Vorraussetzungen
Zähne frei von Plaque und Zahnstein
alle nötigen Befunde (klinisch und radiologisch) vorliegend
Wünsche des Patienten + finanzielle Möglichkeiten
Diagnosen gestellt, Behandlungsbedarf (parodontal, endodontisch, restaurativ) erfasst und Therapieplan erstellt
Strategien zur Kariesbehandlung (Übersicht)
Non-invasive Strategien (Ansatzpunkt + Maßnahme)
Studie zur Approximale Versieglungen
Auftragen einer oberflächlichen Diffusionsbarriere aus Kunststoff (Gomez et al. 2005, Martignon et al. 2006)
Adaptation einer Kunststofffolie auf der Schmelzoberfläche („Patch“) (Schmidlin et al. 2006, 2008)
Mikroinvasive Therapie für approximale Initialkaries
Kariesinfiltration
Diffusionsbarriere innerhalb der kariösen Läsion (Paris et al. 2007, Meyer-Lueckel & Paris 2008)
Produkt: Icon (=Infiltraion CONcept)
Vorraussetzung für Infiltration
Entfernung der pseudointakten Oberfläche
ausreichende Trocknung der Läsion
Infiltrant mit hohem Penetrationskoeffizient
Icon - Entfernung der pseudointakten Oberfläche
erforderlich um Infiltration zu ermöglichen
15% HCl effektiver als 37% H3PO4
Materialien für Infiltration
Infiltrant = Material mit Penetrationskoeffizient über 50 cm/s
herkömmliche Adhäsive/Bondings nicht gut geeignet
Material: Triethylenglycol-Dimethacrylat (TEGDMA)
Indikation für Icon
aktive, nicht kavitierte approximale Läsionen mit Ausdehnung bis maximal ins äußere Dentindrittel (D1 )
Icon im Approximalbereich - Vorgehen
Befund (klinisch + radiologisch) + Indikation
Kofferdam
approximale Separation
Ätzen - 120 sek
Abspülen - 30 sek
Trocknen - 30 sek
Dry Agent (Ethanol) - 30 sek
Infiltrieren - 180 sek
Überschüsse entf - Zahnseide approximal
Härten - 40 sek von allen Seiten
ggf. Schritte einmalig 8-10 wiederholen - CAVE: nur 60 sek infiltrieren
Icon - Ätzen
15% HCl Ätzgel mit Approximal-Applikator
grüne Seite = fenestriert
2 Min wirken lassen
Icon - Trocknen
Applikationsfolie aus Zahnzwischenraum entf
Icon-Etch absaugen
mind. 30 s mit Wasser abspülen
mit öl- und wasserfreier Luft trocknen - 30 sek
Icon-Dry (Ethanol) mit Spritze auf die Läsionsstelle auftragen
30 s einwirken
mit öl- und wasserfreier Luft trocknen.
Icon - Infiltration
Icon-Infiltrant mit neuem Approximal-Applikator in den Zahnzwischenraum
für 3 Minuten einpenetrieren
Materialüberschüsse mit Zahnseide entfernen
Icon-Infiltrant von allen Seiten insgesamt mind. 40 s lichthärten
Material ein zweites Mal applizieren
1 Minute einwirken
Materialüberschüsse mit Zahnseide entf
Icon - Pat Aufklärung
Läsion im Rö noch nichtbar
falls Pat Praxis wechselt, soll er ZA aufklären, dass Icon Behandlung stattgefunden hat
ggf. Monitoring mit neuem Rö
Icon-Pass aushändigen
Evidenz zur Kariesinfiltration
-> Meyer-Lückel, Schult, Paris, 2019
6 publizierte randomisierte klinische Studien zur Wirksamkeit der approximalen Kariesinfiltration an bleibenden Zähnen
Läsionen bis maximal ins erste Dentindrittel (D1)
Kontrollgruppe: je nach Kariesrisiko zusätzliche non- invasive Maßnahmen wie Intensivierung der Zahnseidenbenutzung, Fluoridgele oder Fluoridlacke
Alle Studien: bessere Wirksamkeit der Kariesinfiltration in Bezug auf die Verhinderung einer Kariesprogression im Vergleich zur Kontrolle
