Was liegt Motivationalem Verhalten zugrunde?
Motivationalem Verhalten liegen u. a. neuronale Strukturen zugrunde, deren Aufgabe darin besteht, lebenserhaltende Verhaltensweisen zu fördern
Das beinhaltet sowohl das vermehrte Aufsuchen von
positiven Ereignissen oder Reizen (z. B. kalorienreiche Nahrung)
als auch von Verhaltensweisen, die zum Ausbleiben aversiver Reize führen
Beide genannten Verhaltensweisen werden durch Verstärkung begünstigt und führen neuronal zur Vermittlung eines Belohnungsgefühls, das dafür sorgt, dass das Verhalten wiederholt eingesetzt wird
Das Vorhandensein eines solchen Belohnungssystems ist also lebenswichtig, birgt aber leider auch das Risiko, dass nicht lebenswichtige Substanzen (z. B. Drogen) oder Ereignisse (z. B. das Bedienen von Spielautomaten) eben diese neuronalen Systeme aktivieren und damit sich selbst verstärken
Welche Entdeckung machten James Olds und Peter Milner 1954?
Die 1954 durch James Olds und Peter Milner gemachte bahnbrechende Entdeckung der Existenz eines körpereigenen Belohnungssystems bei Laborratten basiert, wie so vieles in der Wissenschaft, auf einem ursprünglichen Versuchsfehler
Belohnungsprozesse waren überhaupt nicht das Ziel der tierexperimentellen Studie
Allerdings verfehlte eine der ins Gehirn der Tiere implantierten Elektroden ihr Ziel – die Formatio reticularis – und wurde stattdessen in der Nähe des Septums platziert
Die Forscher beobachteten nun zu ihrer Verwunderung, dass das Tier, nachdem eine elektrische Reizung des Gehirns über die Elektrode erfolgt war, wiederholt die Stelle im Käfig aufsuchte, an der es gereizt worden war
Die Forscher erkannten, dass sie hier etwas Interessantem auf der Spur waren und begannen nun, das Phänomen gezielt wissenschaftlich zu untersuchen
Letztlich gaben sie dem Tier die Möglichkeit, sich selbst durch einen Hebeldruck elektrisch zu reizen – das wird auch als intrakranielle Selbststimulation bezeichnet („intracranial self-stimulation“, ICSS)
Das Tier tat das teilweise bis zur Erschöpfung und auch unter Vernachlässigung anderer wichtiger natürlicher Verstärker (z. B. Nahrungsaufnahme)
Was ist ICSS?
die Möglichkeit, sich selbst durch einen Hebeldruck elektrisch zu reizen
das wird auch als intrakranielle Selbststimulation bezeichnet („intracranial self-stimulation“, ICSS)
Über welche Regionen erstreckt sich das Belohnungssystem?
Wie sich herausstellte, stehen im Zentrum dieses positiven Verstärkersystems das meso-kortiko-limbische System und vor allem dessen dopaminerge Projektionen vom ventralen Tegmentum (VTA) des Mittelhirns in das ventrale Striatum, insbesondere zum Nucleus accumbens
Dieser dient als eine Art Schaltstelle und leitet wichtige Verbindungen zum präfrontalen Kortex weiter
Weitere gegenseitige Verknüpfungen bestehen zudem zwischen VTA und dem Hippocampus, der eine wichtige Rolle bei Gedächtnisprozessen spielt
Der Nucleus accumbens wird zudem bezüglich seiner Verbindungen in seine Kern- und die Randregionen unterteilt
Die Randregion vermittelt offenbar insbesondere den Einfluss von primären (natürlichen) Verstärkern
während die Kernregion für die Verbindung mit klassisch konditionierten Stimuli (sekundären Verstärkern) verantwortlich ist
Eine weitere wichtige Funktion übernimmt die Amygdala, die beim Abrufen von Verhaltensreaktionen auf konditionierte Hinweisreize, insbesondere bei emotional relevanten Ereignissen, beteiligt ist
Wodurch wird das Belohnungssystem aktiviert?
Das Belohnungssystem ist phylogenetisch schon sehr alt und wird aktiviert durch
natürliche (primäre) Verstärker
sekundäre Verstärker
Substanzen (wie Alkohol, Psychostimulantien und weitere Drogen)
Allerdings kommt es durch Drogen zu einer weitaus stärkeren Aktivierung des Systems als durch natürliche Verstärker
Was zeigen Studien über den Zusammenhang von Dopamin und dem Belohnungssystem?
