Lernziele für heute!
Lernziele für heute:
1. Sie erinnern sich an die wichtigsten Unterschiede zwischen kontinuierlichen Prädiktionsmodellen und Stufenmodellen
2. Sie kennen die Konstrukte und Annahmen des Transtheoretischen Modells und können das Modell einem Laien erklären
3. Sie kennen das Prinzip des Motivational Interviewings
Erläutere Annahmen und definierende Eigenschaften von Stufenmodellen!
Annahmen von Stufen-/Stadienmodellen
Veränderung des Gesundheitsverhaltens über zeitlich geordnete Sequenz diskreter, qualitativ unterschiedlicher Stufen
Stufen werden nacheinander durchlaufen
Aber auch Rückfall in frühere Stufen möglich
Stufenmodelle: Definierende Eigenschaften
-> Definiertes Klassifikationssystem der Stufen:
Stufen (oder Stadien) sind distinkt voneinander
Stufen sind sequentiell geordnet
Personen innerhalb einer Stufe sind sich bezüglich der Konstrukte des Stufenmodells ähnlicher als den Personen in anderen Stufen
-> Personen in der gleichen Stufe nehmen gleiche Barriere wahr
-> Personen in unterschiedlichen Stufen nehmen unterschiedliche Barrieren wahr
Was gilt für Interventionen bei Stufenmodellen? Vor- und Nachteile?
Stufenmodelle: Interventionen
Personen in unterschiedlichen Stadien profitieren von unterschiedlichen Interventionen
-> Konstrukte sind je nach Stadium unterschiedlich wichtig für die Intervention
-> Tailored Interventions
Vorteile:
Möglichkeit der gezielten Förderung einer bestimmten Gruppe
Dadurch gesteigerte Effizienz
Nachteile und Kritik:
Interventionen sind ungleich aufwendiger
-> Nachweis, dass Stufen auch wirklich existieren, erforderlich
Nenne allgemeine Informationen zum transtheoretischen Modell der Verhaltensänderung!
Transtheoretische Modell der Verhaltensänderung (Stufenmodell)
->Intentionale Verhaltensänderung (Transtheoretical Model, TTM)
Ursprung
1980er: Erklärung der Rauchentwöhnung ohne therapeutische Hilfe
Entwickelt von Prochaska & DiClemente (1983), University of Rhode Island
Menschenbild
Menschen verändern ihr Verhalten nicht rational-kontinuierlich, sondern intentional-periodenhaft
Dynamik der Veränderung vergleichbar personalen Zuständen, wenngleich nicht so rasch
Perioden können viele Jahre überdauern (= Persönlichkeitsmerkmal)
Theoretischer Unterbau
Stufentheorie, Dynamische Theorien
-> Grundannahme: Veränderungsprozesse sind durch mehrere qualitativ sehr unterschiedlich und sukzessiv aufeinander aufbauende Stufen besteht
Idealerweise durchläuft man alle diese Stufen; wenn man eine Stufe auslässt, ist die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls höher
Gehe näher auf die einzelnen Stufen des Transtheoretical Models ein!
1. Stufe: Absichtslosigkeit
erreicht, wenn man keinerlei Intention hat irgendetwas zu verändern
kein Problembewusstsein
2. Stufe: Bewusstwerdung & Absichts-Bildung
Es wird Absicht entwickelt, irgendwann das problematische Verhalten zu verändern
Recht hohe Ambivalenz
Hier kann an Kosten / Nutzen Überlegungen gearbeitet werden
Setzt Motivational Interviewing an
3. Vorbereitung
Eher eine kurze Phase
Konkrete Pläne zur Verhaltensänderung werden umgesetzt
4. Handlung
Taten der Verhaltensänderung werden tatsächlich unternommen
Phase mit höchster Rückfallgefahr
5. Aufrechterhaltung
Wenn Zielverhalten mehr als 6 Monate gezeigt wurde
Zielverhalten wird bewusst umgesetzt
Rückfälle müssen noch aktiv vorgebeugt werden
Verschiedene neue Risikokontexte (z.B. Wein für Freunde kaufen, ohne es sich selbst zu kaufen)
6. Stabilisierung
Phase wurde erst später hinzugefügt
Verhaltensänderung andauernd über langen Zeitraum zeigen
Kein selbstregulativer Kraftaufwand mehr notwendig, um das Verhalten zu zeigen
Diese Stufe ist wichtig, da sonst Rückfallwahrscheinlichkeit sehr viel höher ist
-> Man kann zu jeder Zeit wieder in eine Stufe zurückfallen
-> Jede einzelne Stufe wird durch 3 Konstrukte bedingt (Selbstwirksamkeit etc.)
