Wie verhalten sich Personen, die unter einer artifiziellen Störung leiden?
Personen, die unter einer artifiziellen Störung leiden, täuschen verschiedene, zum Teil schwere körperliche oder psychische Symptome vor, aggravieren diese oder fügen sich selbst Verletzungen zu
Sie greifen hierbei mitunter zu gefährlichen Methoden der Selbstverletzung, die langfristige Schädigungen zur Folge haben können
Als ein bedeutsames, internes Motiv der Betroffenen wird die Einnahme der Krankenrolle diskutiert
Die Untersuchung von Hunderten Einzelfällen zeigt, dass alle möglichen körperlichen Symptome (z. B. Krampfanfälle, Bauchkoliken, Herzinfarkt) von Betroffenen vorgetäuscht werden
Die Betroffenen schrecken auch vor operativen Eingriffen nicht zurück, obwohl sie sich darüber im Klaren sind, dass diese nicht notwendig sind.
Was unterscheidet die artifiziellen Störungen von der intendierten Simulation?
Das Fehlen eines offenkundigen äußeren Anreizes dieser Verhaltensweisen unterscheidet die artifiziellen Störungen von der intendierten Simulation (z. B. das Ziel, Verantwortung abzugeben oder ein Rentenbegehren durchzubringen)
Was bedeutet Artifiziell?
künstlich, nicht echt
Was bedeutet Aggravieren?
Die Übertreibung von Krankheitssymptomen bezeichnet man in der Fachsprache als Aggravieren.
Was sind mögliche Erklärungen für das Verhalten von Personen mit einer artifiziellen Störung?
Es wird angenommen, dass Personen mit einer artifiziellen Störung aus einem dissoziativen Zustand bzw. einer schwer verständlichen psychischen Gestörtheit heraus handeln
Nach Fiedler sind die Betroffenen in der Lage, ihr Verhalten willentlich zu kontrollieren.
Die Ausübung der Selbstschädigung ist jedoch stark zwanghaft
Wie hoch wird die Prävalenz von Personen mit artifiziellen Störungen geschätzt?
Die Prävalenz der Personen mit artifiziellen Störungen wird in somatisch-medizinischen Einrichtungen auf ca. 0,5–2 % geschätzt, wobei von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen wird
Differenzierung im Hiblick auf Motivation und Intentionalität (S. 75!!!)
somatoforme/ intentionale Symptome
Artifizielle Störung
(Willentliche) Simulation
nicht intentionale Symptome
somatoforme/dissoziative Störung
kein offenkundiger äußerer Anreiz unbewusste/ unklare Motivation
Intentionale Symptome
Simulation
Primärer äußerer Anreiz in Krankenrolle
Wie sieht die Prävalenz der artifiziellen Störung bzgl des Geschlechts und anderen Merkmalen aus?
Personen mit artifizieller Störung sind v. a. weiblich (4:1 bis 5:1),
leben allein
üben sehr häufig einen Beruf im medizinischen Bereich aus (ca. 50 % der Betroffenen), was das auffällig hohe medizinische Fachwissen der Betroffenen erklärt
Wie lauten die Klassifikationskriterien der artifiziellen Störung nach DSM-5?
Vortäuschen körperlicher oder psychischer Merkmale oder Symptome oder Erzeugen einer Verletzung oder Krankheit in Verbindung mit identifiziertem Täuschungsverhalten.
Die Person stellt sich anderen gegenüber als krank, behindert oder verletzt dar.
Das Täuschungsverhalten ist offensichtlich, auch wenn keine offensichtlichen äußeren Anreize für das Verhalten vorliegen.
Das Verhalten kann nicht besser durch eine andere psychische Störung erklärt werden, wie eine Wahnhafte Störung oder eine andere psychotische Störung
Was ist das Münchhausen-Syndrom und wie verhalten sich Betroffene?
Das Münchhausen-Syndrom ist eine spezielle Form der artifiziellen Störung, von der ca. 10 % der Patienten mit artifizieller Störung betroffen sind.
