Was sind neutrale Kritierien für Anknüpfungsregeln?
Sachnähe oder Prinzip der engsten Verbindungen
Äußerer Entscheidungseinklang
(Kollisionsrechtsvergleichung)
mit zunehmender Vereinheitlichung auf europäischer/internationaler Ebene tritt diese Erwägung in den Hintergrund
Rechtssicherheit (Vorhersehbarkeit der kollisionsrechtlichen Entscheidung)
Was versteht man unter lex fori?
Prozessrecht, das am Gerichtshof gilt
Was versteht man unter lex causae?
Das Recht, das auf die jeweilige Sachfrage Anwendung findet
Was ist ein Sachrecht?
Das zur Entscheidung in der Sache berufene Privatrecht
—> Sachnorm bezeichnet eine Rechtsvorschrift, die materielle Rechtsfragen regelt, d.h. In der Sache selbst entscheidet (im Gegensatz zu Kollisionsnorm)
Was ist ein Statut?
Das für einen bestimmten Rechtsbereich anwendbare Sachrecht
z.B. Scheidungsstatut (= das auf die Scheidung anwendbare Recht)
Was ist eine Kollisionsnorm?
Vorschrift (des IPR), welche die anwendbare Rechtsordnung bestimmt
Kollisionsnormen „do not themselves decide cases“!
Was sind “mit Wertvorstellungen aufgeladene” Kriterien für Anknüpfungsregeln?
Schutz des Schwächeren
z.B. im internationalen Verbraucherschutzrecht oder im Deliktsrecht
Höherrangiges Verfassungsrecht
z.B. Art. 3 und 6 GG (s. etwa BVerfG-Beschluss zum Gesetz gegen Kinderehen)
Europäisches Recht und Völkerrecht
z.B. EMRK
Welche Elemente enthält der Tatbestand?
Tatbestand enthält regelmäßig 2 Elemente:
Anknüpfungsgegenstand
Bsp.: Geschäftsfähigkeit, Art. 7 EGBGB
Anknüpfungsmoment
Bsp.: Gewöhnlicher Aufenthalt
Was ist eine selbständige Kollisionsnorm?
Bestimmt unmittelbar, d.h. i.d.R. ohne Hinzuziehung weiterer Kollisionsnormen, das anwendbare Recht.
Was ist eine unselbständige Kollisionsnorm?
Ergänzung, wenn selbständige Normen im Einzelfall nicht ausreichen, um das anwendbare Recht zu bestimmen.
Bspw. Art. 4, 5 und 6 EGBGB und ungeschriebene Hilfsnormen, z.B. über Qualifikation, Anpassung, Vorfrage.
Unselbständige Kollisionsnormen sind “vor die Klammer gezogen” und bilden den AT des IPR.
Was ist der Unterschied zwischen einseitigen und allseitigen Kollisionsnormen?
Historisch ist das IPR aus einseitigen Kollisionsnormen entstanden —> gefragt wurde nur nach dem Anwendungsbereich der eigenen sacherechtlichen Normen.
EGBGB von 1900 (galt mit Änderungen bis 1986): System einseitiger Kollisionsnormen, die aber von der Rspr. teilweise allseitig angewendet wurden.
Heute; System allseitiger Kollisionsnormen
einsietige Kollisionsnormen nur noch für bestimmte Spezialfragen
Bsp.: Art. 7 II EGBG
außerdem “selbstbegrenzte Sachnormen” (“règles d´application immédiate”)
Wo findet man IPR-Vorschriften?
deutsches nationales Recht: EGBGB
europäische VO: Rom I, II, III, EuErbVO, EuGüVO
multilaterale internationale Übereinkommen, v.a. der Haager Konferenz
Bilaterale internationale Übereinkommen
Welche Gründe gibt es für ein einheitliches Kollisionsrecht?
Hat jeder Staat ein eigenes IPR hängt das anwendbare Recht vom Gerichtsstand ab —> unterschiedliche Ergebnisse: Rechtssicherheit
Gibt es dagegen ein vereinheitlichtes IPR ist es gleichgültig, wo geklagt wird —> Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit
IPR-Vereinheitlichung ist ein weniger starker Eingriff in das Recht der Mitgliedstaaten als die Vereinheitlichung des materiellen Rechts
ergänzt das einheitliche IZVR (EuGVVO)
verhindert law shopping durch forum shopping
erleichtert die int. Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen
verhindert “hinkende Rechtsverhältnisse” (v.a. im FamR) und erleichtert so die Mobilität
Was sind Anknüpfungsmomente bei natürlichen und juristischen Personen?
Natürliche Personen:
Staatsangehörigkeit
Gewöhnlicher Aufenthalt
Juristische Personen:
Regisitrierungsort?
Sitz der Hauptverwaltung?
Was sind Pro- und Contra-Punkte bei der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungsmoment?
Pro:
leichte Bestimmbarkeit: Pass, Personalausweis
Staatsangehörigkeit nicht manipulierbar (s. StAng-Gesetze)
Einheitlichkeit der beurteilung
Vermutung einer gewissen Verbundenheit
Contra:
Verbundenheit in vielen Fällen zweifelhaft, z.B. Gastarbeiter, Flüchtlinge
Probleme bei Verschwinden von Staaten
Wechsel der Staatsangehörigkeit oft schwer oder urspr. Heimatstaat entlässt gar nicht aus der Staatsangehörigkeit
Praktische Probleme bei der Rechtsanwendung (Stichwort Mobilität; in Deutschland zurzeit etwa 9% Ausländer)
Probleme, wenn unterschiedliche Staatsangehörigkeiten kombiniert werden müssen, z.B. im Eherecht
—> Staatsangehörigkeit tritt in allen neueren IPR-Texten hinter den gewöhnlichen Aufenthalt zurück!