Gehe näher auf die Rolle von Selbstwirksamkeit im TTM ein!
Selbstwirksamkeit
Bezieht sich im TTM auf die wahrgenommene Kompetenz, mit Risikosituationen, die das zu verändernde Verhalten entgegen der Intention auslösen könnten, erfolgreich umgehen zu können
die Selbstwirksamkeitserwartung nimmt über die verschiedenen Stufen hinweg zu
Gehe näher auf die Rolle von der Entscheidungsbalance im TTM ein!
Entscheidungsbalance
Abwägen der positiven und negativen Handlungsergebniserwartungen für das Gesundheitsverhalten
In den präaktionalen Stufen überwiegen die Cons
In den aktionalen Stadien überwiegen die Pros
Gehe näher auf die Strategien der Veränderungsprozesse im TTM ein!
Strategien der Veränderungsprozesse (die Prozesse der Verhaltensänderung)
Schulenübergreifende Wirkvariablen psychotherapeutischer Interventionen
Identifizierte Prozesse wurden auch von Personen eingesetzt, die eigenständig ihr Verhalten geändert haben
Kognitive (experiential) und verhaltensorientierte (behavioral) Strategien
Für die Rauchentwöhnung:
Relativ häufigere Anwendung der kognitiv-affektiven Prozesse in den Stufen der Kontemplation und Vorbereitung
Relativ häufigere Anwendung der verhaltensorientierten Prozesse in der Stufe der Handlung
Erläutere “Motivational Interviewing” als Anwendungsbereich von TTM!
Anwendungsbereich „Motivational Interviewing (MI)“
Personenbezogene Methode zur Steigerung einer Veränderungsmotivation mit Blick auf ein spezifisches Verhalten
-> Selbstwirksamkeit (i.S. des Ausmaßes an Zuversicht) gilt dabei als Gegenpol zur situativen Versuchung
Eignet sich v.a. bei Personen mit geringer Änderungsbereitschaft und kann z.B. als Kurzintervention angewendet werden
4 Prinzipien beim MI
Empathie
Entwicklung von Diskrepanzen
Geschmeidiger Umgang mit Widerstand
Förderung von Veränderungszuversicht
Techniken
Offene Fragen stellen
Aktives Zuhören
Würdigung
Change Talk
Umgang mit Widerstand
Confidence Talk
Zusammenfassen
Situative Versuchung:
Situationen, die gewohntes Verhalten auslösen (z.B. Schnaps nach einer Mahlzeit)
Soziale Situationen (z.B. Geselligkeit)
Stresssituationen (z.B. emotionale Belastung)
-> Gesundheits-Informationen sollten daher auf Vulnerabilität in diesen drei Situationen hinweisen
Nenne Verdienste und Herausforderungen des TTM!
Verdienste
Berücksichtigung der Dynamik von Verhaltensänderungen
Vorhersage des Behandlungserfolgs durch Diagnostik des motivationalen Patienten zu Behandlungsbeginn
Ableitung spezifischer Strategien zur Veränderungsbegleitung von Patienten
Hoher „Public Health Impact“, v.a. vielfach erfolgreich bei „schwierigen Patienten“
Strafvollzug, Drogenabhängige schwangere Frauen, Substanzkonsumstörungen
Herausforderungen
Theoretische Fundierung und spezifischere Operationalisierung der Stufeneinteilung
Zeitliche Kriterien -> willkürliche Einteilung in die Stadien
Nicht-modellkonforme Ergebnisse: oft linearer Anstieg der Konstrukte über die Stadien hinweg (spricht eher gegen die Stadienannahme)
Langzeitstudien
Bisher v.a. Querschnittsuntersuchungen zu Personen in einer bestimmten Phase
Nenne allgemeine Informationen zum sozial-kognitiven Modell intentionaler Verhaltensänderungen!
Sozial-kognitives Modell intentionaler Verhaltensänderungen (Health Action Process Approach, HAPA) (Stufenmodell)
Ursprung:
1980er: Erklärung sowohl schädigender als auch förderlicher Verhaltensweisen durch Integration bisheriger Theorien zum Gesundheitsverhalten
Menschenbild:
Menschen verändern ihr Verhalten intentional-periodenhaft,
…basierend auf rationaler Kosten-Nutzen-Abwägung („Einstellung“, „Kognitionen“)
…als sozial eingebundene Wesen („Barrieren“, „Ressourcen“)
Theoretischer Unterbau:
Bisherige Theorien zum Gesundheitsverhalten
-> Hybrides Modell!
