?
Psychische Erkrankungen, die mit einer Hirnfunktionsstörung in Verbindung stehen (zb Demenz, Delir)
Was umfasst die Kategorie “Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen (F10-F19)” des ICD-10?
Psychische Störungen, die auf den Gebrauch einer/mehrerer psychotroper Substanzen zurückgeführt werden können (zb psychotische Störung in Verbindung mit Cannabiskonsum)
Was umfasst die Kategorie “Schizophrenie, schizotypische und wahnhafte Störungen (F20-F29)” des ICD-10?
Heterogene Kategorie, deren Störungen sich symptomatisch ähneln, jedoch vermutlich unterschiedlichen Ursprungs sind (zb Schizoaffektive Störung, Schizophrenie)
Was umfasst die Kategorie “Affektive Störungen (F30-F39)” des ICD-10?
Psychische Störungen, die sich primär durch Veränderungen der Stimmung bzw Affektivität auszeichnen (zb depressive Episode, bipolar affektive Störung)
Was umfasst die Kategorie “Neurotische, belastungs-und somatoforme Störungen (F40-F48) des ICD-10?
Psychische Störungen, die sich durch Ängste, Zwänge und somatische Beschwerden auszeichnen oder im Zusammenhang mit äußeren Belastungen auftreten (zb Anpassungsstörung, phobische Störungen, dissoziative Störungen)
Was umfasst die Kategorie “Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen und Faktoren (F50-59)” des ICD-10?
Störungen, die mit gestörtem Ess-Schlaf- und Sexualverhalten bzw -funktionen verbunden sind (zb Anorexia nervosa, Schlafwandeln, Orgasmusstörung)
Was umfasst die Kategorie “Persönlichkeits-und Verhaltensstörungen (F60-69)” des ICD-10?
Psychische Störungen, bei denen Betroffene durch persönliche Merkmale (zb dependente Persönlichkeitsstörung) abnorme Gewohnheiten (zb Pyromanie), ihre Geschlechtsidentität (zb Transsexualität) oder Sexualpräferenz (zb Pädophilie) deutlich von der Norm abweichen
Was umfasst die Kategorie “Inzelligenzminderung (F70-F79)” des ICD-0?
Störungen, bei denen die geistigen Fähigkeiten der Person unzulänglich entwickelt sind. Die Unterteilung erfolgt nach Schweregrad.
Was umfasst die Kategorie “Entwicklungsstörungen (F80-F89)” des ICD-10?
Störungen, die im kleinkindalter oder in der Kindheit beginnen und mit einer Entwicklungsverzögerung bzw -einschränkung verbunden sind. Der Verlauf ist stetig und ohne Remissionen/Rezidive(wiederauftretend) (zb Lese-Rechtschreibstörung, Autismus)
Was umfasst die Kategorie “Verhaltens-und emotionale Störungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend (F90-F98)” des ICD-10?
Heterogene Kategorie, die beispielsweise ADHS, Trennungsangst, Tic-Störungen und Stottern in Kindheit und Jugendalter umfasst
Was umfasst die Kategorie “Nicht näher bezeichnete psychische Störungen (F99)” des ICD-10?
Psychische Störungen ohne nähere Angaben
Was lässt sich im Hinblick auf die Klassifikationskriterien psychischer Störungen feststellen?
Eine Annäherung an das DSM-5
Wann wird die ICD-10 von der aktuellen Version abgelöst?
Ab Januar 2022 wird die neue Revision der ICD (ICD-11) die aktuelle Bersion ablösen
Wie läuft eine Therapie ab?
Was passiert bei den probatorischen Sitzungen?
Der Psychotherapeut hat zunächst die Aufgabe, die Symptome der betroffenen Person zu beschreiben und zu klassifizieren.
Während der Kennenlernphase (probatorische Sitzungen) versucht der Verhaltenstherapeut zu verstehen, welche Faktoren zur Entstehung der Störung beigetragen haben und welche Faktoren die Störung aufrechterhalten
Daraus kann der Therapeut schließlich ein individuelles Erklärungsmodell für den betroffenen Patienten ableiten und passende psychotherapeutische Interventionen heranziehen
Welche 2 Vorgehen werden in der Diagnostik voneinander unterschieden?
Störungsübergreifende und störungsorientierte Vorgehen
Es gibt versch Theorien, die allgemeine Annahmen bezüglich der Entstehung und Aufrechterhaltung psychischer Störungen formulieren.
Was sind 2 nützliche Modelle zur Strukturierung diagnostischer Informationen?
Die SORCK-Analyse von Kanfer und Saslow (1969) und die BASIC-ID von Lazarus (1973)
Das SORKC-Modell…
Das SORC-Modell/ die SORC-Analyse nach Kanfer und Saslow (1969) ist ein lerntheoretisches Modell, demzufolge problematisches Verhalten (R) aus vorangehenden Bedingungen (Stimuli, S) resultiert und/oder durch nachfolgende Konsequenzen (C) verstärkt bzw verringert wird.
