Buffl

Erziehung

SF
by Sarah Katharina Julia F.

Der historische Erziehungsbegriff

  1. Das gesellschaftliche Umfeld


ab. Mitte 18. Jhd.: Verschärfung der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zwischen herrschender Schicht und zur Macht strebendem Bürgertum -> Entladung des Konflikts in Französischer Revolution 1789


Bestandsaufnahme (vgl. Baumgart 2001, Menck 1999)

1) Agrargesellschaft

  • Verhinderung der Industrialisierung durch feudalabsolutistische Wirtschaftsformen

  • Mehr als 80% der Bevölkerung abhängig vom Land

  • Hungerkrisen/Seuchen

  • Traditionelles Zunftwesen -> Regulierung der Produktion

2) Geburtsständische Gesellschaft als soziale Ordnung

  • Klerus/Adel (3% der Bevölkerung): Besitz von 1/2 des Bodens; keine Abgabeleistung; politische Macht und Privilegien

  • unterschiedliche soziale Schichten als 3. Stand: Bauern, Plebejer, Industrieproletariat, Tagelöhner, Bettler, Bürgertum, Pflichten ohne politische Rechte

  • Schlüsselrolle = aufstrebendes Bürgertum als “gebildeter Stand”

    • Ohne festen Platz in geburtsständischer Ordnung

    • Sozialer Motor der Aufklärung

3) System des aufgeklärten Absolutismus:

  • Friedrich der Große -> unbegrenzte Herrschaft begrenzt

  • Aufbau einer auf bürgerlich Beamte gestützten leistungsfähigen Staatsverwaltung

4) Revolutionierung der Denkart

  • Motor nur keine soziale Gruppe (kleine Zahl aus Bürgertum, gebildeter Adel)


    Denken der “Aufklärung”

    Traditionelles, religiöses Weltbild

    Klarheit der eigenen Vorstellung

    Kraft der Vernunft

    -> Bemühung um Erkenntnis der Realität

    -> bürgerliche Opposition: große französische Denkergruppe “Enzyklopädie” (u.a. Rousseau, Kant)

    Kirchendogma

    Bis dahin existierende metaphysisch/philosophische Weltbilder

    Aberglaube/Volksfrömmigkeit

    Illiterale Überlieferung

    -> Adel/Geistliche/ungebildete Gruppen



ZIEL: Befreiung von feudalabsolutistischer Herrschaft

-> Erziehung der Kinder als Voraussetzung des historischen Fortschritts

(Aber: <-> gleichzeitig Unterwerfung durch Disziplinierung und Kontrolle)

Historischer Erziehungsbegriff

Erziehungstheorien der Aufklärung - Kant und Rousseau


Gegenüberstellung von Kant und Rousseau



Rousseau

Kant

Erziehungsziel

Menschlichkeit = Natürlichkeit -> Erziehung zum Menschen

Entfaltung des Menschen, Erreichen menschlicher Bestimmung

-> Kategorischer Imperativ

Erziehungsverständis / Erziehungsprozess

Erziehungsverständis: Negative Erziehung: Ermöglichung der Entfaltung der natürlichen Anlage des Menschen


Jedes Alter mit spezifischer Reife des Denkens -> Kindheit als eigenständige Phase












Entwicklungsstufen im Kind:

Frühe Kindheit bis 12. Jahr: Kind als Sinnwesen und handelndes Wesen

Mittlere/ Späte Kindheit: Kind als denkendes und urteilendes Wesen

Pubertät (ab 15): Kind als fühlendes und liebendes Wesen

“Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das erzogen werden muss” (Kant 1803)


Erziehungsoptimismus:Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht.

“Es ist entzückend, das die menschliche Natur immer besser durch Erziehung werde entwickelt werden […]”

-> Erziehung des Kindes nicht nur zur Anpassung an aktuelle Gesellschaft, sondern zum moralischen Handeln


Entwickliungsstufen:

Wartung (bis 1)

Zucht und Disziplin (bis 6)

Kultivierung (bis 10)

Moralisierung (bis 18)


Erziehungsmittel

“Drei Erziehungsweisen”

Natur, Mensch, Dinge


Grundprinzip: Ermöglichung der Entfaltung der natürlichen Kräfte des Kindes -> Arrangement von Situationen zur Entfaltung von:

