Buffl

Grundbegriffe der Politikwissenschaft

MG
by Maya G.

Systemtheoretische Grundlagen



mit Systemanalyse wurde theoretisches Instrumentarium entwickelt, mit dem sich die

PoWi zwei großen Herausforderungen stellen konnte:

1. gesellschaftlichen Wandel & dynamische Prozesse politischer Entwicklung theoretisch zu erfassen

2. Politik auf der Basis systematisch gewonnener empirischer Befunde erklären


politische Systemtheorien = empirisch gestützte wissenschaftliche Theorien, die politische Phänomene erklären wollen; gehen damit also auch über eine rein deskriptive Verwendung des Systembegriffs hinaus


System (z.B. nach Czerwick) = gegenüber einer Umwelt abgrenzbare Menge von „Elementen“, zwischen denen Relationen (wechselseitige Interdependenzbeziehungen)

bestehen

-> Muster von Relationen = Struktur, z.B. internationale Finanzmärkte oder auch die an

der Gesetzgebung beteiligten Strukturen

-> Elemente, Relationen & Sub-Systembildung bestimmen Grad der System-Komplexität

• je mehr Systemelemente & je größer die Zahl der wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen ihnen, desto größer ist auch die Komplexität eines Systems

—>die Komplexität eines Systems erhöht sich also in dem Maße, in dem es sich intern

weiter ausdifferenziert & Subsysteme ausbildet


Czerwick unterscheidet 2 Stränge:

A. Soziologische Systemtheorien

• z.B. Parsons, Luhmann, Münch, Willke

B. Politikwissenschaftliche Systemtheorien

• z.B. Easton, Deutsch, Almond

-> beide weisen einen gemeinsamen Bezugspunkt zum Paradigma der funktionalen Differenzierung auf: Politik wird nämlich als das Ergebnis gesellschaftlicher Differen-

zierung & Ausdifferenzierung begriffen

-> d.h. im Zuge wachsender gesellschaftlicher Arbeitsteilung hat sich Politik als ein Teilsystem der Gesellschaft ausdifferenziert & gegenüber der Gesellschaft ein Eigenleben gewonnen

Politisches System


Politisches System = funktionelles Teilsystem neben anderen Sub-Systemen (z.B.

Religion, Wirtschaft, Recht, Wissenschaft) der Gesellschaft

-> Hauptfunktion: Herstellung & Durchsetzung allgemeinverbindlicher Entscheidungen

(Rolle von keinem anderen gesellschaftlichen Teilsystem wahrgenommen)

-> Allgemeinverbindlichkeit in Bezug auf:

1. Regeln des Zusammenlebens

2. Verteilung gesellschaftlicher Güter & Werte

3. Art & Weise des Konfliktaustrags über Verteilungsentscheidungen

-> Politik trifft Entscheidungen & setzt Regeln, die für alle Mitglieder der Gruppe verpflichtend sind; hält sich jemand nicht an diese Regeln, muss er/sie mit entsprechenden Sanktionen rechnen


Begriff „politisches System“

• 2 Vorstellungen des Systembegriffs:

• „politisches System“ als ein analytisches Konstrukt -> dient dazu, politische Realität

zu beschreiben & zu erklären

• „politisches System“ als Bezeichnung für einen kollektiven Akteur, der Politik „macht“

& für uns greifbar werden lässt


-dennoch, es unterscheidet sich von anderen sozialen Systemen darin, dass seine

Grenze nicht exakt definiert werden kann

• diese Tatsache hat auch mit der Art & Weise zu tun, wie das politische System mit den

Umweltbedingungen umgeht

-Verhältnis des poli. Systems zu seiner Umwelt i.d.R. von hoher Dynamik geprägt

—> Grenzziehung zwischen polit. System & Umwelt ist daher fluide

• Czerwick weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass potenziell alle Umweltphänomene vom politischen System als „politisch“ deklariert werden





Input-Output-Modell/ Flussmodell von David Easton


Zentraler Gedanke: Überleben (Persistenz) politischer Systeme abhängig von ihrer Lern- & Anpassungsfähigkeit gegenüber Umwelteinflüssen (Stressreduktion)

-> Austauschbeziehungen zwischen Politik & Gesellschaft als ein Flussmodell des polit.

Systems beschrieben


  • in den Grundkanon der Politikwissenschaft und der politischen Soziologie gefunden

  • Im Zentrum dieses Modells steht das sogenannte politischadministrative System. Dafür ist auch die Abkürzung „PAS" gebräuchlich.

  • In das politischadministrative System wird ein bestimmter Input eingespeist. Easton unterscheidet dabei zwei Grundformen:

    —>Erstens den Input in Form von „demands" - also Forderungen - die an das politisch-administrative System herangetragen werden. Dazu zählt zum Beispiel die Forderung nach gebührenfreien Kita-Plätzen

    —> Die zweite grundlegende Input-Form bezeichnet Easton als „political support" beziehungsweise als politische Unterstützung.

  • Im politisch-administrativen System wird der Input verarbeitet. Dieser Prozess wird auch als „conversion" bezeichnet, Durch das Handeln seiner Vertreterinnen und Vertreter, vor allem in Form von Entscheidungen - seien es Gesetze, Verordnungen oder Vollzugsakte der Verwaltung - produziert das politisch-administrative System einen Output.