weitere Indikation für Icon
White Spots während KFO Behandlung (30-70% der Pat)
MIH
Initiale Läsion auf glatter Schmelzoberfläche
Fluorose (leichte Form)
MZ Trauma
Verfärbung z.B. durch Tetrazykline (gering wirksam)
Icon Brechungsindex
Luft: 1,0
Wasser: 1,33
Schmelz: 1,62
Infiltrant: 1,52
Fazit Kariesinfiltration im Approxmial und FZ Gebiet
Approximalbereich:
effektiv, um die Progression von nicht-kavitierter approximaler Karies zu arretieren
ohne Zerstörung gesunder Zahnhartsubstanz
Frontzahnbereich:
gute Option zur Farbkaschierung bei White-Spots
sowohl iatrogen (KFO) als auch entwicklungsbedingt
Icon Kontraindikationen
Abrasionen
Erosionen
Wurzelkaries
Arretierte Karies
genetisch bedingte Schmelzläsionen
Läsion tiefer als äußeres Dentindrittel
Invasive Behandlung bei reiner Schmelzkaries
-> Vidnes-Kopperud, Tveit, Espelid 1983-2009
-> Doméjean-Orliaguet, Tubert-Jeannin, Riordan, Espelid, Tveit, 2004
Umfrage unter französischen Zahnärzten im Jahr 2004:
Ab welcher Läsionsgröße sollte invasiv behandelt werden
Fast 90 % der Zahnärzte behandeln die reine Schmelzkaries invasiv
Invasive Kariestherapie - Erforderlich bei
Immer erforderlich bei:
Kavitation
ab radiol. Ausdehnung bis ins mittlere Dentindrittel
Zugangskavität
C ex
dichte Restauration
Nachbarzahnverletzung bei approximaler Präparation + Problematik
verletzter Nachbarzahn in 100% der Fälle bei rotierenden Instrumenten
Schäden durch ZÄ (60%) und cmd (23%)
keine Risikominimierung durch Vergrößerungshilfen
Risiko: signifikant höheres Kariesrisiko bei iatrogener Verletzung
vermehrte Plaqueakkumulation
schwieriger Zugänglichkeit für die Mundhygiene
C ex - Zugang
Reinigung
mit grober diamantierter Kugel / abgerundeter Walze kürzester Weg zum Läsionsmittelpunkt
C ex - Exkavation
Zugangskavität erweitern (abgerundete Diamantwalze)
CAVE: mögl. Minimalinvasiv, Schmelzüberhänge belassen
Rosenbohrer (je größer, desto besser) langsamtourig (2.000 Upm)
Alternativ: Exkavator
CAVE: vollständige Entfernung auch in schlecht einsehbaren Bereichen, ggf. Zugangskavität erweitern
Idealzustand nach C ex
ausschliesslich infiziertes Dentin (äußeres kariöses Dentin =„infected layer“) vollständig entfernt
bakterienfreies, demineralisiertes Dentin (inneres kariöses Dentin = „affected layer") vollständig belassen
Endpunkt der C ex - mögliche Beurteilungskriterien
Härte
Farbe
Anfärbbarkeit mit Kariesdetektor
Fluoreszenz (FACE)
Anlösbarkeit von denaturiertem Kollagen
Kriterium Härte
Sondentest
Ritzbarkeit des Dentins mit Sonde
„Kleben Bleiben“ der Sonde bei axialem Sondieren
Geräusch der Sonde („cri dentinaire“)
Problematik
als „kariös verändertes“ bzw. „unverändertes“ Dentin interpretiert: subjektiv
nicht reliabel, da von Sondenform (Länge, Dicke, Spitze) und Anwendung (Anstellwinkel, Anpressdruck) abhängig
Kriterium Härte - Alternative
Polymer Rosenbohrer
trägt solange kariös veränderte Zahnhartsubstanz ab, bis Schneidengeometrie durch hartes Dentin (ab 60% der Härte von kariesfreiem Dentin) zerstört
Einweginstrument
reliable Exkavation durch konstante Härte des Instruments