Im Vordergrund der Erkrankung steht, dass die Betroffenen von Krankenhaus zu Krankenhaus wandern und dabei teilweise mehrere tausend Kilometer zurücklegen
Nach wem wurde das Münchhausen-Syndrom benannt?
Diese Störung wurde nach dem Baron von Münchhausen, dem „tollkühnen“ Lügenbaron, benannt.
Wie wird das Münchhausen-Syndrom auch noch bezeichnet und warum?
Die Störung wurde unter anderem auch als „Hospital-Hopper-Syndrom“ bezeichnet, die Betroffenen von Krankenhaus zu Krankenhaus wandern und dabei teilweise mehrere tausend Kilometer zurücklegen
Welche komorbide Störung zeigt sich häufig beim Münchhausen-Syndrom?
Komorbid zeigt sich in vielen Fällen eine antisoziale Persönlichkeitsstörung
Worum handelt es sich bei dem Münchhausen-by-proxy Syndrom?
By-proxy=stellvertretend
Bei dem Münchhausen-by-proxy-Syndrom täuscht die primäre Bezugsperson eines Kindes (in ca. 80 % die Mutter) dessen körperliche Symptome vor, übertreibt diese oder führt sie ihm sogar selbst zu
Wer ist von dem Münchhausen-by-proxi-Syndrom gefährdet?
Besonders kleine Kinder, die sich verbal noch nicht gut ausdrücken oder gegen das Verhalten der Mutter wehren können, sind gefährdet
In ca. 50 % der Fälle sind auch Geschwisterkinder betroffen
Wie hoch wird die Mortalitätsrate beim Münchhausen-by-proxi-Syndrom geschätzt?
Etwa auf 10%
Warum können bzgl der artifiziellen Störung keine gesicherten Aussagen zur Entstehung getroffen werden?
Da bisher wenige kontrollierte Untersuchungen zu diesem Störungsbild vorliegen, können keine gesicherten Aussagen bezüglich der Entstehung getroffen werden.
Dies liegt vermutlich u. a. daran, dass viele Fälle nicht aufgedeckt werden und die Prävalenz insgesamt eher gering ist.
Welche Annahmen berichtet Fiedler bzgl der Entstehung der artifiziellen Störung?
maskierte Suizidalität
d. h., die Betroffenen führen die Selbstschädigungen, eigenen Angaben zufolge, auch in der Hoffnung durch, an den Verletzungen zu sterben
schwerwiegende Persönlichkeitsstörung
Das dramatisierende Verhalten erinnert an die histrionische Persönlichkeitsstörung, es wurden auch Komorbiditäten für die Borderline- und die antisoziale Persönlichkeitsstörung berichte
Welche weiteren Aspekte stehen nach Freyberger im Zusammenhang mit der Entstehung artifizieller Störungen?
schwierige Lebensumstände in der Kindheit
die Reinszenierung erlittener Traumata
das Fortführen positiver Verstärker
(durch Selbstbeschädigung die Zuwendung anderer Erlangen)
Wozu kann das Erleben emotionaler Traumata in der Kindheit führen?
(Bzgl der Entstehung artifizieller Störungen)
Das Erleben emotionaler Traumata in der Kindheit kann darüber hinaus zu einem Rückzug des Kindes in Fantasiewelten führen, sodass die Grenze zwischen Realität und Fantasie mit der Zeit verschwimmt.
Das Kind hält möglicherweise so sehr an dieser Welt fest, dass es künftig Selbstverletzung, Lügen und Täuschung als Mittel der Bewältigung extrem belastender Situationen einsetzt
Andere Patienten hingegen haben Zuneigung und Geborgenheit in der Kindheit nur im Rahmen medizinischer Versorgung erfahren, weswegen die Selbstschädigung auch als ein Mechanismus angesehen werden kann, die Zuwendung anderer Personen im Erwachsenenalter sicherzustellen (positive Verstärkung)
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