  • seine Ideen legen die Vorstellung nahe, dass sich zwischen dem polit. System & seiner Umwelt ein permanenter Austauschprozess vollzieht

—> Implikation: nur solche politischen

Systeme dauerhaft Bestand haben, die durch einen selbst eingebauten Korrekturmechanismus lernfähig bleiben & sich erfolgreich an neue Herausforderungen anpassen

können

• geschlossene polit. Systeme, die weder willens noch in der Lage sind, auf Umwelteinflüsse zu reagieren, sind pathologische Systeme; solche Systeme sind in ihrer Bestandssicherheit permanent gefährdet

• zu den strukturellen Merkmalen offener polit. Systeme gehört die Institutionalisierung von polit. Wettbewerb; dazu gehört aber auch die Anerkennung der daraus resultierenden Konflikte

• offene System sehen Konflikte also nicht als etwas Negatives an, sondern sind offen für Irrtümer & Korrekturen

—>durch die Anerkennung von Konflikt & Dissens stellen demokratische politische Systeme sicher, dass sie den Kontakt zu ihrer gesell. Umwelt nicht verlieren


• theoretischer & konzeptioneller Werkzeugkasten an die Hand gegeben, mit dessen Hilfe wir nicht nur Funktions- & Legitimitätsdefizite gegebener polit. Systeme analysieren können

—>hilft auch dabei, besser zu verstehen, warum manche polit. Systeme überleben, während andere trotz gleicher oder ähnlicher Bedingungen zusammenbrechen

• diese Einschätzung muss aber in einer Hinsicht eingeschränkt werden: es ist nicht die Theorie als Ganze, die hierzu bahnbrechendes geleistet hat, denn dafür ist sie viel zu allgemein & abstrakt -> siehe auch Reisefähigkeit

Abstraktionsgrad der Theorie ist zugleich auch ihr großer Nachteil: gegenüber Unterschieden der politischen Herrschaftsordnung bleibt die Theorie von Easton notwendigerweise indifferent (-> laut ihm ist z.B. Übergang von Weimarer Republik zu

Nazi-Diktatur kein Kollaps der Gesellschaft)




Macht



• keine allgemein gültige Definition von Macht

• weitverbreitete Definition von Max Weber: „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“

• diese Definition grenzt sich klar vom Alltagsverständnis von Macht ab -> im Alltags-

gebrauch wird Macht oft verdinglicht oder als Attribut behandelt; wird z.B. immer dann

deutlich, wenn Macht per se als etwas Negatives angesehen wird („machtbesessen“, „Machthunger“)

• im Wissenschaftlichen Verständnis hingegen ist Macht eine analytische Kategorie

• als solche ist Macht also weder gut noch schlecht, weder gegenständlich noch weithin sichtbar


• Einigkeit besteht darüber, dass Macht relational ist & ein soziales Verhältnis bezeichnet, eine Beziehung von Menschen zu anderen Menschen

• relational: Wer sich ggü. einer Person A durchsetzen kann, muss dazu aber nicht

unbedingt auch bei Person B in der Lage sein

• so verstandene Macht kann man also nicht für sich alleine haben

• wenn Macht ein soziales Verhältnis bezeichnet, haben wir es nicht mit einem Zustand zu tun, der ein für alle Mal feststeht, sondern mit einem dynamischen Phänomen

• soziale Beziehungen unterliegen Veränderungen; deshalb kann sich auch die Machtbeziehung zwischen Menschen verändern

• weitere Einigkeit über:

—>Machtrelation impliziert Asymmetrie zwischen Machthaber & Machtunterworfenem

—>Macht ist Möglichkeit -> kann eine soziale Beziehung definieren, muss aber nicht

—>Machtmittel sind beliebig einsetzbar

—> Vielfalt an Machtressourcen -> Machtdefinitionen, die eine einzige Machtressource betonen, z.B. Gewalt, Geld, etc., sind deshalb problematisch, weil sie den Blick auf die Wirklichkeit durch unangemessene Vereinfachung verstellen

—> Machtressourcen können vers. sein:

• Dinge, Menschen oder Beziehungen

• reale oder fiktive

• materielle oder ideelle

• konkrete oder abstrakte

• Bsp.: Geld, Autorität, Legitimität, Reputation, Information, Prominenz

Puffermechanismen des politischen Systems


dabei verfügt das polit. System über bestimmte Puffermechanismen, um sich vor seiner eigenen Überforderung zu schützen

• diese Mechanismen erlauben es dem polit. System also, bestimmte Umweltanforderungen zu ignorieren, d.h. die polit. Entscheidungsträger*innen entscheiden darüber, welchen Forderungen stattgegeben werden soll & welchen nicht

• so können Umweltanforderungen z.B. abgewehrt werden, wenn sie als falsch adressiert definiert werden

• gelegentlich greifen Entscheidungsträger*innen bewusst zu solchen Depolitisierungs-

strategien

• Fähigkeit des polit. Systems nicht auf jede Umweltforderung reagieren zu müssen, gehört zu seiner System-Autonomie in einer funktional differenzierten, arbeitsteilig organi-

sierten Gesellschaft

• das polit. System besitzt also Wahlmöglichkeiten, ob es überhaupt auf Umweltdemands eingeht, auf welche es eingeht & in welcher Art & Weise es das tut

• diese graduelle & relative Autonomie des polit. Systems ggü. seiner gesell. Umwelt

ist für die Aufrechterhaltung seiner speziellen Funktion notwendig, denn die Verarbeitungskapazitäten des polit. Systems sind strukturell limitiert

• wäre das polit. System also nur noch Spielball gesell. Forderungen, wäre es immer

weniger in der Lage überhaupt noch polit. Entscheidungen zu treffen

• auf der anderen Seite kann das polit. System auch ganz gezielt nach gesell. Phänomenen suchen, um sich davon bewusst irritieren zu lassen -> Gegenstück zur Strategie der Depolitisierung ist also die Strategie der Politisierung

• in diesem Fall wird gerechtfertigt, warum bestimmten „demands“ der Vorrang vor

anderen gegeben wird, manche Umweltforderungen also Einlass in den polit. Entscheidungsprozess finden, andere aber nicht