Körper und Sinnen in Kindheit

Geist und Urteilskraft im Jugendalter

Leidenschaften in Pubertät

Disziplin -> Bezähmung der Wildheit


Kultivieren -> “beweisen, das man ihm einen Zwang auflegt, der es zum Gebrauche seiner eigenen Freiheit führt, das man es kultiviere, damit es einst frei sein könne…”


Judiziös: Erziehungsplan


Aktuelle Ansätze und Modelle von Erziehung

  1. Erziehung nach Brezinka (1990)

Erziehung als soziale Handlung, Angestrebtes Ergebnis, Versuchscharakter & Förderungsabsicht, Adressat der Erziehung, Subjekte der Erziehung


a) Erziehung als soziale Handlung

  • Handlungsentwurf mit bestimmten subjektiven Sinn, Bedeutung oder Zweck (-> geplant) (Verhalten ist evtl. absichtslos und willkürlich, Erziehung muss nach Brezinka aber zweckgerichtet und mit einer Absicht erfolgen)

  • Handlungsrealisierung (kann auch Unterlassen/Duldung sein)

  • Zielgerichtetheit -> nur Menschen können Erziehende sein

  • subjektive innere Erlebnisse, sowie beobachtbare äußere Verhaltensweisen

  • Ziele und Handlung nehmen Bezug auf andere Menschen

  • soziale Handlung ist nicht gleich soziale Interaktion

b) Angestrebtes Ergebnis: Psychische Dispositionen beeinflussen

  • Psychische Dispositionen = Verhaltens- und Erlebensbereitschaft (-> Persönlichkeit)

  • Ziel d. Erziehung = dauerhafte Veränderung/ Erhaltung der Persönlichkeit des Adressaten in eine bestimmte Richtung

  • Aufbau, Änderung, Erhaltung oder Verhütung von (schon vorhandenen oder noch nicht vorhandenen) Dispositionen durch Lernvorgänge

c) Versuchscharakter & Förderungsabsicht

  • Erfolg und RIchtung der Änderung offen; nicht zwangsläufig erfolgreich

  • Förderung hin zu normativ orientiertem, wertvoll erachteten Soll-Zustand

d) Adressaten der Erziehung

  • Um-/Ver-/Lernen in jedem Alter -> alle Menschen; altersunabhängig

e) Subjekt der Erziehung

  • normalerweise partielles Handlungsgefälle

  • aber: im Prinzip kann jeder, der zu intendierten (d.h. psychische Dispositionen beziehenden) sozialen Handlungen fähig ist, erziehen


Systematische Erziehungswissenschaft (Huschke-Rhein)


Konsulative Erziehungswissenschaft

  • Pädagogik und Beratungswissenschaft

  • In der postmodernen Gesellschaft: Lebenslanges Lernen

  • Bildungs- und Erziehungsbegriff ändert sich, weil Bildungsprozesse nicht mehr linear verlaufen -> Bildung als nicht-linearer, lebenslanger Prozess über Phasen oder Abbrüche, Turbulenzen und Neukonstruktionen

-> Dadurch verändert sich der Erziehungsbegriff: Man kann ihn nicht mehr strikt einer Entwicklungsphase zuordnen!


Ziel der Selbststeuerung:

Für Kinder schon früher möglich durch veränderte Lern- und Lebensumwelt <-> Auch im Erwachsenenalter noch Lernverpflichtungen (kurze Fremdsteuerung, dann wieder Selbststeuerung)

-> Verschwinden des Erwachsenenalters (gibt keinen bildungsbezogenen Endzustand)


Daraus folgt eine Begriffsänderung:

Pädagogik (= Knabenführung, beschränkt auf erste Entwicklungsphase) -> Lebensbegleitungswissenschaft

  • Zunahme der Beratungsaufgaben in der Gesellschaft durch “Enttraditionalisierung” (Alltagshandeln wird weniger durch Traditionen gesteuert)

  • Früher: Erziehungsarbeit war familiär, “unprofessionell”

  • Heute: Professionelle Beratung durch ausdifferenzierte, durchorganisierte pädagogische Systeme (Krippe, Schule, Erwachsenenbildung, ….)