im Vergleich zur „vollständigen“ Kariesexkavation basierend auf der sondierbaren Härte: etwa 0,5 mm weniger Zahnhartsubstanz entfernt
Kriterium Farbe
Diffusion von Farbstoffen aus Nahrung und von bakteriellen Stoffwechselprodukten
Folge: Änderung der optischen Eigenschaften (Farbe, Brechungsindex) von kariösem zu kariesfreiem Dentin
CAVE: „Farbe“ und „Transparenz“ keine validen Kriterien
Kriterium Anfärbbarkeit mit Kariesdetektor
Ziel: selektives Anfärben der Bereiche mit meisten Bakterien
Farbstoff mit langkettigen Lösungsmittel (Propylen-Glykol) gekoppelt
dringt in Demineralisationsporen vor, in die auch Bakterien vordringen
Vordringen in kleine Poren durch die Molekülgröße verhindert
CAVE: tendentiell Überinterpretation der Befunde (>Überexkavation) bei Verwendung von Kariesdetektor insbesondere im pulpanahen Dentin
Kriterium Fluoreszenz
FACE – fluorescence aided caries excavation
Ziel: bakteriell besiedelte Bereiche selektiv abtragen
Funktion: Fluoreszenz von Porphyrinen (bakt. Stoffwechselprodukte)
Anregung durch violettes Licht (405 nm)
bakteriell infiziertes Dentin: rot
bakterienfreie Bereiche: grün
FACE = reliables Exkavationskriterium
Kriterium Anlösbarkeit von denaturiertem Kollagen
Ziel: Anlösen von kariösem Dentin durch Peptide, Enzyme oder Natriumhypochlorit -> Endpunkt der Exkavation
Produkt :Carisolv (OraSolv) auf Basis von Natriumhypochlorit
Vorteil: Schonende Kariesexkavation mit definiertem Endpunkt
Hinterläßt weichere Oberfläche als Exkavation bis in unverändertes Dentin
Nachteil: erhöhter Zeitaufwand durch manuelle Exkavation (in Praxis nicht durchgesetzt)
Konzept der vollständigen Kariesexkavation
Kompromisslose Entfernung bis in gesundes Dentin
Häufigstes Kriterium: Sondenhärte
immer anzuwenden bei
flachen und mitteltiefen Läsionen
in pulpafernen Bereichen tiefer Läsionen
Vorteil:
Bessere mechanische Qualität des Dentins
Bessere Voraussetzungen für adhäsiven Verbund
Nachteil:
in pulpanahen Bereichen Gefahr der Übertherapie und Pulpaexposition
Vorgehen bei pulpanaher Karies
alle Zähne enthalten entzündete Pulpabereiche
der wahre histologische Pulpazustand ist klinisch nicht bestimmbar
Biomarker zur Pulpadiagnostik? - (noch) keine etablierte Methode
Risiko: Pulpaexposition verringert die Lebenszeit des Zahnssignifikant
Behandlungsstrategie bei pulpanaher Karies
Studien zum belassener pulpanahmer Karies
-> Mertz-Fairhurst, 1998
dichte Komposit Restaurationen auf nicht vollständig entfernter Karies im Dentin, arretiert die Kariesprogession für den Beobachtungszeitraum von 10 Jahren
-> Schwendicke, 2016
Empfehlung zur weniger invasiven Karies Entfernung
Konzept der selektiven Kariesentfernung - Voraussetzung + Ziel
Voraussetzung für Vitalerhaltung der Pulpa
keine irreversiblen Pulpitis
keine apikalen Parodontitis.
„vollständige“ Kariesentfernung pulpafern
pulpanah: Belassen kleinerer Areale demineralisierten Dentins vertretbar
Ziel: Vermeidung Pulpaexposition
Wie selektiv darf C ex sein?
derzeitig noch keine klare Empfehlung möglich, Menge an Restkaries auch nicht exakt bestimmbar
reduzierte Haftwerte auf kariösem Dentin (klinische Relevanz?)
Einfluss von Vorschädigung / Regenerationspotential der Pulpa?