Erläutere das HAPA Modell!
1. Phase: Motivationale Phase im präintentionalen Stadium
Relevante Konstrukte der Phase:
Selbstwirksamkeit -> Zuversicht, dass man Ziel erreichen wird / entsprechende Ressourcen zur Verfügung hat
Handlungsergebniserwartung -> Überzeugung, dass durch Verhaltensänderung Ergebnis erzielt werden kann
Risikowahrnehmung -> Gefahren, die mit schlechtem Verhalten einhergehen sind mit Ziel verbunden (?); Kosten / Nutzen Abwägung
-> Zusammenspiel aller 3 Konstrukte: Es entsteht Motivation ein bestimmtes Verhalten zu zeigen
. / 3. Phase: Volitionale Phase
Präaktionales Stadium: Neuer Schritt im Modell: Ausführungs-/Bewältigungsplanung
Wenn dies erfolgreich passiert, kann ins aktionale Stadium eingestiegen werden
Aktionales Stadium: Verhalten wird gezeigt + Handlungskontrolle
Barrieren und Ressourcen bedingen, ob ein Verhalten gezeigt wird oder nicht
Begünstigen / verhindern inwieweit man in die Ausführungs-/Bewältigungsplanung einsteigt
Was ist mit den Ausführungsplänen gemeint und wie unterscheiden sie sich von der Zielintention?
Ausführungspläne vs. Zielintention
Ausführungspläne:
„Wenn Situation Y auftritt, werde ich Handlung Z ausführen.“
Zielintentionen:
„Ich will den gewünschten Zustand X erreichen“
Beispiel: „Ich will regelmäßig sportlich aktiv sein.“
-> Ausführungspläne sind sehr viel konkreter als Zielintentionen
-> Je detaillierter die Ausführungspläne sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Person es schafft, das gewünschte Verhalten zu erreichen
Ausführungsplanung bei der Gesundheitsverhaltensänderung:
Personen mit Ausführungsplänen handeln schneller und häufiger im Sinne ihrer Zielintention
Über verschiedene Verhaltensweisen und verschiedene Populationen hinweg gezeigt
- warum ist das so?
Bewältigungsplanung
Es muss in Problemfällen nicht mehr überlegt werden, sondern es kann automatisierter gehandelt werden
Alle drei Punkte führen dazu, dass Person mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ins Handeln kommt
Beispiel: „Wenn ich keine Lust habe, Sport zu treiben, dann denke ich an meine schwere Krankheit und motiviere mich dadurch.“ (Ein Patient nach Herzinfarkt)
-> Auch bei Bewältigungsplanung werden Situations-Verhaltens-Kontingenzen geschaffen (im Vorfeld und nicht erst in der Situation)
-> Konkrete Bewältigungshandlungen stehen in den persönlichen „Risikosituationen“ zur Verfügung
Gehe näher auf die Handlungskontrolle ein!
Handlungskontrolle
Enthält drei Subfacetten:
Bewusstheit der eigenen Standards
„Was ist mein Ziel?“
Voraussetzungen für den erfolgreichen Vergleich von tatsächlichem mit intendiertem Verhalten
Self-monitoring
„Was mache ich tatsächlich?“
Voraussetzung für den erfolgreichen Vergleich von tatsächlichen mit intendierten Verhalten
Regulationsbemühen
Wenn Diskrepanz zwischen tatsächlichem und intendiertem Verhalten: -> Anstrengung zur Verringerung dieser Diskrepanz
Nenne Verdienste und Herausforderungen des sozial-kognitiven Modells intentionaler Verhaltensänderung!
Integration theoretischer Ansätze
Komplexes, umfassendes Modell
-> Gesundheits-Informationen wirken am besten, wenn sie auf das jeweilige Stadium zugeschnitten sind, in dem sich die betroffene Person bzw. soziale System befindet
Bisher noch keine umfassende Modellüberprüfung
Aber: Forschungsdesigns können meist nur Komponenten komplexer Modelle überprüfen aufgrund finanzieller und personaler Ressourcen; statistische Überprüfung des Gesamtmodells bedarf enorm große Stichprobe
Bedeutung von Emotionen auf Bewertungsprozess noch wenig expliziert
Zusammenspiel von „Ressourcen“ und „Barrieren“ noch wenig überprüft
Erläutere die Grundannahmen des synergetischen Grundschemas!
