Wie hat sich Ethnizität in Ruanda historisch herausgebildet?
Insgesamt schlechte Quellenlage über die Historie Ruandas
Bis zum 16. Jahrhundert war das Land von Großfamilien und Clans geprägt
Ab dem 16. Jahrhundert gründete die herrschenden Gruüüen (“Abami”) in Zentralruanda ein Staatswesen, dass schließlich von den Mwami geführt wurde
Zwischen Tutsi und Hutu herrschte Patron-Klientenbeziehung geprägt durch Konzept der Ethno-Klassen
85% der Bevölkerung Hutu und 14% Tutsi
Unterscheiden sich nicht durch klassische ethnische Kategorien (Sprache, Religion), sondern Ethno-Klassen-Konzept; in der Position im sozialen Klassengefüge, die über den Viehbestand bestimmt war
Ethnische Differenz rilativiert, insgesamt Grenzen fließend, da die meisten Großeltern aus beiden Volksgruppen hatten
Entwicklung bis zur Unabhängigkeit
Berliner Kongo-Konferenz 1884/85; Deutschland sicherte dabei Anspräche in Ostafrika und trug mit rassistischen Theorien zur Politisierung von Ethnizität bei
1916 Einnahme durch Belgien
1930er Beginn systematische Politik der “Tutsifizierung”
Identitätskarten mit Angaben zur ethnischen Zugehörigkeit führten zu einer Zementierung der Ethnisierung des eigentlich fluiden Verhältnis zwischen Tutsi und Hutu
1946 verwaltete Belgien Rwanda als Treuhandgebiet der UNO
Hinterlassenschaft der Kolonialpolitik
Migrationstheorien als Ursprungsgeschichte von Hutu, Tutsi und Twa
Tutsi seien über Äthiopien nach Ruanda gekommen, seien den Hutu (angeblich) überlegen und näher an der arischen Rasse
Bevorzugung der Tutsi (über Identititätskarte, Quoteneinführung) beim Zugang zu Verwaltung, Bildung und der Armee
Führte zu einer Verstärkung der Abgrenzung zwischen Hutu und Tutsi
vorkoloniales System des Klientelwesens wurde sukzessiv durch systematische Ausbeutung ersetzt
Inwiefern war die "soziale Revolution" von 1959-61 eine Weggabelung für die Konfliktentwicklung?
Kurz vor Unabhängigkeit Wuchs der Druck auf die Kolonialherrschaft und als eine Wiedergutmachung für die starke Benachteiligung der Hutu unterstütze die belgische Kolonialverwaltung nun die Hutu
“Manifest der Bahutu” 1957
revolutionär:
Ende der Tutsi-Dominanz durch angemessene Teilhabe der Hutu an pol. MAcht
Teilhabe am ökonomischen Wandel
gerechtere Landverteilung
ethnizistisch/rassistisch geprägt
Tutsi reagierten in einem offenen Brief und verwiesen auf überlegene Kaste ihrerseits = manifestierte koloniale Herrschaft
Soziale Revolution Konfliktgegenstände und “Weggabelung” (critical juncture)
Hutu Elite forderte Machtteilung und erkannte Tutsi-Überlegenheit nicht an
Bis zu 20.000 Tutsi getötet
1960 stark ethnisierte Wahlen
Ruanda und Burundi gleichzeitig unabhängig, bei 300.000 geflohenen Tutsi politsche-Ethnizität vorprogrammiert
Flüchtlingsproblematik als neuer Konfliktgegenstand
Pfadabhängigkeit von Konfliktentwicklungen
Zyklus und Gewalt:
Beide begannen sich zu militarisieren
Tutsi Milizen (Kakerlaken)
Kämpfe und Progrome
militärische Auseinandersetzungen
Strukturelle Faktoren der genozidalen Gewalt 1990-1994
1) Ethnisierte Herrschaft: Das Regime von Gregoire Kaybanda
Ethnokratie mit verengter Machtbasis
autoritäre bis diktatorische Einparteienherrschaft der MDR-Parmehutu, gestützt auf die Heimatregion in zentral Rwanda
Ausschluss der Hutu im Norden
Exklusion von Tutsi
limitierte Machtbasis da adurchaus verfeindete Gruppen
Ressourcenmangel und Landrechtsverletzung/-konflikte
Unter Kaybanda kein nationales Entwicklungsprojekt (hin zu Modernisierung)
Flüchtlingsgemeinschaften
Selektiver Genozid in Burundi 1972 von Tutsi an Hutu
Ausgelöste Flüchtslingsbewegung destabilisierte Rwanda
2) Gescheiterte Modernisierung: Das Regime von Juvenal Habyarimana (73-94)
1973 nutzte er das durch Fluchtbewegung, Ressourcenmangel instabile System für einen Staatsstreich
Modernisierungs Ethnokratie
Veränderte Herrschafts- und Entwicklungsmodell
Bäuerlicher Kapitalismus, bei starker außenwirtschaftlicher Abhängigkeit, Verbleib im primär Sektor, keine Tendenz für Strukturwandel
Keine Lösung für ethno-soziale Frage oder Flüchlingsproblematik