Herrschaftsbegrenzung


Herrschaft ist stets begründungspflichtig

-> denn kennzeichnend für jede Form von Herrschaft bleibt, dass sie die Freiheit des

Menschen einschränkt

-> Wie kann das gelingen? - 2 Beispielantworten:

• Thomas Hobbes:

• Rechtfertigung des staatlichen Gewaltmonopols beruht auf Furcht vor dem völligen Verlust von Erwartungssicherheit im herrschaftslosen Naturzustand

• John Locke:

• freiwillige Übereinkunft rational handelnder Individuen & vertragliche Einbindung der

Herrschaftsträger

Möglichkeiten zur Begrenzung politischer Herrschaft


normative Vorgaben:

• kann eine kosmisch-göttliche und/oder Schöpfungsordnung sein

• auch Bindung an das Gemeinwohl als materielle Orientierungsmarke

• auch spezifische vertragstheoretische Festlegungen, wenn z.B. Gehorsam nur gegen

Leistung garantiert wird

• heute zählt auch Bindung polit. Herrschaft an die Menschen- & Bürgerrechte dazu


institutionelle Ausgestaltung der Herrschaftsstruktur:

• Idee der Gewaltenteilung nach Montesquieu

• schlug vor, die Herrschaftskompetenzen auf vers. Gewalten aufzuteilen, die sich

gegenseitig kontrollieren —> Aufteilung in Exekutive, Legislative & Judikative & deren Übertragung auf unters. Staatsorgane ist für die heutigen entwickelten, liberalen Demokratien charakter-

istisch


prozessual, z.B. in Form von externen Faktoren:

• internationale Verpflichtungen, z.B. Ratifizierung Genfer Flüchtlingskonvention, EU-

Mitgliedschaft eines Landes

• in dem Maße, in dem sich EU-Mitglieder zur Einhaltung bestimmter politischer &

ökonomischer Standards verpflichten, werden ihre Möglichkeiten der nationalen

Herrschaftsausübung begrenzt & modifiziert

Staat-Kontroverse um Definition



-> keine allgemein geteilte Definition vom Staat

• je nach Auffassung galt der Staat als ein nutzloses, normativ kontaminiertes euro-zentristisches oder überholtes Konzept

• Staat ist in der PoWi ein ambivalentes Konzept geblieben

• Begriff des Staates dient häufig als Chiffre für andere Phänomene & Begriffe, ohne das

damit ein analytischer Mehrwert verbunden wäre

• Staat bedeutet für unterschiedliche Gelehrte anscheinend viele unterschiedliche Dinge:

für die einen ist Staat eine Idee, für andere eine Organisation, für viele beides


• in den meisten Teilen der heutigen Welt bestimmen Staaten das politische & rechtliche Schicksal des einzelnen Menschen -> Staaten sind heute die dominanten Container politischer Herrschaftsgewalt

• Staaten sind eine empirische Erscheinungsform politischer Systeme


• Staat ist eine komplizierte Sache, obwohl oder vllt gerade weil er ein gedankliches Konstrukt ist & einige seiner Facetten sind es ebenfalls

• Vorstellungen darüber, was dieses Konstrukt Staat nun eigentlich charakterisiert & kennzeichnet, gehen noch immer auseinander -> wir sind uns immer noch nicht darüber einig, was der Staat nun eigentlich ist

• verkompliziert wird das Ganze damit, dass sich nicht nur die PoWi mit dem Staat beschäftigt & keine Einigung über seine begriffliche Bestimmung erzählen kann -> auch in Philosophie, Soziologie, GeWi, Anthropologie, Archäologie & ReWi besteht kein Konsens darüber, was ein Staat ist

• Definitionsvorschläge unterscheiden sich also nicht nur in der PoWi, sondern über die Wissenschaften hinweg & innerhalb verschiedener Disziplinen

-> Konsequenz: je nach Definition variiert Beginn der Staatsentwicklung

• erklärt auch, warum man die Frage, was ein Staat ist nicht von der Frage abkoppeln kann, wann & wie Staaten entstanden sind



Staatenbildung

Kontroverse um Beginn der Staatsbildung:

• nach Auffassung mancher Wissenschaftler*innen finden sich diese Mindestmerkmale eines Staates bereits in der Frühgeschichte des Menschen vor ca. 9000 Jahren in Nordafrika, Mesopotamien, Mittelamerika & Nordchina

• anderen Wissenschaftler*innen nach handelt es sich bei diesen frühgeschichtlichen Formen einer politischen Herrschaftsorganisation eher um vorstaatliche Entwicklungsstufen von Regierungen in vormodernen Gemeinwesen

• Staat sei dementsprechend eine relativ junge Erfindung des Menschen & frühestens im

12. Jahrhundert im heutigen Europa entstanden

—> Historiker Wolfgang Reinhard: „Europa hat den Staat erfunden“

• zur Untermauerung dieser These bezieht er sich auf eine Definition des Staates wie sie Anfang des 20. Jhd. Von Georg Jellinek & Max Weber vorgelegt wurde

—> dabei geht aber manchmal unter, dass Jellinek & Weber den modernen Staat vor Augen hatten

• tatsächlich unterscheidet sich der moderne Staat in seinen Eigenschaften von seinen historischen Vorläufern & es ist heute weitgehend unstrittig, dass diese Merkmale des modernen Staates ein globalgeschichtliches Produkt Europas sind

• laut dem Historiker Hagen Schulze ist Frankreich die Geburtsstätte des modernen

Staates -> spätestens zu Beginn des 14. Jahrhunderts hatten sich dort die Grund-

züge eines modernen Staates dauerhaft herausgebildet

• Michael Gal schlägt dementsprechend vor Reinhards These in einem wichtigen Detail zu korrigieren: „Europa hat den modernen Staat erfunden“