Stimulus (S)
(Interne/externe Reize, die auf die Person (Organismus) einwirken (zb S-intern=negative Erwartungen bzgl anstehender Prüfung, S-extern=negative Bewertung durch andere Person)
Organismus (O)
(biologische (zb kardiovaskuläre Störungen bei Angststörungen) und psychische Merkmale der Person, die situationsübergrrifend vorliegen (zb Persönlichkeitseigenschaften, Selbstkonzept, biologische Merkmale) und für das problematische Verhalten von Relevanz sind)
Reaktion (R)
(Problemverhalten, welches auf der kognitiven, emotionalen, physiologischen und behavioralen Ebene angesiedelt werden kann)
Kontingenz (K)
(Auf das Problemverhalten folgt entweder regelmäßig, immer oder in bestimmten Intervallen eine entsprechende Konsequenz-> gibt im Sinne eines Verstärkungsplans die Häufigkeit an)
Konsequenz (C)
(Negative Verstärkung (C- durchgestrichen=Nachlassen der Anspannung), positive Verstärkung (C+=Zuwendung erhalten), Wegnahme eines positiven Verstärkers (C+durchgestrichen=Medienverbot), Bestrafung (C- =Nachsitzen in der Schule)
Welches Vorgehen schlugen Tuschen-Caffier und Gemmeren zur Erhebung der diagnostischen Informationen vor (SORC-Modell) ?
Definition des Problemverhaltens
(Zb Vermeidungsverhalten bei Ängsten, Grübeln bei Depression, Vermeidung von Nahrungsmitteln bei Anorexia nervosa)
Beschreibung des Problemverhaltens
(Zb Berücksichtigung der verschiedenen Ebenen: kognitiv, emotional, physiologisch, behavioral)
Identifikation der vorausgehenden Stimuli (extern/intern), die das Problemverhalten beeinflussen
(Zb S-extern=Kritik durch andere)
Analyse der folgenden kurz- oder langfristigen Konsequenzen
(Zb Angst reduziert sich, Anstrengung wird vermieden, Selbstwert verringert sich)
Berücksichtigung situationsübergreifender Faktoren
(Zb Grundüberzeugungen der Person, Motive und Werte)
Multimodale Therapieplanung (BASIC-ID)…
Das Konzept der BASIC-ID geht auf Lazarus (1973) zurück, dessen Anliegen es war, einen Ansatz zu entwickeln, der die Individualität eines jeden Menschen möglichst umfassend anhand von 7 Modalitäten abzubilden vermag.
Die Abkürzung der “BASIC-ID” basiert auf den englischen Anfangsbuchstaben der 7 Bereiche:
(B) Behavior (Verhalten)
(Offene Verhaltensweisen, zb Gesten, Handlungen, Reaktionen, die beobachtbar und messbar sind)
(A) Afffect (Affekt)
(Umfasst Emotionen, Stimmungen und starke Gefühle)
(S) Sensation (Empfindungen)
(Alle 5 Sinne: Sehen, Hören, Tastgefühl und Gesmacks- sowie Geruchssinn)
(I) Imagery (Vorstellungen)
(Zb wiederkehrende Träume und lebhafte Erinnerungen sowie bildhafte Vorstellungen von Gegenwart und Zukunft)
(C) Cognition (Kognitionen)
(sind Ideen, Werte, Meinungen und Einstellungen einer Person. Dazu zählt zb wie eine Person über sich und ihre Umwelt denkt (zb “Ich bin dumm”))
(I) Interpersonal Relationship (soziale Beziehungen)
(Das Verhältnis zu anderen Personen, relevant sind zb Lebenspartner, Kollegen oder Vorgesetzte)
(D) Drugs and Biological Factors (Medikamente und biologische Faktoren)
(Beschreibt den gesundheitlichen bzw. medizinischen Zustand einer Person)
Wovon geht das multimodale Modell (BASIC-ID) aus?
Wie hilft das bei der Therapie?
Das multimodale Modell geht davon aus, dass alle genannten Bereiche Einfluss aufeinander haben und miteinander interagieren können.
Auf Basis einzelner Modalitäten können spezifische Therapiemaßnahmen abgeleitet werden (zb Expositionstraining bei bestimmten Angststörungen).
Gleichzeitig hat der Therapeut alle anderen Bereiche im Blick und kann mithilfe der multimodalen Erfassung mögliche Einflüsse zb auf soziale Beziehungen und Affekte berücksichtigen
Was ist Expositionstraining?
Die Konfrontation mit dem gefürchteten Stimulus bzw. der gefürchteten Situation so lange, bis die Angst nachlässt, wird als Expositionstraining bezeichnet.
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