Viele Studien konnten zeigen, dass der Neurotransmitter Dopamin dabei nicht etwa das Lustgefühl der Belohnung vermittelt, sondern vielmehr dann aktiviert wird, wenn die Belohnung eine Überraschung darstellt oder dann, wenn mit der Belohnung verknüpfte Reize eine Belohnung im Vorfeld ankündigen
Dopamin ist also eher mit der Vorfreude auf die Belohnung assoziiert als mit dem konsumatorischen Aspekt und motiviert daher den Organismus, sich um das Erlangen der Belohnung zu bemühen
Durch welche Systeme wird das eigentliche Lustempfinden beim Konsum vermittelt?
Das eigentliche Lustempfinden beim Konsum der erlangten Belohnung wird durch andere Botenstoffsysteme vermittelt, insbesondere durch das Zusammenspiel zwischen
dem körpereigenen opioiden System (körpereigene Opioide, wie Endorphin) und
dem cannabinoiden System (Endocannabinoide, wie Ananadamid)
Beide Botenstoffsysteme interagieren sehr eng sowohl miteinander als auch mit dem meso-kortiko-limbischen Dopaminsystem
Was ist charakteristisch für Abhängigkeitserkrankungen?
Abhängigkeitserkrankungen, wie beispielsweise eine Alkoholabhängigkeit, gehören zu den häufigsten neuropsychiatrischen Erkrankungen weltweit
Charakteristisch für diese Erkrankungen sind…
die Toleranzbildung gegenüber der Droge
Entzugserscheinungen bei Abstinenz
ein starkes Verlangen („Craving“) nach der Droge
Kontrollverlust oder Kontrollminderung im Umgang mit der jeweiligen Substanz
Wie definiert die WHO Abhängigkeitserkrankungen?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellt bei ihrer Definition von Abhängigkeitserkrankungen insbesondere den fließenden Übergang von normalem oder gelegentlichem Konsumverhalten zur Abhängigkeitsentwicklung in den Vordergrund:
„Abhängigkeit ist ein Syndrom, das sich in einem Verhaltensmuster äußert, bei dem die Aufnahme der Droge Priorität gegenüber anderen Verhaltensweisen erlangt, die früher einen höheren Stellenwert hatten […] es muss nicht dauernd vorhanden sein […] Abhängigkeit ist nicht absolut, sondern existiert in unterschiedlicher Stärke
Wie wird die Intensität des Konsums gemessen?
Was ist die extremste Form der Abhängigkeit?
Die Intensität des Syndroms wird an den Verhaltensweisen gemessen, die im Zusammenhang mit der Drogensuche und -aufnahme gezeigt werden und anderen Verhaltensweisen, die daraus resultieren“
In der extremsten Ausprägung ist eine Abhängigkeitserkrankung durch zwanghaften und unkontrollierten Substanzkonsum gekennzeichnet
Was bezeichnet man als Toleranz?
Als Toleranz bezeichnet man einen Wirkungsverlust der Substanz bei vermehrtem und wiederholtem Konsum
Der Organismus habituiert gewissermaßen an das Vorhandensein der Droge und (neuro-) physiologische Gleichgewichte werden entsprechend angepasst
Somit werden mit der Dauer der Einnahme immer höhere Dosen derselben Droge benötigt, um noch ähnliche Wirkungseffekte zu erzielen
Toleranzentwicklung und Entzugsaspekte sind nicht Teil der Abhängigkeitsdefinition der WHO, da hier eher die ansteigende Ausschließlichkeit der Drogensuche – insbesondere das „Craving“, also das Verlangen nach der Substanz – im Vordergrund steht
Damit wird der Zwanghaftigkeit des Aufsuchens der Droge mehr Aufmerksamkeit zugesprochen, und eben nicht dem lustvollen Konsumieren, der Toleranz und der Beendigung von Entzugssymptomen
Warum sind Toleranzentwicklung und Entzugsaspekte sind nicht Teil der Abhängigkeitsdefinition der WHO?
Welche Gemeinsamkeiten/Unterschiede zeigen Suchtstoffe in ihrer grundsätzlichen Wirkweise und ihrer Pharmakokinetik?