Merkmale des modernen Staates nach Jellinek



• zentrales Werk: „Allgemeine Staatslehre“ (1900) -> „Drei-Elemente-Lehre“ vom

modernen Staat

• moderner Staat durch Trias von Staatsgebiet, Staatsvolk & Staatsgewalt charakterisiert

Staatsgebiet

• umfasst Territorium, auf dem sich die spezifische Tätigkeit des Regierens & Herrschens vollzieht (Größe spielt keine Rolle) -> moderne Staaten sind also Territorialstaaten

• zu Staatsgebiet gehören auch der Luftraum, der erreichbare Raum unter der Erdoberfläche & die angrenzenden Küstengewässer

• immer wieder umstritten ist allerdings, wie weit die Ansprüche eines Staates auf den Meeren & Ozeanen reichen

• eine konventionsrechtliche Regel aus dem 17. Jahrhundert legte das Küstengewässer eines Staates auf 3 Seemeilen fest

• nach mehreren Verhandlungsrunden wurde die ursprüngliche Dreimeilenzone mit dem Seerechtsübereinkommen der UN von 1982 auf 12 Seemeilen ausgedehnt


Staatsvolk

Staatsangehörigkeit:

• alle Menschen, die einem Staat zugehörig sind, bilden in ihrer Gesamtheit das Staatsvolk -> für Jellinek ist Staatsvolk ein sesshafter Personenverband mit dauerhafter Mit-

gliedschaft


Rechte & Pflichten:

• jedes Mitglied eines Staatsvolkes hat bestimmte Rechte

• Menschenrechte = stehen jedem Menschen zu

• Rechte, die einem Staatsangehörigen exklusiv gewährt werden, wenn er anerkanntes

Mitglied des Staatsvolkes ist

• Rechtsregeln, die über die Zugehörigkeit eines Menschen zu einem Staatsvolk bestimmen, haben also schwerwiegende Konsequenzen -> einer Person ohne Staatsangehörigkeit werden Rechte versagt, die für die meisten Menschen selbstverständlich

sind

• Rechten der Staatsbürger stehen bestimmte Pflichten gegenüber, z.B. Gesetzestreue,

Schulpflicht, Steuer- & Abgabepflicht


Staatsgewalt

• allgemeinverbindliche Regelsetzung & -durchsetzung -> Staatsgewalt = Herrschaftsge-

walt

• Staatsgewalt ist bei Jellinek einheitliche Staatsgewalt, die im Besitz der Souveränität ist

• Souveränität = Staat hat Letztentscheidungsrecht

• Rechte von Staaten in Beziehung zu anderen Staaten werden im Völkerrecht geregelt

• die als unabhängig anerkannte Staaten auf der Welt & ihre gegenseitigen Beziehungen

bilden das internationale Staatensystem

• Anerkennung eines Staates & seiner souveränen Staatsgewalt durch andere Staaten ist

aber nicht unbedingt selbstverständlich




Nation




• Begriff Nation genauso schwierig zu definieren wie Staatsbegriff

• gehört zu den ideologisch belasteten Begriffen

• Interesse der Nation muss auch herhalten, wenn internationale Abkommen aufgekündigt, einheimische Märkte abgeschottet & freie Handelswege mit Strafzöllen torpediert

werden

• Nation auch deshalb ein schwieriger Begriff, weil er ganze Bevölkerungen in Eigen- & Fremdgruppen unterteilt

• weil es sich bei Nationen um eine Gruppe von Menschen handelt, können ähnliche

sozialpsychologische Mechanismen wirken wie bei anderen sozialen Gruppen auch

—>sehr wahrscheinlich, wenn Nation zu einem bestimmten Zweck mobilisiert wird

• Mobilisierung kommt ohne Appell an die Einheit der Nation nicht aus, dafür werden Gemeinsamkeiten überbetont

• dient der Identitätsbildung nach innen & der Abgrenzung nach außen

• auf der Grundlage solcher wertvollen Gemeinsamkeiten nehmen sich die Mitglieder der

Nation als ähnlich wahr & akzeptieren sich in diesem speziellen Sinne als Gleiche


—>gegenseitige Wahrnehmung als Gleiche ist wichtige Voraussetzung für Bereitschaft, mit

den anderen Mitgliedern der Nation Solidarität zu üben, um & im Interesse aller ein

eigenes Opfer zu bringen

• Anonymität unter den Gruppenmitgliedern überwiegt -> Gleichheit muss also unterstellt

& angenommen werden

• nach einer vielzitierten Formulierung von Benedict Anderson handelt es sich bei Nationen deshalb um sog. „imagined communities“

• bei Frage nach Art der Gemeinsamkeiten haben sich zwei unterschiedliche Nationen-

begriffe verdichtet:

civic nation“ „cultural nation“

• bezieht sich auf einen demokratisch verfassten

Staat, der sich durch die Gesamtheit des Volkes

konstituiert

• wird als Ergebnis politischer Willensbildung auf-

gefasst: Volk entscheidet in freier Selbstbestim-

mung darüber, sich zu einem Staat zu organisie-

ren & als Solidargemeinschaft zwischen gleichen

Bürgern zu begreifen

• auch Staatsbürgernation genannt

• in der Idee der Kulturnation wird die Gemein-

schaft des Volkes durch sog. primordiale, d.h.