    -> Expansion des pädagogischen Aufgabenfelds

Konsulation…. (Huschke-Rhein)

… im weiteren Sinne:

  • Pädagogische Basisarbeiten (Hilfe, Förderung, Unterstützung)

  • Kurative Leistungen

  • Instituelle Angebote der Einrichtung

… im engeren Sinne:

  • = “erwachsene” Form

  • Hier ergreift der Ratsuchende selbst die Initiative

  • Der Ratsuchende befindet sich auf einer vergleichbaren sprachlichen Ebene

  • Es gibt aber ein Erfahrungsgefälle


-> Bildungsbegriff schließt persönliche Weiterbildung ein

-> Nicht erwartbare, non-lineare Phasen gehören nach systematischer Auffassung zur normalen Entwicklung dazu

-> Jede Hilfe zur Selbstorganisation = pädagogische Tätigkeit


Theoretische Grundlagen von Erziehung

Werteerziehung

Modell zur Werteerziehung (Multrus 2008)

Drei klassische Werteerziehungsmodelle von Oser / Althoff, in Anlehnung an Kohlberg:

  1. der romantische Ansatz

    • Rousseau’sches Menschenbild: Mensch grundsätzlich gut, negative gesellschaftliche Einflüsse

    • Erziehung = Reifung, Entfaltung angeborener Potenziale

    • Betonung der Persönlichkeit des Kindes

    • Problematik: Es wird leicht das ,was Kinder wollen, mit dem gleichgesetzt, was Kinder sollen

    • Moderner Vertreter: A. A. Neill, Maria Montessori

    • Konsequenz: Werte sind relativ; können nicht nach objektiven Kriterien beurteilt werden

      -> sie sind dann gut, wenn sie vom betreffenden Individuum für gut befunden werden

    • Achtung: Moralerziehung wäre dann unbedeutdend! Verbrecher wie Heiliger können als Vorbild gelten

  2. Der technokratische Ansatz

    • Tradierungsansatz: Tugenden müssen gelehrt und im Kind verankert werden

    • Aufgabe des Erziehers: Übertragung von bewährten Werten auf die nächste Generation

    • Kind als “Tabula Rasa” (vgl. John Locke)

    • Die Schüler müssen die Disziplin der sozialen Ordnung lernen, internalisieren, mittels

      -> Instruktion (Belehrung),

      -> Verstärkung (Nachahmung)

    • Verstärkung (durch Belohnung und Strafe) und

      -> Übung

    • Positiv: klare Inhalte sind vorgegeben, Wissen wird so überprüfbar, Rückgriff auf tradierte Werte

    • Negativ: Wissen ist nicht gleich Überzeugung! Begründete Überlegungen weniger gefragt, weniger moralische Urteilsfähigkeit und Selbstreflexion, Vorwurf: Indoktrination

  3. Der entwicklungsfördernde / progressive Ansatz

    • Orientierung an der kognitiv-konstruktivistischen Entwicklungspsychologie

    • Vertreter u.a. Kohlberg

    • Behandlung von realen und fiktiven Dilemmastiuationen im Unterrichtu nd Diskussion über das Für und Wider von Vorschlägen zur Lösung dieser Dilemmata

    • Auffassung: Kind entwickelt sich durch die aktive Auseinandersetzung mit seiner Umwelt

    • Aufgabe des Erziehers: Bedingung dafür schaffen

    • Entwicklungsförderung nach Kohlbergs Stufenmodell der moralischen Entwicklung

    • Berücksichtigung von unterschiedlichem Entwicklungstempo

    • Positiv: Demokratieerziehung durch Diskurs-Konzept und Berücksichtigung der Entwicklungsstufen; Training moralischer Urteilsfähigkeit -> Erziehung zur Mündigkeit; Reflexion und nicht die Übernahme von Werten im Zentrum

    • Negativ: Verbindung von Einsicht und Handeln nicht immer gegeben, sehr theoretisch, argumentativ und kognitiv -> Handlungsorientierung / Alltagsanwendung fehlt.


Theoretische Grundlagen von Erziehung

Erziehungsziele

  1. Legitimiation von Erziehungszielen (nach Weber, 1999)

    -> Legitimationskonzepte


a) Normative Legitimation

= von obersten religiösen/politischen/weltanschaulichen Grundüberzeugungen alle untergeordneten Teilziele abgeleitet/legitimiert

Beispiele: vom Vatikan prpagiertes Ziel der Enthaltsamkeit, Menschenrechte

Kritik:

-> vage und vieldeutig -> unterschiedliche Auslegung

-> keine neuen Erkenntnisse, weil deduktiv

-> keine sichere, vollständige, eindeutige deduktiv-normative Legitimation möglich


b) Verfahrenslegitimation (Luhmann)