Unterscheide:
Interessanterweise unterscheiden sich alle Suchtstoffe deutlich in ihrer grundsätzlichen Wirkweise
und ihrer Pharmakokinetik
Gemeinsamkeit:
die Aktivierung des Belohnungssystems und
die damit verbundene Wirkung auf Prozesse der Verhaltensbewertung und Motivationsbildung
Was beeinflussen Drogen?
Alle Drogen, mit Ausnahme einiger halluzinogener Substanzen, beeinflussen durch ihre pharmakologische Wirkung die Bewertung des mit dem Substanzkonsum verknüpften Verhaltens, das im Folgenden belohnungsankündigend wirkt
Damit wird die wiederholte Einnahme verstärkt und Aufmerksamkeitsprozesse auf Stimuli, die mit der Substanzeinnahme verbunden sind, verschoben (positive Wahrnehmungsselektion)
Was ist die Pharmakokinetik?
Unter Pharmakokinetik versteht man die Gesamtheit aller Prozesse, denen eine Substanz im Körper unterliegt, inklusive der Aufnahme, der Verteilung im Körper, dem biochemischen Um- und Abbau sowie der Ausscheidung.
Welche Rolle spielen Lernprozesse bei der Entwicklumg einer Abhängigkeitserkrankung?
Auch Lernprozesse spielen bei der Entwicklung einer Abhängigkeitserkrankung und insbesondere der Bewertung von drogenrelevanten Stimuli eine wichtige Rolle
Diese Prozesse werden neuropharmakologisch vor allem durch die Interaktion des glutamatergen und des dopaminergen Neurotransmittersystems vermittelt
Die positiven Erfahrungen der Drogeneinnahme führen zu einer Verstärkung von Lernprozessen bezüglich aller Hinweisreize, die die Verfügbarkeit der Substanz oder den unmittelbaren Konsum ankündigen und damit die Vorfreude auslösen
Ein solcher Stimulus kann z. B. ein Feuerzeug für einen Raucher sein oder der Anblick einer halb gerauchten Zigarette
Entsprechend klassischen Konditionierungsprozessen können damit ursprünglich neutrale Stimuli, die mit dem Drogenkonsum assoziiert wurden, wiederum zum neuen Konsum motivieren
In welchen Phasen verläuft eine Abhängigkeitserkrankung?
Der Verlauf einer Abhängigkeitserkrankung erfolgt dabei in verschiedenen Phasen:
gelegentlicher Konsum,
Anfangsphasen der Abhängigkeitsentwicklung,
spätere Phasen der Abhängigkeitsentwicklung,
Entzug,
Abstinenz und
Rückfall.
Wodurch sind die ersten Phasen der Abhängigkeitserkrankungen bestimmt?
Die anfänglichen Phasen der Abhängigkeitsentwicklung sind insbesondere durch positive Lernprozesse, den motivationalen Drogenanreiz sowie die Aufmerksamkeitsverlagerung auf drogenrelevante Reize bestimmt
Natürliche Verstärker rücken in den Hintergrund und die Motivation für das Erlangen der Droge sowie die Suche nach der Droge stehen immer mehr im Vordergrund
Was tritt in den späteren Phasen der Abhängigkeitserkrankungen auf?
In späteren Phasen der Erkrankung herrscht ein zwanghaftes Konsummuster vor, das durch automatisierte Verhaltensreaktionen begünstigt wurde
Wodurch kennzeichnen sich Phasen der Abstinenz der Abhängigkeitserkrankungen?
Gelingt es einem Patienten, in Phasen der Abstinenz einzutreten, ist die Erkrankung allerdings noch immer nicht besiegt
Auch in Abstinenzphasen können zuvor konditionierte Stimuli oder auch Stresserfahrungen jederzeit einen Rückfall in den Substanzkonsum bewirken
Wie verlaufen die Phasen der Suchtentwicklujg nach Yalachkow?
(Siehe Abb Ende L5)
1.Beginn des Komsums
belohnungsorientiertes Lernen
2.frühe Phasen der Sucht
hohe motivationale Anreizwerte
natürliche Verstärker weniger wirksam
Aufmerksamkeitsbias für die Droge / Drogenreize
3.späte Phasen der Sucht
zwanghafte Gewohnheiten
automatisiertes Verhalten
beeinträchtigte exekutive Funktionen
4.Entzug
5.Abstinenz
6.Rückfall
Konfrontation mit konditionierten Reizen, Stress und der Substanz selbst
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