„ursprüngliche“ & quasi-objektive Merkmale wie

z.B. Abstammung & Ethnie bestimmt

• definieren sich auch über Sprache, Religion,

Brauchtum & gemeinsame Geschichte

Katalysatoren für Staatenbildung


Kriegsführung

  • Krieg ist mit Herausbildung & Konsolidierung des modernen Staates eng verbunden ->

    Charles Tilly: „War made the state, and the state made war“

  • Fortschritte in der Militärtechnologie & der Organisation der Kriegsführung trugen dazu

    bei, die Mittel der Kriegsführung zu bündeln & zentral zu verwalten

  • Innovationen in der Kriegsführung, die Historiker auch als „militärische Revolution“

    bezeichnen, forcierten die Anreize zur Staatenbildung -> denn nur Staaten waren überhaupt in der Lage dauerhaft große Armeen aufzustellen, die Kosten zu tragen & dafür

    die Effizienz von Steuereintreibung & Finanzverwaltung zu erhöhen


    Entstehung des Kapitalismus im 18. & 19. Jahrhundert

    • kapitalistische Produktionsweise führt zwei wichtige Faktoren zusammen: Arbeit & Kapital

  • diese Art & Weise der Güterproduktion & ökonomischen Gewinnmaximierung benötigt Arbeitskräfte, die in physischer Sicherheit leben; nicht nur Schutz vor Mord & Totschlag, sondern auch ein Minimum an sozialer Sicherheit

  • Kapitalismus ist auf stabile Infrastruktur angewiesen (Straßen, Brücken, Häfen, Kanäle & Bahnstrecken) , Infrastruktur muss auch sicher sein & intakt bleiben -> wichtige Grundvoraussetzung für freie Handelswege & Investitionen

  • zur Infrastruktur eines funktionierenden Kapitalismus zählen aber auch Polizeikräfte zum Schutz privaten Eigentums & ein Rechtssystem, das den Abschluss von Verträgen zuverlässig reguliert & Handelsstreitigkeiten verbindlich beilegt

  • um zu funktionieren braucht Kapitalismus eine gemeinsame Währung, standardisierte Maße & Gewichte & ein Mindestmaß an Vertrauen zwischen vertragschließenden Parteien

    —>Kapitalismus ist also auf eine Institution angewiesen, die ihm diese Voraussetzungen garantiert

    —>wie es aussieht, konnte das nur der moderne Territorialstaat mit seinem legitimen Monopol auf physische Gewaltanwendung, seinem zentralisierten Recht auf Steuererhebung & seiner effektiven Bürokratie leisten


TRUDI


TRUDI ist ein Akronym, dass sich die Politikwissenschaftler Michael Zürn & Stephan

Leibfried ausgedacht haben

• ergibt sich aus den ersten Buchstaben der englischsprachigen Kernmerkmale, die nach

Auffassung der Erfinder die modernen Staaten der Gegenwart kennzeichnen

T = Territorial control; RU = Rule of law;

D = Democratic governance; I = Intervention to promote welfare


Territorial control

  • Kontrolle der Anwendung von Gewalt & die Verwendung von Finanzmitteln -> Ressourcendimension

    • im Zentrum stehen dabei Gewalt- & Steuermonopol

    • eng mit der Herausbildung des modernen Territorialstaates verknüpft

RUle of law

  • Rechts- & Verfassungsstaat“

  • moderner Staat hat zwar, wie Wolfgang Reinhardt betont, auch Verfügung über das

    Recht monopolisiert, gleichzeitig aber wurde das staatliche Handeln „[…] im Regelfall

    an schriftlich festgelegte, nachprüfbare und einklagbare Vorschriften gebunden“ (Reinhardt) -> formales Rechtsstaatsprinzip

    • d.h., in einem Rechtsstaat ist Herrschaft nicht von Launen & menschlichen Trieben

    abhängig, sondern vollzieht sich nach Gesetzen


Democratic governance

  • moderne Staaten sind demokratisch regiert

  • aber: Zusammenhang zwischen Demokratie einerseits & Rechts- & Verfassungsstaatlichkeit andererseits ist kein Automatismus, d.h.: nicht alle Rechts- & Verfassungsstaaten sind Demokratien

  • Rechts- & Verfassungsstaat ist nicht gleichbedeutend mit einer demokratischen

    Regierungsform —>allerdings ist eine moderne Demokratie ohne Rechts- & Verfassungsstaat nicht funktionsfähig

  • bezieht sich auf die Legitimität staatlicher Herrschaft im modernen Staat—> politische Herrschaft von den Herrschaftsunterwor-

    fenen selbst ausgeübt oder zumindest von deren Willen abgeleitet werden sollte ->

    Prinzip der Volkssouveränität als erster Rechtfertigungsgrund demokratischer

    politischer Herrschaft

Intervention to promote welfare

bezieht sich auf die Wohlfahrtsdimension des sozialen Interventionsstaates

  • heißt nicht, dass der moderne Wohlfahrtsstaat zwingend eine nachfolgende Entwicklungsstufe des demokratischen Staates war

  • politische & wirtschaftliche Steuerungs- & Eingriffsmöglichkeiten des Staates erheblich erweitert

  • denn der soziale Wohlfahrts- & Interventionsstaat hat es sich zum Ziel gemacht, das Leben der Menschen aktiv zu verbessern, dafür wird er auf unterschiedliche Weise tätig:

    • ergreift Maßnahmen, um den Bürger*innen eine menschenwürdige Existenz zu

    sichern & sie vor besonders schlimmen Benachteiligungen im Markt zu bewahren

    • gewährt ihnen bestimmte Ansprüche, um sie vor den schlimmsten Folgen unterschiedlicher Lebensrisiken zu schützen, gegen die man sich als Einzelner aus eigener Kraft meistens nicht absichern kann

    • dämmt extreme soziale Ungleichheit ein

    • fördert Wohlstand

    • steht für einen sozialen Ausgleich im Arbeitsleben ein


Politische Legitimität


normative Bedeutungsdimension:

bezieht sich auf den Legitimitätsanspruch einer politischen Ordnung

—>Legitimität = entweder

objektive Eigenschaft eines politischen Systems

> Rechtmäßigkeit: Politische HO ist legitim, weil sie die Verwirklichung bestimmter Prinzipien

garantiert oder

basiert auf externen Maßstäben (z.B. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Gottgefälligkeit, Schutz

der eigenen „Rasse“, Befreiung der Arbeiterklasse), an denen der Anspruch einer Herrschaftsordnung darauf gemessen wird