Risiko:
Entzündungsvorgänge in Pulpa bei größeren Mengen an zurückgelassenen Bakterien/Toxinen
Füllungsfraktur
Endpunkte der selektiven Kariesentfernung
Versorgung pulpanahen Dentins - Ziele
Eliminierung im Dentin zurückgelassener Bakterien (Antibakterielle Wirkung) und deren Toxine
Neutralisation des sauren Dentins (Alkalisierung)
Induktion der Tertiärdentinbildung Schutz der Pulpa vor Monomeren (Barrierefunktion)
Versorgung pulpanahen Dentis - Studie
-> Buchalla, Frankenberg, Galler , Krastl, Kunzelmann, Paris, Schäfer, 2017
keine klare Evidenz für die gesonderte Versorgung des pulpanahen Dentins
biokompatible und über langen Zeitraum Hydroxylionen abgebende Materialien bei geringer Restdentinstärke (< 0,5 mm) empfohlen
Präparate:
Kalziumhydroxidpräparate
hydraulische Silikatzemente (z.B. MTA, Biodentin)
Selektive Kariesexkavation: zweizeitiges (schrittweise) Vorgehen + Prognose
Erste Sitzung
selektive Exkavation pulpanah um Pulpaeröffnung zu vermeiden
indirekte Überkappung, z.B. mit Kalziumhydroxid ,anschließend stabile, dichte temporäre Restauration.
Zweite Sitzung (nach 2-6 Monaten)
Re-Entry
Entfernung verbliebenen kariösen Dentins bei reduzierter Gefahr einer Pulpafreilegung
Definitive Restauration
bessere Prognose für einzeitige (80%) vs. schrittweise (56%) selektive Kariesexkavation nach 5 Jahren
Vitalerhaltung durch selektive oder vollständige Kariesexkavation - kontroverse Studie
-> Bjørndal, 2017
Mögliche Ursachen (M&M mangelhaft)
Blutstillung / Spülung der exponierten Pulpa mit NaCl, keine Desinfektion
Kalziumhydroxidzement (Dycal) als Überkappungsmaterial
Temporäre Restauration (GIZ) für 1 Monat
Partielle Pulpotomie mit MTA
-> Hecker, Amato, Krastl, Weigner, 2010
Empfehlung eines strinkten Protokolls mit Verwendung von
Vergrößerungshilfen
Desinfektionslösung
Hydraulische Kalziumsilikatzemente
Einflussfaktor Patientenalter - direkte Überkappung und partielle Pulpotomie
Reduzierte Regenerationsfähigkeit durch Pulpaveränderungen mit zunehmendem Alter: > zellärmere und faserreichere Pulpa
direkte Überkappung:
höhere Erfolgssicherheit für jüngere Patienten
kein Einfluß des Patientenalters
partielle Pulpotomie:
kein Angabe aber ausschliesslich Kinder und Jugendliche
kein Angabe
Erfolgsraten direkte Überkappung vs partielle Pulpotomie
Direkte Überkappung:
stark schwankende Erfolgsraten in der Literatur
bei korrekter Indikation und technischer Durchführung nach 10 Jahren Erfolgsraten von 60% (mit Kalziumhydroxid) bzw. 80% (mit MTA)
Erfolgraten Partielle Pulpotomie
mit MTA nach 2 Jaren: 85-97%
mit MTA nach 4 Jahren: 94%
Fazit - cp vs Partielle Pulpotomie + mögliche Entscheidungskriterien
-> Dammaschke, Galler, Krastl, 2019
höhere propgaierte Erfolgswahrscheinlichkeit der selektiven oder schrittweisen Kariesexkavation gegenüber vitalerhaltenden Maßnahmen nach Freilegung der Pulpa nicht feststellen.
Aufgabe zukünftiger, gut geplanter klinischer Studien herauszufinden, welche Vorgehensweise langfristig bessere Voraussetzungen für den Vitalerhalt der Pulpa schafft
mögliche Entscheidungskriterien:
Einfachheit der Durchführung
endodontisches Know-How u. Ausstattung
Pulpaeröffnung trotz selektiver Exkavation
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