Wie bestimmt man den gewöhnlichen Aufenthalt?
Keine allgemeine Definition, weder im EGBGB, noch im Europ. Kollisionsrecht, noch in den Haager Übereinkommen
nur rudimentäre Regelung in Art. 5 III EGBGB
nicht gleichbedeutend mit “Wohnsitz”, z.B. in EuGVVO
Teildefinition in Art. 23 Rom II und Art. 19 Rom I (nur für Gesellschaften und beruflich tätige natürliche Personen)
Ansätze zu einer europöischen Definition in der Rspr. des EuGH, z.B. zu Brüssel IIa
s. EuGH 2.4.2009, Rs. C-523/07 (A.), Slg. 2009 I 2805, Erwägungsgrund 32 ff.
= Tatsächlicher Lebensmittelpunkt
Physische Präsenz
Dauer
Soziale Integration
Aufenthaltswille
Wie ist der gewöhnliche Aufenthalt von Auslandsstudenten, Entwicklungshelfern/Mitarbeitern im Ausland/Rentnern, die den Lebensabend im Ausland verbringen
Auslandsstudenten
ändert sich in der Regel nicht
bleibt im Heimatland
Entwicklungshelfer/Mitarbeiter im Ausland
Rentner, die den Lebensabend im Ausland verbringen
kann sich durchaus ändern!
Achtung daher z.B. beim Erbstatut!
Was muss beachtet werden, wenn die zweite Staatsangehörigkeit die eines anderen EU-Mitgliedstaats ist?
In diesem Fall ist nach h.M. der Art. 5 I 2 EGBGB nicht anzuwenden,
Diskriminerung!
Abzustellen ist auf die effektive Staatsangehörigkeit.
Das gibt aber nicht, wenn die zwiete Staatsangehörigkeit die eines Drittstaates ist! —> Hier kann Art. 5 I 2 EGBG weiterhin angewendet werden.
Was muss beachtet werden, wenn eine EU-VO einschlägig ist?
Vorschriften des AT des EGBGB dürfen dann nicht angewendet werden.
Welche Grenzen der Rechtswahl gibt es?
Formvorschriften für Rechtswahl
Familienrecht
Erbrecht
Beschränkung der wählbaren Rechtsordnungen
Andere Einschränkungen
Nur nachträglich: Deliktsrecht
zwingende Bestimmungen, z.B.: Verbrauchervertäge
Was ist ein Renvoi?
Rückverweisung.
Wann ist ein Renvoi nach Art. 4 EGBGB ausgeschlossen?
bei Rechtswahl, Art. 4 II
Art. 3a I EGBGB: Bei ausdrücklicher Verweisung auf Sachvorschriften, z.B. verweist Art. 11 auf Formvorschriften; darunter sind nur Sachnormen zu verstehen
“Sofern dies nicht dem Sinn der Verweisung widerspricht”
z.B. bei alternativen und akzessorischen Anknüpfungen und bei der Anwendung der Ausweichklausel (engste Verbindung)
Was sind Mehrrechtsstaaten? Beispiele?
Ein Staat mit mehreren Privatrechtsordnungen. Bspw. USA, UK, Spanien, …
= Territoriale Rechtsspaltung
Was ist der Unterschied zwischen der Erstfrage und der (“echten”) Vorfrage?
Rechtsbegriff in einer Norm:
in einer Kollisionsnorm der lex fori: Erstfrage (“kollisionsrechtliche Vorfrage”)
in einer ausländishcen (materiell-rechtlichen Norm): echte (materiell-rechtliche) Vorfrage
Was ist eine Erstfrage? Beispiel?
“Kollisionsrechtliche Vorfrage”
= Rechtsbegriff im Tatbestand (= Anknüpfungsgegenstand) einer Kollisionsnorm der lex fori
Beispiel: Der Begriff der Ehegatten, Art. 14 EGBGB und in Art. 5 ff. Rom III-VO.
Merke: Für die Erstfrage ist unstreitig das IPR der lex fori heranzuziehen, nicht das IPR (oder gar das materielle Recht) der lex causae!
Wer hat die "(echte) Vorfrage “entdeckt”?
Wilhelm Wengler.
Sollen (echte) Vorfragen “selbständig” nach dem IPR der lex fori oder “unselbständig” nach dem IPR der lex causae angeknüpft werden? Gibt es Ausnahmen?
Grundregel: Vorfragen sind nach der h.M. grds. selbständig, d.h. nach der lex fori anzuknüpfen.
Eine Anknüpfungsfrage soll nicht unterschiedlich beurteilt werden, nur weil sie einmal als Vor- und ein anderes Mal als Hauptfrage auftaucht.
Grund: Interner Entscheidungseinklang
Wichtige Ausnahme: Namensrecht
hier sind Vorfragen nach der h.M. (aber str.) unselbständig anzuknüpfen.
Was ist das Problem bei dem Argument des internationalen Entscheidungseinklangs? Welche Lösungen gibt es?
Bei int. Einheitsrecht ist das Argument des internen Enstcheidungseinklangs wenig überzeugend.
Mögliche Lösungen:
Das Einheitsrecht kann die Vorfragenanknüpfung selbst mitregeln (selten)
Die Auslegung des Einheitsrechts kann ergeben, dass die Vorfragen von dem auf die Hauptfrage anwendbaren materiellen Recht mitgeregelt werden sollen.
Wenn keine der beiden Lösungen: Ist bei kollisionsrechtsvereinheitlichenden Instrumenten generell von einer (ungeschriebenen) Regel der unselbständigen Anknüpfung (lex causae) auszugehen, weil hier der äußere Entscheidungseinklang wichtiger ist als der innere?
—> Str.!
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