—> Anerkennungswürdigkeit: Politische HO lässt sich an extern definierten Maßstäben messen


empirische Bedeutungsdimension:

bezieht sich auf den Legitimitätsglauben der Herrschaftsunterworfenen (Max Weber: „innere

Anerkennung der politische HO bei den Mitgliedern eines Gemeinwesens“)

Einverständnis der Herrschaftsunterworfenen mit der jew. politischen Ordnung

> Legitimitätseinstellungen / Legitimitätsüberzeugungen der Menschen

> lassen sich empirisch studieren und analysieren


empirisch-dynamische Bedeutungsdimension:

Wechselseitige Interaktion der normativen und empirischen Komponente:

Empirisch messbare Legitimitätsüberzeugungen werden mit materiellen und normativen Erwartungen verknüpft

vgl. dazu Lipset:

Effektivität (Politische Problemlösungsfähigkeit = Performanz) und Legitimität

in wechselseitiger Abhängigkeit, das heißt Effektivität (instrumentell) stützt Legitimität (evaluativ)

-durch aktiver Systembeitrag oder politische Unterstützung

—>Politische Systeme können selbst einen aktiven Beitrag leisten, damit sich bei den Mitgliedern

eines Gemeinwesens ein belastungsfähiger Legitimitätsglaube herausbildet und entwickelt


—>Legitimität einer politischen Ordnung muss sich nicht unbedingt & notwendigerweise

auf demokratische Normen gründen -> wird schon bei der berühmten Trias legitimer

Herrschaftstypen von Max Weber deutlich

—> Legitimitätsdefizit ≠ Demokratiedefizit

• umkämpfte Begründungen für die normative & empirische Legitimität einer Herrschafts- ordnung -> auch nicht demokratische Ordnungen können von der jeweiligen Bevölkerung akzeptiert werden


—>dynamischer Charakter politischer Legitimität -> Herrschaftsordnung ist nicht legitim,

sondern wird es fortwährend





Legitimitätsglaube


-Quelle politischer Legitimität ist der Legitimitätsglauben der Regierten

• Legitimitätsglaube = „auf Erfahrung gegründetes Vertrauen, dass diese Verfahren zur Verwirklichung der […] geltenden Normen geeignet sind“ (Mandt/Kaase)


• Legitimitätsglaube ist aber nicht nur wichtig dafür, wie die Menschen Normen & Verfahren in einer politische Ordnung zueinander in Beziehung setzen

-> hat auch eine eigenständige Bedeutung als Quelle politische Legitimität

• lässt sich wiederum damit begründen, dass der Legitimitätsglauben eine Voraussetzung für die innere Anerkennung einer Herrschaftsordnung ist, wie Max Weber es einst formulierte

• David Easton definiert Legitimitätsglauben als die Überzeugung eines Menschen, dass es richtig & angemessen ist, die politischen Autoritäten zu akzeptieren & an Anforderungen des Regimes festzuhalten, weil sie mit den eigenen moralischen Prinzipien & Auffassungen übereinstimmt, was in der politischen Sphäre angemessen & richtig ist


• Wandel der Legitimitätsgrundlagen (Normen &/oder Verfahren) können Legitimitätsglauben der Bevölkerung beeinflussen

• erfahrungsgestützter Legitimitätsglaube in enger Wechselbeziehung zum Erwartungshorizont der Herrschaftsunterworfenen wird an 2 Aspekten deutlich:

—>Werte der Regierten spielen große Rolle für Wahrnehmung & Bewertung der politischen Ordnung —>Wahrnehmung & Bewertung der politischen Ordnung durch Regierten ist von deren Erfahrungen abhängig


Legitimitätsglaube ist die Voraussetzung dafür, dass wir auch solche allgemeinverbindlichen Entscheidungen freiwillig akzeptieren, mit denen wir nicht einverstanden sind

Quellen politischer Legitimität

Grundnormen

Bewährung und positive Bewertung der Verfahren des Herrschaftserwerbs und der Herrschaftssicherung

z.B. Freiheit, politische Gleichheit, Sicherheit (in Demokratien nicht gegeneinander anrechenbar),

Gehorsam, überlieferte Geschichte, Mythen, Rituale, Religionen, politische Ideologien, ethische

Morallehren (Konfuzianismus)

Verfahren

z.B. Universelles Wahlrecht

Legitimitätsglaube

-Steht in Wechselwirkung mit Grundnormen und Verfahren!

Bsp.: Prinzip der Gleichheit wichtige Norm in Demokratie -> wichtiges Verfahren in Demokratien sind universelle Wahlen -> durch bisherige Erfahrungen können wir darauf vertrauen, dass Norm der politischen Gleichheit durch Verfahren universeller Wahlen garantiert wird

-„auf Erfahrung gegründetes Vertrauen, dass diese Verfahren zur Verwirklichung der (...)

geltenden Normen geeignet sind“ (Mandt/Kaase 1995)

Performanz

für demokratische politische Systeme hat Dieter Fuchs in diesem Kontext eine wichtige analytische Unterscheidung in die Forschungsdebatte eingebracht:

systematische Performanz:

• bezieht sich darauf, inwieweit es einem politischen System gelingt, als wichtig anerkannte Ziele zu erreichen, z.B. innere & äußere Sicherheit, Wohlfahrt, bestimmtes Maß an Wohlstand

• Fähigkeit zur systematischen Performanz wird jedem politischen System abverlangt,

unabhängig davon, ob wird es mit einer Demokratie oder mit einer Nichtdemokratie

zu tun haben

• d.h., der Legitimitätsglaube hängt auch von der Effektivität des Regierungssystems ab & davon, wie die Menschen die Output-Produktion durch das Regierungssystem wahrnehmen