= Verzicht auf nicht erreichbare Normen, durch Beratungs-; Entscheidungsverfahren

nach formal-verfahrensrechtlichen Krititerien bestimmt, legitimiert, weil Resultate von Instutitionen

Beispiele: Lehrpläne, Menschenrechte

Kritik: -> Inhalt kann problematisch sein (absichtlich oder unabsichtlich)


c) Diskursive Legitimation (Habermas)

= in herrschaftsfreien Diskusionen wird durch argumentatives Überzeugen ein allgemeiner und ungezwungener Konsens erreicht

Beispiel: Regeln, die von Klasse selbst erarbeitet wurden

Kritik:

-> setzt symmetrische, ideale Sprechsituation, Beteiligung aller Betroffenen, unbegrenzte Zeit voraus = utopisch aber so gut wie möglich anszustreben

-> Fähigkeit vorausgesetzt, die durch Sozialisation und Erziehung geschaffen

-> oftmals kein Konsens möglich -> keine unendliche Diskussion möglich -> Kompromiss oder Konflikt

-> Emotionalität und Voltunationalität kaum berücksichtigt - eher kognitiv


-> Kombination der Legitimationskonzepte, weil…

  • …inhaltlicher Bezugspunkt nötig

  • …muss Berufungsmöglichkeit geben (als Verweis auf Menschenrechte)

    -> Jedes Erziehungsziel sollte auf allen drei Ebenen legitimierbar sein



Theoretische Grundlagen von Erziehung

Erziehungsziele


  1. Beispiele für oberste Zielvorstellung und Zielformen (nach Weber 1999)

    1. Emanzipation als Erziehungsziel


Begriffe:

  • gesellschaftlich-politisch: Befreiungsbewegung für Abbau der Benachteiligung/Bevormundung bestimmter Gesellschaftsgruppen

  • personal-pädagogisch: Bemühung individueller Subjekte selbstständig und unabhängig zu werden etc.

“Emanzipation” hat “Mündigkeit” und “Bildung” weitgehend verdrängt

-> Zusammenhang Erziehung-Gesellschaft-Politik gerecht werden (Weber 1999)


a) Mollenhauer (1968)

  • Emazipation heißt “die Befreiung der Subjekte - in unserem Fall der Heranwachsenden in dieser Gesellschaft - aus Bedingungen, ihre Rationalität und das mit ihr verbundene gesellschaftliche Handeln beschränken”

  • Emanzipatorische Erziehung soll vor allem dysfunktional und kritisch sein -> Konfliktsituationen bewusst machen, demokratische Regelung anstreben

  • Emanzipation = pädagogischer Prozess UND pädagogische Leitidee

  • Erziehung und Bildung haben Zweck in der Mündigkeit und in der Veränderung gesellschaftsbedingter Lebensverhältnisse

b) Klafki (1970/71)

  • Erziehungswissenschaft als “Kritische Erziehungstheorie” -> Erziehungswissenschaft als Gesellschaftskritik

  • Emanzipation = Befreiung oder Entlassung aus einer Abhängigkeit in die Selbstständigkeit, Eigenverantwortlichkeit

c) Giesecke (1971)

  • Kritisch-emanzipatorische Pädagogik

  • mehr an wirklichkeitsnahen Emanzipationszielen orientiert

  • Grundgedanke: emanzipatorische Erziehung -> Sozialisationszwänge erkennen und abbauen (Bsp.: Konsumkritik, Hartz 4 Falle)

  • Emanzipation -> Ablösung aus Abhängigkeit, sofern als Übel erlebt -> Verursachungszusammenhänge erkennen

  • Emanzipation hat Prozesscharaker (unabschließbarer Lernvorgang) (vgl. Giesecke 1969)

  • vereint politische und pädagogische Dimension durch gemeinsames Ziel der Demokratisierung der Gesellschaft

Kritik an Emanzipation als Erziehungsziel

Einseitige Emanzipation nicht als vorrangiges Ziel von Erziehung, Mündigkeit und Bildung mit einbeziehen

  1. nicht Verzicht auf alle Bindungen -> reflektierte, autonome Verbundenheit (Freiheit als Verbundenheit)

  2. Emanzipation als Erziehungsziel meist negativ forumliert als “Befreiung von”, aber nicht als “Befreiung zu”

  3. nicht Erziehung zur Kritik und antiautoritärem Wiederstand, sondern zur emanzipatorischen Autorität mit Ziel der Selbstaufhebnung



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Sarah Katharina Julia F.

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