Dynamische Modelle – Synergetisches Grundschema (Synergetic Basic Schema, SBS)
Grundannahme: Natürliche Systeme verhalten sich nicht-linear
-> Die Annahme der Steuerbarkeit von lebenden Systemen wird ergänzt durch die Eigendynamik und die Selbstorganisation von Systemen
„Systeme verhalten sich dynamisch“
„Technically, a non-linear system is any system in which input is not proportional to output. It ist everything whose graph ist not a straight line – and this is essentially everything.“ (Groener)
„Soziale Systeme verhalten sich nichtlinear“
(Dys-)funktionales Verhalten ist das Resultat dynamischer Prozesse, die zwischen den einzelnen Komponenten ablaufen, die das Verhalten hervorbringen. Die Annahme ist, dass nicht das System (z.B. der Mensch) gestört ist, sondern lediglich die Dynamik im Zusammenspiel der einzelnen Komponenten
Die Dynamik ist gestört und das System an sich ist nicht „krank“
Erkläre das synergetische Grundschema und nenne Beispiele!
Umwelt, Makroebene Gesundheitsverhalten, Kontrollparameter, Mirkroebene und Prädispositionen -> alle spielen zusammen, um ein Gesundheitsverhalten zu ändern
Beispiel:
Ich brauche Zigarette, um mich zu erholen, als Pause im hektischen Alltag
Man könnte an Kognition ansetzen und diese „ändern“
Der dysfunktionale Attraktor „Rauchen“, wird durch etwas Gesundes (Kaugummi kauen) ersetzt
Auf Verhaltensebene Routinen schaffen, die zu veränderten Kognitionen führen
In der Umwelt kann ein Ereignis dazu führen, dass die Person nicht mehr raucht: z.B. Tod eines Freundes an Lungenkrebs -> Auslöser, der direkt Verhaltensänderungen evoziert
Kontrollparameter: z.B. Laufen beruhigt Gedanken
-> Es gibt nicht nur einen sukzessiv sich aufbauenden Weg
-> Alle Komponenten hängen zusammen, sodass es möglich ist über verschiedenste Wege dazu beizutragen das Gesundheitsverhalten nachhaltig zu verändern
Wenn es Personen nicht gelingt Verhalten zu ändern, wird das nicht als Misserfolg konzeptionalisiert, sondern probiert heraus zu finden, was es für Widerstände gibt -> bei welcher Komponente kann man ansetzen?
Erläutere den Anwendungsbereich vom synergetischen Grundschema!
Anwendungsbereich „Synergetisches Navigationssystems“
Webbasierte Plattform zur Erfassung, Visualisierung und Analyse von Veränderungsprozessen (v.a. Psychotherapie, Coaching, Teamentwicklung) inkl. Datenbasierter Prozesssteuerung (Prozessfeedback)
Aufgabe des Beratungssystems ist, partnerschaftlich die „Windstärke“ zu bestimmen, die für eine passende Veränderungsenergie im gemeinsam geteilten „Beratungs-Boot“ sorgt
„Der Schlüssel zu alternativen Verhaltensweisen liegt nicht in der Manipulation der Systemelemente, sondern in der Anregungsenergie des Systems.“
Nenne Verdienste und Kriritk des synergetischen Grundschemas!
Alternative zur dysfunktionalen Sicht gesundheitsbezogener Probleme: Probleme erscheinen nachvollziehbarer und normalisierbarer
Instabilität im dysfunktionalen Attraktor ermöglichen Freiheitsgrade („Wirklichkeitsräume“), die für positive Veränderungen genutzt werden können
Zufallsschwankungen können ebenso wie intendiertes Verhalten positiv genutzt werden
Webbasierung inkl. Komplexer Analysetools
U.a. Zeitreihen, Komplexitäts-Resonanz-Diagramme, Recurrence Plots
Graphische Darstellung nichtlinearer Dynamiken
Z.B. sprunghafte Veränderungen, kritische Instabilitäten oder Synchronisationsmuster zwischen Teilsystemen
Kritik
Sehr komplexes und teures System, dessen Implementierung sich v.a. für größere Institutionen (z.B. Kliniken, Betriebe) eignet
Weshalb beschäftigen wir uns so viel mit Theorien?
-> Kurt Lewin: „Nichts ist so praktisch, wie eine gute Theorie“
Theoriebasiertes Vorgehen
Reduziert die Anzahl der möglichen Variablen und Mechanismen, die in Frage kommen
Bietet uns Erklärungen, warum Interventionen wirksam sind
Bietet eine gemeinsame Sprache und gemeinsame methodische Herangehensweise über verschiedene Studien hinweg
Durch die Anwendung von Theorien kann Wissen kumuliert werden
Leitet die Entwicklung effektiver Interventionen
Last changeda year ago