—>deckt sich mit Lipsets These: Effektivität im Sinne politischer Problemlösungsfähigkeit kann den Legitimitätsglauben der Regierten fördern ->

Fähigkeit eines politischen Systems, grundlegende Probleme zu lösen, übt einen positiven Einfluss auf die freiwillige Folgebereitschaft der Regierten aus

—> Effektivität ist nach seiner Auffassung in erster Linie instrumentell & Legitimität ist

evaluativ bzw. bewertend

demokratische Performanz:

• Fuchs meint damit die Effektivität institutioneller Mechanismen bzw. die Leistungskraft einer existierenden Demokratie, demokratische Normen im politischen Prozess

zu verankern

• Performanz eines politischen Systems ist auch davon abhängig, welche Normen in

einer Gesellschaft gelten & welche Verfahren etabliert sind

• Veränderungsprozesse, z.B. durch einen gesellschaftlichen Wertewandel oder durch

einen Regimewechsel, können sich auf die Performanzbewertung eines politischen

Systems durch die Bürger*innen auswirken

Politische Unterstützung nach Easton


politische Unterstützung spielt für Easton eine herausragende Rolle bei der Analyse

politischer Systeme -> seiner Auffassung nach handelt es sich bei politischer Unterstützung um eine der wichtigsten Determinanten für die Stabilität politischer Systeme

• bezieht These auf alle politischen Systeme

• Konzept ist daher „reisefähig“ -> d.h., es kann auf ganz unterschiedliche Kontexte &

Situationen angewendet werden

-einstellungszentriertes Konzept

• eignet sich also auch dafür, die Legitimitätsüberzeugungen der Bürger*innen in ganz

unterschiedlichen Regimeformen zu untersuchen

• Stabilität meint auch in diesem Fall Persistenz


Easton unterscheidet 2 Ausprägungen von Unterstützung ganz allgemein:

• offene Unterstützung: manifestiert sich in einem beobachtbaren Verhalten z.B. Kampf

um Ideale

• verborgene Unterstützung: manifestiert sich in bestimmten Einstellungen der Menschen -> genau darauf zielt Konzept der politischen Unterstützung ab -> genauer gesagt, das Konzept der politischen Unterstützung bezieht sich auf die evaluativen Einstellungen von Individuen gegenüber politischen Objekten


-im eigentlichen Sinne ist aber auch bei David Easton politische Unterstützung positiv

besetzt -> denn ein beobachtbarer Rückgang der politischen Unterstützung wird als

Skepsis, Gegnerschaft, Feindseligkeit oder Ablehnung interpretiert

-politische Unterstützung ist auf das politische System gerichtet -> dabei unterscheidet

Easton aber zwischen verschiedenen Objekten & Arten der politischen Unterstützung



Objekte der Politischen Unterstützung nach Easton


Politische Gemeinschaft (political community)

• Def.: „group of persons, bound together by a political division of labour“ -> Gruppe

von Menschen, die durch politische Arbeitsteilung miteinander verbunden sind

• unterscheidet sich fundamental vom soziologischen Gemeinschaftsbegriff (bei

Tönnies z.B. ist Gemeinschaft eine überschaubare soziale Gruppe auf der Basis persönlicher Bekanntschaft & Nähe, in der die Gruppenmitglieder durch ein starkes „Wir-Gefühl“ eng miteinander verbunden sind

• entscheidend dafür, dass wir es mit einer politischen Gemeinschaft nach Easton zu

tun haben, ist das Merkmal der politischen Arbeitsteilung

• nur wenn die Gruppenmitglieder zur Kooperation bereit & fähig sind, werden sie in

allgemeinverbindliche Entscheidungsfindungen einwilligen


Politische Ordnung (political regime)

• politische Prinzipien, Philosophie, Werte

• differenziert hier noch einmal zwischen Werten, Normen & Strukturen

• dabei definiert er die politische Struktur als die Struktur der politischen Ordnung, die

er mit der Struktur der politischen Institutionen & Autoritätsrollen gleichsetzt


Politische Herrschaftsträger (political authorities)

• gemeint sind damit die Inhaber*innen politischer Ämter


—>ganz zentral für die Argumentation von Easton ist: diese 3 Objekte stehen in einer

Reihenfolge zueinander -> ihre Bedeutsamkeit für die Stabilität eines politischen

Systems nimmt von oben nach unten ab

—>d.h., für die Stabilität eines politischen Systems ist es nicht notwendigerweise problematisch, wenn die politischen Autoritäten an politischer Unterstützung verlieren ->

zumindest in Demokratien können sie in einem solchen Fall durch Wahlen ausgetauscht werden

• problematischer ist es aber schon, wenn sich der Entzug der politischen Unterstützung auf das nächste Unterstützungsobjekt erstreckt


• Strukturen als Element politischer Ordnung wichtig für reibungslosen Politik-Output

• politischer Unterstützungsentzug wird also Reformdruck auslösen & Anpassungen

erzwingen -> damit ist die Systemstabilität noch längst nicht gefährdet

• gefährlicher kann es schon werden, wenn auch den Normen die politische Unterstützung entzogen wird —>kann formale Normen (Verfassung) & informale Normen

(tolerantes, respektvolles & gewaltfreies Miteinander) betreffen

• noch gefährlicher für die Stabilität eines politischen Systems wird es, wenn keine oder nur noch wenig politische Unterstützung für die Werte der politischen Ordnung vorhanden ist

• Ernst Fraenkel unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen dem „kontro-

versen Sektor“ (politische Programme & Ziele) & dem „nicht-kontroversen Sektor“ (grundlegende Werte der politischen Ordnung, Art der Konfliktregelung) der Politik