Machtbasis
Militär und ethno-regionale Unterstützung aus dem Norden und seiner Heimatregion
“politisch gesäubert” Autokratie / Entwicklungsdiktatur
Einheitspartei
Fassadenwahlen
Reform Tendenzen
Im Geschäftsleben, Bildungsbereich und öffentlichen Diensten konnten Tutsi Fuß fassen
Zugnag zu politischer Macht blieb verschlossen
3) Unterstützung internationaler Entwicklungshilfen als Verfestigung des bäuerlichen Kapitalismus und Blockade für Strukturwandel im Sinne einer Tertiärisierung
Modell des bäuerlichen Kapitalismus als moderne marktwirtschaftliche Entwicklung wurde 1989-90 stark durch hohe Entwicklungshilfeleistungen unterstüzt, die auch Staatsausgaben enorm hebelten ABER
Modernisierungsideologie allerdings wenig erfolgreich, da Rwanda am Ende ein armer Agrarstaat geblieben war
geringe Industrialisierung, enorm abhängig von außenwirtschaftlichen Schwankungen
Hohe Bevölkerungsdichte verbunden mit Landknappheit und der Frage nach Bodenrechten als sozialer Sprengstoff
Gerade bei bäuerlichem Kapitalismus-Modell Landrechte von essenzieller Bedeutung
Drei Achillesfersen des Habyarimana-Regimes und globale und regionale Dynamiken
Habyrimana-Regime:
Außenwirtschaftliche Abhängigkeit (hohe Verwundbarkeit aufgrund Primärsektor Staat) und sozio-ökonomische Schwäche
Tutsi-Diaspora in den Nachbarstaaten militarisierte sich und vereinheitlichte siche gegen die Tutsis
Globale und regionale Dynamiken:
Zusammenbruch des Internationalen Kaffeeabkommens und Verfall der Kaffeepreise
Staatseinnahemen aus Kaffee sanken um 1/3
Pro-Kopf-EK singt um 40% bis 1993
Angst vor relativer Deprivation (Statusverlust) und realem Verlust der sozioökonomischen Grundlagen
Verbunden mit fortdauerndem Bevölkerungsdruck (abnehmende landwirtschaftliche Erträge, Dürren, exzessive Regenfälle, Pflanzenseuche)
RPF Tutsi Einmarsch 1990 im Norden Ruandas
gerieten zunehmend unter Druck auch durch die Ablehnung internationalem Engagements und der Wahrnehmung eines zunehmenden französischen Engagements in Ruanda
Einmarsch vom Norden aus in Rwanda griff die Koexistenz der ökonomischen Tutsi-Elite und der poltischen Hutu-Elite an, da sie resentiments verstärkte
Tutsi somit Anfangs auch als Konfliktanfechter
Demokratisierungsdruck und interne Machtkonstellation Auf internationalen Druck Übergangsregierung inklusive moderater Oppositionsparteien 1992
1993 Arusha-Vereinbarung H., RPF
H. als spoiler Unterzeichnung nur durch internationalen Druck und keine Umsetzung
Gradwanderung zwischen dem Westen zugewendet und Wirken chauvinistischer Kräfte
Das Regime von Habyarminana (1973-94) wurde vom Westen (auch von Deutschland) stark unterstützt.
Positiv/negativ?
Modell des bäuerlichen Kapitalismus als moderne marktwirtschaftliche Entwicklung wurde 1989-90 stark durch hohe Entwicklungshilfeleistungen unterstüzt, die auch Staatsausgaben enorm hebelten
Akteursanalyse im internen Eskalationsprozess
Starke Zersplitterung und Konkurrenz innerhalb verschiedener Akteursgruppen
Reformer (bis 1994):
MDR: Nachfolger der MDR-Parmehutu (Einparteienherrschaft unter Kaybanda) vertraten insbesondere Interessen der Hutu im Süden des Landes
Sozial-demokratische Parteien, christ-demokratische Parteien und liberale Parteien, die teilweise auch Unterstützung von Tutsi-Leuten erfuhren
(vermeintliche) Bewahrer:
Partei des Hutu-Präsidenten Habyarimana
Umbenennung seiner Partei in Mouvement Republican pour le Developpement et la Democratie (MRND)
Etikettenschwindel; lediglich auf internationalen Druck war Habyarimana bereit ein Mehrparteiensystem einzuführen, wobei er sich weitreichende Vollmacht vrobehielt (limited spoiler, da eingeschränkt durch internationalen Druck/Aufmerksamkeit)
Spoiler:
formatierten sich in der CDR (gegründet aus extremistischen Anhängern Habyarimanas Partei MRND und Habyarimana’s Unterstützung) und zeichneten sich durch Hutu-Chauvinismus aus (rassisitsch), bauten sich systematisch in Milität, Milizen und Medien (extremistisches Radio) eine Machtbasis auf
Kleiner engerer Machtzirkel (Akazu = “kleines Haus”), vor allem aus dem Nordwesten Rwanda’s, der durch Verbindung Chauvinismus und Militär geprägt war (u.a. Habyarimana’s Frau teil dessen)
Ethnokratie mit limitierter Machtbasis, denn spiegelten nur einen Teil der Hutu wieder
Aufbau von Milizen, die MRND (Habyarimanas direkte Partei) und CDR nahestanden
Ab 1990 starke Zunahme der Mitglieder; Maßnahmen zur sozialen Ligitimation fruchteten (Fußballclubs für Straßenkinder)
1992 wurden Milizen trainiert und ausgebildet, Waffenlager angelegt
=> Vorbereitung auf Völkermord der Tutsis
Mobilisierungs- und Meinungsmache-Taktiken und allgemeines Vorgehen
Einsatz manipulativen Instrumenten, erleichtert durch Liberalisierung der Medien:
Tutsi und RPF (einmaschierte Tutsi-Miliz) alls Befürworter der kolonialen bzw. feudalen Strukturen
Dehumanisierung des Feindes (Ungeziefer, Kakerlaken)
Hassreden
Desinformationen bspw. angebliche Bombenexplosion ind Kigali oder Aufdeckung geheimer RPF-Pläne zur Tötung der Hutu-Politiker
RTML (Radiosender) verbreitete dieses Material
1993 Befeuert wurde das ganze durch den Sturz des demokratisch gewählten Präsidenten Burundis, was 350.000 Burundier in das südliche Rwanda fliehen lies
Feuer auf den Mühlen der extremistischen Hutus, die die Vorkommnisse als Mahnmahl misbrauchten
06.04.1994 Einsetzen des systematisch geplanten Völkermords
Nach Abschuss des Präsidentenmaschine Habyarimana + gestürzter burundische Hutu-PräsidentTRIGGER
Binnen fünf Tagen 20.000 Ermordungen in Kigali
Tutsi, Twa, moderate Hutu, moderate Politiker der Übergangsregierung (=Coup = nicht nur ethnisch/rassistisch geprägt, sondern auch Bremser beseitigt)
Identitätskarten ermöglichten gezielte Identifikation
Hierarchisch organisiertes System ermöglichte präzise Todeslisten
Externe Akteure, Einmischung und gescheiterte Prävention
Externe Konfliktbeteiligte
Auf Seiten der Regierungskräfte (FAR)
Frankreich: massives militärisches Engagement
Zaire
RPF
Uganda
=> Externe Engagement/fehlerhaftes Krisenmanagement hat signifikant den Genozid wahrscheinlicher gemacht (Fokus auf Krieg, anstatt auf bevorstehenden Genozid)
Externe (zögerliche) Vermittler
Organisation für afrikanische Einheit
Subraregionale Akteure (Zaire, Tanzania)
Vereinte Nationen (UNAMIR I und II)
Belgien, USA
UN-Engagement; Versagen und Optionen
Versagen
These, dass umfassende (militarisierte) Zwangsstrategie durch UN Genozid hätte stoppen/aufhalten können (u.a. Vorschlag Truppenchefs)
Blockierer: USA (Somalia-Trauma), Frankreich (eigene Operation), Belgien (Abzug nach Ermordung belgischer Soldaten)
Ignoranz der Hasspropaganda, Ausbildung der Milizen und des “Genocide Fax” von Januar 94
Offensive Intervention wurde abgelehnt, vor allem Blockade USA wurde von UN-Staatssekretariat implementiert
gewähltes Vokabular seitens USA zur Abwendung/Fossierung einer Intervention “acts of genocide”, aber nicht politisch geplanter Genozid
Welche Strategie verfolgten die Völkermörder? Wären mögliche
Gegenstrategien denkbar gewesen
Antwort: Die Strategie der Völkermörder bestand darin, Tutsi und gemäßigte Hutu zu identifizieren und zu töten. Dazu wurden Listen mit Namen von Tutsi erstellt und verbreitet, um ihre Identifizierung und Ermordung zu erleichtern. Die Milizen und paramilitärischen Gruppen wurden mobilisiert und bewaffnet, um Angriffe auf Tutsi und gemäßigte Hutu durchzuführen. Propaganda und Hetze gegen Tutsi in den Medien und Schulen trugen auch dazu bei, die Bevölkerung auf den Völkermord vorzubereiten.
Es gab mögliche Gegenstrategien, um den Völkermord zu verhindern oder zumindest zu begrenzen. Eine Möglichkeit wäre gewesen, eine internationale Friedenstruppe zu entsenden, um den Konflikt zu deeskalieren und den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, die Entwaffnung der Milizen und paramilitärischen Gruppen durchzusetzen und die Verbreitung von Listen mit Namen von Tutsi zu unterbinden. Darüber hinaus hätten westliche Länder früher handeln können, um den Konflikt zu deeskalieren und den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten.
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