Arten der politischen Unterstützung nach Easton


Unterscheidung nach spezifischer politischer Unterstützung (specific support) &

diffuser politischer Unterstützung (diffuse support)

• Easton weist beiden Formen eine unterschiedliche Relevanz für die Stabilität eines politischen Systems zu -> dafür ist nämlich v.a. die diffuse politische Unterstützung essentiell


Spezifische Unterstützung

-objektgebunden

-Ausdruck von Output-Zufriedenheit

-basiert auf der Bewertung allgemeiner Leistungen

des politischen Systems

• Bürger*innen vergleichen den Output & die von

ihnen wahrgenommenen politischen Handlungen

mit ihren eigenen Forderungen & Erwartungen

• also auch deshalb kurzfristig, weil die tatsäch-

lichen oder wahrgenommenen Leistungen des

politischen Systems schwanken können -> keine

sichere Bank für dauerhafte Stabilität eines

politischen Systems


Diffuse Unterstützung

-eher grundsätzlich

-abstrahiert von den Bewertungen des Outputs &

von der Ergebnissen konkreter Politik -> Reservoir

of „good will“, d.h., die Menschen bewerten die entspr. Unterstützungsobjekte nicht danach was sie tun, sondern was sie sind & schreiben ihnen einen Wert zu

-weniger instrumentell & v.a. weniger vordergrün-

dig an Kosten-Nutzen-Kalkülen ausgerichtet

• speist sich aus der Sozialisation eines Menschen

& aus seinen generalisierten Erfahrungen

• eher langfristig, weil weniger anfällig für kurz-

fristige Leistungsdefizite des politischen Systems

& seiner Akteure -> bedeutet aber nicht, dass

diffuse Unterstützung von länger anhaltenden

Funktionsmängeln des politischen Systems voll-

kommen unberührt bleibt

• für eine Weile kann sie temporäre Output-

Schwächen des politischen Systems kompen-

sieren -> genau darin liegt Bedeutung für die

Persistenz eines politischen Systems

• Machthaber in jedem politischen System werden

darum ein Interesse haben, in der Bevölkerung ein

großes Maß an diffuser politischer Unterstützung

herauszubilden, z.B. durch entsprechende Soziali-

sationsmechanismen in den Bildungsinstitutionen

• allerdings können sich langanhaltende Funktions-

defizite & Output-Probleme, z.B. in Folge gravie-

render Wirtschaftseinbrüche & dauerhafter Wohl-

standsverluste, mit der Zeit negativ auf die diffuse

politische Unterstützung auswirken

-zwei Subdimensionen: Legitimitätsglaube und Vertrauen



—>schließlich kann „bad governance“ auch eine Erosion der diffusen politischen Unterstützung bewirken

-> „spill over“-Effekte zwischen den beiden Unterstützungsarten d.h., je länger ein schwacher „specific support“ anhält, desto wahrscheinlicher ist, dass auch der „diffuse support“ erodiert

• eine anhaltend negative Output-Bewertung des politischen Systems & seiner Akteure wird den „good

will“ der Bürger*innen also allmählich aufzehren

Legitimitätsglaube und Vertrauen nach Easton


Legitimitätsglaube:

• steht bei Easton für unsere Überzeugung, dass es richtig & angemessen ist, die politischen Autoritäten zu akzeptieren & an den Anforderungen des Regimes festzuhalten, weil diese mit unseren eigenen Auffassungen von richtig oder falsch überein-

stimmen

• daraus ergibt sich die Implikation, dass wir die Handlungen von jenen, die wir als

legitim erachten, als bindend akzeptieren


Vertrauen:

• in Anlehnung an William Gamson ist Vertrauen bei Easton Ausdruck einer evaluativen

Orientierung der Bürger*innen, ob & inwieweit politische Autoritäten politische Ergebnisse produzieren, deren Qualität den normativen Ansprüchen der Regierten entspricht

• unser politisches Vertrauen basiert also auf unserer Bewertung, ob der von uns wahrgenommene politische Output unseren normativen Maßstäben entspricht (z.B. fair, gerecht, ehrlich, effektiv, responsiv, gemeinwohlorientiert)

• zentral sind dabei unsere Erfahrungen, die wir über längere Zeit hinweg sammeln ->

d.h. aber auch, dass sich Vertrauen nur sehr langsam aufbaut -> kann manchmal aber von einem einzigen negativen Ergebnis zerstört werden



• Easton ist dafür kritisiert worden, dass er die Vertrauens-Dimension diffuser politischer

Unterstützung analytisch nicht ganz sauber von der spezifischen politischen Unterstützung trennt -> denn sowohl für die spezifische politische Unterstützung als auch für das Vertrauen als Teil-Dimension diffuser politischer Unterstützung ist die Output-Bewertung wichtig

• auf diese Kritik wurde mit folgendem Argument reagiert:

—> bei „specific support“ ist der aktuelle, tagespolitische Output gemeint

—> beim politischen Vertrauen hingegen geht es um die generalisierte Output-Bewertung, d.h. also, um die Einschätzung des politischen Outputs über einen längeren Zeitraum hinweg

—>notwendige Unterscheidung zwischen Vertrauen & Legitimitätsglauben


• können unabhängig von einander variieren &

• können sich auch gegenseitig beeinflussen, z.B.

ein wachsendes politisches Vertrauen kann den noch schwachen Legitimitätsglauben der Regierten stabilisieren

• stabiler Legitimitätsglauben kann als eine Art Puffer wirken, wenn die Institutionen einer Demokratie mit einem sinkenden Vertrauen konfrontiert sind

—>Vertrauensdefizite ≠ Legitimitätsdefizite

• Legitimitätsdefizite sind bedrohlicher für die Überlebensfähigkeit politischer Systeme


Author

Maya G.

Information

Last changed